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Pflichti I: Pflichtiwechsel trotz versäumter Auswahl, oder: Rückwirkende Bestellung (jetzt) unzulässig

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Und dann heute mal wieder eine Pflicht-Tag. Allerdings so ganz viel ist es nicht.

Ich stelle hier zunächst zwei AG-Entscheidungen zum Beiordnungsverfahren vor, und zwar:

Zunächst kommt hier der AG Hamburg, Beschl. v. 07.08.2023 – 166 Gs 1438/23 -, mit dem das AG einen Pflichtverteidigerwechsel vorgenommen hat:

„Auf Antrag des Beschuldigten war der Beschluss dieses Gerichts vom 02.08.2023, mit dem ihm in Vorbereitung des anzuberaumenden Haftbefehlverkündungstermins Herr Rechtsanwalt pp. gemäß § 140 Abs. 1 Ziffer 5 StPO zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist, aufzuheben, da ein Fall des § 143a Abs. 2 Ziffer 1 StPO vorliegt.

Danach ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers unter anderem dann aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn einem Beschuldigten bei seiner vorangegangenen normativ erforderlichen Anhörung zur Auswahl des Verteidigers nur eine kurze Frist gesetzt worden ist. Dem Beschuldigten ist aktuell zumindest nicht zu widerlegen, dass diese Voraussetzungen in seinem Fall vorliegen. Zwar ist dem Beschuldigten mit Schriftsatz dieses Gerichts vom 21.07.2023 eine „an sich angemessene“ Frist von einer Woche gesetzt worden, um dem Gericht einen Rechtsanwalt zu benennen, von dem er als (Pflicht-)Verteidiger vertreten werden möchte. Erst nach dem Ausbleiben einer Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist ist ihm sodann mit Rechtsanwalt pp. ein Pflichtverteidiger aus dem Kreis der Hamburger Strafverteidiger von Amts wegen beigeordnet worden. In Anlehnung an den Inhalt des Schriftsatzes des von dem Beschuldigten erst danach beauftragten Rechtsanwalts pp2 vom 03.08.2023 wird ihm allerdings nicht zu widerlegen sein, dass es ihm aufgrund der mit seiner aktuellen Inhaftierung (in anderer Sache) einhergehenden Widrigkeiten und organisatorischen Schwierigkeiten kaum möglich gewesen ist, die gesetzte Frist einzuhalten. Zumindest in dieser Fallkonstellation muss die ihm gerichtlich gesetzte Frist als zu kurz bemessen angesehen werden, so dass der Rechtsgedanke des § 143a Abs. 2 Ziffer 1 StPO auch im Falle dieses Beschuldigten fruchtbar zu machen ist. Da die Antragstellung zur Umbeiordnung durch den „neuen“ Verteidiger des Beschuldigten bereits am 03.08.2023 und damit innerhalb der vom Gesetzgeber grundsätzlich dafür eingeräumten Dreiwochenfrist erfolgt ist und der Umbeiordnung keine wichtigen Gründe entgegen stehen, insbesondere keine nennenswerte Verfahrensverzögerung durch die Umbeiordnung zu erwarten ist, war dem Antrag des Beschuldigten  im Ergebnis stattzugeben. Der Beschuldigte befindet sich in anderer Sache weiterhin in staatlichem Gewahrsam (§ 140 Abs. 1 Ziffer 5 StPO). Die Anhörung aller beteiligten Personen ist erfolgt. Der Beschluss ergeht im Einverständnis aller Beteiligten.“

Und dann – nur zur Abrundung – noch der AG Zweibrücken, Beschl. v. 26.10.2023 – 1 Gs 1248/23 -, in dem das AG jetzt auch davon ausgeht, dass die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht zulässig ist. Es hat damit seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben.

Beim OLG Hamm hat der Monat (demnächst) nur noch 25 Tage

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Ich lese ja gerade Korrektur der Texte für das „Handbuch für die strafverfahrensrechtliche Nachsorge“, in dem es natürlich auch ein Kapitel zur Rechtsbeschwerde nach den §§ 116 StVollzG geben wird. Und da viel mir dann beim Lesen ein, dass in meinem Blogordner immer noch der schon etwas ältere OLG Hamm, Beschl. v. 28.05.2015 – 1 Vollz (Ws) 248/15 – hängt, über den ich schon seit längerem berichten will. In ihm geht es um eine verfristete Rechtsbeschwerde und einen gegen die Fristversäumung gestellten Wiedereinsetzungsantrag.

Der Gefangene hatte seinen Antrag an das zuständige Gericht auf Protokollierung des Rechtsmittels erst drei Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Post gegeben. Das reichte dann nicht mehr für eine rechtzeitige Protokollierung  mit Vorführung zum Rechtspfleger.

Das OLG sieht darin ein Verschulden des Gefangenen und hat die Wiedereinsetzung abgelehnt:

„Zwar ist ein Betroffener nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berechtigt, die ihm vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszunutzen. Dies bedeutet auch, dass ein Gefangener grundsätzlich das Recht hat, eine Rechtsbeschwerdebegründung gegebenenfalls auch noch am letzten Tag der Frist zu Protokoll des Urkundsbeamten zu erklären. Es beinhaltet jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auch verpflichtet ist, bei später Antragstellung zur Vorführung allein wegen des bevorstehenden Fristablaufes  überobligatorische Tätigkeiten außerhalb des normalen Geschäftsganges zu entfalten, um die Einhaltung der Rechtsbeschwerdefrist zu gewährleisten. Die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsmittelfrist beinhaltet nämlich keine reine Bedenkzeit, sondern umfasst zugleich die Zeitspanne, die dem Betroffenen je nach den Umständen zur Erledigung des rein technischen Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung verbleibt (vgl. Senat a.a.O.). Es muss deshalb von dem Betroffenen erwartet werden, dass er seinerseits alles ihm Zumutbare veranlasst, um die rechtzeitige Protokollierung des Rechtsmittels sicherzustellen…..“

Und das OLG setzt nach – für zukünftige Fälle:

„Es wird insoweit ergänzend ohne Vornahme einer allgemeinen Festlegung für jeden Einzelfall darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Senats ein Protokollierungsersuchen im Regelfall dann als rechtzeitig anzusehen sein wird, wenn es zumindest fünf Werktage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist abgesendet worden ist.

Durch die vorstehend dargelegte Betrachtungsweise wird einem Gefangenen der Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsmittelinstanzen auch nicht entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zur Protokollierung der Rechtsbeschwerdebeschwerde eines Gefangenen sind vielmehr als sachlicher Grund anzusehen, der einen für den Betroffenen hinnehmbaren höheren Zeitaufwand erfordert. Hierbei ist zudem zu beachten, dass die Möglichkeit der Protokollierung einer Rechtsbeschwerde vor dem Rechtspfleger sich lediglich als ein gesetzliches Äquivalent zur gemäß § 118 Abs. 3 StVollzG grundsätzlich notwendigen Einlegung des Rechtsmittels unter Mitwirkung eines Rechtsanwaltes darstellt. Auch bei Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes könnte der Betroffene unter Berücksichtigung dessen anderweitiger Auslastung nicht damit rechnen, dass dieser im Falle des Einganges eines Mandatsauftrages am Tag vor Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist für ihn noch in sinnvoller Weise tätig werden könnte. Auch insoweit könnte der Gefangene gerade nicht erwarten, der Rechtsanwalt werde sich bereits am Folgetag in die JVA begeben, um die Angelegenheit zu besprechen und anschließend noch taggleich eine Rechtsbeschwerdebegründung abzufassen und für deren Zugang bei Gericht zu sorgen. Vielmehr wird in derartigen Fällen mangels ausreichender Einarbeitungsmöglichkeiten in die Sach- und Rechtslage eine über die Erhebung der allgemeinen Sachrüge hinausgehende Rechtsbeschwerdebegründung im Regelfall kaum möglich sein.“

Tja, solche „Neigungsbeschlüsse“ sind immer unschön, kündigen sie doch i.d.R. eine Rechtsprechungsänderung an. So wohl auch hier. In Hamm hat der Monat demnächst also nur noch 25 Tage. Ob das das BVerfG schön findet/mitmacht? Man wird es dann sehen.