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Mord I: Durch Tötung Versorgung in der JVA angestrebt, oder: Mord aus Habgier?

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Heute dann StGB, und zwar drei Entscheidungen zum Mord (§  211 StGB).

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 19.05.2020 – 4 StR 140/20. Der ist schon etwas älter, ich habe ihn leider immer wieder übersehen. In dem Beschluss befasst sich der BGH mit der Frage beschäftigen, ob das Mordmerkmal der Habgier auch dann erfüllt ist, wenn ein Angeklagter eine schwere Straftat begeht, um eine staatliche Versorgung in einer JVA zu erhalten.

Das LG hatte das bejaht, der BGH hat sich dem angeschlossen:

„2. Das Landgericht hat das Mordmerkmal der Habgier zutreffend bejaht.

a) Habgier bedeutet ein Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen, das in seiner Hemmungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit das erträgliche Maß weit übersteigt und das in der Regel durch eine ungehemmte triebhafte Eigensucht bestimmt ist (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 1957 . 1 StR 435/57, BGHSt 10, 399; vom 2. September 1980 . 1 StR 434/80, BGHSt 29, 317 ff.; und vom 22. Januar 1981 . 4 StR 480/80, NJW 1981, 932). Voraussetzung hierfür ist, dass sich das Vermögen des Täters . objektiv oder zumindest nach seiner Vorstellung . durch den Tod des Opfers unmittelbar vermehrt oder dass durch die Tat jedenfalls eine sonst nicht vorhandene Aussicht auf eine Vermögensvermehrung entsteht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 1993 . 1 StR 49/93, BGHR § 211 Abs. 2 Habgier 4).

b) Diese Voraussetzungen sind nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erfüllt.

Nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten war die Tatbegehung allein auf eine langfristige Versorgung durch eine staatliche Einrichtung und damit auf eine Verbesserung seiner Vermögenslage im Sinne eines rücksichtslosen Gewinnstrebens ausgerichtet. Der Annahme der Habgier stehen die mit der erstrebten Inhaftierung verbundenen persönlichen Einschränkungen des Angeklagten nicht entgegen, weil diese in seiner Vorstellung nur eine untergeordnete Rolle spielten und der angestrebte Vermögensvorteil für den Angeklagten das maßgebliche Tatmotiv war.

Für die Annahme einer Tötung aus Habgier ist ferner unerheblich, dass der erstrebte Vermögensvorteil nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Opfers stammen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2004 . 5 StR 281/03). Ebenso steht einem Mordversuch aus Habgier nicht entgegen, dass der Angeklagte eine staatliche Versorgung auch auf legale Weise durch Beantragung von Sozialleistungen hätte erreichen können. Einen funktionalen Zusammenhang zwischen Tötung und Vermögensvermehrung in dem Sinne, dass der Angriff auf das Leben aus Sicht des Täters unerlässliches Mittel zur Zielerreichung ist, setzt das Mordmerkmal nicht voraus; entscheidend ist vielmehr die Motivation des Täters (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2004 . 2 StR 391/03, NStZ 2004, 441; MünchKommStGB/Schneider, 3. Aufl., § 211 Rn. 62; Safferling in Matt/ Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 211 Rn. 15).“