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Abkommen von der Fahrbahn infolge ungeklärter Ursache, oder: Vielleicht doch Sekundenschlaf?

entnommen wikimedia.org
Urheber Ulfbastel

Im „Kessel Buntes“ dann heute zwei Entscheidungen zur Haftung nach Verkehrsunfällen.

Ich beginne mit dem OLG Celle, Urt. v. 01.07.2020 – 14 U 8/20. Es ist um die Haftung nach einem Verkehrsunfall infolge  Abkommen von der Fahrbahn gestritten worden. Die Klägerin und die beklagte Versicherung streiten über die Frage, ob der Unfall auf einem grob fahrlässigen Verhalten des bei der Beklagten beklagten Versicherungsnehmer beruht. Der ist vom AG rechskräftig wegen des Unfalls wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung und zu einem zweimonatigen Fahrverbot verurteilt worden. Das Urteil enthält keine Erklärung zum Grad des Fahrlässigkeitsvorwurfs. Der Beklagte war bei Nebel mit einer Geschwindigkeit von ca. 75 km/h von der gerade verlaufenden Fahrbahn abgekommen, in den Gegenverkehr geraten und dort frontal mit einem ihm entgegenkommenden Sattelzug kollidiert, dessen Fahrer – der Zeuge B. – den Unfall unstreitig nicht hatte vermeiden können.

Die Klägerin hat dem Beklagten vorgeworfen, grob fahrlässig gehandelt zu haben, weil er bei einer Sichtweite von maximal 20 m mit unangemessener, erheblich überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei bzw. sehr wahrscheinlich in einen Sekundenschlaf gefallen sei, wobei er vorherige Anzeichen für seine Übermüdung ignoriert gehabt habe. Der Beklagte hat dies bestritten und sein Verschulden als fahrlässig eingestuft. Die Klägerin habe lediglich Spekulationen im Ermittlungsverfahren aufgegriffen, die nicht bewiesen seien. Er sei es gewohnt gewesen, früh aufzustehen und habe ausreichend lang geschlafen gehabt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 203R – 204R d. A.).

Das LG hat die Klage abgewiesen. Dagegen die Berufung, die keinen Erfolg hatte. Das OLG führt zum „Sekundenschlaf aus“:

„Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass vorliegend einiges für einen Sekundenschlaf des Beklagten als Unfallursache spricht, weil er nach den glaubhaften Angaben des Zeugen Bi. ohne zu bremsen oder auszuweichen quasi in Zeitlupe in den Gegenverkehr geraten und dort mit dem vom Zeugen B. gesteuerten Sattelzug kollidiert ist. Hiervon sind Polizei und Staatsanwaltschaft in dem beigezogenen Ermittlungsverfahren ausgegangen. Dass der Beklagte dies akzeptiert hat, verwundert aus strafrechtlicher Sicht nicht: Seine Verantwortung für die Tötung zweier Menschen und die Körperverletzung eines weiteren Mitfahrers sowie seines Unfallgegners konnte er nicht leugnen. Es kam ihm bei seinem Einspruch gegen den Strafbefehl ersichtlich maßgeblich darauf an, erträgliche Rechtsfolgen zu erzielen. Eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe dürfte unabhängig von ihrer genauen Höhe akzeptabel gewesen sein; eine einjährige Sperre für die Fahrerlaubnis jedoch nicht. Sein Einspruch hatte dann auch schließlich den Erfolg, dass die Maßregel auf ein zweimonatiges Fahrverbot reduziert worden ist.

Im Zivilverfahren ist die Frage, ob der Beklagte am Steuer eingeschlafen war, streitig: Zunächst hatte die Klägerin selbst vorgetragen, sie halte den im Ermittlungsverfahren angenommen Sekundenschlaf für spekulativ (Bl. 9 d. A.). Ihre spätere Behauptung, das Vorliegen eines Sekundenschlafs sei sehr wahrscheinlich (Bl. 157, 158, 198, 199 d. A.), hat der Beklagte ausdrücklich bestritten (Bl. 169, 170 d. A.). Auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung am 12. November 2019 hat er erklärt, er glaube nicht, eingeschlafen zu sein (Bl. 175 d. A.). Den Sekundenschlaf des Beklagten muss die Klägerin beweisen. Die Angaben des Zeugen Bi. legen diese Unfallursache nahe, die einzig denkbar mögliche ist es jedoch nicht (siehe oben unter Ziffer 2.).

Aber selbst wenn man mit der Klägerin einen Sekundenschlaf des Beklagten annähme, führte dies – anders als sie meint – nicht ohne Weiteres zur Bejahung grober Fahrlässigkeit. Objektiv dürfte der Beklagte dann zwar grob fahrlässig gehandelt haben. Denn der Bundesgerichtshof hat schon vor Jahren nach sachverständiger Beratung entschieden, nach dem Stand der ärztlichen Wissenschaft bestehe der Erfahrungssatz, dass ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer seines Fahrzeugs während der Fahrt einschlafe (einnicke), stets deutliche Zeichen der Ermüdung (Übermüdung) an sich wahrnehme oder wenigstens wahrnehmen könne. Dies beruht auf der in den berufenen Fachkreisen gesicherten Kenntnis, dass ein gesunder, bislang hellwacher Mensch nicht plötzlich von einer Müdigkeit überfallen wird. [BGH, Beschluss vom 18. November 1969 – 4 StR 66/69 -, Leitsatz und Rn. 38; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 26. Mai 1992 – 8 U 184/91 -; BayOLG, Urteil vom 18. August 2003 – 1 St RR 67/03 -; LG Wiesbaden, Beschluss vom 22. Juni 2015 – 1 Qs 61/15 -, Rn. 16; alle zitiert nach juris].

Für die Annahme eines grob fahrlässigen Verhaltens bedarf es aber auch der Feststellung eines in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoßes gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (siehe oben). Ein leichtes Einnicken (sog. Sekundenschlaf) begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs deshalb nur dann den Vorwurf eines leichtfertigen Handelns, wenn sich der Fahrer bewusst über von ihm erkannte Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt hat [BGH, Urteil vom 31. Februar 2007 – I ZR 166/04 -, MDR 2007, 1383; OLGR Rostock 2009, 115 (117); OLG Koblenz, Beschluss vom 8. Juni 2006 – 10 U 1161/05 -, zitiert nach juris; OLGR Düsseldorf 2000, 144; OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. Oktober 2001 – 1 U 73/01 -, Orientierungssatz und Rn. 10, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Januar 2007 – 10 U 949/96 -, Orientierungssatz und Rn. 14 m. w. N., zitiert nach juris]. Dies muss positiv festgestellt werden. Denn die Regeln des Anscheinsbeweises gelten insoweit nicht [BGH, Urteil vom 21. März 2007 – I ZR 166/04 -, Leitsatz und Rn. 20 m. w. N.; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juli 2005 – 7 U 51/05 -, Orientierungssatz und Rn. 3 und 4; OLG Celle, Urteil vom 3. Februar 2005 – 8 U 82/04 -, Rn. 6 m. w. N.; alle zitiert nach juris]. Im Falle des Abkommens von der Fahrbahn, dessen Gründe nicht geklärt sind, ist nicht stets ein grob fahrlässiges Verhalten anzunehmen [OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juli 2005 – 7 U 51/05 -, Orientierungssatz; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 375/08 -, Orientierungssatz und Rn. 57; beide zitiert nach juris]. Ein Sekundenschlaf kann „einfach fahrlässig“ nicht vorhergesehen worden sein [OLG Celle, Urteil vom 3. Februar 2005 – 8 U 82/04 -, Rn. 6 m. w. N.; zitiert nach juris], weil objektiv vorhandene Übermüdungserscheinungen häufig subjektiv nicht wahrgenommen werden [nach sachverständiger Beratung: Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 15. September 2009 – 4 U 375/08 -, Rn. 57; zitiert nach juris].

Vorliegend lässt sich nicht aufklären, ob der Beklagte objektive Übermüdungsanzeichen ignoriert oder sich bewusst hierüber hinweggesetzt hat. Er selbst bestreitet, überhaupt eingeschlafen zu sein. Ferner hat er erklärt, ca. 10 Minuten vor dem Unfall habe er sich noch mit seinem Beifahrer unterhalten gehabt, das Radio sei gelaufen und er sei es gewohnt gewesen, früh aufzustehen (Bl. 175 d. A.). Der einzige Beifahrer, der den Unfall überlebt hat, ist der Versicherungsnehmer der Klägerin; dieser hat ausweislich seiner Angaben gegenüber der Polizei am 14. April 2016 (Bl. 47 d. BA) hinter dem Beklagten gesessen und geschlafen. Deshalb ist auszuschließen, dass er Angaben zu dem subjektiven Empfinden des Beklagten zu seinen etwaigen Übermüdungserscheinungen machen kann. Unter diesen Umständen kann sich der Senat nicht die gemäß § 286 ZPO unter Ausschluss jeden vernünftigen Zweifels erforderliche Überzeugung bilden, der Beklagte habe den Unfall auch subjektiv grob fahrlässig verursacht, weil er unter Missachtung von objektiv vorhandenen Übermüdungserscheinungen eingeschlafen sei. Insoweit bleibt auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte auf die Gegenfahrbahn geraten sein könnte, weil er infolge der Fahrbahnsenke sowohl die Lichter aus dem Gegenverkehr als auch die Rückleuchten der vorausfahrenden Fahrzeuge aus den Augen verloren haben und kurzzeitig orientierungslos gewesen sein könnte. Dies wäre gleichfalls nicht völlig unentschuldbar.

Anders als die Klägerin meint, spricht auch die Dauer des Sekundenschlafs vorliegend nicht für einen subjektiv unentschuldbaren Sorgfaltsverstoß. Denn die Strecke, die der Beklagte bis zur Kollision mit dem Lkw auf der Gegenspur zurückgelegt hat, war bei einer zweispurig ausgebauten Landstraße kurz. Der Beklagte hat lediglich eine Fahrbahnhälfte gekreuzt. Eine andere Bewertung des Grades des Fahrlässigkeitsvorwurfs ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat den Sachverhalt im Rahmen des § 110 SGB VII zu prüfen hat. Bei der Beurteilung eines Verhaltens als grob fahrlässig kommt es nach Auffassung des Senats nicht darauf an, innerhalb welcher Anspruchsgrundlage dies geschieht. Entscheidend ist vielmehr, wie das Verhalten nach den Anforderungen des jeweils maßgeblichen Verkehrs zu beurteilen ist. Hierzu hat der Senat die vorstehend zitierte Rechtsprechung zum Sekundenschlaf im Straßenverkehr umfassend ausgewertet und den streitgegenständlichen Sachverhalt unter Berücksichtigung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze subsumiert. Dem steht die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 2001 – VI ZR 49/00 –, NJW 2001, 2092 – 2094 nicht entgegen. Denn hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung zu Unfallverhütungsvorschriften, die mit dem streitgegenständlichen Fall in keiner Hinsicht vergleichbar sind.“

Gebrauchwagenkauf vom gewerblichen Händler, oder: Welche Nachforschungspflichten bestehen?

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Und als zweite Entscheidung am heutigen Samstag dann der OLG Braunschweig, Beschl. v. 02.01.2019 – 9 U 32/18. Problematik: Gutgläubiger Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs bzw. die Frage: Wann handelt ein Erwerber grob fahrlässig i.S. des § 932 Abs. 2 BGB. Das ist eine der Fragen, die man im Studium „rauf und runter deklinieren“ konnte und die einem dann in der Praxis dann doch eher selten begegnet (ist). Jedenfalls war das bei mir der Fall.

Dazu das OLG:

„Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter grober Fahrlässigkeit wird im Allgemeinen ein Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 119/79 -, juris Rz. 22 = BGHZ 77, 274, 276; Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 -, juris Rz. 11). Beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs begründet der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen des gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 VI FZV bzw. früher den Kraftfahrzeugbrief (§ 25 IV S. 2 StVZO a.F.) vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 -, juris Rz. 13; Urt. v. 13.09.2006 – VIII ZR 184/05 -, juris Rz. 17; Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95 -, juris Rz. 7, m.w.N.). Denn es muss in der Regel Argwohn erwecken und zu weiteren Nachforschungen Anlass geben, wenn der Veräußerer entweder den Kraftfahrzeugbrief nicht vorlegen kann oder wenn sich aus diesem ein vom Veräußerer personenverschiedener Halter ergibt (BGH, Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93 -, juris Rz. 19). Sinn und Zweck der Zulassungsbescheinigung Teil II bzw. früher des Fahrzeugbriefs besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 -, juris Rz. 14). Diese Prüfungen hat der Erwerber jedenfalls vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen. Kommt der Erwerber dieser Obliegenheit nach und liegen auch keine anderen Verdachtsmomente für ihn vor, treffen ihn keine weiteren Nachforschungspflichten (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 -, juris. Rz. 14).“

Und dann setzt sich das OLG mit fünf Punkten auseinander, woraus man ableiten kann, worauf es ankommen kann. Nämlich:

(1) Den Beweis, dass es der Zeuge F. unterlassen hat, sich die Zulassungsbescheinigung Teil II anzusehen, hat die Beklagte nicht erbracht. Vielmehr ist das Landgericht nachvollziehbar zu der Feststellung gelangt, dass sich der Zeuge F., die Zulassungsbescheinigung Teil II angesehen hat……

(2) Aus dem Umstand, dass die Streitverkündete nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen war, ergab sich keine weitergehende Nachforschungspflicht der Klägerin bzw. des Zeugen F..

Zwar muss demjenigen, der von einer Privatperson einen Gebrauchtwagen erwirbt, die nicht als Halter im Fahrzeugbrief ausgewiesen ist, sich der – eine Nachforschungspflicht auslösende – Verdacht aufdrängen, dass der Veräußerer auf unredliche Weise in den Besitz des Fahrzeugs gelangt sein könne (BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457). Das gilt aber nicht für solche Fälle, in denen – wie hier – ein gebrauchtes Fahrzeug von einem Händler in dessen Geschäftsbetrieb erworben wird und dabei der Kraftfahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II samt allen sonstigen Unterlagen übergeben wird (vgl. BGH NJW 1975, 735; NJW-RR 1987, 1456, 1457; NJW 1992, 310). Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs von einem Kfz-Händler reicht allein dessen fehlende Eintragung im Kfz-Brief zur Begründung der Bösgläubigkeit nicht aus, weil es nicht ungewöhnlich ist, dass ein Autohändler ein gebrauchtes Fahrzeug ohne vorherige Umschreibung verkauft (OLG Köln, Urt. v. 21.02.1996 – 6 U 167/94, Rn. 12; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.02.2009 – I-11 U 24/08, Rn. 12, jeweils zitiert nach juris). Zum einen bringt es dem Kfz-Händler nichts, den Aufwand seiner eigenen Eintragung als Halter auf sich zu nehmen; zum anderen ist zu berücksichtigen, dass ein Fahrzeug nach der Verkehrsanschauung umso mehr an Wert verliert, je mehr Eigentümer in den Fahrzeugpapieren eingetragen sind (OLG Stuttgart, Urt. v. 27.02.2013 – 3 U 140/12, Rn. 2; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

(3) Auch der Verkaufspreis von 15.500,00 Euro hatte keine weiteren Nachforschungspflichten für die Klägerin bzw. den Zeugen F. zur Folge. Dies gilt unabhängig davon, ob der von der Beklagten behauptete Marktwert von 32.100,00 Euro brutto zutreffend ist.

(4) Auch die konkreten Merkmale der Zulassungsbescheinigung waren nicht geeignet, eine Bösgläubigkeit der Klägerin bzw. des Zeugen F. zu begründen. Dies ist bei einer gefälschten Zulassungsbescheinigung nur dann anzunehmen, wenn sie als solche deswegen leicht durchschaubar ist (vgl. MüKo/Oechsler, BGB, § 932, Rn. 56). Dies war vorliegend nicht der Fall…..

(5) Der Umstand, dass ein Kfz-Händler – wie hier die Streitverkündete – drei ähnliche junge gebrauchte Fahrzeuge zum Verkauf angeboten hat, kann verschiedene unverfängliche Gründe haben und muss mithin bei einem Kunden eines Gebrauchtwagenhändlers ohne Weiteres keinen Verdacht aufkommen lassen……

 

Unfallursache: Querender Fuchs oder Alkohol?, oder: Egal, auf jeden Fall grob fahrlässig

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Schon etwas älter ist das LG Saarbrücken, Urt. v. 06.09.2018 – 14 O 162/17, das ich heute zunächst im „Kessel Buntes“ vorstelle. Die Verkehrssituation, die dem Urteil zugrunde liegt, ist sicherlich häufiger anzutreffen. Der Kläger macht nämlich gegenüber seiner Vollkaskoversicherungsvertrag Ansprüche geltend, die aus einem Verkehrsunfall mit seinem dort versicherten Pkw herrühren. Der Kläger hatte bei einer Fahrt auf einer Landstraße die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war damit gegen einen Baum gefahren. Der Kläger hat für den „Kontrollverlust“ das plötzliche Queren der Fahrbahn durch einen Fuchs angeführt, dem er ausgewichen ist. Die Versicherung sieht die Unfallursache in einer Alkoholisierung des Klägers; eine Blutprobe hatte zwei Stunden nach dem Unfall noch eine BAK von 1,57 Promille. Das LG hat die Klage abgewiesen, es hat den Grund für den Unfall offen gelassen und meint: Egal, welche der beiden potentiellen Ursachen Unfallursache gewesen ist: Es liegt immer grobe Fahrlässigkeit vor, die zum Leistungsausschlu führt.

Hier dann die Leitsätze der Entscheidung:

1. Kommt es in Folge eines Ausweichmanövers, dass der Fahrzeugführer einleitet, um bewusst einem Fuchs auszuweichen, zu einer Beschädigung seines Fahrzeugs, so kann eine Leistungskürzung nach §§ 90, 83 Abs. 1, 81 Abs. 2 VVG auf null in Betracht kommen. Ein willentliches Ausweichen vor einem solch kleinen Tier stellt in der Regel ein grob fahrlässiges Fehlverhalten dar. In die Bemessung der Leistungskürzung sind auch die Größe des PKW – hier ein SUV – und das damit einhergehende Schadenrisiko bei der Kollision mit dem Fuchs miteinzubeziehen.
2. Eine vollständige Leistungskürzung wegen grober Fahrlässigkeit kommt insbesondere auch dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall dadurch grob fahrlässig herbeiführt, dass er sein Fahrzeug trotz absoluter Fahruntüchtigkeit (hier: Blutalkoholkonzentration von 1,57‰) im Verkehr geführt hat.
3. Kommen als alternative Geschehensabläufe nur die Verursachung eines Unfalls durch das Ausweichen vor einem Fuchs oder aufgrund des Fahrens im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit in Betracht und ist in beiden Fällen die Rechtsfolge eine Leistungsreduzierung auf null, so kann die tatsächliche Verursachung dahinstehen.

Die (zu) späte Nachtrunkbehauptung, oder: Dann gibt es keine Entschädigung

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Die letzte Entscheidung kommt heute aus dem Saarland. Es ist der LG Saarbrücken, Beschl. v. 05.06.2018 – 8 Qs 38/18, ergangen zu einer Entschädigungsfrage nach dem StrEG. Es geht mal wieder um die Versagung einer Entschädigung wegen grober Fahrlässigkeit (§ 5 Abs. 2 StrEG), und zwar nach einem Verfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt. Der Beschuldigte war zwei Stunden nach der ihm vorgeworfenen Trunkenheitsfahrt von Ermittlungsbeamten in seiner Wohnung angetroffen worden. Diesen gegenüber hatte er nach Belehrung angegeben, das Fahrzeug geführt zu haben, weiter hatte er sich nicht geäußert. Die erste daraufhin abgenommene erste Blutprobe ergab einen Wert von 1,56 Promille, eine zweite ca. 30 Minuten später 1,42 Promille. Im Rahmen einer später über seine Verteidigerin erfolgten Einlassung gab der Betroffene an, er habe nach seiner Rückkunft in seiner Wohnung „mindestens fünf Flaschen dunkles Kellerbier à 0,5 l und mindestens zwei gut gefüllte Gläser Rotwein getrunken. Diese Angaben wiederholte er im Rahmen der mündlichen Hauptverhandlung. Das AG hat ihn frei gesprochen und später festgestellt, dass der Beschuldigte auf Grund der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz zu entschädigen sei. Das LG hat auf die Beschwerde der StA eine Entschädigung versagt.

„Der ehemals Beschuldigte hat vorliegend grob fahrlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 StrEG gehandelt, da er in ungewöhnlichem Maße die Sorgfaltspflicht außer Acht ließ, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen (vergleiche zum Begriff der „groben Fahrlässigkeit“ BGH, Beschluss vom 17.07.1974, Az.: 2 StR 92/74, BeckRS 1974, 00116). Maßgeblich war dabei auf den Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme abzustellen (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 60. Aufl. 2017, Anh 5 StrEG, § 5, Rn. 10).

Der ehemals Beschuldigte hat vorliegend nach Belehrung über den Tatvorwurf der Trunkenheit im Verkehr Angaben gemacht, die den gegen ihn bestehenden Tatverdacht entscheidend erhärteten. Denn er hat gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten die in Rede stehende Fahrt zugestanden und seine Fahrereigenschaft ausdrücklich eingeräumt. Erst mit Schriftsatz vom 30.08.2017, mithin rund sechs Monate nach dieser Einlassung, ließ er über seine Verteidigerin den Nachtrunk vortragen, der letztlich zu dem freisprechenden Urteil führte. Das bloße Verschweigen des Nachtrunks wäre unter Umständen dann unschädlich gewesen, hätte sich der ehemals Beschuldigte überhaupt nicht zur Sache geäußert (§ 5 Abs. 2 S. 2 StrEG). Das hat er hingegen nicht getan, vielmehr hat er mit seiner teilgeständigen Einlassung zur Untermauerung des bestehenden Tatverdachts in erheblichem Maße beigetragen. Ein verständiger Mensch in der Situation des ehemals Beschuldigten hätte den Polizeibeamten, die bei ihm in direktem zeitlichem Zusammenhang mit der vorgeworfenen Tat erschienen waren, ohne schuldhaftes Zögern auch mitteilen können, dass umfangreicher Nachtrunk gehalten wurde (Geppert in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 69, Rn. 208; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.09.1977, Az.: 4 Ws 118/77, NJW 1978, S. 1017; zur Frage der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 2 StrEG bei nicht sachgerechten Mitwirkung des Beschuldigten an einem Alkoholtest (bejahend): LG Passau, Beschluss vom 17.12.1985, Az.: 1 Qs 197/85, JurBüro 1986, S. 1218). Denn das Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände durch einen – wie hier – jedenfalls teilweise aussagebereiten Beschuldigten führt zur Versagung einer Entschädigung, wenn der Umstand dem Beschuldigten bekannt war und es sich um einen für seine Verteidigung wesentlichen entlastenden Punkt handelte, wie dies beim Verschweigen eines Nachtrunkes bei einem teilweise aussagewilligen Beschuldigten in aller Regel zu bejahen ist. Hat sich daher ein der Trunkenheit am Steuer verdächtiger Beschuldigter teilweise zur Sache eingelassen, dabei aber einen ihn entlastenden Nachtrunk verschwiegen, hat er die daraufhin gegen ihn angeordnete Führerscheinmaßnahme in grob fahrlässiger Weise selbst verursacht, sodass er demzufolge bereits nach § 5 Abs. 2 S. 1 StrEG kraft Gesetzes von einer Entschädigung ausgeschlossen ist (Geppert, a.a.O., OLG Frankfurt am Main, a.a.O.).

Es besteht vorliegend auch kein Anlass zu der Annahme, dass der ehemals Beschuldigte zu einer entsprechenden Mitteilung aufgrund seiner körperlichen oder geistigen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen wäre oder, dass er nicht merkte, durch sein Verhalten den gegen ihn gerichteten Tatverdacht zu erhärten.

Der Hinweis auf den Nachtrunk hätte das Ergebnis der Blutprobe, das maßgeblich zur Begründung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der Beschlagnahme des Führerscheins herangezogen wurde, in einem anderen Licht erscheinen lassen.“

Na ja, ich habe auf den ersten Blick Zweifel, ob die Zahlen überhaupt passen 🙂 . Aber das wird die Verteidigerin schon ausgerechnet haben. Allerdings ist eine Nachtrunkbehauptung nach anwaltlicher Beratung nie schön….. Nachtrunk wendet man besser sofort ein.

Falsches Geständnis ist „grob fahrlässig“, oder: Keine Entschädigung im Bonner „Mord ohne Leiche“-Fall

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Ich erinnere: In Bonn hat es ein „Mordverfahren“ gegeben, das unter dem Begriff „Mord ohne Leiche“ bekannt geworden ist. Das LG Bonn hatte den ehemaligen Angeklagten zunächst wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Der BGH hat das Urteil dann im BGH, Beschl. v. 27.10.2015 – 2 StR 4/15 aufgehoben (vgl. dazu mein Posting Mord ohne Leiche, oder: Weiterer Sex nur bei Geständnis). Mit LG Bonn, Urt. v. 21.12.2016 – 21 Ks 2/16, 920 Js 887/12 – ist der Angeklagte dann frei gesprochen worden. Eine Entschädigung nach dem StrEG ür die vom 31.08.2013 bis zum 16.03.2016 erlittene Untersuchungshaft hat das LG wegen grob fahrlässiger Verursachung seiner Inhaftierung durch ein Eingeständnis der Tötung seiner Ehefrau gegenüber einer Zeugin abgelehnt. Das OLG Köln hat das im OLG Köln, Beschl. v. 03.05.2017 – 2 Ws 237/17 – gehalten. Seine Begründung stützt das OLG auf „eigenes Verschulden“/grob fahrlässiges Verhalten.

Und zwar: Der ehemalige Angeklagte habe selbst zumindest grob fahrlässig die Ursache für seine Inhaftierung gesetzt, indem er im Juli 2013 – wahrheitswidrig – der ihn insistierend zum Verschwinden seiner Ehefrau befragenden Zeugin erklärte, er habe seine Frau erwürgt und ihre Leiche zerstückelt und in der Folgezeit über mehrere Wochen hinweg auf hartnäckiges Befragen der Zeugin weitere Details zum Tatablauf schilderte. Dieses Verhalten sei war nicht ausschließlich, jedoch entscheidend für die Annahme des dringenden Tatverdachts durch die Ermittlungsbehörden gewesen.

Und: Der ehemalige Angeklagte habe auch grob fahrlässig gehandelt

„Entgegen der Ansicht des früheren Angeklagten handelte er auch grob fahrlässig. Der Freigesprochene hat die Untersuchungshaft dann zumindest grob fahrlässig verursacht, wenn er nach objektiven, abstrakten Maßstäben in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, indem er schon einfachste naheliegende Überlegungen anzustellen versäumt oder dasjenige nicht bemerkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, und so die Maßnahme „geradezu herausfordert“ (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 11.01.2012, 2 Ws 351/11, NStZ-RR 2013, 192).

Das Verhalten des früheren Angeklagten erfüllt diese Voraussetzungen.

Aufgrund der gegen ihn bereits angeordneten Ermittlungsmaßnahmen, der Heimunterbringung seines Kindes und seines Umzuges zu den Eltern nach C war ihm bewusst, dass er aus Sicht der Ermittlungsbehörden jedenfalls im Sinne eines Anfangsverdachtes verdächtig war, seine Ehefrau getötet zu haben. Ihm musste daher bewusst gewesen sein, dass seine Angaben gegenüber der Zeugin B, mit denen er sich selbst der vorsätzlichen Tötung seiner Ehefrau bezichtigte und detaillierte Ausführungen zum Tatgeschehen und zur Beseitigung der Leiche machte, den gegen ihn bereits bestehenden Anfangsverdacht zu einem dringenden Tatverdacht verstärken und den Erlass eines Haftbefehls gegen ihn rechtfertigen würden.

Der frühere Angeklagte durfte auch nicht darauf vertrauen, dass seine Selbstbezichtigung gegenüber der Zeugin B den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Kenntnis gelangen würde. Es kann dabei dahinstehen, ob das zwischen der Zeugin B und dem früheren Angeklagten aufgezeichnete Gespräch vom 30.08.2013 im Rahmen der vorliegenden Entschädigungsentscheidung berücksichtigt werden darf. Jedenfalls aus den weiteren, für den Senat bindenden Feststellungen des Urteils folgt, dass dem früheren Angeklagten hätte einleuchten müssen, dass die Schilderung von Einzelheiten eines Kapitaldelikts zum Nachteil seiner Ehefrau im Ergebnis bekannt werden und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihn auslösen würde. Nach den getroffenen Feststellungen hat die Zeugin B mit ihm im Juni 2013, nur zwei Monate nach dem sich beide kennengelernt hatten, gemeinsam die Strafakten gelesen und ihm – auch unter Hinweis auf seine Tätigkeit beim Sicherheitsdienst – dauernd vorgehalten, dass er mit der Tötung seiner Ehefrau etwas zu tun habe. Deshalb habe es zwischen ihnen auch „Stress“ gegeben. Die „ganze Fragerei“ und die Sache mit „Allmysterie“ – eine von der Zeugin B häufig besuchte Internetplattform, die sich mit ungeklärten Kriminalfällen befasst, auch dem Verschwinden von T E – seien ihm schon komisch vorgekommen. Es hätte sich dem früheren Angeklagten vor diesem Hintergrund und der von der Kammer geschilderten Persönlichkeit der Zeugin B, deren Leben das Zusammensein mit dem früheren Angeklagten eine besondere Bedeutung verlieh (Seite 33, 2. Absatz UA), aufdrängen müssen, dass die Zeugin B seine Selbstbezichtigung nicht für sich behalten würde. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift kommt es dabei auch nicht darauf an, ob der frühere Angeklagte nicht davon ausgegangen ist, dass die Zeugin B sich persönlich an die Polizei wenden würde. Ihm hätte sich jedenfalls aufdrängen müssen, dass sich die Zeugin B in einem der von ihr besuchten Internetforen oder auch, wie vorliegend geschehen, gegenüber einer Freundin, der Zeugin T2, offenbart, die sich ihrerseits an die Ermittlungsbehörden – wie geschehen – wendet.“

Zum Hintergrund: Im Verfahren nach dem StrEG ist das Beschwerdegericht gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG i. V. m. § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO an die Urteilsfeststellungen gebunden.