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Haftung nach Verkehrsunfall mit Kind/Radfahrer, oder: Abwägung Betriebsgefahr/Verschulden

Bild von Stephan Wusowski auf Pixabay

Und dann heute der erste „Kessel Buntes“ im neuen Jahr 2024. Und in dem liegen zwei verkehrzivilrechtliche Entscheidungen. Beide kommen vom OLG Celle.

Ich beginne mit dem OLG Celle, Urt. v. 11.10.2023, Az.: 14 U 157/22 – zur Haftungsverteilung bei einem berührungslosen Unfall.

Das Urteil geht von folgendem Sachverhalt aus: Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens in Höhe von 40 % die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall am 07.03.2017.

Der zum Unfallzeitpunkt 12 Jahre alte Kläger fuhr am 07.03.2017 gegen 13.50 Uhr parallel zu der S.straße kurz vor der Einmündung M.straße – wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob er den Radweg oder den Gehweg befuhr. Er war mit seinem Mountainbike (ohne Helm) unterwegs. Die Beklagte zu 3) fuhr mit dem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw Smart fortwo Coupé ebenfalls auf der S.straße Richtung M.straße. Als der Kläger auf seinem Fahrrad fahrend die Fahrbahn der S.straße in Höhe der M.straße überquerte – wobei zwischen den Parteien insoweit streitig ist, ob auf oder hinter dem dortigen Zebrastreifen – kam es zur Kollision, durch die der Kläger 18,5 Meter weit geworfen und im rechten Seitenbereich einer Parkbucht zu Fall kam. Der Kläger erlitt lebensgefährliche Verletzungen (u. a. ein schweres offenes Schädel-Hirn-Trauma mit Einblutungen, eine Felsenbeinfraktur rechts, eine Schlüsselbeinfraktur rechts und multiple Prellungen sowie Schürfungen an beiden Kniegelenken). Im Krankenhaus erhielt er eine Hirndrucksonde und wurde bis zum 12.03.2017 künstlich beatmet. Zehn Tage nach dem Unfall wurde er von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt. Am 20.03.2017 kam er in die H.-Klinik G. zur Anschlussheilbehandlung, die ursprünglich drei bis sechs Monate dauern sollte. Da der Kläger starkes Heimweh hatte, blieb er nur bis zum 12. April 2017 und absolvierte in der Folgezeit von zuhause aus eine Vielzahl von Behandlungen und Therapien.

Mit außergerichtlichem Schreiben vom 15. März 2017 forderte der Kläger die Beklagte zu 1) – die Versicherung – auf, ihre Regulierungsbereitschaft anzuzeigen. Die hat abgelehnt.

Gestritten worden ist dann im Klageverfahren um den genauen Hergang des Unfallgeschehens sowie die Bildung der Haftungsquote.

Das LG hat dann  der Klage zu einem überwiegenden Teil stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 40.000 EUR und Erstattung materieller Schadensersatzansprüche in Höhe von 1.790,93 EUR verurteilt. Zudem hat es dem auf Feststellung der Haftung gerichteten Antrag beschränkt auf eine Ersatzpflicht in Höhe von 60 % sowie dem auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Antrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung führte das LG insbesondere Folgendes aus:

„Die Beklagte zu 3) habe den Unfall überwiegend verschuldet. Der Unfall sei bei dem Betrieb des Fahrzeuges entstanden. Die Beklagten hätten aus dem Verkehrsunfallgeschehen mit einer Quote von 60 % für die Schäden des Klägers einzustehen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei erwiesen, dass die Beklagte zu 3) den Unfall durch einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2a StVO verschuldet habe. Die Beklagte zu 3) habe von dem Zeitpunkt an, in dem sie den Kläger an der S.straße hätte sehen können, besondere Vorkehrungen im Sinne einer Verringerung der Fahrgeschwindigkeit und Einnehmen der Bremsbereitschaft zu treffen gehabt. Die konkrete Gefahrenlage habe sich daraus ergeben, dass ein Kind auf einem Fahrrad in Richtung Zebrastreifen gefahren sei. Dass die Beklagten behauptet hätten, der Kläger habe nicht wie ein Kind ausgesehen, vermöge sie bereits deshalb nicht zu entlasten, weil die Beklagte zu 3) den Kläger überhaupt nicht wahrgenommen habe, als er auf den Zebrastreifen zufuhr, was sie jedoch hätte tun können und müssen. Die Beklagte zu 3) sei jedoch – wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ergäbe – mit einer Geschwindigkeit im Bereich von 50 km/h auf den Zebrastreifen zugefahren. Nach Ansicht des Landgerichts hätte die Beklagte zu 3) richtigerweise zumindest auf 30 km/h abbremsen müssen, um eine Gefährdung des Klägers auszuschließen. Im Ergebnis läge daher ein Verstoß der Beklagten zu 3) gegen § 3 Abs. 2a StVO vor. Ob der Kläger vor dem Auffahren auf den Zebrastreifen angehalten habe, könne dahinstehen, da der Sachverständige ausgeführt habe, dass die Beklagte zu 3) bei einem Abbremsen auf 30 km/h in jedem Fall die Kollision vermieden hätte. Schließlich sei der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Landgerichts in einer Bogenfahrt nach links in die Fahrbahn eingefahren. Anhand der Unfallspuren habe sich feststellen lassen, dass der Kollisionsort auf dem Zebrastreifen gewesen sei. Der Vernehmung der Zeugin H., die zum Termin vor dem Landgericht nicht erschienen war, habe es demnach nicht bedurft. Erstattungsfähig seien materielle Schäden des Klägers unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens von 40 % in Höhe von 1.790,93 €. Darüber hinaus sei die Klage diesbezüglich nicht begründet. Zudem sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € angemessen. Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Arztberichte und Gutachten sowie der Angaben des Klägers und seiner Eltern im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung im Verhandlungstermin am 31. August 2022 könne ohne weitere – gerichtliche – Gutachten das Schmerzensgeld bemessen werden. Der Kläger habe unstreitig erhebliche lebensbedrohliche Verletzungen erlitten und sei durch diesen aus seinem Leben komplett herausgerissen worden. Die Tage des zum Unfallzeitpunkt erst 12-jährigen Klägers seien anschließend durch Schmerzen, körperliche Einschränkungen und Therapien geprägt gewesen und nur mit Kraft und Energie und dank der Unterstützung durch seine Familie habe er es trotz der schwersten Verletzungen geschafft, ins Leben zurückzufinden. Es würden gleichwohl physische und psychische Einschränkungen verbleiben und im Bereich der knöchernen Verletzungen könnten zukünftig Verschleißschäden auftreten, wie etwa Arthrose. Dieser Mechanismus sei der Einzelrichterin, die jahrelang Mitglied in einer Spezialkammer für Arzthaftungssachen gewesen sei, aus einer Vielzahl von Fällen bekannt. In Anbetracht der gravierenden Folgen des Unfalls für den Kläger sei unter Berücksichtigung des Mitverschuldensanteils von 40 % ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,00 € angemessen. Auf die von den Beklagten bestrittenen Folgen des Unfalls käme es insoweit nicht an. Schließlich bewege sich die geforderte Höhe im Rahmen der Vergleichsrechtsprechung.“

Dagegen die Berufung der Beklagten, die teilweise Erfolg hatte. Das OLG hat – anders als das LG –  eine Haftungsquote der Beklagten von 1/3 angenommen.  Wegen der Begründungen verweise ich auf die recht umfangreichen Gründe der OLG-Entscheidung im Volltext. Hier stelle ich nur die Leitsätze des OLG ein. Sie lauten: 

    1. Wer von einem Radweg auf die Fahrbahn einfahren will, hat sich dabei gemäß § 10 S. 1 StVO so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies gilt auch für denjenigen, der vom Radweg auf einem Fußgängerüberweg auf die Fahrbahn einfährt.
    2. Auch gegenüber Kindern gilt der Vertrauensgrundsatz. Der Fahrer eines PKW muss besondere Vorkehrungen für seine Fahrweise gemäß § 3 Abs. 2a StVO nur dann treffen, wenn das Verhalten der Kinder oder die Situation, in der sie sich befinden, Auffälligkeiten zeigt, die zu einer konkreten Gefährdung führen können, und das Kind nach dem äußeren Erscheinungsbild als solches erkennbar war.
    3. Ein Fahrzeugführer muss auch bei Annäherung an einen Fußgängerüberweg ohne erkennbare Umstände nicht damit rechnen, dass ein 12-jähriges Kind, ohne seine Absicht merklich anzuzeigen, auf dem Fahrrad fahrend den Fußgängerüberweg überquert.
    4. Bei der Abwägung der Betriebsgefahr eines Fahrzeuges gegenüber dem schuldhaften Verstoß eines 12-jährigen Kindes gegen § 10 S. 1 StVO tritt die Betriebsgefahr des Kfz unter Berücksichtigung des Alters des geschädigten Kindes einerseits sowie der deutlichen Erhöhung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs im Unfallgeschehen andererseits, auch angesichts der weiteren Gesamtumstände des Unfallgeschehens, nicht zurück (hier: Betriebsgefahr mit 1/3 berücksichtigt).

Der nächste Winter kommt bestimmt I, oder: Die Streupflicht an Fussgängerüberwegen

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Der nächste Winter bekommt bestimmt. Und mit ihm sicherlich die „winterlichen Schwierigkeiten“ bei der DB, die ja immer vom Wintereintritt überrascht wird. Mit dem (nächsten) Winter kommen aber ggf. auch wieder die mit der Streupflicht für Kommunen und Private zusammenhängenden Fragen. Und da man sich ja nicht früh genug vorbereiten kann – siehe sonst das Beispiel DB – dann heute im Hochsommer einen „Wintertag“.

Den Auftakt mache ich mit dem BGH, Urt. v. 23.07.2015 – III ZR 86/15 – zu Streupflicht von Kommunen an Fußgängerüberwegen. Der BGH verneint in diesem Urteil eine allgemeine Streupflicht für Fußgängerüberwege. Eine Gemeinde sei nicht uneingeschränkt verpflichtet, im Winter öffentliche Wege zu streuen, sondern zu berücksichtigen sei u.a. die Verkehrsbedeutung der betreffenden Wege und Straßen.

Fußgängerüberwege sind damit bei Glatteis nur unter der einschränkenden Voraussetzung zu streuen, dass sie belebt und unentbehrlich sind (vgl. auch Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823 Rn. E 137; MüKoBGB/Papier, 6. Aufl., § 839 Rn. 201; Wellner in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 14 Rn. 147, 159; OLG Hamm VersR 1978, 950, 951; OLG Brandenburg OLGR 2002, 335, 336 und Urteil vom 30. September 2014 – 2 U 7/14, […] Rn. 39; OLG München, Urteil vom 26. April 2007 – 1 U 5742/06, […] Rn. 31 ff; OLG Koblenz MDR 2012, 1226). Der Senat folgt nicht der Auffassung des Berufungsgerichts, für Überwege müssten die gleichen Grundsätze wie für Gehwege gelten. Eine solche Annahme würde bewirken, dass auf zahlreichen nicht oder nachrangig zu bestreuenden Straßen vorrangig Überwege für Fußgänger abgestreut werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass die Gemeinden bei der Durchführung ihrer Streupläne, ohne die ein geordneter Winterdienst unmöglich ist, unzumutbar behindert würden (vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Dezember 1990 – III ZR 21/90, VersR 1991, 665, 666). Was die Frage der Zumutbarkeit für die Kommunen anbetrifft, unterscheidet sich die Situation auf Gehwegen und Fußgängerüberwegen im Übrigen dadurch, dass durch Satzung (hier: aufgrund § 45 Abs. 3 Nr. 2 StrWG) die Streupflicht für Gehwege innerhalb geschlossener Ortschaften üblicherweise auf die Anlieger übertragen wird.

Einschub: Und das gilt nach Auffassung des BGH auch in Schleswig-Holstein, wo die Formulierung des dort geltenden § 45 Abs. 2 S. 1 StrWG SH ggf. zu einer anderen Sicht führen könne. Das sieht der BGH aber anders.

Und: In den „Streupflichtfällen“ spielt ja immer auch die Frage des Mitverschuldens eine Rolle (§ 254 BGB). Dazu hatte das OLG ausgeführt:

„Allerdings treffe den Geschädigten ein Mitverschulden. Dieser habe ausgesagt, es sei bereits auf dem Gehweg teilweise glatt gewesen. Diese Wahrnehmung hätte ihn veranlassen müssen, die weitere Wegstrecke im Interesse seiner eigenen Sicherheit aufmerksam auf eventuelle Eisglätte zu untersuchen und besonders vorsichtig zu gehen. Denn aus dem Vorliegen solcher Stellen hätte er den Schluss ziehen müssen, dass der Boden teilweise noch gefroren war und der zuvor gefallene (Niesel-)Regen auch an anderen Stellen – zum Beispiel auf dem Überweg – zur Bildung von Glatteis geführt haben könnte. Gegen diese Obliegenheit zur gesteigerten Aufmerksamkeit und Vorsicht habe er verstoßen. Anderenfalls wäre er nicht ausgerutscht. Ein in seinen eigenen Angelegenheiten sorgfältiger Fußgänger hätte zur Vermeidung des Sturzes zunächst einmal durch kleine tastende Schritte geprüft, ob auf dem Überweg Eisglätte vorhanden sei. Dadurch hätte der Sturz vermieden werden können. Dieses Fehlverhalten führe im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge allerdings nur zu einem Haftungsanteil von 25 %. Denn die Beklagte habe mit der Verletzung der ihr obliegenden Streupflicht die maßgebliche Ursache für den Sturz gesetzt.“

Das hat der BGH gehalten 🙂 .

„Butter bei die Fische“ II: Was ist ein „Fußgängerüberweg“?

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Ich hatte ja schon über den BGH, Beschl. v. 21.05.2015 – 4 StR 164/15 berichtet, und zwar soweit es in ihm um die Anforderungen an die Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung ging (vgl. Ist das denn so schwer?, oder: Butter bei die Fische im Verkehrsrecht). Der Beschluss behandelt allerdings noch eine weitere Frage, die ebenfalls einen Hinweis wert ist.

Der Angeklagte war vom LG u.a. auch wegen eines Verstoßes gegen § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB, also falsches Fahren an einem Fußgängerüberweg, verurteilt worden. Dazu hieß es im Urteil, dass der der Angeklagte mit seinem Pkw „gleichgültig gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern mit derart überhöhter Geschwindigkeit [fuhr], dass er von der Fahrbahn abkam, auf den in gleicher Fahrtrichtung eingerichteten Fahrradschutzstreifen geriet und einen mit einer Lichtzeichenanlage versehenen „Fußgängerüberweg“ überfuhr. Dort kollidierte er mit der rechten Front seines Fahrzeugs mit dem Vorderrad des Fahrrads des am „Fußgängerüberweg“ wartenden Zeugen C.

Das reicht dem BGH (auch nicht):

c) Im Fall II. 5 der Urteilsgründe belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB an einem Fußgängerüberweg falsch gefahren ist.

315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB erfasst nur das Falschfahren an Fußgängerüberwegen im Sinne des § 26 StVO. Das sind allein die durch Zeichen 293 (Zebrastreifen) markierten Fahrbahnflächen (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2008 – 4 StR 639/07, NZV 2008, 528, 529; König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 102; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315c Rn. 17 mwN), an denen zu Fuß Gehende und ihnen gleichgestellte Verkehrsteilnehmer nach § 26 Abs. 1 Satz 1 StVO vor Fahrzeugen uneingeschränkt Vorrang haben und Fahrzeug Fahrende gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 StVO sowie § 41 Abs. 1 StVG i.V.m. Anlage 2 und Zeichen 293 besonderen Pflichten unterliegen (Einzelheiten bei König in: Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., StVO, § 26 Rn. 18-21, 23-25 mwN). Dass es sich bei der Unfallstelle um eine mit „Zebrastreifen“ markierte Fahrbahnfläche und damit um einen Fußgängerüberweg im Sinne der § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB, § 26 StVO gehandelt hat, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Die Verwendung des Rechtsbegriffes „Fußgängerüberweg“ vermag die Angabe der zu dessen Ausfüllung erforderlichen Tatsachen nicht zu ersetzen (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Schließlich bleibt auch offen, ob die angeführte Lichtzeichenanlage in Betrieb war und deshalb ihre Lichtzeichen nach § 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 StVO einer etwa bestehen-den Vorrangregel oder Vorrang regelnden Verkehrszeichen vorgingen (vgl. da-zu König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., StVO, § 26 Rn. 11 mwN; zum persönlichen Schutzbereich des § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB siehe König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 103 mwN).“

Also auch hier: „Butter bei die Fische“ = Tatsachen ins Urteil.

Wie schnell darf ich am „Zebrastreifen“ fahren?

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Das richtige Verhalten – nämlich die „richtige Geschwindigkeit“ – an einem Fußgängerüberweg ist Gegenstand des OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.05.2014 – 1 Ss 358/14 – gewesen, mit dem das OLG ein landgerichtliches Urteil aufgehoben hat. Das LG hatte den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt und eine nicht angepasste Geschwindigkeit angenommen. Das OLG sieht das anders:

„b) Auch ausgehend von einem entsprechend markierten Fußgängerüberweg ist das Urteil jedenfalls deshalb aufzuheben, weil das Landgericht keine Umstände festgestellt hat, nach denen der Angeklagte, dessen Ausgangsgeschwindigkeit nicht festgestellt werden konnte, verpflichtet gewesen wäre, mit einer niedrigeren als der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h an die Unfallstelle heranzufahren. Vor diesem Hintergrund kann die Feststellung, dass der Angeklagte den Unfall bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h hätte verhindern können, den Fahrlässigkeitsvorwurf ebenso wenig begründen wie die Möglichkeit, dass er sich „dem Fußgängerüberweg mit einer höheren Geschwindigkeit als 40 km/h genähert hatte“. Das Landgericht hätte zugunsten des Angeklagten vielmehr davon ausgehen müssen, dass er mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h an die Unfallstelle heranfuhr. Ob er den Unfall bei dieser Ausgangsgeschwindigkeit hätte verhindern können, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Eine Verpflichtung des Angeklagten, unabhängig vom Auftauchen des Geschädigten mit einer niedrigeren als der dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h an den Überweg heranzufahren, ergab sich nach den Urteilsfeststellungen weder aus § 26 Abs. 1 Satz 2 StVO noch aus § 3 Abs. 1 StVO.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 StVO in Verbindung mit Satz 1 dieser Vorschrift muss ein Fahrzeug „dann“ – und nur dann – mit mäßiger Geschwindigkeit an einen Fußgängerüberweg heranfahren, wenn ein Fußgänger den Überweg erkennbar benutzen will (vgl. Burmann / Heß / Jahnke / Janker, a. a. O., § 26 Rn. 4 – 4b). Abweichenden früheren Entscheidungen – auch derjenigen des Oberlandesgerichts Düsseldorf, auf die sich das Landgericht beruft – lag eine 1988 außer Kraft getretene Fassung von § 26 Abs. 1 Satz 2 StVO zugrunde, in der es statt „dann““deshalb“ hieß, was bei wörtlicher Auslegung eine allgemeine Verpflichtung zu mäßiger Geschwindigkeit vor Fußgängerüberwegen ergab. Diese Auslegung ist mit der aktuellen Fassung des Gesetzes nicht mehr vereinbar. Dass im vorliegenden Fall vor dem Auftauchen des Geschädigten ein Fußgänger den Überweg erkennbar benutzen wollte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Aus § 3 Abs. 1 StVO ergibt sich nichts anderes. Es gibt keine allgemeine Verpflichtung eines Kraftfahrers, seine Geschwindigkeit alleine deshalb zu verlangsamen, weil die nicht ausschließbare Möglichkeit besteht, ein Fußgänger könne den Überweg benutzen (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 1992, 330). Zwar kann etwas anderes gelten, wenn durch haltende oder parkende Fahrzeuge ein Teil des Überwegs oder der angrenzende Gehweg für den Kraftfahrer nicht einsehbar ist (vgl. BGH, NJW 1961, 35 ). Dass dem im vorliegenden Fall so gewesen wäre, ist dem Urteil aber ebenfalls nicht zu entnehmen; im Gegenteil ist ausgeführt, dass der Geschädigte bereits „auf dem Gehweg sichtbar“ war (UA S. 7).

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verpflichtung zur Mäßigung der Geschwindigkeit selbst dann nicht besteht, wenn ein Fußgänger parallel zur Fahrbahn neben dem Überweg geht (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 1992, 330). Vor diesem Hintergrund begründet die bloße Möglichkeit, dass ein Fußgänger aus einer „kurz hinter dem Überweg einmündenden Querstraße“ (UA S. 8) – oder auch einem nicht einsehbaren Hauseingang – auftauchen könnte, möglicherweise eine Verpflichtung zu erhöhter Aufmerksamkeit, aber noch keine zur Mäßigung der Geschwindigkeit.“

Der „Regenbogenzebrastreifen“ in Köln muss wieder weg …

entnommen: openclipart.org

Der regenbogenbunte Kölner Zebrastreifen kommt wieder weg. Er war von einem „Straßenkünstler“ als Protest gegen Kriminalisierung derdie russischen Schwulen- und Lesbenbewegung in den vergangenen Tagen auf einen „stinknormalen“ Zebrastreifen übermalt worden (vgl. hier das Interview im Kölner Express). Solche Aktionen hatte es ja auch schon in anderen Städten gegeben, wie z.B. in Stockholm und Sydney (vgl. hier). Aber das rettet den Kölner Regenbogen nicht. Ein Zebrastreifen muss, wie es wohl aus Zeichen 293 und 350 der StVO folgt, „weiß“ sein. Deshalb – so die Stadt Köln – „werden wir den ordnungsgemäßen Zustand wieder herstellen.“

Schade (?). Hätte sicherlich ein wenig Farbe in die Städte gebracht. Nur, was macht man, wenn nun im Bundestagswahlkampf alle Parteien (noch mehr) Farbe auf die Straßen bringen. SPD, Grüne, Linke und FDP hätten es mit Rot, Grün und Blau/Gelb nicht schwer, nur was macht die CDU mit Schwarz. Das fällt ja nun gar nicht auf. 🙂 🙂

Die Farben des Zebra-Streifens wäre im Übrigen vielleicht auch das erste Projekt, das sich ein neuer/alter)  Bundesverkehrsminister für die 18. Legislaturperiode vornehmen könnte? Slogan: „Farbe in die Stadt“. Aber, es wir wohl weiter so aussehen 🙂 (für potentielle Kommentatoren: Es geht um den Zebrastreifen/Fußgängerüberweg, nicht um die Seniorin):

oooRENAooo – Fotolia.com (Symbolbild)