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Erstreckung, Erstreckung, Erstreckung, oder: Immer einen Antrag stellen

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Heute dann mal wieder zwei gebührenrechtliche Entscheidungen. Zunächst stelle ich den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.10.2017 – 1 Ws 196/17 – vor. Dauerthema/-brenner: Erstreckung nach § 48 Abs. 6 RVG. Es geht mal wieder um die Frage des Anwendungsbereichs der § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG und dabie darum, ob es darauf ankommt, ob die Verfahrensverbindung vor oder nach der in einem der verbundenen Verfahren vorgenommenen Pflichtverteidigerbeiordnung angeordnet wird. Das OLG sagt, anders als das LG:

„Zutreffend weist das Landgericht allerdings darauf hin, dass sich der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG nicht nach dem Gesetzeswortlaut bestimmen lässt. Dem Landgericht ist auch zuzugestehen, dass es gute Gründe dafür gibt, die Vorschrift auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anzuwenden (so Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 07. August 2012, Ws 137/11, zit. nach juris, noch zu § 48 Abs. 5 a. F.). Der Senat folgt aber der u. a auch von dem Oberlandesgericht Koblenz zu dieser Frage vertretenen Auffassung (OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Mai 2012, 2 Ws 242/12; auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 27. Dezember 2010, 1 Ws 583/10 <beide noch zu § 48 Abs. 5 a. F.>; OLG Braunschweig, Beschluss vom 22. April 2014, 1 Ws 48/14; zit. nach juris). Für diese Auffassung spricht, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG a. F. nach der Gesetzesbegründung einerseits klarstellen wollte, dass die Rückwirkung sich nicht automatisch auf verbundene Verfahren erstreckt, in denen bisher kein Pflichtverteidiger bestellt war, andererseits dem Gericht aber die Möglichkeit zur Erstreckung einräumen wollte. Eine Erstreckung sollte insbesondere dann in Betracht kommen, wenn in einem der verbundenen Verfahren eine Bestellung unmittelbar bevorgestanden hätte (BT-Drs 15/1971, S. 201). Dies verdeutlicht, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine Vergütung des Verteidigers aus der Staatskasse für hinzuverbundene Verfahren auf solche Fälle beschränkt werden soll, in denen dies aus sachlichen Gründen geboten ist. Dass der Zeitpunkt der Verbindung für die Anwendbarkeit der Vorschrift von Bedeutung sein soll, lässt sich der Begründung dagegen nicht entnehmen (OLG Braunschweig a. a. O., Rn. 34).“

M.E. so nicht zutreffend, aber egal. Denn:

„Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin ist die Sache allerdings nicht entscheidungsreif. Der Verteidiger kann den Erstreckungsantrag auch noch nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss im Kostenfestsetzungsverfahren stellen (KG Berlin, Beschluss vom 27. September 2011, 1 Ws 64/10, Rn. 5, zit. nach juris). Wie das Amtsgericht und das ihm auch insoweit als Beschwerdegericht übergeordnete Landgericht über den Erstreckungsantrag entscheiden würden, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Der Senat kann darüber nicht selbst entscheiden, weil er hier – auch als Beschwerdegericht – nicht dazu berufen ist.“

Es bleibt dabei: Immer einen Erstreckungsantrag stellen.

Erstreckung, oder: Das AG will mit 800 € abspeisen, es gibt dann aber mehr als 3.000 €

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Freitag ist hier im Blog in der Regel immer „Zahltag“, d.h., dass ich gebührenrechtliche Entscheidungen vorstelle. So auch heute. Und es sind zwei positive Entscheidungen, die ich vorstellen kann. Auch mal schön, vor allem erspart mir das im Zweifel Kommentare zu den Beiträgen 🙂 .

Ich eröffne dann mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 16.05.2017 – 1 Ws 95/17. Er hat eine Erstreckungsproblematik (§ 48 Abs. 6 RVG) zum Gegenstand. Mit der Erstreckung müssen sich vor allem Pflichtverteidiger plagen, wenn sie in mehreren Verfahren tätig gewesen sind, die dann verbunden werden. Dann geht es bei der Festsetzung der gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers häufig um die Frage: Kann der Pflichtverteidiger gegen die Staatskasse auch (gesetzliche) Gebühren geltend machen , die vor seiner Beiordnung entstanden sind. Ds richtet sich eben nach § 48 Abs. 6 RVG. Bei der Anwendung der Vorschrift ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung aber umstritten, welche Gebühren festzusetzen sind, wenn die Beiordnung des Pflichtverteidiger erst erfolgt ist, nachdem mehrere Verfahren, in denen der Pflichtverteidiger bereits als Wahlverteidiger tätig war, verbunden worden sind.

Das OLG Hamm hat sich in der Streitfrage der zutreffenden h.M. angeschlossen und damit seine Rechtsprechung aus 2005 🙂 bestätigt. Danach findet in diesen Fällen § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG unmittelbar Anwendung findet, wenn Verfahren zunächst verbunden werden und danach die Bestellung als Pflichtverteidiger in dem (verbundenen) Gesamtverfahren erfolgt:

„Während das OLG Rostock vertritt, dass in derartigen Fällen die bis zur Verbindung in den Einzelsachen entstandenen Wahlverteidigergebühren bestehen bleiben und der Verteidiger diese nicht nochmals als Pflichtverteidiger ersetzt verlangen kann (Beschluss vom 27.04.2009, 1 Ws 8/09, juris, Rn. 8), wird in der Literatur und Rechtsprechung überwiegend vertreten, dass dem Rechtsanwalt über § 48 Abs. 6 S. 1 RVG Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse für alle vorher hinzuverbundenen Verfahren erwachsen, soweit er in diesen vor der Verbindung als Wahlverteidiger tätig geworden ist (OLG Bremen, Beschluss vom 07.08.2012, Ws 137/11, Rn. 14 m. w. N.; Burhoff RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Auflage, § 48 Rn. 22 ff.; Schneider Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, RVG, § 48 Rn. 60 ff. m.w.N.; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage, § 48 Rn. 126; OLG Hamm, Beschluss vom 06.06.2005, 2 (s) Sbd VIII — 110/05, juris).

Teilweise wird in der Rechtsprechung zu § 48 Abs. 6 S. 3 RVG inzwischen wieder die Ansicht vertreten, dass auch in den Fällen, in denen erst die Verbindung und dann die Beiordnung erfolgt, eine ausdrückliche Erstreckung erfolgen muss, da die Vorschrift des § 48 Abs. 6 S. 3 RVG für alle Verbindungen gelten soll. Dabei soll eine Erstreckung der Beiordnung auf die hinzuverbundenen Verfahren in der Regel dann ausgesprochen werden, wenn auch in dem hinzuverbundenem Verfahren als solchem bereits eine Verteidigerbestellung angestanden hätte (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.12.2010, 1 Ws 583/10, juris, Rn. 7; OLG Braunschweig, Beschluss vom 22.04.2014, 1 Ws 48/14, Rn. 31).

Der Wortlaut und die Gesetzessystematik lassen beide Interpretationen zu. Einerseits enthält § 48 Abs. 6 S. 3 RVG keine Einschränkung auf nach der Beiordnung verbundene Verfahren, andererseits lässt sich der Formulierung des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG hinsichtlich der Vergütung für vor dem Zeitpunkt der Bestellung entfalteten Tätigkeiten keine Beschränkung auf das Ursprungsverfahren entnehmen. Danach kommen sowohl eine Auslegung des § 48 Abs. 6 S. 3 RVG als bloße Erweiterung einer bereits durch § 48 Abs. 6 S. 1 RVG bestimmten umfassenden Vergütung auf später hinzuverbundene Verfahren, als auch als Spezialregelung für hinzuverbundene Verfahren unabhängig vom Zeitpunkt der Verbindung in Betracht.

Gegen die letztgenannte inzwischen wieder vertretene Auffassung spricht, dass manchmal erst mehrere Jahre nach der Verbindung ggf. noch im Kostenfestsetzungsverfahren über Erstreckungen zu entscheiden ist und es vom Zufall abhängt, ob das Ursprungsverfahren gegenüber den hinzuverbundenen Verfahren dasjenige mit dem gewichtigsten Vorwurf ist (OLG Bremen a. a. O., Rn. 15). Für die zuerst genannte Auffassung spricht hingegen, dass mit der Regelung des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG (vormals: § 48 Abs. 5 S. 1 RVG) nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs 15/1971, S. 201) die Regelung des § 97 Abs. 3 BRAGO übernommen werden sollte. Durch das RVG sollte Streit in der Frage, ob beigeordnet werden musste, gerade vermieden werden (Burhoff, a.a.O., Rn. 24 f.; Gerold/Schmidt/Burhoff/Müller-Rabe, RVG 20. Auflage, § 48 Rn. 148).

Der Senat schließt sich der in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung an, wonach § 48 Abs. 6 S. 1 RVG unmittelbar Anwendung findet, wenn Verfahren zunächst verbunden werden und danach die Bestellung als Pflichtverteidiger in dem (verbundenen) Gesamtverfahren erfolgt. Voraussetzung dafür, dass der Anwalt neben den Gebühren im führenden Verfahren auch weitere Gebühren für seine Tätigkeiten in den hinzuverbundenen Verfahren erhalten kann ist aber, dass er in den hinzuverbundenen Verfahren vor der Verbindung tatsächlich tätig geworden ist (Burhoff a.a.O., Rn. 31, 33; Mayer/Kroiß a.a.O., Rn. 126).“

Anzumerken ist: Trotz dieser für Pflichtverteidiger günstigen Entscheidung sollten Verteidiger in allen Verfahren, in denen eine Erstreckung in Betracht kommt, diese ausdrücklich beantragen. Sie sind damit auf der sicheren Seite, auch wenn das zuständige OLG ggf. anderer Auffassung als die h.M. sein sollte. Und das es bei diesen Fragen um eine Menge Geld gehen kann, zeigt sehr schön der Beschluss des OLG Hamm. Festgesetzt werden letztlich rund 3.050 € anstelle der rund 800 €, mit denen das AG den Pflichtverteidiger abspeisen wollte.

„Wunder gibt es immer wieder“, oder: Der Pflichtverteidiger im Adhäsionsverfahren

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Es war Katja Ebstein, die in den 70-iger Jahren den Song „Wunder gibt es immer wieder“ gesungen hat. Nun gestern war ich es – zumindest im übertragenen Sinn -, als ich von der Kollegin Mehner-Heurs aus Schwelm den AG Schwelm, Beschl. v. 23.12.2015 – 50 Ds 500 Js 454/14 – übersandt bekommen habe. Es ging dabei um die Frage des Umfangs der Pflichtverteidigerbestellung, nämlich darum, ob die sich auch ohne weiteres auf die Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren erstreckt. Und damit darum, ob für den Pflichtverteidiger auch die Gebühr Nr. 4143 VV RVG angefallen ist. Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur höchst streitig, die Mehrheit der OLG lehnt die automatische  Erstreckung ab. Dazu gibt es ellenlange OLG-Beschlüsse, die m.E. falsch sind. Das AG Schwelm braucht da nicht so viel Platz, um es anders, aber damit auch richtig zu machen. Es führt recht kurz und zackig aus:

„Die Bestellung zum Verteidiger gemäß § 140 StPO ist umfassend. Sie erfasst insbesondere auch die Verteidigung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren (so auch OLG Rostock, Beschl. v. 15. 6. 2011 —1 Ws 166111; OLG Dresden. Beschl. v. 13. 6. 2007 —1 Ws 155/06; OLG Köln, Beschl. v. 29. 6. 2005 —2 Ws 254/05; OLG Hamm, Beschl, v. 31. 5. 2001 — Sbd 6-87/01, OLG Schleswig, NStZ 1998, NStZ 1998. 101; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 140 Rdnr. 5).

Es sind keine entgegenstehenden Rechtsnormen erkennbar. Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung aus den §§ 404, 397a und 406g StPO Anleihen genommen werden, werden diese durch verschiedene Obergerichte unterschiedlich ausgelegt (vgl. Darstellung in OLG Hamm, Beschluss vom 08.11.2012 — 111-3 Ws 139/12). Insoweit kann eine eindeutige Regelung nicht angenommen werden, aus der sich ergibt, dass sich eine Pflichtverteidigerbestellung ohne weitere Erklärung nicht auf das Adhäsionsverfahren bezieht.

Vielmehr muss aufgrund des Charakters der Pflichtverteidigerbestellung, die schon wegen des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes und dem Grund für die Existenz dieser Norm, umfassend ausgestaltet sein muss, angenommen werden, dass gerade auch das Adhäsionsverfahren von der Bestellung erfasst ist. Soweit dies in Beschlüssen ausdrücklich festgestellt wird, dient dies lediglich der Klarstellung.“

Also: Geht doch 🙂 . Ich bin allerdings mal gespannt, ob die Staatskasse – wenn sie denn ein Rechtsmittel hat – es hinnimmt. Im Zweifel wahrscheinlich nicht.

Lösung: Ich habe da mal eine Frage: Verbindung, Verbindung, Verbindung – welche Gebühren?

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Zum RVG-Rätsel vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Verbindung, Verbindung, Verbindung – welche Gebühren? dann folgende Lösung, und zwar wie folgt. Abgerechnet werden kann:

  • Im Verfahren 1 die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühren Nr. 4104 VV RVG sowie Nr. 4106 VV RVG.
  • Im Verfahren 2 die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG sowie die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG.
  • Im Verfahren 3 die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG und die Termingebühr(en) Nr. 4108 VV RVG
  • In allen drei Verfahren kann der Kollege die Auslagen berechnen nach Nr. 7000 ff. VV RVG.

Im Übrigen: M.E. liegt ein Fall von § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG vor mit der Folge, dass nicht erstreckt werden muss, aber die OLG sehen das zum Teil auch in diesen Fällen anders und verlangen einen Erstreckungsantrag. Der muss daher sicherheitshalber auf jeden Fall gestellt werden, was ja bereits geschehen ist. Die Kommentatoren waren also auf dem richtigen Weg.

M.E. liegt hier wohl eine Verschmelzungsverbindung vor. Dann handelt es sich nach der Verbindung nur noch um eine Angelegenheit und es entsteht nur noch eine Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG (§ 15 Abs. 2 RVG).

Der Kollege kann auch Wahlanwaltsgebühren abrechnen, allerdings muss er sich die insoweit erhaltenen Gebühren auf seine gesetzlichen Gebühren anrechnen (lassen) (§ 58 Abs. 3 RVG). Er muss sie auch in einem Vergütungsfestsetzungsantrag angeben, § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG.

Ich habe da mal eine Frage: Wann muss ich eigentlich einen „Erstreckungsantrag“ stellen?

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Aus den Fragen in meinem Forum auf Burhoff-online und aus Fragen in gebührenrechtlichen Veranstaltungen weiß ich, dass die Abrechnung in Strafverfahren gerade dann besondere Schwierigkeiten macht, wenn es um die Abrechnung der Tätigkeiten des Rechtsanwalts/Verteidigers in mehreren Verfahren geht. das gilt besonders dann, wenn der Rechtsanwalt Pflichtverteidiger ist/war und nun Verfahren hinzu verbunden werden. Dann liegt für den ein oder anderen Verteidiger manches im Dunklen. Daher hat mich die Frage, die mich vor einigen Tagen erreicht hat, nicht sonderlich überrascht.

Es geht um folgende Fallgestaltung:  Der Rechtsanwalt ist Verteidiger in mehreren Verfahren. Diese werden miteinander verbunden. Nun wird der Rechtsanwalt in dem verbundenen Verfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet. Er rechnet dann später mit der Staatskasse ab und macht dabei in allen Verfahren gesetzliche Gebühren geltend. Der Kostenbeamte hält im § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG (früher wortgleich: § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG) entgegen.

Und der Kollege fragt sich: Zu Recht? Ist ja nun ein wenig Zeit, über das Wochenende mal an der Lösung zu knabbern.