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LG Essen: Keine Disziplinierung durch Haftbefehl

Was immer wieder übersehen wird:  Der Haftbefehl nach den §§ 230 Abs. 2, 236 StPO erfüllt im Strafbefehlsverfahren nicht den Selbstzweck, den Ungehorsam des Angeklagten zu ahnden. Vielmehr soll er (nur) die Durchführung der Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der Aufklärungspflicht und der gestalterischen Vorstellungen des Tatrichters sichern – so das LG Essen jetzt in einem Beschluss vom 13.10.2009 – 51 Qs 86/09.

Ein Haftbefehl im Strafbefehlsverfahren ist danach daher unverhältnismäßig, wenn das Gericht die Hauptverhandlung trotz Nichterscheinens des Angeklagten ohne gravierende Einbußen der Wahrheitsfindung durchführen kann. Dabei sind auch die Umstände, die der Zumutbarkeit des Erscheinens des Angeklagten entgegenstehen, zu berücksichtigen.

Interessante Entscsheidung zu einer Problematik, in deren Bereich in der Praxis immer wieder Fehler gemacht werden.

U-Haft: Teufelskreis?

Jeder Verteidiger in Haftsachen kennt das Problem: Der Mandant wird am Anfang des Verfahrens in U-Haft genommen, dann wird im weiteren Verlauf der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Das Problem, das dann entsteht ist: Wie lässt sich für den Fall der Verurteilung eine Invollzugsetzung des Haftbefehls verhindern? Man ist zwar von der Unschuld des Mandanten überzeugt, man merkt aber in der Hauptverhandlung, dass der Wind aus einer anderen Richtung bläst. Also berät und belehrt man den Mandanten, dass er mit einer Verurteilung rechnen muss, obwohl man von der Unschuld überzeugt ist. Der Mandant kommt auch weiterhin zur Hauptverhandlung. Dann wird er verurteilt: 6,5 Jahre und natürlich wird der Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt. Fluchtgefahr wegen der hohen Strafe und der Hinweis darauf, dass das Schreiben an den Mandanten, in dem man auf die Verurteilungsgefahr hingewiesen habe, „keinen Beleg dafür [sei], dass er tatsächlich mit einer Verurteilung und einer solchen Strafe rechnete, wenn dies schon sein Verteidiger bis nach Ende der Beweisaufnahme nicht tat“. Und: „Jedenfalls widerspricht dieses Schreiben „dem gesamten Einlassungs- und Verteidigungsverhalten des Angeklagten und den Darlegungen seines Verteidigers …..“ So ausgeführt im Beschluss des OLG München v. 07.09.2009 – 3 Ws 745/09.

Da fragt man sich, was soll ich eigentlich als Verteidiger noch tun. Weise ich den Mandanten nicht auf die Verurteilungsgefahr hin, wird mir/ihm entgegengehalten, er habe die Verfahrenssituation nicht gekannt, weise ich ihn auf den „stürmischen Wind“ aus der Kammer hin, dann heißt es (verklausuliert): Alles nur vorgeschoben, um argumentieren zu können…

Man nennt so etwas wohl Teufelskreis.