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StGB I: Falsche „Impfbescheinigung“, aber zu Masern, oder: Unrichtiges Gesundheitszeugnis

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Und dann auf in den Wonnemonat (?) Mai. Heute hier mit StGB-Entscheidungen.

Ich beginne mit einer Entscheidung zum „Impfen“, und zwar noch einmal zu Impfbescheinigungen, allerdings nicht zu Corona/Covid 19, sondern zu einer Masernimpfung, die verweigert worden ist. Dazu stelle ich das OLG Celle, Urt. v. 09.04.2024 – 2 ORs 29/24  vor. Für dieses reichen m.E. aber die Leitsätze, da wir die Problematik ja auch bei Corona hatten und das dort eingehend erörtert worden ist. Die Leitsätze lauten:

1. Eine individualisierte, ärztlich ausgestellte (vorläufige) Impfunfähigkeitsbescheinigung ist ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 278 StGB.

2. Unrichtig im Sinne des § 279 StGB ist das Gesundheitszeugnis bereits dann, wenn die miterklärten Grundlagen der Beurteilung in einem wesentlichen Punkt nicht der Wahrheit entsprechen. Dies ist in der Regel dann gegeben, wenn die für die Beurteilung des Gesundheitszustands erforderliche ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt wurde.

3. Für eine Strafbarkeit nach § 279 StGB ist es hingegen nicht erforderlich, dass das Gesundheitszeugnis eine unwahre Aussage über den Gesundheitszustand als solchen enthält (abweichend: BayOLG, Urteil vom 18.07.2022, Az. 2 StR 179/22).

Corona I: Befreiung von der Maskenpflicht, oder: „attest-pdf um der Mundschutzpflicht zu entkommen“

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Und heute dann ein wenig Aufarbeitung von Corona. Und dazu zunächst der OLG Celle, Beschl. v. 27.06.2022 – 2 Ss 58/22.

Der Angeklagte ist vom AG Hannover vom Vorwurf des Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach § 279 a.F. StGB freigesprochen worden. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der StA hat das LG das Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen des Tatvorwurfs zu einer Geldstrafe verurteilt sowie die Einziehung der tatgegenständlichen Gesundheitsbescheinigung des Angeklagten angeordnet.

Nach den Feststellungen des LG nahm der Angeklagte am 27.06.2020 in Hannover an einem Autokorso zur Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen teil. Als der vor Ort eingesetzte Polizeibeamte PK M. die Versammlungsleiterin auf die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes hinwies, kam der Angeklagte zu ihm und zeigte ihm unaufgefordert eine Bescheinigung vor, mit der er eine medizinisch bedingte Befreiung von der Maskenpflicht vortäuschen wollte. Die Bescheinigung hatte er zuvor als Formular aus dem Internet heruntergeladen und seinen Namen eingetragen. Es handelte sich um das von dem Arzt Dr. B. in den sozialen Medien mit der Bezeichnung „attest-pdf um der Mundschutzpflicht zu entkommen“ zum Download bereitgestellte Formular. Das Formular war mit „Ärztliches Attest“ überschrieben und enthielt im oberen Bereich den Namen von Dr. B. sowie seine Bezeichnung als Arzt. Ebenfalls im oberen Bereich befand sich der Hinweis „To whom it may concern“. In das Formular war zudem der Scan einer Approbationsurkunde eingefügt, überdies ein leeres Namens- und Adressfeld. Darin musste der jeweilige Verwender nach dem Download des Formulars seine eigenen Personalien einfügen. In dem Formulartext wurde dem Verwender bestätigt, dass das Tragen eines Mundschutzes aus medizinischen Gründen nicht ratsam sei.

Beim Verwenden des Formulars wusste der Angeklagte, dass bei ihm keine medizinischen Gründe für eine Befreiung von der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorlagen. Auch war ihm bewusst, dass die Bescheinigung ein unrichtiges Gesundheitszeugnis darstellte.

Dagegen die Revision des Angeklagten. Mit der macht er zum einen geltend, das LG habe seine Verurteilung rechtsfehlerhaft auf die am 24.11.2021 in Kraft getretene Neufassung der §§ 278 und 279 StGB gestützt. Zum anderen sei das LG rechtsfehlerhaft von einem unrichtigen Gesundheitszeugnis ausgegangen. Das von Dr. B. im Internet bereitgestellte Formular sei insoweit nicht hinreichend individualisiert gewesen. Der Formulartext habe überdies lediglich eine allgemein gehaltene, generelle Aussage zur Eignung eines Mund-Nasen-Schutzes enthalten. Die von dem Angeklagten unter Verwendung dieses Formulars selbst erstellte Bescheinigung sei nicht durch einen Arzt unterzeichnet worden und deshalb kein Gesundheitszeugnis i.S. von § 278 aF StGB. Darüber hinaus sei die abgeurteilte Tat des Angeklagten durch Notwehr gerechtfertigt gewesen, da er nach den Urteilsfeststellungen zum Tatzeitpunkt lediglich an einem Autokorso teilgenommen habe. Angesichts des Fehlens weiterer Feststellungen sei davon auszugehen, dass er alleiniger Insasse eines Fahrzeugs war und deshalb keine rechtliche Grundlage für die polizeiliche Aufforderung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorhanden gewesen sei. Schließlich sei auch die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung getroffene Erwägung, das Verhalten des Angeklagten habe eine erhöhte abstrakte Gefährdung der Gesundheit anderer Menschen beinhaltet, mangels entsprechender tatsächlicher Grundlage als rechtsfehlerhaft anzusehen.

Die Revision hatte beim OLG Erfolg:

„Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält der auf die erhobene Sachrüge vorzunehmenden sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Unzutreffend ist der Einwand der Revision, das Landgericht habe die Verurteilung des Angeklagten rechtsfehlerhaft auf §§ 278, 279 StGB in der seit dem 24.11.2021 geltenden Fassung gestützt. Aus den Urteilsgründen ist ersichtlich, dass die Verurteilung vielmehr auf der zum Tatzeitpunkt maßgebliche Fassung der Bestimmung beruht. Dies wird zum einen darin deutlich, dass das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung der Tat des Angeklagten erkennbar auf die Tatbestandsmerkmale der bis zum 23.11.2021 geltenden Fassung von §§ 278, 279 StGB abgestellt hat. Zum anderen hat das Landgericht der Strafzumessung den Strafrahmen von Geldstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe zugrunde gelegt, wie er nach der damaligen Gesetzesfassung von § 279 StGB galt. Während die Neufassung von § 279 StGB die Anwendung dieses Strafrahmens nur dann vorsieht, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften des 23. Abschnitts des Strafgesetzbuches mit schwererer Strafe bedroht ist, enthielt § 279 aF StGB diese Einschränkung nicht. Eine Prüfung, ob die Tat des Angeklagten in den anderen Tatbeständen der §§ 267-282 StGB mit schwerer Strafe bedroht ist, hat das Landgericht indes nicht vorgenommen. Dies spricht ebenfalls dafür, dass es bei der Verurteilung des Angeklagten § 279 aF StGB zugrunde gelegt hat. Soweit das Urteil unter „Angewendete Vorschriften“ die Angabe von § 279 StGB ohne den Zusatz „aF“ enthält (vgl. UA S. 2), handelt es sich mithin um ein bloßes Schreibversehen. Gleiches gilt, soweit in den weiteren Urteilsgründen die Bestimmung des § 279 StGB ohne diesen Zusatz angeführt wird.

2. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist indes in anderer Hinsicht einen Rechtsfehler auf. Denn die getroffenen Feststellungen bieten keine ausreichende Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten wegen des Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach §§ 278, 279 aF StGB. Sie erweisen sich bzgl. der vom Landgericht angenommenen rechtlichen Qualifizierung des vom Angeklagten bei der abgeurteilten Tat dem Polizeibeamten PK M. vorgezeigten „Ärztlichen Attests“ als Gesundheitszeugnis i.S. von § 278 StGB aF als lückenhaft, weil sich aus ihnen nicht ergibt, ob das Attest unterzeichnet ist.“

Den Rest der umfangreich begründeten Entscheidung bitte selbst lesen. Hier nur noch die (amtlichen) Leitsätze:

1. Ein ärztliches Attest über die medizinische Kontraindikation des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes enthält die konkludente Erklärung des Arztes, dass eine körperliche Untersuchung der genannten Person stattgefunden hat.

2. Wird in einem ärztlichen Attest der darin genannten Person bescheinigt, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus medizinischen Gründen nicht ratsam sei, handelt es sich um ein Gesundheitszeugnis i.S. von § 278 Abs. 1aF StGB.

3. Hat ein Täter das von einem Arzt vorunterzeichnete, in den sozialen Medien zum Download bereitgestellte Blanko-Formular, in dem der noch einzutragenden Person die medizinische Kontraindikation des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes attestiert wird, mit seinen Personalien ergänzt und das vervollständigte Formular gegenüber der Polizei zur Vortäuschung einer bei ihm gegebenen Kontraindikation vorgezeigt, um die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu umgehen, ist eine Strafbarkeit wegen Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses nach §§ 278 Abs. 1aF, 279aF StGB gegeben.

Und dann zur Abrundung noch der BayObLG, Beschl. v. 03.06.2022 – 207 StRR 155/22 – zur Strafbarkeit der Vorlage eines gefälschten Impfpasses zur Erlangung eines Impfzertifikats nach altem Recht. Das BayObLG meint (auch): § 267 StGB wird verdrängt.

StGB I: Strafbarer Verkauf gefälschter Impfausweise?, oder: Auch beim OLG Bamberg nach altem Recht nicht

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Heute dann – wie angekündigt StGB-Entscheidungen – und an der Spitze – ebenfalls wie angekündigt – eine weitere Entscheidung zu den Voraussetzungen für Einordnung eines Impfausweises als Gesundheitszeugnis. Es handelt sich um den OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2022 – 1 Ws 732-733/21, ergangen natürlich noch zum bis zum 23.11.2021 gültigen Recht.

Es geht in dem Verfahren u.a. um den (Weiter)Verkauf von gefälschten Impfpässen im Zeitraum um den 10.11.2021. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext der Entscheidung. Das AG hatte Haftbefehle gegen die Beschuldigten erlassen.  Auf die Beschwerden der Beschuldigten ist das LG von der Straflosigkeit des Verhaltens der Beschuldigten im Tatzeitpunkt ausgegangen. Die dagegen gerichteten weiteren Beschwerden der StA hatten keinen Erfolg.

Das OLG Bamberg hat die weiteren Beschwerden verworfen. Es sieht das Verhalten der Beschuldigten als nach altem Recht nicht strafbar hin. Da ich dazu schon einiges an Rechtsprechung hier vorgestellt habe, verweise ich auf den Volltext und stelle hier nur die Vorschau (öffnet in neuem Tab)Leitsätze vor:

  1. Ein Impfausweis stellt erst dann ein Gesundheitszeugnis i.S.d. §§ 277–279 StGB dar, wenn er einen konkreten individualisierbaren Menschen erkennen lässt.
  1. Die §§ 277–279 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung beinhalten eine abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen, welche den Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 267 StGB sperrt.
  1. Bei § 74 Abs. 2 IfSG in der ab dem 24.11.2021 gültigen Fassung v. 22.11.2021 handelt es sich um ein Sonderdelikt für impfberechtigte Personen.

Corona I: Vorlage eines gefälschten Impfausweises, oder: Strafbarkeit nach altem Recht

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Vor einigen Wochen ist viel über den LG Osnabrück, Beschl. v. 26.10.2021 – 3 Qs 38/215 – geschrieben worden. In der Entscheidung ging es um die Frage, ob das Vorlegen eines gefälschten Impfausweis bei der Apotheke, um das digitale Impfzertifikat erstellen zu lassen, strafbar ist. Wohlgemerkt: Nach altem Recht. Das LG Osnbarück hat das verneint, die Entscheidung ist bislang, wenn ich das sehe, nicht veröffentlicht.

Ich kann hier heute aber dann eine andere Entscheidung zu der Problematik vorstellene, die mit der Kollege Schulze aus Bielefeld geschickt hat, und zwar den LG Paderborhn, Beschl. v. 01.12.2021 – 5 Qs 33/21.

In dem Verfahren wird dem Beschuldigte zur Last gelegt – ich zitiere aus dem Beschluss -,

Impfausweise gefälscht und verkauft zu haben, indem er gelbe Blankett-Impfausweise im Internet bestellte, sich Aufkleber von Covid-19-Impfstoffen beschaffte, diese an die vorgesehene Stelle in den Impfpässen einklebte, jeweils handschriftlich ein erdachtes Datum für eine Erst- und Zweitimpfung eintrug, in der Spalte „Unterschrift und Stempel des Arztes“ einen Stempel des Impfzentrums des Schwalm-Eder-Kreises anbrachte und darauf eine unleserliche Unterschrift anbrachte, um den Anschein einer ordnungsgemäßen. Erst- und Zweitimpfung gegen COVID-19 zu erwecken. Einen der auf diese Art und Weise hergestellten Impfausweise nutzte der Beschuldigte für sich. Nachdem er auf der Vorderseite seine Personaldaten eingetragen hatte, legte er den Impfausweis etwa gegen Ende August oder Anfang September des Jahres 2021 in einer Apotheke vor, um dem dort tätigen Personal wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass er eine Erst- und Zweitimpfung gegen COVID-19 erhalten hätte, und um das Personal täuschungsbedingt dazu zu veranlassen, die entsprechenden Informationen an das Robert-Koch-Institut weiterzugeben. Wie von dem Beschuldigten beabsichtigt, wurde ihm von dort aus ein digitales COVID-19-Impfzertifikat bereitgestellt, welches er ab etwa Anfang September 2021 regelmäßig vor dem Betreten des Richard-Weizsäcker-Berufskollegs vorzeigte, um den anderenfalls erforderlichen Schnelltest zu umgehen. Dem Beschuldigten wird zudem vorgeworfen, weitere 40 bis 50 der auf diese Art und Weise hergestellten Impfausweise zu einem Stückpreis zwischen 100 Euro und 230 Euro an Dritte weiterverkauft zu haben, wobei die Eintragung der Personalien auf der Vorderseite jeweils durch die Käufer erfolgte.“

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das AG die Durchsuchung bei dem Beschuldigten mit dem Zweck angeorndet, Beweismittel in Form von gefälschten gelben Impfausweisen, Stempeln und Aufklebern, Impfzertifikaten, Mobiltelefonen und Computern sowie Datenträgern aufzufinden. Es ist dann durchsucht worden und man hat verschiedene dem Gegenstände, die dem Beschuldigten und/oder Angehörigen zugeordnet worden sind, beschlagnahmt.

Dagegen dann die Beschwerde, die beim LG Paderborn Erfolg hatte. Das LG hat die Beschlagnahme aufgehoben. Es hat einen Anfangvserdacht verneint und hat das umfassend begründet.

Da sich inzwischen ja die Rechtslage durch das „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 22.11.2021 (BGBl. I S. 4906), in Kraft getreten am 24.11.2021, geändert hat, habe ich hier nur den Sachverhalt und (meinen) Leitsatz zu der Entscheidung eingestellt. Der lauet:

„Impfausweise sind zwar grundsätzlich als „Gesundheitszeugnisse“ im Sinne des § 277 StGB a.F. anzusehen, eine Strafbarkeit scheidet nach altem Recht aber aus, soweit diese lediglich zur Vorlage in Apotheken verkauft werden, um entsprechende digitale Impfzertifikate zu erlangen.“

Den Rest der umfangreichen Begründung bitte selbst lesen.

Corona II: „Corona-Masken-Attest“ aus dem Internet, oder: „Falsches“ = strafbares Gesundheitszeugnis?

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Und als zweite Entscheidung zum Komplex „Corona“ dann – jetzt richtig, war gestern etwas verfrüht online gegangen – mal etwas Materielles, nämlich die Frage: Ist ein sog. Masken-Attest ein Gesundheitszeugnis im Sinn der §§ 277 ff. StGB. Das LG Frankfurt am Main hat die Frage im LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 06.04.2021 – 5/26 Qs 2/21 (8920 Js 200274/21) – bejaht:

„Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft dem oben genannten Angeschuldigten vor, am 16.09.2020 ein unrichtiges Gesundheitszeugnis gem. § 279 StGB gebraucht sowie eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 1a Abs. 1 S. 1, S. 2, 8 Nr. 5 der Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie begangen zu haben.

Nach den Ermittlungen bot der Arzt Dr. med. pp. auf einer Internetseite ein von ihm vorunterzeichnetes ärztliches Attest zum Download an. Das Attest bestätigt, dass das Tragen eines Mundschutzes für o.g. Person aus medizinischen Gründen nicht ratsam sei. Links oben auf dem Attest heißt es: „To whom it may concern – An den, der ein berechtigtes Interesse daran hat“. Der Name des vorgeblichen Patienten wird durch diesen selbst eingetragen. Neben dem Namen und der Adresse des vermeintlichen Patienten findet sich ein Sternchen. Im unteren Drittel des Attests wiederholt sich das Sternchen mit folgender Ausführung: „Mit der Eintragung meines Namens und meiner Adresse bestätige ich, dass ich nicht an einer Krankheit leide, die das Tragen eines Mundschutzes gebietet, des weiteren, dass ich dieses Attest nicht an Orten verwenden werde, an denen ein Mundschutz allgemein vorgeschrieben ist (z.B. Labors, Isolationszimmer, OP-Saal). In das Attest ist die Kopie einer Approbationsurkunde eingefügt. Eine Anamnese oder Behandlung durch Dr. med. pp. findet nicht statt.

Der oben genannte Angeschuldigte soll am Tattag, dem 16.09.2020, ein solches heruntergeladenes und mit seinem Namen versehenes Attest im Rahmen einer Polizeikontrolle am Flughafen Frankfurt am Main genutzt haben, um den Kontrolleinheiten eine Befreiung von der Maskenpflicht aus medizinischen Gründen vorzutäuschen.

Die Staatsanwaltschaft leitete gegen den oben genannten Angeschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 279 StGB u.a. ein. In der Folge beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Frankfurt am Main den Erlass eines Strafbefehls. Das Amtsgericht Frankfurt am Main lehnte den Erlass des beantragten Strafbefehls mit Beschluss vom 16.03.2021 ab. Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem verfahrensgegenständlichen Schriftstück nicht um ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 279 StGB.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen diesen Beschluss am 18.03.2021 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet.

1. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der für den Erlass eines Strafbefehls erforderliche hinreichende Tatverdacht im Sinne des § 408 Abs. 2, Abs. 3 StPO hinsichtlich § 279 StGB sowie §§ 1a Abs. 1 S. 1, S. 2, 8 Nr. 5 der Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie gegeben.

Es handelt sich bei dem verfahrensgegenständlichen „Attest“ um ein Gesundheitszeugnis i.S.d. § 279 StGB.

a) Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 279 StGB sind Bescheinigungen über den gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen, über frühere Krankheiten sowie ihre Spuren und Folgen oder über Gesundheitsaussichten, wobei auch Angaben tatsächlicher Natur, so etwa über erfolgte Behandlungen bzw. deren Ergebnis, erfasst sind (Zieschang in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, § 277 Rn. 2; Cramer/Heine in Schönke/Schröder, 28. Auflage, § 277 Rn. 2 jeweils m.w.N.). Nicht erforderlich ist, dass die Bescheinigung eine Diagnose enthält (so schon BGH, Urteil vom 29. Januar 1957 – 1 StR 333/56, BGHSt 10, 157, 158; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. Januar 2006 – 1 Ss 24/05 –, Rn. 22 ff., juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 25. September 2013 – 2 Ss 519/13 –, Rn. 15, juris). Für die Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch ein ärztliches Attest ist nicht notwendig, dass in dem Attest die Befundtatsachen benannt werden (so auch: VG Kassel, Beschluss vom 13. November 2020 – 6 L 2098/20.KS –, juris).

b) Das Argument, dass „medizinische Gründe“ ohne jeden Bezug zu einer Person und zu einem Gesundheitszustand einer Person gegen das Tragen von Masken sprechen könnten und diese sich daher von „gesundheitlichen Gründen“ unterscheiden würden, verfängt nicht (so aber AG Kempten, Beschluss vom 07. Oktober 2020 – 13 Cs 210 Js 12406/20 –, Rn. 6, juris). So finden sich auf der Internetseite der Ärztekammer Berlin Hinweise für Ärztinnen und Ärzte zur Bescheinigung eines medizinischen Grundes hinsichtlich der Ausnahme von der Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske/einer Mund-Nasen-Bedeckung. Dabei führt die Ärztekammer Berlin aus, dass, um aus medizinischen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder einer medizinischen Gesichtsmaske ausgenommen zu sein, nach der Ausnahmevorschrift in der Berliner Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen müssen, aufgrund derer keine medizinische Gesichtsmaske oder Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden kann.

c) Insbesondere genügt es, dass das Attest bei oberflächlicher Betrachtung oder bei Betrachtung ohne ausreichenden Bildungs- oder Informationshintergrund für ein gültiges Dokument gehalten werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19. Oktober 2007 – 32 Ss 90/07 –, Rn. 38, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Das vermeintliche Attest lässt sich nicht auf den ersten Blick als „offensichtliches Fantasieschriftstück“ erkennen. Das verfahrensgegenständliche Dokument wurde durch die kontrollierenden Polizeibeamten lediglich aufgrund einer zuvor erfolgten Sensibilisierung, also auf Grundlage eines speziellen Informationshintergrundes, als ungültiges Dokument erkannt. Den Beamten war zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits bekannt, dass diese Atteste des Dr. med. pp. frei im Internet heruntergeladen werden konnten. Auch die – völlig unüblich – in das Attest eingebettete Kopie einer Approbationsurkunde spricht nicht gegen die Qualifikation des verfahrensgegenständlichen Attests als Gesundheitszeugnis im Sinne des § 279 StGB. Diese soll gerade die (vermeintliche) Echtheit des Attestes bestätigen und Zweifel daran, ob es sich bei dem Aussteller tatsächlich um einen Arzt handelt, ausräumen. Die Passage „To whom it may concern“ links oben auf dem Schriftstück spricht auch nicht dafür, dass das verfahrensgegenständliche Dokument auf den ersten Blick als „Fantasieurkunde“ erkennbar wäre. Diese Formulierung ist im internationalen Sprachgebrauch bei Bescheinigungen üblich und wird auch von Behörden verwendet. Dass der Erklärende selbst seinen Namen einträgt und erklärt, er leide nicht an einer Krankheit, die das Tragen eines Mundschutzes gebiete, bedeutet nicht, dass es sich lediglich um eine Erklärung des vermeintlichen Patienten, nicht aber des Arztes handele. Von außen wird nicht erkennbar, ob der Patient dies beispielsweise vor Ausstellung des Attests dem Arzt gegenüber versichert hat. Jedenfalls gibt der Arzt pp. für den sich selbst eintragen Patienten eine entsprechende Erklärung ab….“