Schlagwort-Archive: Gefahr im Verzug

Auch OLG Düsseldorf springt beim Richtervorbehalt (§ 81a StPO) zu kurz

Gerade stoße ich auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf v. 21.02.2010 – IV 1 RBs 3/10, in der sich das OLG mit den zu § 81a StPo bestehenden Streitfragen auseinandersetzt.

Das OLG führt in etwa aus: Da ein richterlicher Eildienst bei den Amtsgerichten in Nordrhein-Westfalen nur in der Zeit von 06:00 Uhr bis 21:00 Uhr vorgehalten wird, können Ermittlungspersonen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Blutprobenentnahme davon ausgehen, dass ein Bereitschaftsrichter erst um 06:00 Uhr morgens erreichbar ist. Konnte für die Entnahme der Blutprobe eine richterliche Anordnung wegen der Nachtzeit deshalb nicht eingeholt werden, unterliegt das Ergebnis dieser Blutprobenuntersuchung dann keinem Verwertungsverbot, wenn bei der polizeilichen Anordnung der Blutprobenentnahme Gefahr im Verzug bestand und ein Zuwarten bis zu diesem Zeitpunkt zu einer nicht hinnehmbaren Verschlechterung der Beweislage durch eine gesunkene Blutalkoholkonzentration geführt hätte.

M.E. eine nicht zutreffende Argumentation, denn es kommt für den richterlichen Eildienst nicht darauf an, was sich das JM (NRW!!) ausgedacht hat, sondern, ob Bedarf besteht. Und den schafft nicht das JM.

Ähnlich falsch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2010 – III-1 RVs 1/10

3. Strafsenat des OLG Hamm rüffelt erneut NRW-Justizverwaltung

Der 3. Strafsenat des OLG Hamm hat erneut zum Richtervorbehalt und zu Gefahr in Verzug Stellung genommen und die NRW-Justizverwaltung gerüffelt. Mir liegt der Beschluss vor, ich kann ihn aber leider derzeit noch nicht online stellen. Habe hier im Urlaub keinen Scanner. Aber: Wer sich schon mal vorab informieren will, kann das hier tun. Beschluss kommt dann am Montag.

Volltext zu „Lehrbuch vom AG Pirna zum Richtervorbehalt bei der Blutentnahme, zu Gefahr im Verzug und zum Beweisverwertungsverbot

Hallo, sorry, hatte heute morgen in dem Beitrag „Lehrbuch vom AG Pirna zum Richtervorbehalt bei der Blutentnahme, zu Gefahr im Verzug und zum Beweisverwertungsverbot“ nicht auf den kostenfreien Volltext verlinkt. Das habe ich gerade nachgeholt. Die Entscheidung des AG Pirna steht (jetzt) hier.

Lehrbuch vom AG Pirna zum Richtervorbehalt bei der Blutentnahme, zu Gefahr im Verzug und zum Beweisverwertungsverbot

Ich war erstaunt, als ich die mir von einem Kollegen übersandte Entscheidung des AG Pirna vom 15.10.2009 –  212 Cs 152 Js 16477/09 Erw. sah. 30 (!!) Seiten zum Richtervorbehalt, zu Gefahr im Verzug und zum Beweisverwertungsverbot. Und das Ganze so lehrbuchartig aufbereitet, dass sich m.E. das ein oder andere OLG und LG davon eine Scheibe abschneiden könnte. Der Amtsrichter hat sich mit allen Einzelheiten der Problematik auseinandergesetzt und ist dann zu der (richtigen) Entscheidung – Beweisverwertungsverbot – gekommen. Also: Herzlichen Glückwunsch nach Pirna. Und das ist m.E. um so erstaunlicher, wenn man liest, wie die Ermittlungsbehörden in Sachsen mit der Problematik (zu der Zeit [?]) umgegangen sind.

Der Amtsrichter teilt mit:

„Bis zum 26.06.2009 hat es bei dem Amtsgericht Pirna nämlich niemals einen Antrag auf richterliche Anordnung einer Blutentnahme zur Bestimmung des Blutalkoholwertes gegeben„.

Dazu muss man sich in Erinnerung rufen, dass die grundlegende BVerfG-Entscheidung vom 12.02.2007 (!!) stammt. Sie bleibt also mehr als zwei Jahre unbeachtet. Dazu passt dann auch folgende Passage:

Im Weiteren setzt sich das Schreiben mit der entgegen­stehenden Entscheidung des Thüringer OLG vom 30.07.2008 (gemeint ist der Beschluss vom 25.11.2008, der sich mit einer Revision gegen ein Urteil des AG Sonderhausen vom 30.07.2008 beschäftigte) auseinander und lehnt diese Entscheidung mit verschiedenen Argumenten ab. Mit Schreiben vom 20.04.2009 (3100 E 1/08) übersandte die Staatsanwaltschaft Dresden der Generalstaatsanwalt­schaft Dresden eine Entscheidung des OLG vom 12.03.2009 mit folgendem Begleittext:„In der Anlage übersende ich den Beschluss des OLG Hamm vom 12.03.2009, das wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt ein Beweisverwertungsverbot zugrunde gelegt hat, vorsorglich zur Kenntnisnahme. Der Beschluss gibt bisher keinen Anlass, die hiesige Praxis aufzugeben.

Insbesondere das Letzte ist m.E. unverständlich. Man kann es nur zusammenfassen mit dem Satz: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Anstatt die Polizeibeamten zu rechtmäßigem Verhalten anzuhalten, gibt man grünes Licht für „weiter so wie bisher.“

OLG Celle: Kein Rangverhältnis zwischen StA und Polizei

Inzwischen arbeiten die OLG in Zusammenhang mit der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot bei Missachtung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO an Facetten der Problematik. Eine davon ist z.B. die Frage, ob sich ein Beweisverwertungsverbot damit begründen lässt, dass die die Blutentnahme bei Gefahr in Verzug anordnende Ermittlungsperson nicht zuvor versucht hat, den zuständigen Staatsanwalt zu erreichen. Das OLG Celle hat das – ebenso wie zuvor z.B. schon das OLG Brandenburg und das OLG Frankfurt – verneint. Der Umstand sei von vornherein nicht geeignet, eine Verletzung des § 81a Abs. 2 StPO und ein Verwertungsverbot zu begründen. (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 25.01.2010 – 322 SsBs 315/09).