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Der nächste Winter kommt bestimmt I, oder: Die Streupflicht an Fussgängerüberwegen

© Pink Badger - Fotolia.com

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Der nächste Winter bekommt bestimmt. Und mit ihm sicherlich die „winterlichen Schwierigkeiten“ bei der DB, die ja immer vom Wintereintritt überrascht wird. Mit dem (nächsten) Winter kommen aber ggf. auch wieder die mit der Streupflicht für Kommunen und Private zusammenhängenden Fragen. Und da man sich ja nicht früh genug vorbereiten kann – siehe sonst das Beispiel DB – dann heute im Hochsommer einen „Wintertag“.

Den Auftakt mache ich mit dem BGH, Urt. v. 23.07.2015 – III ZR 86/15 – zu Streupflicht von Kommunen an Fußgängerüberwegen. Der BGH verneint in diesem Urteil eine allgemeine Streupflicht für Fußgängerüberwege. Eine Gemeinde sei nicht uneingeschränkt verpflichtet, im Winter öffentliche Wege zu streuen, sondern zu berücksichtigen sei u.a. die Verkehrsbedeutung der betreffenden Wege und Straßen.

Fußgängerüberwege sind damit bei Glatteis nur unter der einschränkenden Voraussetzung zu streuen, dass sie belebt und unentbehrlich sind (vgl. auch Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823 Rn. E 137; MüKoBGB/Papier, 6. Aufl., § 839 Rn. 201; Wellner in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 14 Rn. 147, 159; OLG Hamm VersR 1978, 950, 951; OLG Brandenburg OLGR 2002, 335, 336 und Urteil vom 30. September 2014 – 2 U 7/14, […] Rn. 39; OLG München, Urteil vom 26. April 2007 – 1 U 5742/06, […] Rn. 31 ff; OLG Koblenz MDR 2012, 1226). Der Senat folgt nicht der Auffassung des Berufungsgerichts, für Überwege müssten die gleichen Grundsätze wie für Gehwege gelten. Eine solche Annahme würde bewirken, dass auf zahlreichen nicht oder nachrangig zu bestreuenden Straßen vorrangig Überwege für Fußgänger abgestreut werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass die Gemeinden bei der Durchführung ihrer Streupläne, ohne die ein geordneter Winterdienst unmöglich ist, unzumutbar behindert würden (vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Dezember 1990 – III ZR 21/90, VersR 1991, 665, 666). Was die Frage der Zumutbarkeit für die Kommunen anbetrifft, unterscheidet sich die Situation auf Gehwegen und Fußgängerüberwegen im Übrigen dadurch, dass durch Satzung (hier: aufgrund § 45 Abs. 3 Nr. 2 StrWG) die Streupflicht für Gehwege innerhalb geschlossener Ortschaften üblicherweise auf die Anlieger übertragen wird.

Einschub: Und das gilt nach Auffassung des BGH auch in Schleswig-Holstein, wo die Formulierung des dort geltenden § 45 Abs. 2 S. 1 StrWG SH ggf. zu einer anderen Sicht führen könne. Das sieht der BGH aber anders.

Und: In den „Streupflichtfällen“ spielt ja immer auch die Frage des Mitverschuldens eine Rolle (§ 254 BGB). Dazu hatte das OLG ausgeführt:

„Allerdings treffe den Geschädigten ein Mitverschulden. Dieser habe ausgesagt, es sei bereits auf dem Gehweg teilweise glatt gewesen. Diese Wahrnehmung hätte ihn veranlassen müssen, die weitere Wegstrecke im Interesse seiner eigenen Sicherheit aufmerksam auf eventuelle Eisglätte zu untersuchen und besonders vorsichtig zu gehen. Denn aus dem Vorliegen solcher Stellen hätte er den Schluss ziehen müssen, dass der Boden teilweise noch gefroren war und der zuvor gefallene (Niesel-)Regen auch an anderen Stellen – zum Beispiel auf dem Überweg – zur Bildung von Glatteis geführt haben könnte. Gegen diese Obliegenheit zur gesteigerten Aufmerksamkeit und Vorsicht habe er verstoßen. Anderenfalls wäre er nicht ausgerutscht. Ein in seinen eigenen Angelegenheiten sorgfältiger Fußgänger hätte zur Vermeidung des Sturzes zunächst einmal durch kleine tastende Schritte geprüft, ob auf dem Überweg Eisglätte vorhanden sei. Dadurch hätte der Sturz vermieden werden können. Dieses Fehlverhalten führe im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge allerdings nur zu einem Haftungsanteil von 25 %. Denn die Beklagte habe mit der Verletzung der ihr obliegenden Streupflicht die maßgebliche Ursache für den Sturz gesetzt.“

Das hat der BGH gehalten 🙂 .

Habe ich einen Anspruch auf eine „gestreute Straße“?

Die Frage haben sich in den letzten Wochen sicherlich viele Bürger gestellt (nicht nur im „Schnee-Chaos-Münster“). In Schleiden haben einige Bürger dann versucht, einen Anspruch gegenüber der Stadt durchzusetzen und sind dafür dann bis zum VG Aachen gegangen.

Dies teilt in einer PM vom 05.01.2011 mit:

Straßenanlieger und Straßenbenutzer haben gegen ihre Gemeinde keinen durchsetzbaren Anspruch auf eine gestreute Straße Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen hat mit Beschluss vom 5. Januar 2011 im vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden, dass Straßenbenutzer keinen Anspruch darauf haben, auf welche Weise die Gemeinde ihrer Pflicht zur Straßenreinigung einschließlich Winterwartung nachkommt. Die Antragsteller begehrten von der Stadt Schleiden, die vor ihrem Grundstück verlaufende Straße mit Salz oder einem Lavagemisch zu streuen. Das Gericht verwies darauf, dass das Straßen- und Wegegesetz des Landes zwar den Gemeinden eine Reinigungspflicht für bestimmte Straßen auferlegt und sie zudem dazu anhält, bei Schnee und Eisglätte zu räumen und zu streuen. Dieser objektiven Pflicht stehe jedoch kein einklagbarer Anspruch des Straßenbenutzers bzw. Anliegers auf ordnungsgemäße Erfüllung gegenüber. Erst wenn bei Nichterfüllung der Pflicht der Einzelne zu Schaden komme, könne der Betroffene einen Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinde geltend machen. Eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben von Straßenbenutzern, die die Gemeinde ausnahmsweise zu einem unverzüglichen Einschreiten verpflichtet hätte, vermochte die Kammer im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt werden.

Beschluss vom 05.01.2011, Az.: 6 L 539/10

PM vom 05.01.2011