Schlagwort-Archive: Freispruch

„Unschuld? Kostet 13.000 Euro“

Mit der Überschrift „Unschuld? Kostet 13.000 Euro“ ist der Beitrag von H.Prantl zu einem KG, Beschl. v. 20.02.2012 – 1  Ws 72/09 – übertitelt, in dem einer frei gesprochenen Angeklagten nur ein Teil der bei ihr entstandenen Gutachterkosten erstattet worden sind.Ein Teilbetrag von rund 13.000 € wird nicht erstattet. Die vom Privatgutachter geltend gemachten Kosten waren zu hoch bzw. entsprachen nicht den Sätzen des JVEG. Wenn man es so liest, ist der Unmut von H.Prantl verständlich, allerdings: Bevor man es abschließend beurteilen kann, muss man sicherlich erst mal den Beschluss des KG gelesen haben. Mal sehen, ob ich den bekommen kann.

Dem Kollegen, der mich auf den Beitrag hingewiesen hat, besten Dank.

Tötung eines homosexuellen Freiers – BGH hebt Freispruch auf

Der BGH meldet mit seine PM Nr. 181/2011 soeben:

Tötung eines homosexuellen Freiers – Auf Notwehr gestützter Freispruch aufgehoben

Das Landgericht Berlin hat – der Einlassung des 31jährigen Angeklagten folgend – festgestellt, dass sich dieser in seiner Wohnung zu homosexuellen Handlungen gegen Bezahlung mit einem 63jährigen Beamten verabredet hatte; nach einem Streit wegen verweigerter Vorauszahlung griff der Freier den Angeklagten durch Würgen an; nachdem der Angeklagte einen ersten Angriff erfolgreich abgewehrt hatte, begegnete er dem zweiten Würgeangriff seinerseits mit Würgen bis zum Todeseintritt. Der 5. (Leipziger) Strafsenat hat die dem Freispruch aufgrund angenommener Notwehr zugrundeliegende Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft beanstandet.

Der Strafsenat hat ferner – auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers – eine Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung aufgehoben. Der Angeklagte hatte am 20. Juni 2009 einen 14-jährigen Jungen anal – auch mit einer Flasche – vergewaltigt und ihm mit einem Messer in den Hals gestochen. Diese Handlung hatte das Landgericht als versuchten Totschlag bewertet, dem Angeklagten aber einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch zugebilligt. Die dem zugrundeliegenden Beweiswürdigung hat der Strafsenat ebenfalls beanstandet.

Eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts wird die Sache umfassend – die Vergewaltigungstat auf der Grundlage der aufrechterhaltenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen – neu aufzuklären und zu bewerten haben.

Urteil vom 9. November 2011 – 5 StR 328/11

„Irrtümliche Notwehr“ bei der Tötung eines Polizeibeamten – Freispruch durch den BGH

Der BGH meldet gerade mit seiner PM Nr. 174/11 vom Freispruch durch den BGH (!!!) in einem Totschlagsverfahren, das beim LG Koblenz gelaufen ist. In der PM heißt es:

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung eines Mannes wegen Totschlags an einem Polizeibeamten durch das Landgericht Koblenz aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.

Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der Angeklagte, ein führendes Mitglied des Motorradclubs „Hell´s Angels“, hatte erfahren, dass er von Mitgliedern des konkurrierenden Clubs „Bandidos“ ermordet werden solle. Zeitgleich erließ das Amtsgericht in einem gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren einen Durchsuchungsbefehl für seine Wohnung. Wegen der zu befürchtenden Gewaltbereitschaft des Angeklagten und seiner polizeibekannten Bewaffnung wurde zur Vollstreckung des Durchsuchungsbefehls ein Sondereinsatzkommando (SEK)der Polizei hinzugezogen.

Am Tattag versuchte das SEK gegen 6.00 Uhr morgens, die Tür des Wohnhauses des Angeklagten aufzubrechen, um ihn und seine Verlobte im Schlaf zu überraschen. Der Angeklagte erwachte durch die Geräusche an der Eingangstür,
bewaffnete sich mit einer Pistole Kal. 45, die mit acht Patronen geladen war, und begab sich ins Treppenhaus, wo er das Licht einschaltete. Er erblickte von einem Treppenabsatz aus durch die Teilverglasung der Haustür eine Gestalt, konnte diese aber nicht als Polizisten erkennen. Vielmehr nahm er an, es handle sich um schwerbewaffnete Mitglieder der „Bandidos“, die ihn und seine Verlobte töten wollten. Er rief: „Verpisst Euch!“ Hierauf sowie auf das Einschalten des Lichts reagierten die vor der Tür befindlichen SEK-Beamten nicht; sie gaben sich nicht zu erkennen und fuhren fort, die Türverriegelungen aufzubrechen.

Da bereits zwei von drei Verriegelungen der Tür aufgebrochen waren und der Angeklagte in jedem Augenblick mit dem Eindringen der vermeintlichen Angreifer rechnete, schoss er ohne weitere Warnung, insbesondere ohne einen Warnschuss abzugeben, nun gezielt auf die Tür, wobei er billigend in Kauf nahm, einen der Angreifer tödlich zu treffen. Das Geschoss durchschlug die Verglasung der Tür, drang durch den Armausschnitt der Panzerweste des an der Tür arbeitenden Polizeibeamten ein und tötete diesen.

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat den Angeklagten wegen dieses Geschehens wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht ahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe zwar irrtümlich die Voraussetzungen einer Notwehrlage angenommen, er habe aber auch unter diesen Voraussetzungen nicht ohne Vorwarnung die tödliche Waffe einsetzen dürfen.

Der 2. Strafsenat hat die Verurteilung aufgehoben und den Angeklagten insoweit freigesprochen, weil auf der Grundlage der
landgerichtlichen Feststellungen ein Fall strafloser Putativnotwehr gegeben war. Nach ständiger Rechtsprechung ist die irrtümliche Annahme einer Notwehrlage im Ergebnis ebenso zu behandeln wie ein Fall tatsächlich gegebener Notwehr. Danach
muss der gezielte Einsatz einer lebensgefährlichen Waffe zwar grundsätzlich stets zunächst angedroht und ggf. auch ein Warnschuss abgegeben werden. Ein rechtswidrig Angegriffener muss aber nicht das Risiko des Fehlschlags einer
Verteidigungshandlung eingehen. Wenn (weitere) Warnungen in der konkreten „Kampflage“ keinen Erfolg versprechen oder die Gefahr für das angegriffene Rechtsgut sogar vergrößern, darf auch eine lebensgefährliche Waffe unmittelbar
eingesetzt werden. Nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Landgerichts war hier ein solcher Fall gegeben. Im Augenblick – irrtümlich angenommener – höchster Lebensgefahr war dem Angeklagten nicht zuzumuten,
zunächst noch durch weitere Drohungen oder die Abgabe eines Warnschusses auf sich aufmerksam zu machen und seine „Kampf-Position“ unter Umständen zu schwächen.

Dass es durch die Verkettung unglücklicher Umstände zum Tod des Polizeibeamten kam, war dem Angeklagten daher nicht anzulasten. Weil dieser seinen Irrtum auch nicht fahrlässig verursacht hatte, konnte er auch wegen fahrlässiger Tötung nicht verurteilt werden.

Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11″

 

Freispruch, kann man ja schon mal vergessen..

nun ja, zumindest in der Urteilsformel, und zwar dann, wenn ein Angeklagter nicht wegen aller Delikte verurteilt wird, die er der Anklage zufolge in Tatmehrheit begangen haben soll. Der Angeklagte  ist aber – so der BGH, Beschl. v. 23.08.2011 – 4 StR 373/11

„.… insoweit freizusprechen, um Anklage und Eröffnungsbeschluss auszuschöpfen; dies gilt auch dann, wenn das Gericht das Konkurrenzverhältnis anders beurteilt und von Tateinheit ausgeht (BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 2008 – 2 StR 174/08, NStZ-RR 2008, 287; vom 3. Juni 2008 – 3 StR 163/08, NStZ-RR 2008, 316). Den deshalb gebotenen Teilfreispruch holt der Senat – wie vom Generalbundesanwalt beantragt – nach.

Kann ja auch gebühren-/kostenrechtliche Folgen haben.

Nochmals: Augsburger Puppenkiste… Schlusspunkt (?) im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg

Lang, lang ist es her, dass wir hier über das Verfahren gegen RA Lucas berichtet haben, das am 01.04.2011 mit einem Freispruch vom Vorwurf der Strafvereitelung geendet hat.

Inzwischen liegt das schriftliche begründete Urteil vor. Wer Lust hat, kann es hier nachlesen. Damit ist dann der Schlusspunkt gesetzt.