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OWi III: Berücksichtigung von Nachtatverhalten, oder: Wenn der Betroffene patzig wird

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Und dann habe ich hier noch den KG, Beschl. v. 10.03.2025 – 3 ORbs 20/25 – 122 SsBs 5/25 – zur bußgelderhöhenden Berücksichtigung von Nachtatverhalten des Betroffenen gegenüber Polizeibeamten.

Das KG führt das aus:

„3. Die Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidungen führt lediglich zu einer Anpassung der Geldbußen; i.Ü. sind sie nicht zu beanstanden.

….

bb) Der Einwand des Rechtsbeschwerdeführers, sein Nachtatverhalten hätte bei der Bestimmung der Geldbußen unberücksichtigt bleiben müssen, trifft in dieser Pauschalität nicht zu.

Es ist allgemein anerkannt, dass unter das Tatbestandsmerkmal „der Vorwurf, der den Täter trifft“, nicht nur die Umstände fallen, die die Begehung der Ordnungswidrigkeit, sondern auch das Nachtatverhalten des Täters umfassen, auch wenn das Ordnungswidrigkeitenrecht anders als das Strafrecht in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB dies nicht ausdrücklich normiert hat (vgl. Rebmann/Roth/Hermann, OWiG §17 Rn. 19 m.w.N.). Demnach ist das vorliegende von fehlender Unrechtseinsicht getragene Nachtatverhalten des Betroffenen grundsätzlich geeignet, die Bestimmung der Geldbußen für die vorsätzlich begangenen Zuwiderhandlungen zu beeinflussen, es sei denn, es ist im Kern als Ausdruck seines Rechts, sich selbst nicht zu belasten und nicht zu seiner Überführung beizutragen zu müssen, zu bewerten. So darf z.B. ein (auch hartnäckiges) Leugnen der Zuwiderhandlung, Schweigen zum Vorwurf, zulässiges Prozessverhalten oder vergleichbares Verhalten nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht zu Lasten des Betroffenen berücksichtigt werden (vgl. BayObLG zfs 2023, 287; König DAR 2024, 367).

Die Berücksichtigung sonstigem von fehlender Unrechtseinsicht getragenes Nachtatverhalten orientiert sich an dem anerkannten Zweck einer Geldbuße, den Betroffenen zur Respektierung der geltenden Rechtsordnung anzuhalten. Danach ist es angebracht, Tätern, die das Unrecht ihrer Handlung erkennbar einsehen mit einer entsprechenden milderen Geldbuße zu begegnen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 26. November 2018 – 2 Ss (OWi) 286/18 -, juris; Mitsch in KK-OWiG 5. Aufl., § 17 Rn. 69), andernfalls auf eine erhöhte Geldbuße zu erkennen, sofern das Verhalten den Schluss auf eine die Rechtsordnung missachtende Einstellung rechtfertigt (vgl. Senat NZV 1992, 249; OLG Köln NZV 1995, 327).

Dieser Maßstab erfordert vom Tatgericht eine zurückhaltende und differenzierte Berücksichtigung des auf fehlender Unrechtseinsicht basierendem Nachtatverhaltens.

Vorliegend hat das Tatgericht ohne die erforderliche differenzierte Bewertung und damit fehlerhaft das gesamte Nachtatverhalten des Betroffenen (s.o. S. 3) als bußgelderhöhend bewertet. Seine Äußerung, sie, die Zeugen, würden „unschuldige Bürger ärgern“, macht zwar die fehlende Einsicht in sein Verhalten deutlich, kommt aber dem Leugnen seines Fehlverhaltens gleich (vgl. BayObLG zfs a.a.O.) und durfte keine nachteilige Berücksichtigung finden. Hinsichtlich der weiteren Äußerungen des Betroffenen gegenüber den Zeugen (s.o. S. 3) ist den Urteilsgründen die Begründung für die bußgelderhöhende Bewertung nicht ausreichend zu entnehmen.

Diese Fehler führen aber nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache. Denn den Urteilsgründen sind sowohl die Umstände des Nachtatverhaltens als auch das Verhalten gegenüber den Zeugen hinreichend zu entnehmen und der Senat macht daher von der Möglichkeit Gebrauch macht, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 79 Abs. 6 1. Var. OWiG).

Der Senat hat eine umfassende Gesamtschau der weiteren Äußerungen und dem Auftreten des Betroffenen gegenüber den Zeugen vorgenommen und bewertet dies als bußgelderhöhendes Nachtatverhalten. Dabei hat er durchaus bedacht, dass eine Verkehrskontrolle eine Ausnahmesituation darstellen kann, die den Betroffenen zu unbedachten und von seinem Gegenüber hinzunehmende Äußerungen verleitet haben kann (vgl. König DAR 2024, 367), auch wenn den persönlichen Verhältnissen zu entnehmen ist, dass ihm das Begehen von Verkehrsverstößen, die vorliegend nicht mehr bußgelderhöhend bewertet werden durften, nicht fremd ist. Das längere Nichtbefolgen der Aufforderung, den Motor abzustellen, um damit das Gespräch mit den Zeugen zu erschweren, das rechtmäßige Vorgehen der Polizeibeamten dadurch grundlos nachhaltig in Frage zu stellen, ihnen sowohl ihre fachliche wie persönliche Kompetenz abzusprechen, ihnen die fehlerhafte Handhabung des Opportunitätsgrundsatzes zu unterstellen, das Verfolgungsinteresse des Staates repräsentiert durch die Zeugen zu negieren, zeigen nicht nur ein distanzloses, unangemessenes, die Zeugen herabwürdigendes Verhalten, sondern lässt den Schluss – auch unter Berücksichtigung der wiederholten vorsätzlichen Missachtung der innerstädtischen Geschwindigkeitsregeln während der Fahrt – auf eine die Rechtsordnung missachtende Einstellung des Betroffenen zu und dass er sich durch eine niedrigere Geldbuße nicht wird beeindrucken lassen, sich zukünftig regelkonform zu verhalten.

Dieses Nachtatverhalten stellt ein Abweichen vom Regelfall dar, dessen bußgelderhöhende Berücksichtigung allerdings nicht – entgegen der Ansicht des Tatgerichts – durch eine mathematische Berechnung der Erhöhung der Regelsätze (hier jeweils 25%, UA S. 9) zu erfolgen hat (vgl. Thoma in Göhler OWiG 9. Aufl., § 17 Rn. 28j m.w.N.). Der Senat erhöht die Geldbußen angemessen und setzt die Geldbuße für die Handlung zu 1) auf 580,00 Euro und für die Handlung zu 2) auf 250,00 Euro fest.“