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Fahrtenbuchauflage: Wann wird sie unverhältnismäßig?

© a_korn - Fotolia.com

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Gegen einen Kraftfahrzeughalter wird eine Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) festgesetzt: Grund: Mit seinem Pkw wurde ein Geschwindigkeitsverstoß – innerhalb geschlossener Ortschaft mehr als 25 km/h über den zulässigen 50 km/h – begangen, der Fahrzeugführer konnte nicht ermittelt werden. Dagegen klagte der Kraftfahrzeughalter, hatte damit aber weder beim VG noch beim OVG Erfolg. Der Halter hatte geltend gemacht, dass zwischen dem Verkehrsverstoß bzw. der Einstellung des Bußgeldverfahrens und dem angefochtenen Bescheid mehr als 15 Monate verstrichen seien, deshalb sei die Fahrtenbuchanordnung nicht mehr zulässig gewesen.

Dazu der OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23.08.2013 – 12 LA 156/12:

Dieser Vortrag verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Zwar trifft der Einwand des Klägers zu, dass die vom Verwaltungsgericht genannten Entscheidungen des Senats (Urt. v. 13.9.1993 – 12 L 7041/91 – und v. 12.6.1995 – 12 L 3139/95 -) vorliegend nicht einschlägig sind. In den Fällen, in denen wegen der Erhebung der Klage gegen den Bescheid und ggf. des anschließenden Rechtsmittelverfahrens ein erheblicher Zeitraum seit Tatbegehung bis zur endgültigen Entscheidung verstreicht, wird die weiter bestehende Verhältnismäßigkeit nämlich insbesondere damit begründet, dass es anderenfalls der Kläger in der Hand hätte, allein durch das Ausschöpfen von Rechtsmitteln die streitige Anordnung zu Fall zu bringen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.7.1995 – 11 B 18.95 -, NJW 1995, 3402 für einen Zeitraum von fast 3 1/2 Jahren zwischen Verkehrsverstoß und Berufungsverhandlung). Dagegen ist denkbar, dass für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage der zwischen der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit/Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum relevant sein kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.1991 – 3 B 108.91 -, zfs 1992, 286) und eine Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr nach Vergehen eines erheblichen Zeitraums als unverhältnismäßig anzusehen ist. Dieses ist aber vorliegend, da zwischen der Begehung des mit einem Punkt zu wertenden Verkehrsverstoßes (6. August 2009) und dem angefochtenen Bescheid (16. März 2011) gut 19 Monate und zwischen der Einstellung des Bußgeldverfahrens (5. November 2009) und der Fahrtenbuchanordnung gut 16 Monate liegen, (noch) nicht der Fall. Der zeitliche Abstand hält sich vielmehr im Rahmen dessen, was der Senat in vergleichbaren Konstellationen als (noch) verhältnismäßig angesehen hat (zu einem Zeitraum v. 18. Monaten vgl. Beschl. v. 23.7.2013 – 12 LA 154/12 -; v. 16 Monaten: Beschl. d. Sen. v. 26.4.2013 – 12 LA 267/12 -, v. 31.1.2013 – 12 LA 149 /12 – und v. 6.2.2012 – 12 LA 74/11 -; v. 15 Monaten: Beschl. d. Sen. v. 12.8.2013 – 12 LA 253/12 -; v. 13.11.12 – 12 LA 22/12 – und v. 21.3.2012 – 12 LA 71/11 -). Der Umstand, dass es innerhalb dieses Zeitraums offenbar nicht zu einem weiteren vergleichbaren Vorfall gekommen ist, erlaubt nicht die Annahme, das Führen des Fahrtenbuchs sei funktionslos (geworden). Hier sind keine Umstände dargetan oder sonst ersichtlich, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Vor dem Hintergrund, dass – wie dargelegt – ab einem gewissen Zeitraum die Auferlegung eines Fahrtenbuchs tatsächlich unverhältnismäßig sein kann, ist es auch nicht willkürlich, dass sich der Beklagte – wie der Kläger geltend macht – offenbar entschieden hat, Vorfälle aus dem Jahr 2008 im Jahr 2011 nicht mehr zu verfolgen.

Auch eine Verwirkung mit Blick auf den Vertrauensgrundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht. Der bloße Zeitablauf vermag eine Verwirkung nicht zu begründen. Vielmehr muss neben das Zeitmoment ein schutzwürdiges Vertrauen begründendes Umstandsmoment treten. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte aber kein Verhalten gezeigt, aus dem der Kläger den Schluss ziehen konnte, es solle von einer Fahrtenbuchauflage abgesehen werden.“

Also: Ja, der Zeitablauf kann Auswirkungen auf die Fahrtenbuchauflage habe, aber erst nach einem erheblichen Zeitraum….und das sind mehr als 19 Monate. Ich habe das jetzt nicht näher geprüft: Aber nach zwei Jahren dürfte – wie beim Fahrverbot – Schluss sein.

Immer wieder Fahrtenbuch: Erstmalige Geschwindigkeitsüberschreitung um 25 km/h reicht

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Maßnahme ist bei Kraftfahrern äußerst unbeliebt und es wird gegen die Anordnung meist heftigst angegangen. So auch in dem dem VG Aachen, Beschl. v. 04.03.2013 – 2 L 616/12 – zugrunde liegenden Verfahren, in dem schon um die Voraussetzungen der Anordnung gestritten wurde. Die will ich hier außen vorlassen und nur noch einmal auf die allgemeine Zulässigkeit einer Fahrtenbuchauflage hinweisen, zu der das VG feststellt:

„Nach der ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung reicht bereits ein mit einem Punkt zu belegender Verkehrsverstoß dazu aus, eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen. Dabei darf eine Straßenverkehrsbehörde das Fahrtenbuch auch nach einem erstmaligen „Verkehrsverstoß von einigem Gewicht“, der mit einem Punkt zu bewerten war, für erforderlich und angemessen halten, ohne dass es einer konkreten Verkehrsgefährdung bedarf.  Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 – 11 C 12/94 -, NJW 1995, 2866 f. und BVerwGE 98, 227, 229; OVG NRW, Urteil vom 29. April 1999 – 8 A 699/97 -, in: NJW 1999, 439 f. (unter Aufgabe der bis dahin differenzierenden Rechtsprechung und Hinweis auf den Rechtsnormcharakter des Punktesystems), bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 – 3 B 94.99 -, in: Bayerische Verwaltungsblätter (BayVBl.) 2000, 380 und NZV 2000, 386.

Abgesehen hiervon ist die Missachtung einer angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung um 25 km/h (auch ohne konkrete Gefährdungen) als ein Verkehrsverstoß anzusehen, der regelmäßig geeignet ist, die Anordnung eines Fahrtenbuches für sechs Monate zu rechtfertigen. Denn Geschwindigkeitsbeschränkungen dürfen nur dort angeordnet werden, wo die Verkehrssituation Anlass hierzu gibt. Ein Verkehrsteilnehmer, der eine derartige Geschwindigkeitsbeschränkung außerhalb geschlossener Ortschaften so deutlich wie der Fahrer des Fahrzeugs der Antragstellerin am 9. März 2012 missachtet, schafft damit eine Gefahrensituation, die sich jederzeit in Gestalt eines Verkehrsunfalls realisieren kann.

Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im hier in Rede stehenden Zusammenhang sind im Übrigen das erhebliche öffentliche Interesse an der Eindämmung von Gefährdungen, die aus dem Straßenverkehr herrühren, einerseits und der Lästigkeitswert einer Fahrtenbuchauflage andererseits in Rechnung zu stellen. Es liegt mit Blick hierauf nahe, dass bei Verkehrsverstößen des beschriebenen Gewichts die (rechtsstaatswidrige) Unverhältnismäßigkeit einer (zeitlich befristeten) Fahrtenbuchauflage eher selten festzustellen sein wird, zumal es der Halter in Händen hat, die Nutzung des auf ihn zugelassenen Fahrzeugs stärker zu beobachten und in seinem Umfeld ggf. Vorkehrungen zu treffen, die ihm die Auferlegung weiterer Fahrtenbuchauflagen ersparen.“

558.000 € Gegenstandswert für Fahrtenbuchauflage für Fuhrpark

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Die Kollegen Bella& Ratzka haben gestern in ihrem Blog unter der Überschrift Fahrtenbuchauflage für kompletten Fuhrpark? So schnell geht das nicht! auf den VG Mainz, Beschl. v. 14.05.2012, 3 L 298/12.MZ hingewiesen, in dem das VG Mainz eine Fahrtenbuchauflage betreffend einen ganz Fuhrpark, bestehend aus 93 Fahrzeugen, als unverhältnismäßig angesehen und aufgehoben hat. ich will jetzt auf die Frage nicht noch einmal eingesehen, sondern als „Gebührenrechtlcer“ auf den letzten Absatz der Entscheidung hinweisen, damit er nicht untergeht:

„Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V. mit Ziffern 1.5 und 46.13 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Die sich aus dem Antrag ergebende wirtschaftliche Bedeutung der Sache für die Antragstellerin ist in Anlehnung an den für die Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog hinsichtlich der Anordnung eines Fahrtenbuches mit 400 Euro je angeordneten Monat für jedes Fahrzeug – im Eilverfahren auf die Hälfte reduziert – angemessen bewertet. Dies ergibt bei einer Fahrtenbuchauflage für einen Fahrzeugbestand von 93 Fahrzeugen bei einer angeordneten Dauer einen Betrag von 558.000,00 €. Dieser Betrag ist nicht mit Blick darauf zu reduzieren, weil mehrere Fahrzeuge von der Fahrtenbuchauflage betroffen sind. In der Rechtsprechung wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, dass für die auf die ersten zehn Fahrzeuge folgenden Fahrzeuge, gestaffelt nach Zehnergruppen, ein Abschlag in Höhe der Hälfte des für die jeweils vorhergehende Zehnergruppe anzusetzenden Betrages zu veranschlagen ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. September 1997 – 25 A 4812/96 –, NJW 1996, 2305, 2306 = juris [Rdnr. 9]). Diese Rechtsprechung wird aber schon nicht von allen Gerichten bei der Festsetzung des Streitwerts angewandt (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 17. Januar 2000 – 9 V 16/99 –, juris [Rdnr. 17. ff.]; VG Cottbus, a.a.O. Rdnr. 45). Für eine Reduzierung des Streitwerts in Form eines „Mengenrabatts“ besteht auch keine Veranlassung. Die Kammer orientiert sich aus Gründen der Vorhersehbarkeit der Streitwertfestsetzung und Gleichbehandlung regelmäßig an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs, der einen solchen „Mengenrabatt“ nicht vorsieht. Im Rahmen der im Juli 2004 vorgenommenen Änderungen des Streitwertkatalogs, denen eine Umfrage zur Streitwertpraxis bei den Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichtshöfen voranging (vgl. Ziffer 2 Satz 3 der Vorbemerkung zum Streitwertkatalog 2004), ist die genannte Rechtsprechung auch nicht in den Streitwertkatalog aufgenommen worden. Für die Bemessung des Streitwerts ist zuvörderst die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin maßgeblich (§ 52 Abs. 1 GKG). Dass die Antragstellerin für jedes der 93 Fahrzeuge ein Fahrtenbuch zu führen hat, bedeutet für sie -bezogen auf jedes einzelne Fahrzeug und zu führende Fahrtenbuch- aber keine geringere Belastung, als wenn ein Fahrtenbuch nur für ein einzelnes oder wenige Fahrzeuge zu führen wäre. Auch bei mehreren Fahrzeugen hat sie dafür Sorge zu tragen, dass in jedem Fahrtenbuch alle erforderlichen Eintragungen vorgenommen werden. Der damit verbundene Aufwand wird nicht allein dadurch geringer, dass sie dies mehrfach zu bewerkstelligen hat.“

Das Ergebnis dieser Berechnungen: Der Wert des Verfahrensgegenstandes ist auf 558.000,00 € festgesetzt worden. Danach berechnen sich also Anwalts- aber auch Gerichtsgebühren.

Fahrtenbuchauflage – was ist sie wert?

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Im Verwaltungsrecht wird der für die Gebührenberechnung erforderliche Gegenstandswert grds. nach dem sog. Streitwertkatalog festgesetzt. Der sieht für den Gegenstand der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage die Orientierung an der Dauer der Fahrtenbuchauflage vor und setzt pro Monat angeordneter Dauer den Betrag von 400,00 € für die Streitwertbemessung an (Ziffer 46.13 des Streitwertkatalogs).

Der VGH Hessen hat in VGH Hessen, Beschl. v. 20.01.2012 – 2 E 1890/11 nun bei einer längeren Fahrtenbuchauflage eine andere Berechnung vorgenommen. Hinsichtlich des Streitwerts bei einer Anordnung einer Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 36 Monaten, werde die Orientierung am Schema des Streitwertkatalogs nicht mehr dem objektiven Interesse eines Klägers/Antragstellers an der Bedeutung der Fahrtenbuchauflage gerecht. Die Bemessung des Streitwerts einer Fahrtenbuchauflage bei einer angeordneten Dauer der Auflage von mehr als einem Jahr sei insofern zwar für das erste Jahr mit 400 Euro pro Monat, für jedes weitere Jahr der Dauer einer Fahrtenbuchauflage aber nur noch mit jeweils 1.000 Euro streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Also: Je länger, desto billiger 🙂 😀

Schöne Rechtsprechungszusammenstellung beim VG Gelsenkirchen

Der VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 12.08.2011 – 14 L 716/11– befasst sich mit Fragen zum Fahrtenbuch (§ 31a StVzO). Er enthält keine neuen Aussagen, wenn er feststellt, dass die unterbliebene Übersendung eines Anhörungsbogens im Ordnungswidrigkeitenverfahren für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage unerheblich ist, wenn der Fahrzeughalter im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch den Ermittlungsdienst der Behörde zu dem Verkehrsverstoß und dem möglichen Fahrer befragt wurde. Bei Verkehrsverstößen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind, treffe die Geschäftsleitung eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Es falle in ihre Sphäre, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden könne, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat.

Lesenswert aber wegen der Zusammenstellung der Rechtsprechung.