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Fahrtenbuch II: Verkehrsverstoß mit Firmenfahrzeug, oder: Verantwortlichkeit/Dokumentationspficht

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Und dann hier im zweiten Posting zwei weitere Entscheidungen zum Fahrtenbuch, und zwar zum Fahrtenbuch beim Firmenfahrzeug. Dazu gibt es aber nur die Leitsätze. Die Begründungen dann bitte in den verlinkten Volltexten selbst lesen:

Nach ständiger Rechtsprechung obliegt es dem kaufmännischen Halter eines Firmenfahrzeugs, Geschäftsfahrten insoweit längerfristig zu dokumentieren, dass solche Fahrten grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen rekonstruierbar sind und der jeweilige Fahrzeugführer im Einzelfall festgestellt werden kann. Unterbleiben dahingehende Angaben, trägt der betroffene Betrieb das Risiko, dass die fehlende Feststellbarkeit des Fahrers zu seinen Lasten geht und eine Fahrtenbuchauflage erlassen wird.

1. Der Halter bleibt im Zusammenhang mit der Nutzung von Geschäftsfahrzeugen unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen im Innenverhältnis nach außen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und den Behörden verantwortlich, so dass er sich das Verhalten eines Mitarbeiters zurechnen lassen muss.

2. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat.

3. Die Zwei-Wochen-Frist gilt nicht bei Verkehrsverstößen, die – mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmannes im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind.

4. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage schon bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalles, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes, ankommt.

Fahrtenbuch I: Unmöglichkeit der Feststellung, oder: Brauchbares Frontfoto/Abgleich mit Google-Bildsuche

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Und im „Kessel Buntes“ heute dann zwei Entscheidungen zum Fahrtenbuch (§  31a StVZO).

Zunächst stelle ich hier das VG Berlin, Urt. v. 26.06.2024 – 37 K 11/23 – vor. Gestritten wird um eine Fahrtenbuchauflage. Zugrunde liegt eine mit einem Firmenfahrzeug begangene Geschwindigkeitsüberschreitung – zulässige Geschwindigkeit 50 km/h, gemessen 80 km/h (nach Toleranzabzug). Am Tatort ist eine Geschwindigkeit von 50 km/h zulässig. Auf das Anhörungsschreiben der Polizei im Ordnungswidrigkeitenverfahren teilte  die Klägerin online  mit, dass der Verkehrsverstoß nicht zugegeben werde. Es müsse sich um eine Verwechselung handeln, da sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Messfotoaufnahme 350 m entfernt befunden habe. Angaben zu dem Fahrzeugführer wurden nicht gemacht.

Ein Ermittlungsgesuch, den Geschäftsführer und Kommanditisten der Klägerin vorzuladen und anzuhören, verlief ergebnislos. Eine Mitarbeiterin der Klägerin konnte  keine Hinweise zu dem Führer des Fahrzeugs geben. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dann kommt die Fahrtenbuchauflage, gegen die Widerspruch eingelegt wird. Begründet wird der damit, dass keine rechtsstaatlich verwertbaren Belege und Messergebnisse mit dem Messgerät Vitronic Poliscan FM 1 und der Software 4.4.5 vorlägen. Der wird zurückgewiesen. Dagegen die Klage, die beim VG Berlin Erfolg hatte:

„Die Feststellung des Fahrzeugführers war nämlich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht unmöglich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Behörde des Ordnungswidrigkeitenverfahrens nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter des Verkehrsverstoßes zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung richtet sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Zu den gebotenen Ermittlungsmaßnahmen gehört regelmäßig in erster Linie die kurzfristig, d.h. möglichst innerhalb von zwei Wochen, erfolgende Benachrichtigung des Halters des mit dem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes, damit der Betreffende die Frage, wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und – bei eigener Täterschaft – gegebenenfalls Entlastungsgründe vorbringen kann (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteile vom 13. Oktober 1978 – BVerwG VII C 77.74 und 49.77 –, juris Rn. 15 und 18 bzw. 12 und 15; Beschluss vom 25. Juni 1987 – BVerwG 7 B 139.87 –, juris Rn. 2). Art und Umfang ihrer Ermittlungstätigkeit darf die Behörde an den Erklärungen des Halters ausrichten, denn es ist ihr nicht zuzumuten, von sich aus wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 1971 – BVerwG VII C 66.70 –, juris Rn. 20, und vom 17. Dezember 1982 – BVerwG 7 C 3.80 –, juris Rn. 7).

Daran gemessen hat der Beklagte nicht die ihr zumutbaren Ermittlungen vorgenommen. Angesichts des Fahrzeugtyps und der Haltereigenschaft der Klägerin als juristische Person des Zivilrechts sowie des guten Frontfotos wäre eine Google-Recherche zu erwarten gewesen. Dem erkennenden Einzelrichter ist es nämlich ohne großen Aufwand, insbesondere ohne Anlegung gesonderter Accounts in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Xing, möglich gewesen, den Geschäftsführer der Klägerin als Fahrzeugführer zu identifizieren. Es ist schlechterdings nicht vermittelbar, dass die Berliner Polizei bei Ermittlung von Personen nicht diese naheliegende Erkenntnisquelle nutzt, zumal die Verwertbarkeit der Information als allgemein zugängliche Quelle, deren Inhalte regelmäßig konform zur Datenschutzgrundverordnung verfügbar sind, unproblematisch ist. Im vorliegenden Fall konnte schon allein anhand des Firmennamens und des Namens des Geschäftsführers über die Google-Bildsuche der Fahrer identifiziert werden. So wurde beim ersten Zugriff ein Foto aus dem Xing-Konto des Besagten bereits in der Google-Trefferliste sowie Bilder der Website des Unternehmens eingeblendet, aus denen sich diese Erkenntnis ergab.

Soweit sich der Behördenvertreter in der mündlichen Verhandlung in der Weise einließ, dass es gerade bei Firmenfahrzeugen und angesichts der fehlenden Bereitschaft der Halterin an der Aufklärung mitzuwirken, uferlos sei, weitere Recherchen anzustellen, geht dies fehl. Gerade, weil diese Recherche nach dem Stand der Technik so gut wie keinen Aufwand und keine besonderen Kenntnisse erfordert und vorliegend aufgrund des Fahrzeugtyps Audi Quattro insbesondere der Geschäftsführer als Fahrer in Betracht zu ziehen war, drängte sich diese Aufklärungsmaßnahme auf.

Würde hingegen die Überlegung des Beklagten zutreffen, dass allein die fehlende Mitwirkung zu einer Einstellung der weiteren Ermittlungstätigkeiten im Ordnungswidrigkeitenverfahrens berechtigte, würde dies den vorgeschriebene Untersuchungsgrundsatz nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 160 Abs. 1 und 2 StPO unterlaufen und wird der geschriebenen tatbestandlichen Voraussetzung der Ermächtigungsnorm des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO für eine Fahrtenbuchauflage nicht mehr gerecht (Unmöglichkeit der Ermittlung des Fahrzeugführers). Aus rechtsmethodischer Sicht ist nämlich schon die oben referierte weitgehende traditionelle Auslegung dieser Norm, die sich kaum mehr an der Wortlautgrenze orientiert, um so Verkehrssünder, deren Sanktionierung im Bußgeldverfahren misslingt, „zumindest“ mit einem Fahrtenbuch beauflagen zu können, nicht unproblematisch.

Hierbei ist auch in Erinnerung zu rufen, dass der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eine präventive und keine strafende Funktion zukommt. Sie setzt tatbestandlich nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7. Juni 2023 – 1 B 51/23 –, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2023 – 8 A 464/23 –, juris Rn. 7; OVG des Landes Schleswig-Holstein, Urteil vom 8. Dezember 2022 – 5 LB 17/22 –, juris Rn. 28). Die oben erwähnte Praxis steht im Widerspruch hierzu, da sie die Fahrtenbuchauflage – infolge fehlender Mitwirkung des Halters – als sanktionierendes Korrektiv zum ergebnislosen Ausgang des Ordnungswidrigkeitenverfahrens versteht.

Dabei ist zu betonen, dass die grundsätzliche Überlegung, dass sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit an den Erklärungen des Halters ausrichten darf, durch die vorliegende gegebene Pflicht zur Internetrecherche nicht in Frage gestellt wird. Vielmehr stellt sie ein nach dem Stand der Technik und Ausrüstung der Polizeidienststellen in Berlin naheliegendes Aufklärungsmittel dar, dessen Einsatz sich bei vorliegenden Halterdaten und einem brauchbaren Frontfoto aufdrängt.“

So weit so gut. Das hätte ja nun als Begründung gereicht. Warum das VG Berlin nun noch meint, „nur der Vollständigkeit halber“ darauf hinweisen zu müssen, dass der Beklagte im Übrigen zurecht von einem erheblichen Verkehrsverstoß mit dem  Fahrzeug ausgegangen ist, erschließt sich mir nicht. Das, was dazu ausgeführt wird, mag ja alles richtig sein, nur: Es ist überflüssig. Man fragt sich, ob man beim VG Berlin zu viel Zeit hat. Wahrscheinlich würde man das abstreiten 🙂 .

Fahrtenbuch und Feststellung des Fahrzeugsführers, oder: Warten bis zum Schluss hilft nicht

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Im Kessel Buntes köcheln heute zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.

Die erste kommt vom BVerwG. Das hat im BVerwG, Beschl. v. 07.05.2024 – 3 B 6.23 – zum Fahrtenbich (§ 31a StVZO) Stellung genommen. Die Klägerin, eine GmbH, wendet sich in dem Verfahren gegen eine Fahrtenbuchauflage. Mit ihrem Fahrzeug wurde am 23.06.2017 innerhalb einer geschlossenen Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 27 km/h überschritten. Auf ihre Befragung teilte sie am Freitag, 22.09.2017, um 17.34 Uhr den Namen der Fahrzeugführerin mit. Der Beklagte stellte das Verfahren ein und ordnete mit Verfügung vom 14.11.2017 das Führen eines Fahrtenbuchs für die Dauer von neun Monaten an.

Auf die Klage der GmbH hat das VG den Bescheid aufgehoben. Das OVG hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Dem Beklagten sei die Feststellung der Fahrzeugführerin trotz angemessener Bemühungen nicht rechtzeitig möglich gewesen. Der Tag der Mitteilung sei der Tag gewesen, an dem die Verjährungsfrist abgelaufen sei. Eine zielführende Bearbeitung an diesem Tag sei dem Beklagten nicht mehr zumutbar gewesen. Die gegen das OVG-Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg:

“ ….. Die Klägerin meint, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Fahrzeugführerin rechtzeitig benannt wurde. Das Berufungsgericht habe sich mit der Thematik nicht auseinandergesetzt und lediglich darauf abgestellt, dass die Fahrzeugführerin so rechtzeitig bekannt gegeben werden müsse, dass die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden könne. Die Inanspruchnahme von Fristen sei zulässig und könne ihr nicht entgegengehalten werden. Es liege in der Sphäre des Empfängers (rechtzeitig) zu handeln, was durch eine Mitwirkungsobliegenheit nicht aufgeweicht werden dürfe.

Eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Feststellung eines Fahrzeugführers – wie in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO vorausgesetzt – nicht möglich war, wenn die Behörde nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 – 7 C 3.80 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12 = juris Rn. 7; Beschlüsse vom 9. Dezember 1993 – 11 B 113.93 – juris Rn. 4 und vom 23. Dezember 1996 – 11 B 84.96 – juris Rn. 3). Die Feststellung des Fahrzeugführers zielt darauf, die Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften mit Aussicht auf Erfolg ahnden und auf dieser Grundlage die im Interesse der Verkehrssicherheit gebotenen Maßnahmen ergreifen zu können. Das erfordert, dass der verantwortliche Fahrzeugführer rechtzeitig vor Ablauf der maßgeblichen Verjährungsfrist – hier: von drei Monaten (§ 26 Abs. 3 StVG) – bekannt wird (BVerwG, Beschluss vom 1. März 1977 – 7 B 31.77 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 4 und Urteil vom 17. Dezember 1982 – 7 C 3.80 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 12). Unbeschadet eines Rechts, die Auskunft oder das Zeugnis in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren zu verweigern, ist der Fahrzeughalter gehalten, an der Feststellung des Fahrzeugführers mitzuwirken, will er von einer Fahrtenbuchauflage verschont bleiben. In diesem Sinne ist der Fahrzeughalter zur Mitwirkung verpflichtet (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Mai 1997 – 3 B 28.97 – juris Rn. 3 f. und vom 11. August 1999 – 3 B 96.99NZV 2000, 385). Konnte der Fahrzeugführer nicht rechtzeitig festgestellt werden, so kann eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden. Das gilt unabhängig davon, ob der Fahrzeughalter die Aussage verweigert (BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 1995 – 11 B 7.95 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 22) oder sich so spät erklärt hat, dass die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Ahndung der Zuwiderhandlung vor Eintritt der Verjährung nicht mehr in zumutbarer Weise ergreifen konnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 1980 – 7 B 179.79 – Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 6).

Auf der Grundlage dieser gefestigten Rechtsprechung lässt die Beschwerde einen weiteren fallübergreifenden Klärungsbedarf nicht erkennen. Mit ihr ist geklärt, dass ein Fahrzeughalter – entgegen der Vorstellung der Klägerin – jedenfalls nicht ohne das Risiko der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage mit der Auskunft des Fahrzeugführers zuwarten kann, bis die Verjährungsfrist fast abgelaufen ist. …“

Zwei OVG-Entscheidungen zur Fahrtenbuchauflage, oder: Mitwirkungspflicht beim Firmenfahrzeug

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Und im Kessel Buntes dann heute (Verkehrs)Verwaltungsrecht.

Zunächst hier zwei OVG-Entscheidungen zum Fahrtenbuch (§ 31a StVZO). Ich stelle, da die Problematik ja weitgehend bekannt ist, hier nur die Leitsätze der beiden Entscheidungen ein, und zwar:

Aus der Perspektive des späteren Verfahrens zur Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht obliegt einer GmbH als Halterin des Tatfahrzeugs einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann eine hinreichende Mitwirkung an der Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers, wenn sie im Bußgeldverfahren nicht nur als Zeugin, sondern in erster Linie als Betroffene angehört wird.

1. Steht fest, dass die Fahrzeughalterin einen Zeugenfragebogen erhalten und darauf nicht reagiert hat, kommt es auf den Einwand, ein vorangegangenes Anhörungsschreiben nicht erhalten zu haben, nicht entscheidend an.
2. Auf die Einhaltung der sog. Zweiwochenfrist, die weder ein formales Tatbestandsmerkmal des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO noch eine starre Grenze darstellt, kann sich der Halter nicht bei Verkehrsverstößen berufen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind. Denn bei Firmenfahrzeugen fällt es in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat.

 

Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs, oder: Mitwirkungsobliegenheit eines Kaufmanns

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Und dann im „Kessel Buntes“ heute zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen.

Hier kommr dann zunächst das OVG Münster, Beschl. v. 06.10.2023 – 8 B 960/23 – zur Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs und zur Mitwirkungsobliegenheit eines Kaufmanns.

Das OVG Münster hat die Beschwerde gegen einen Beschluss des VG Köln zurückgewiesen und damit die Anordnung des Führens eines Fahrtenbuchs bestätigt. Der Beschluss hat folgende Leitsätze:

    1. Die Feststellung des verantwortlichen Fahrers ist i. S. d. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht möglich, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Halter möglichst umgehend von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird. Eine solche Benachrichtigung begründet für den Halter eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist.
    2. Die Mitwirkungsobliegenheit des Fahrzeughalters beschränkt sich auf Angaben dazu, wer das Fahrzeug an dem betreffenden Tag geführt hat oder jedenfalls, welcher Personenkreis zur Nutzung des Fahrzeugs berechtigt war. Dazu bedarf es nicht der Prüfung durch den Fahrzeughalter, ob der Verkehrsverstoß durch die vorliegenden Beweismittel hinreichend dokumentiert ist und, sofern der Fahrzeugführer diesen bestreiten sollte, in einem nachfolgenden Bußgeldverfahren nachweisbar sein würde.
    3. Ob eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO vorliegt, ist von der Verwaltungsbehörde und entsprechend dem Verwaltungsgericht in dem gegen die Fahrtenbuchanordnung gerichteten Verfahren zu prüfen. Wenn eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt wird, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung nur dann von Amts wegen überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben.
    4. Gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren kann sich der Adressat der Fahrtenbuchanordnung nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten.