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Aus neun mach eins – aus eins mach (wieder) neun – ist für die Kasse interessant

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Gebührenrechtlich interessant ist der LG Bremen, Beschl. v. v. 13.06.2012 – 5 Qs 146/12. Nicht wegen der allgemeinen Ausführungen des LG zur Terminsgebühr, denn es  ist unebstritten, dass der Rechtsanwalt/Verteidiger die Terminssgebühr bereits dann verdient, wenn ein (gerichtlicher) Termin stattgefunden hat, an dem er teilgenommen hat. Dabei ist grundsätzlich ausreichend, wenn der Rechtsanwalt anwesend ist. Er muss im Termin keine besonderen Tätigkeiten erbracht haben. Der Umfang der Tätigkeiten hat nur über die Zeitdauer und damit mittelbar Auswirkungen.

Nein interessanter wegen der Häufigkeit des Anfalls der Gebühren bei folgender Konstellation: Gegen den Betroffenen sind neun Bußgeldverfahren anhängig, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden (als keine Verschmelzungsverbindung). In der Hauaptverhandlung nimmt der Betroffene dann den Einspruch im führenden Verfahren zurück. Es ergeht dann „Auf Antrag des Betroffenen und seines Verteidigers“ folgender Beschluss: Die verbundenen Verfahren 73 OWi 630 Js 6155/11, 6963/11, 12684/11, 13223/11, 16869/11, 19310/11, 21843/11 und 620 Js 24772/11 werden jeweils abgetrennt und gemäß § 47 Abs.2 OWG eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.“

Ergebnis: Die verbundenen Verfahren folgen (wieder) eigenen Regeln. Dazu das LG Bremen:

Deshalb hat der Verteidiger in diesem Verfahren nach Abtrennung von dem führenden Verfahren die Terminsgebühr in allen verbunden gewesenen Verfahren verdient, denn sie sind „jeweils“ von dem führenden Verfahren abgetrennt und sonach (gesondert) eingestellt worden. Zumindest bis zur Verfahrenseinstellung ist über die Verfahrenseinstellung auch Hauptverhandlung geführt worden, denn die Verfahrenseinstellung ist innerhalb und nicht außerhalb der Hauptverhandlung erfolgt.“

Und verdient wird nicht nur achtmal die Terminsgebühr, sondern auch die übrigen Gebühren mal acht.Die insoweit bereits entstandenen Gebühren sind durch die Verbindung nicht verloren gegangen. 🙂

Den Rechtsanwalt freut das sicherlich. 😀

Änderungen des Gebührenrechts kommen – nur was kommt, das weiß man nicht

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Bei LTO lese ich gerade, dass die Bundesjustizminsterin auf der Eröffnungsfeier zum 63. Deutschen Anwaltstag versprochen hat, sich dafür einzusetzen, dass der Gesetzentwurf zur Kostenrechtsmodernisierung bis zum Sommer vorliegt.

Dazu heißt es bei LTO:

„Die Bundesjustizministerin strebt noch in diesem Sommer einen Kabinettsbeschluss zu beiden Elementen des geplanten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes an. Sowohl die Anwaltsgebühren als auch die Gerichtskosten sollen angepasst werden. Damit hält die Ministerin den Zeitrahmen ein, den sie der Anwaltschaft zugesagt hatte, um noch innerhalb dieser Legislaturperiode das Gesetz verabschieden zu können.

Absehbar ist allerdings, dass das verabschiedete Gesetz erhebliche Änderungen gegenüber dem Ende letzten Jahres veröffentlichten Referentenentwurf enthalten wird. Auch wenn die Bundesjustizministerin hervorhob, die Gebührenerhöhung solle auch dazu beitragen, dass die Juristerei weiterhin eine gute Grundlage für Broterwerb ist, ließ sie sich zu detaillierteren Äußerungen nicht hinreißen.

Na, da darf man dann gespannt sein, wenn von dem Referentenentwurf zum 2. KostRMoG, nachdem nun die Länder Stellung genommen haben, noch übrige geblieben ist. Das, was in München gesagt worden ist, klingt für mich nebulös und lässt nichts Gutes ahnen. Und: „..versprochen hat, sich einzusetzen..“, das klingt etwas so wie in einem Zeugnis: „er hat sich immer bemüht…“ 🙂

Völlige Unkenntnis – oder: Ein Blick ins Gesetz hätte genügt…

in zumindest einer gebührenrechtlichen Grundfrage beweist der von einer Strafkammer stammende Beschl. des LG München v. 02.09.2011 – 2 KLs 100 Js 3535/10, auf den mich gestern eine Kollegin angesprochen hat und den sie mir heute hat zukommen lassen. Und ich schließe an: Ich fasse es nicht.

Kurz zum Sachverhalt: Die Kollegin fährt von München aus zur JVA Amberg, um dort ein Anbahnungsgespräch zu führen. Sie wird später als Pflichtverteidigerin beigeordnet und macht bei der Vergütungsfestsetzung dann auch die Fahrtkosten für diesen „Ausflug“ und das Abwesenheitsgeld geltend.

Diese Auslagen (vgl. Teil 7 VV RVG) wurden von der Kostenbeamtin des LG ab­gesetzt mit der Begründung, diese Fahrt habe zur Mandatsanbahnung gedient und sei deshalb durch die Grundgebühr abgegolten. Die Kollegin geht in die Erinnerung und bekommt jetzt vom LG mitgeteilt:

„Ein Kostenerstattungsanspruch incl. Abwesenheitsgeld für die Fahrt in die JVA Amberg am 06.09.2010 besteht nicht. Wie RAin Y.  selbst vorträgt, handelte es sich um den Erstbesuch, der zur Erteilung des Mandats als Wahlverteidigerin führte. Dies ist von der Grund­gebühr umfaßt, ohne dass weitere Erstattungsansprüche entstehen (Gerold/Schmidt, RdNr. 9 zu VV 4100, 4101).

Wie gesagt: Ich fasse es nicht. Und ich weiß nicht, wie ich das nennen soll: Völlige Unkenntnis ist noch gelinde ausgedrückt bei der abenteuerlichen Begründung. Es ist in der Tat nicht zu fassen, dass

  1. ein Kostenbeamter offensichtlich nicht den Unterschied zwischen Gebühren und Auslagen kennt,
  2. auch eine mit drei Berufsrichtern besetzte StK  den Unterschied offenbar nicht kennt,

Beiden sei ein Blick in § 1 Abs. 1 RVG empfohlen, man muss also gar nicht lange blättern.

Die Kollegin hatte es dem LG auch einfach und einleuchtend erklärt:

„Bei den Fahrtkosten und der Abwesenheitsgebühr für den 06.09.2011 handelt es sich um Auslagen, die gemäß Teil 7 des RVG zu erstatten sind. Diese Auslagen sind angefallen im Zusammenhang mit dem Mandatsanbahnungsgespräch. Für dieses Mandatsanbahnungsgespräch wurde keine Gebührenfestsetzung beantragt, da eine solche vom Gesetz nicht vorgesehen ist. Diese wird insoweit von der Grundgebühr erfasst. Nicht erfasst werden hingegen von der Grundgebühr die im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit von mir bereits vorgestreckten Auslagen. Die zitierte Fundstelle im Kommentar bei Gerold/Schmidt bezieht sich auch nur auf die Tätigkeit, nicht hingegen auf die Auslagen. Die Auslagen sind nicht mit der Grundgebühr abgegolten.

Dies macht auch bereits deshalb keinen Sinn, da aufgrund der großen Distanz von München zur JVA Amberg die Grundgebühr nahezu vollständig verbraucht wäre, alleine durch Fahrtkosten. Der Mandant befand sich aufgrund von Trennungsbeschlüssen in der JVA Amberg, Gerichtsort war München.“

Und sie hatte darauf hingewiesen, dass die 162 €, die die Grundgebühr in diesem Fall bringt, durch Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder fast völlig aufgebraucht wäre. Fazit wäre, dass die Kollegin für die Einarbeitung kein Honorar verdienen würde. Dass das nicht richtig sein kann, hätte man vielleicht merken können.

Zum Abschluss eine Bitte: Nehmt nicht meine Kommentierung bei Gerold/Schmidt zu Nr. 4100, 4101 VV in Rn. 9 als Beleg für solchen Blödsinn, der da verzapft worden ist. Das steht da nämlich nicht. Ich kenne den Unterschied zwischen Gebühren und Auslagen.

Nicht immer hilft „Burhoff“ :-)

Ein Kollege vom LG Aurich hat mir den LG Aurich, Beschl. v. 06.04.2011 -12 Qs 45/11 – zugesandt. Inhaltlich nichts Besonderes, aber sicherlich etwas zum Schmunzeln. Da hatte der Verteidiger nach einem Freispruch im OWi-Verfahren bei der Kostenerstattung höhere Wahlanwaltsgebühren mit der Begründung verlangt, dass das Verfahren besondere Probleme rechtlicher und tatsächlicher Art aufgewiesen habe. Dazu heißt es dann im LG-Beschluss:

Ausweislich des Protokolls hat der Verteidiger im zweiten Hauptverhandlungstermin lediglich die Ordnungsgemäßheit der Messung gerügt und hierzu eine Ablichtung aus dem von Burhoff verfassten und gerichtsbekannten Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche Owi-Verfahren vorgelegt, in welchem bereits nach den jeweiligen Messverfahren aufgeschlüsselt, die technischen wie verfahrensrechtlichen Besonderheiten bzw. Probleme eingehend dargestellt werden. Hierzu bedurfte es jedoch keiner besonderer straßenverkehrsrechtlicher Spezialkenntnisse, so dass die festgesetzte Vergütung angemessen und die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Freut den Autor, sicherlich, und es ist in diesem Fall auch nicht schlimm, dass man „gerichtsbekannt“ ist :-). Daraus ableiten kann man zudem: Nicht immer hilft Burhoff 🙂 🙂

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold

wenigstens gebührenrechtlich – so die Schlußfolgerung aus dem Urt. des AG Hamburg-Barmbek v. 04.02.2011 – Az.: 820 C 511/10, in dem das AG sich auch mit der Entscheidung des BGH v. 20.01.2011 – IX ZR 123/10 auseinandergesetzt hat.

Der Verteidiger hatte dem Mandanten zum Schweigen geraten, dieser hatte den Rat angenommen und das Verfahren ist dann später eingestellt worden. Der Verteidiger hat dann die Nr. 5115 VV RVG geltend gemacht, die das AG jedoch nicht ausgeurteilt hat. Begründung: Nur interner Rat zum Schweigen reicht nicht. So weit, so gut, oder auch nicht. Denn das AG setzt sich nicht mit der Frage auseinander, warum denn nun eigentlich das Verfahren eingestellt worden ist. Es muss ja nicht der Rechtsanwalt seine Mitwirkung an der Erledigung beweisen, sondern es wird eine Mitwirkung des Rechtsanwalt vermutet. Es dann ist Aufgabe des Gebührenschuldners, also hier der beklagten Rechtsschutzversicherung, das Fehlen der Mitwirkung darzulegen und zu beweisen (so zutreffend KG AGS 2009, 324; AG Unna JurBüro 1998, 410; AG Saarbrücken RVGreport 2006, 181 = AGS 2006, 126 m. Anm. Madert; AnwKomm-RVG/N. Schneider, VV 4141 Rn. 11; Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG 19., Aufl., VV 4141 Rn. 12. Und das ist mehr, als einfach nur die Zahlungspflicht zu bestreiten.

Dem Verteidiger kann man nach der Entscheidung nur raten: Nicht schweigen, sondern den Rat zum Schweigen und die Entscheidung des Mandanten mitteilen. Dann geht an der Mitwirkung i.S. der Nrn. 4141 bzw. 5115 VV RVG kein Weg vorbei.