„Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft dem oben genannten Angeschuldigten vor, am 16.09.2020 ein unrichtiges Gesundheitszeugnis gem. § 279 StGB gebraucht sowie eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 1a Abs. 1 S. 1, S. 2, 8 Nr. 5 der Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie begangen zu haben.
Nach den Ermittlungen bot der Arzt Dr. med. pp. auf einer Internetseite ein von ihm vorunterzeichnetes ärztliches Attest zum Download an. Das Attest bestätigt, dass das Tragen eines Mundschutzes für o.g. Person aus medizinischen Gründen nicht ratsam sei. Links oben auf dem Attest heißt es: „To whom it may concern – An den, der ein berechtigtes Interesse daran hat“. Der Name des vorgeblichen Patienten wird durch diesen selbst eingetragen. Neben dem Namen und der Adresse des vermeintlichen Patienten findet sich ein Sternchen. Im unteren Drittel des Attests wiederholt sich das Sternchen mit folgender Ausführung: „Mit der Eintragung meines Namens und meiner Adresse bestätige ich, dass ich nicht an einer Krankheit leide, die das Tragen eines Mundschutzes gebietet, des weiteren, dass ich dieses Attest nicht an Orten verwenden werde, an denen ein Mundschutz allgemein vorgeschrieben ist (z.B. Labors, Isolationszimmer, OP-Saal). In das Attest ist die Kopie einer Approbationsurkunde eingefügt. Eine Anamnese oder Behandlung durch Dr. med. pp. findet nicht statt.
Der oben genannte Angeschuldigte soll am Tattag, dem 16.09.2020, ein solches heruntergeladenes und mit seinem Namen versehenes Attest im Rahmen einer Polizeikontrolle am Flughafen Frankfurt am Main genutzt haben, um den Kontrolleinheiten eine Befreiung von der Maskenpflicht aus medizinischen Gründen vorzutäuschen.
Die Staatsanwaltschaft leitete gegen den oben genannten Angeschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 279 StGB u.a. ein. In der Folge beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Frankfurt am Main den Erlass eines Strafbefehls. Das Amtsgericht Frankfurt am Main lehnte den Erlass des beantragten Strafbefehls mit Beschluss vom 16.03.2021 ab. Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem verfahrensgegenständlichen Schriftstück nicht um ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 279 StGB.
Die Staatsanwaltschaft hat gegen diesen Beschluss am 18.03.2021 sofortige Beschwerde eingelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet.
1. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der für den Erlass eines Strafbefehls erforderliche hinreichende Tatverdacht im Sinne des § 408 Abs. 2, Abs. 3 StPO hinsichtlich § 279 StGB sowie §§ 1a Abs. 1 S. 1, S. 2, 8 Nr. 5 der Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie gegeben.
Es handelt sich bei dem verfahrensgegenständlichen „Attest“ um ein Gesundheitszeugnis i.S.d. § 279 StGB.
a) Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 279 StGB sind Bescheinigungen über den gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen, über frühere Krankheiten sowie ihre Spuren und Folgen oder über Gesundheitsaussichten, wobei auch Angaben tatsächlicher Natur, so etwa über erfolgte Behandlungen bzw. deren Ergebnis, erfasst sind (Zieschang in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage, § 277 Rn. 2; Cramer/Heine in Schönke/Schröder, 28. Auflage, § 277 Rn. 2 jeweils m.w.N.). Nicht erforderlich ist, dass die Bescheinigung eine Diagnose enthält (so schon BGH, Urteil vom 29. Januar 1957 – 1 StR 333/56, BGHSt 10, 157, 158; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. Januar 2006 – 1 Ss 24/05 –, Rn. 22 ff., juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 25. September 2013 – 2 Ss 519/13 –, Rn. 15, juris). Für die Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch ein ärztliches Attest ist nicht notwendig, dass in dem Attest die Befundtatsachen benannt werden (so auch: VG Kassel, Beschluss vom 13. November 2020 – 6 L 2098/20.KS –, juris).
b) Das Argument, dass „medizinische Gründe“ ohne jeden Bezug zu einer Person und zu einem Gesundheitszustand einer Person gegen das Tragen von Masken sprechen könnten und diese sich daher von „gesundheitlichen Gründen“ unterscheiden würden, verfängt nicht (so aber AG Kempten, Beschluss vom 07. Oktober 2020 – 13 Cs 210 Js 12406/20 –, Rn. 6, juris). So finden sich auf der Internetseite der Ärztekammer Berlin Hinweise für Ärztinnen und Ärzte zur Bescheinigung eines medizinischen Grundes hinsichtlich der Ausnahme von der Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske/einer Mund-Nasen-Bedeckung. Dabei führt die Ärztekammer Berlin aus, dass, um aus medizinischen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder einer medizinischen Gesichtsmaske ausgenommen zu sein, nach der Ausnahmevorschrift in der Berliner Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen müssen, aufgrund derer keine medizinische Gesichtsmaske oder Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden kann.
c) Insbesondere genügt es, dass das Attest bei oberflächlicher Betrachtung oder bei Betrachtung ohne ausreichenden Bildungs- oder Informationshintergrund für ein gültiges Dokument gehalten werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19. Oktober 2007 – 32 Ss 90/07 –, Rn. 38, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Das vermeintliche Attest lässt sich nicht auf den ersten Blick als „offensichtliches Fantasieschriftstück“ erkennen. Das verfahrensgegenständliche Dokument wurde durch die kontrollierenden Polizeibeamten lediglich aufgrund einer zuvor erfolgten Sensibilisierung, also auf Grundlage eines speziellen Informationshintergrundes, als ungültiges Dokument erkannt. Den Beamten war zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits bekannt, dass diese Atteste des Dr. med. pp. frei im Internet heruntergeladen werden konnten. Auch die – völlig unüblich – in das Attest eingebettete Kopie einer Approbationsurkunde spricht nicht gegen die Qualifikation des verfahrensgegenständlichen Attests als Gesundheitszeugnis im Sinne des § 279 StGB. Diese soll gerade die (vermeintliche) Echtheit des Attestes bestätigen und Zweifel daran, ob es sich bei dem Aussteller tatsächlich um einen Arzt handelt, ausräumen. Die Passage „To whom it may concern“ links oben auf dem Schriftstück spricht auch nicht dafür, dass das verfahrensgegenständliche Dokument auf den ersten Blick als „Fantasieurkunde“ erkennbar wäre. Diese Formulierung ist im internationalen Sprachgebrauch bei Bescheinigungen üblich und wird auch von Behörden verwendet. Dass der Erklärende selbst seinen Namen einträgt und erklärt, er leide nicht an einer Krankheit, die das Tragen eines Mundschutzes gebiete, bedeutet nicht, dass es sich lediglich um eine Erklärung des vermeintlichen Patienten, nicht aber des Arztes handele. Von außen wird nicht erkennbar, ob der Patient dies beispielsweise vor Ausstellung des Attests dem Arzt gegenüber versichert hat. Jedenfalls gibt der Arzt pp. für den sich selbst eintragen Patienten eine entsprechende Erklärung ab….“