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Der BGH und die Affäre Wulff…….oder: Was daraus werden kann, wenn der BGH Einsicht in Grundakten gewährt

Ein Kollege hat mich auf den BGH, Beschl. v. 17.08. 2011 – V ZB 47/11 aufmerksam gemacht. Ich wollte mich schon bedanken, die Mail aber wegdrücken, denn nach dem Aktenzeichen handelt es sich eindeutig um eine zivilrechtliche Entscheidung. Zum Glück (?) hatte der Kollege in seine Mail, dann aber doch noch ein paar weitere Angaben aufgenommen, die dann mein Interesse an dem Beschluss geweckt haben, und zwar:

Vorinstanzen:
AG Burgwedel, Entscheidung vom 28.12.2010 – GB 4291 –
OLG Celle, Entscheidung vom 19.01.2011 – 4 W 12/11 -“  und

„Die Antragstellerin ist Herausgeberin eines Nachrichtenmagazins. Sie hat bei dem Amtsgericht – Grundbuchamt – die Einsichtnahme in das Grundbuch und die Grundakten eines Grundstücks beantragt, welches im Eigentum eines bekannten Politikers und dessen Ehefrau steht. Zur Begründung beruft sie sich auf den Verdacht, den Eheleuten seien für den Erwerb des Grundstücks finanzielle Vergünstigungen durch einen bekannten Unternehmer gewährt worden, und eine hierauf aufbauende journalistische Recherche.“

Danach war ich dann doch sehr interessiert. Denn es dürfte sich bei dem Beschluss um die Entscheidung des BGH über die Einsichtnahme in die Grundakten des Grundstücks des Bundespräsidenten Christian Wulff in Großburgwedel handeln. Dafür spricht einiges. Denn so viele „bekannte“ Politiker, die gemeinsam mit ihrer Ehefrau Eigentümer eines Grundstücks sind, das im AG Bezirk Burgwedel liegt, wird es wohl nicht geben. Und wenn man das dann noch mit dem „Verdacht der finanziellen Vergünstigungen“ kombiniert, ist der Schluss m.E. eindeutig.

Rechtlich kann ich zu der vom BGH angesprochenen Problematik, die das OLG Celle anders gesehen hatte, nichts sagen, finde es aber schon interessant, wenn der BGH formulietrt:

„Vor allem aber obliegt es allein der Antragstellerin, die sich aus dem Grundbuch ergebenden Informationen unter Berücksichtigung des Gegenstands ihrer Nachforschungen einzuordnen und zu bewerten. Eine Beschränkung ihres Einsichtsrechts würde im Ergebnis auf eine Vorauswahl des Grundbuchamts bzw. des Beschwerdegerichts hinsichtlich relevanter und nicht relevanter Eintragungen hinauslaufen. Zu einer solchen Beurteilung sind die Gerichte jedenfalls dann nicht befugt, wenn sich die journalistische Recherche nach dem Inhalt des Gesuchs auf einen Sachverhalt bezieht, der – wie hier – nicht durch eine unmittelbar aus dem Inhalt des Grundbuchs zu erzielende Information zu klären ist. In einem solchen Fall darf das Grundbuchamt der Presse nicht vorschreiben, welche Teile des nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO in seiner Gesamtheit – wenn auch beschränkt durch das Erfordernis eines berechtigten Interesses – der Kenntnisnahme durch Dritte zugänglichen Grundbuchs für die Recherche von Nutzen sein können. Das gebietet neben dem von dem Grundbuchamt zu beachtenden Gebot staatlicher Inhaltsneutralität (vgl. BVerfG, NJW 2001, 503, 506) die besondere Rolle, die der Presse in der freiheitlichen Demokratie zukommt und deren wirksame Wahrnehmung den prinzipiell ungehinderten Zugang zur Information voraussetzt (BVerfGE 50, 234, 240; BGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – VI ZR 30/09, NJW 2011, 755 Rn. 8 [zur Veröff. in BGHZ vorgesehen]).

Aus demselben Grund kommt es entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht darauf an, ob die Einsicht der Antragstellerin die erhofften Informationen verschaffen wird. Das Grundbuchamt hat insoweit lediglich zu prüfen, ob das Rechercheinteresse in einen konkreten Bezug zu dem betreffenden Grundstück steht (BVerfG, AfP 2000, 566, 567). Ist das – wie hier – der Fall, ist die Einsicht geeignet, um dem Informationsanliegen der Presse Rechnung zu tragen. Eine eigene Bewertung, welcher Erkenntniswert den einzelnen Eintragungen zukommt, ist dem Grundbuchamt verwehrt.“

Also: Kein Vorauswahl durch das GBA.

Zum Procedere finde ich es gut, dass der BGH den Beschluss – wie viele andere auch – auf seiner Homepage einstellt. Wenn man die Veröffentlichungen sorgfältiger verfolgt hätte, hätte man schon eher darauf kommen können, dass da „etwas im Busch“ ist. Und der Bundespräsident wusste, dass man „an ihm dran war“. Von daher erstaunt es dann um so mehr, warum er so lange geschwiegen hat. Die Pressemitteilung konnte man längst fertig haben – hatte man wahrscheinlich auch.

Schließlich: M.E. ist es auch zu begrüßen, dass der V. Zivilsenat nicht „eingeknickt“ ist und nicht versucht hat, mit der „Würde des Amtes“ zu argumentieren (wenn das denn überhaupt an der Stelle geht,w as ich nicht beurteilen kann). Denn wie anders als über die Presse sollte man sonst von solchen Dingen erfahren – egal, ob nun zulässig oder nicht (vgl. dazu hier).