Als zweite Entscheidung „kocht“ im „Kessel Buntes“ heute der Hess. VGH, Beschl. v. 17.08.2017 – 2 B 1213/17 -, also mal wieder Verkehrsverwaltungsrecht. Es geht um die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG/der FEV und um die mit dem (mangelnden) Trennungsvermöge bei gelegentlichem Konsum von Cannabis zusammenhängenden Fragen. In der Frage hat der VGH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und sich der h.M. in der Rechtsprechung zum „Grenzwert angeschlossen. Das hat er in folgendem Leitsatz kund getant
„Bei gelegentlichem Konsum von Cannabis ist bereits bei Erreichen des Risikogrenzwertes von 1,0 ng/ml im Blutserum von einem fehlenden Trennungsvermögen im Sinne der Anlage 4 Nr. 9.2.2 der FeV auszugehen. Der Senat gibt damit seine bisherige, auf einen Grenzwert von 2,0 ng/ml abstellende Rechtsprechung auf.“
Aber mir geht es gar nicht so sehr um diese Frage, sondern um die Ausführungen des VGH zu einem vom Betroffenen geltend gemachten Beweisverwertungsverbot hinsichtlich seiner Angaben bei der Verkehrskontrolle, die dem Verfahren zugunde liegt. Da hatte er ein Beweisverwertungsverbot reklamiert. Der VGH lehnt das ab:
„Dass der Antragsteller gelegentlicher Konsument von Cannabis ist, ergibt sich für den beschließenden Senat aus seinen Angaben gegenüber der Polizei im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung, welche im Anschluss an die Verkehrskontrolle am 25. Mai 2016 stattfand. Hierbei führte er aus, dass er regelmäßig Cannabis in mäßiger Form seit drei Jahren konsumiere. Er mische die Droge mit Tabak. Selbst kaufe er nicht, rauche aber bei anderen Personen mit. Nach dem Konsum führe er nie ein Fahrzeug. Diese Einlassungen unterliegen entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers keinem Verwertungsverbot. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass der Vortrag des Antragstellers, er sei nicht ordnungsgemäß belehrt worden, ausweislich Blatt 30 der Behördenakte (Protokoll der Beschuldigtenvernehmung) unzutreffend ist. Daraus ergibt sich nämlich ausdrücklich, dass der Antragsteller belehrt worden ist, was er durch seine Unterschrift und den Vermerk „selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben“ bestätigt hat.
Selbst wenn eine Belehrung unterblieben wäre, stünde das strafrechtliche Beweisverwertungsverbot des § 136 Abs. 1 Strafprozessordnung – StPO – der Verwertung dieser Angaben im Fahrerlaubnisentzugsverfahren durch die Verwaltungsbehörde nicht entgegen. Auf den Umstand, dass eine Belehrung stattgefunden hatte, sowie darauf, dass die strafrechtlichen Beweisverwertungsverbote regelmäßig im dem Gefahrenabwehrrecht zuzuordnenden Fahrerlaubrecht keine Berücksichtigung finden, hat auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung (S. 4 des amtlichen Umdrucks) bereits zutreffend hingewiesen (vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Mai 2007 – 10 S 608/07-, NZV 2008, S. 55).
Im Fahrerlaubnisrecht sind Beweisverwertungsverbote nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen. Selbst wenn wegen Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften im Strafprozess ein Verwertungsverbot besteht, wirkt sich dies in der Regel nicht auf das Verfahren der Fahrerlaubnisentziehung aus. Da im Fahrerlaubnisrecht ein Beweisverwertungsverbot nicht ausdrücklich normiert ist, ist im Wege der Interessenabwägung über die Beweisverwertung zu entscheiden. Diese führt regelmäßig zu einer Zulässigkeit der Verwertung, denn während Beweisverwertungsverbote im repressiv geprägten Strafprozess dem Grundrechtsschutz des Betroffenen dienen, sind im Fahrerlaubnisrecht präventive Ziele, nämlich der Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, maßgeblich (Hess. VGH, Beschluss vom 22. März 2017 – 2 B 847/17 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. September 2016 ? 16 B 685/16 ?, juris Rz. 13 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2009 ? 12 ME 234/09 –, juris Rz. 4 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 ? 11 CS 09.1443 –, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. Februar 2016 ? 3 M 14/16 ?, juris).
Im Ergebnis ist es daher nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner, gestützt auf die eigenen Angaben des Antragstellers, zu der Einschätzung gelangt, dass es sich beim Antragsteller um einen zumindest gelegentlichen Konsumenten von Cannabis handelt.“