Schlagwort-Archive: Entbindungsantrag

Rechtliches Gehör des Betroffenen, oder: Geht doch.

© ProMotion - Fotolia.com

© ProMotion – Fotolia.com

Ich hatte gestern über den OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.08.2015 – 2 Ss (OWi) 200/15 berichtet (vgl. dazu Der „Ätsch-Effekt“ beim OLG Oldenburg, oder: Was soll das?). Vorsichtig ausgedrückt kann man sagen, dass das OLG Oldenburg in der Entscheidung Probleme mit dem Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör hatte. Dass es auch anders geht, zeigt m.E. sehr schön der OLG Naumburg, Beschl. v 25.08.2015 – 2 Ws 163/15. Mal wieder eine „Entbindungsantragsproblematik“, die das OLG kurz und zackig löst:

Die Rüge ist auch begründet, da die Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs ohne sachliche Überprüfung der Beschuldigung nicht vorlagen (vgl. dazu KK-OWiG/Senge, 3. Aufl., § 74 Rn. 38 ff., 55; Göhler/Seitz a.a.O., § 74 Rn. 48 b).

Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert oder wenn er erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht „weiter“ zur Sache äußern, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag steht hierbei nicht im Ermessen des Gerichtes, vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag nachzukommen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (vgl. OLG Bamberg vom 30.10.2007 — 2 Ss OWi 1409/07, juris Rn. 17 ff. m.w.N.).

Der Betroffene hat in dem Entbindungsantrag vom 29. April 2015 die Fahrereigenschaft eingeräumt und erklären lassen, dass er weitere Angaben zur Sache oder zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht machen wird (BI, 106, 140 d. A.). Die für einen wirksamen Entbindungsantrag erforderliche Vertretungsvollmacht für Rechtsanwalt Schneider hat vorgelegen (BI. 18 d. A.; BayObLG vom 03.02.2000 — 2 ObOWi 638/99, juris Rn. 16; Göhler/Seitz a.a.O., § 73 Rn. 4).

Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung wäre für eine weitere Sachaufklärung allenfalls noch dann dienlich gewesen, wenn hierfür seine „bloße physische Präsenz“ genügt hätte (vgl. OLG Bamberg a.a.O., Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall, das Gericht hätte dem Antrag auf Entbindung nachkommen müssen.

Ob der Tatrichterin dieser Antrag bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung tatsächlich zur Kenntnis gelangt war, ist hierbei unerheblich (OLG Bamberg a.a.O., Rn. 20). Maßgeblich ist allein, dass nach Aktenlage der Antrag das Amtsgericht am 29. April 2015 um 16:35 Uhr erreicht hat (BI. 106 und 140 d. A.) und deshalb bei gehöriger gerichtsinterner Organisation ihr rechtzeitig zugeleitet hätte werden können. Die Richtigkeit der Angaben in der Faxzeile des Schriftsatzes vom 29. April 2015 ist bisher nicht überprüft worden.

Das Unterlassen der rechtzeitig und begründet beantragten Entbindung des Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung am 4. Mai 2015 durch das Amtsgericht war demnach rechtsfehlerhaft und sperrte die Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG (vgl. KK-OWiG a.a.O., § 74 Rn. 36).“

Geht doch. 🙂

„Neue Masche“ der OLG? oder: Wie werde ich mit einem „versteckten Entbindungsantrag fertig“?

© Alex White - Fotolia.com

© Alex White – Fotolia.com

Ein wenig war ich an den – im übertragenen Sinn, ich weiß, es passt nicht so ganz – – Zug der Lemminge erinnert, als ich den OLG Hamm, Beschl. v. 19.05.2015 – 5 RBs 59/15 – gelesen habe. Denn mein erster Gedanke war: Das hatten wir doch gerade schon. Ja, hatten wir: Den versteckten Entbindungsantrag, und zwar im OLG Rostock, Beschl. v. 15.04.2015 – 21 Ss OWi 45/15, vgl. dazu Der „versteckte“ Entbindungsantrag ist „arglistig“. Und damit eine in meinen Augen „neue Masche“ der OLG, um mit Entbindungsanträgen „fertig zu werden“. Denn die Argumentation soll jetzt wohl dahin gehen: Wenn der Entbindungsantrag nicht klar und eindeutig aus dem jeweiligen Schriftsatz erkennbar ist, dann ist er, weil rechtsmissbräuchlich, nicht rechtzeitig und nicht ordnungsgemäß gestellt. Ergebnis: Dann keine Rechtsverletzung, wenn der Amtsrichter den Antrag nicht bescheidet. Das ist auf die Kürze gebracht der Argumentationsstrang der OLG, eröffnet vom OLG Rostock.

Konnte man dem beim OLG Rostock ggf. noch folgen, obwohl ich auch da meine Zweifel hatte (Der „versteckte“ Entbindungsantrag ist „arglistig“, kann man bzw. kann ich es beim OLG Hamm nicht. Beim OLG Rostock ging es um insgesamt 5 eng beschriebene Seiten, die 53 Minuten vor dem Termin eingingen. Beim OLG Hamm sind es gerade mal um etwa 1 ½ eng beschriebene Seiten, die 3 (!!) Stunden vor der Hauptverhandlung bei Gericht eingingen. Warum ein Amtsrichter nicht in der Lage sein soll, innerhalb dieser drei Stunden den Antrag zu lesen – ggf. noch in der Hauptverhandlung, von der der Betroffene „entbunden“ werden soll, in der er ja eh mit der Verwerfung mindestens 15 Minuten warten muss – erschließt sich mir nicht. Das dauert maximal 5 Minuten. Sie sollten und die müssen da sein und die sind da. Und das auch, wenn es in dem Schriftsatz (auch) noch um andere Dinge geht.

Das OLG sieht es natürlich an:

„Angesichts der kurzfristigen Übersendung des wie dargestellt aufgebauten und optisch gestalteten Schriftsatzes vom 02. Februar 2015 an das Amtsgericht per Fax am Vormittag des Terminstages liegt es auf der Hand, dass dies in der Erwartung geschah, der den Entbindungsantrag enthaltende Schriftsatz werde dem in anderen Sachen verhandelnden Amtsrichter entweder nicht rechtzeitig vor der Terminsstunde in der Sache des Betroffenen vorgelegt oder von ihm (in der durch den Befangenheitsantrag zusätzlich gesteigerten Zeitnot) nicht wahrgenommen, um dann aus diesem Versehen eine Verfahrensbeanstandung herzuleiten. Damit ist ein missbräuchliches und auf Irreführung der Gerichte angelegtes Verteidigungsverhalten zu konstatieren, das der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag.“

 Fazit/Fragen

  1. Wenn erst ein OLG einmal die Keule „Rechtsmissbrauch“ herausgeholt hat, dauert es nicht lange, bis das nächste OLG nachfeuert?. Und das man das andere OLG natürlich toppen will. Anders kann ich die Entscheidung des OLG Hamm nicht verstehen.
  2. Müssen eigentlich Amtsrichter nicht mehr lesen, was ihnen vorgelegt wird, bzw. können sich damit Zeit lassen?
  3. Kippt dann jetzt insgesamt auch die Rechtsprechung, wonach man bislang davon ausgehen durfte, dass auch am Sitzungstag vom Amtsrichter grundsätzlich erwartet werden darf, dass er einen ihm vorgelegten Schriftsatz zumindest mal „anliest“? Das dürfte sich zwanglos aus dem Recht auf rechtliches Gehör ergeben.
  4. Wo sieht eigentlich das OWiG Vorschriften zur Gestaltung von Anträgen vor?
  5. Wann kommen Handreichungen der OLGs, wie Anträge zu gestalten sind? Vielleicht in einem „Handbuch für einen Entbindungsanträge“ herausgegeben von den vereinigten Budßgeldsenaten der OLG? So unter dem Motto: So hätten wir es gerne.

Der „versteckte“ Entbindungsantrag ist „arglistig“

entnommen wikimedia.org Urheber Ulfbastel

entnommen wikimedia.org
Urheber Ulfbastel

So, Urlaub ist zu Ende, die Themen in eigener Sache (vgl. u.a. hier In eigener Sache: Bezahlmodell bei Burhoff-Online? und Burhoff ist „feige“ und betreibt „öffentliche Zensur“ – wirklich ?) abgearbeitet, jetzt geht es normal weiter. Und dann dann gleich mit folgendem Obersatz: Eine „versteckter“ Entbindungsantrag ist nicht nur nicht rechtzeitig, sondern arglistig. Das ist jedenfalls das Fazit aus dem OLG Rostock, Beschl. v. 15.04.2015 – 21 Ss OWi 45/15 [Z]. Folge: Wenn der Antrag übersehen/nicht beschieden wird, ist eine keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG.

Entschieden hat das OLG Rostock das in einem Fall, in dem der Verteidiger einen folgendermaßen gestalteten Schriftsatz nur 53 Minuten vor Beginn der Hauptverhandlung vorgelegt hatte: „Er umfasst insgesamt 5 eng beschriebene (rund 50 Zeilen/Blatt) Seiten. Zwar enthält er eingangs unter „eilt“ die Bitte um sofortige Vorlage an den Abteilungsrichter und einen Hinweis auf die Terminsstunde um 11:30 Uhr desselben Tages; schon hier ist allerdings auffällig, dass – im Unterschied zu anderen Stellen des Schriftsatzes – kein Fettdruck, Vergrößerung o.ä. Verwendung findet. Sodann beginnt das Schreiben – in Fettdruck hervorgehoben – mit einer Beschwerdeeinlegung gegen die nicht erfolgte Terminsverlegung sowie dem Antrag auf umgehende Vorlage der Verfahrensakte an das Beschwerdegericht, und führt hierzu näher aus. In der zweiten Hälfte der 4. Seite münden die Ausführungen allmählich in die Besorgnis der Befangenheit des zuständigen Richters und einen entsprechenden, abgesetzten und durch Fettdruck hervorgehobenen Antrag. Im Zuge dieser Ausführungen, ohne dass dies an dieser Stelle notwendig oder zu erwarten gewesen wäre, ohne jedweden Absatz oder Hervorhebung im Text, wird erstmalig – in etwa 2 1/2 Zeilen – und eher beiläufig erwähnt, dass der Betroffene am Hauptverhandlungstermin berufsbedingt ortsabwesend sei, an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen wolle, einräume, der verantwortliche Fahrzeugführer zu sein (nachdem er zuvor seine Fahrereigenschaft vehement bestritten und sogar die Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens beantragt hatte) und beantrage, ohne ihn in der Sache zu verhandeln.“

Nach Auffassung des OLG führt die Kombination „kurze Frist“ und „Aufmachung des Schriftsatzes“ zur Annahme „arglistigen Verteidigungsverhaltens“:

„Ein Entbindungsantrag ist so rechtzeitig und in einer solchen Aufmachung anzubringen, dass das Gericht – angelehnt an den Zugang von Willenserklärungen im Zivilrecht – unter gewöhnlichen Umständen bei üblichem Geschäftsgang und zumutbarer Sorgfalt ihn als solchen erkennen, von ihm Kenntnis nehmen kann und muss und ihn deshalb einer Bearbeitung zuzuführen hat.

bb) Das ist hier nicht geschehen. Vorliegend geht der Senat angesichts der Zusendung des Schriftsatzes am Terminstag per Fax erst 53 Minuten vor dem Termin, der optischen Hervorhebung sowohl der Beschwerdeeinlegung als auch der Richterablehnung, nicht aber des – zudem verklausulierten – Entbindungsantrages, der gewählten Formulierungen sowie des Aufbaus und des hierdurch erzielten optischen Eindrucks davon aus, dem Tatrichter habe die Kenntnisnahme vom Entbindungsantrag des Betroffenen gerade nicht ermöglicht, sondern im Gegenteil – erfolgreich – gezielt erschwert bzw. unmöglich gemacht werden sollen. Der Entbindungsantrag wird in keinster Weise optisch hervorgehoben, gleichsam versteckt in rund 2 1/2 Zeilen eines fünfseitigen, eng beschriebenen Schriftsatzes und eingebettet in Ausführungen zur angeblichen Befangenheit des Vorsitzenden. Es fehlt auch an einer konkreten Antragstellung auf Entbindung; verwendet werden nur die eher schwammigen Formulierungen „ … der Betroffene … will an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen …, räumt ein, der verantwortliche Fahrzeugführer zu sein und beantragt, ohne ihn in der Sache zu verhandeln …Es war dem Tatrichter in vorliegender Sache kaum möglich, jedenfalls aber nicht zuzumuten, den verklausulierten und versteckten Antrag in dem umfangreichen Schriftsatz überhaupt zu finden, zumindest nicht in der kurzen Zeitspanne zwischen Eingang des Schriftsatzes bis zum anberaumten Termin, allzumal bei einer auf 11:30 Uhr anberaumten Hauptverhandlung üblicherweise auch zuvor schon verhandelt wird und der Richter hiermit beschäftigt ist.

Nach alledem liegt für den Senat ein Fall arglistigen Verteidigungsverhaltens vor, bei dem ein Entbindungsantrag ohne ersichtlichen Anlass erst ganz kurz vor der Terminsstunde in unlauterer Art und Weise angebracht wird in der (begründeten) Erwartung, dieser werde deshalb dem Tatrichter nicht rechtzeitig vorgelegt werden oder ihm nicht auffallen, um dann auf diesem Versehen eine Verfahrensbeanstandung aufzubauen. Das kann hier nicht zum Erfolg führen. Insoweit unterscheidet sich diese Sache einerseits von der von der Verteidigung vorgelegten Entscheidung im Verfahren 2 Ss (OWi) 50/11I 63/11 (Senatsbeschluss vom 27.04.2011), in dem immerhin frühzeitig und mehrfach eine als Entpflichtungsantrag auszulegende Erklärung abgegeben worden ist, andererseits ist hier wie dort ein verklausuliertes, auf Irreführung der Gerichte angelegtes Verteidigungsverhalten zu konstatieren.“

Na ja, überzeugt mich nicht so ganz. Warum es dem Amtsrichter nicht möglich sein soll, den Antrag zu finden, erschließt sich mir nicht. Erst recht nicht, warum es ihm nicht „zuzumuten“ sein soll, zumal der Amtsrichter nach Aufruf ja eh mindestens 15 Minuten warten muss, bis er den Einspruch verwerfen kann. In der Zeit wird er den Antrag dann doch wohl lesen können. Zudem besteht ein gewisser Widerspruch zur h.M., wonach ein Entbindungsantrag auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden kann. Dann ist er allerdings „offen“.

Die Mitwirkungspflicht des Betroffenen im Bußgeldverfahren

FragezeichenMitwirkungspflicht im Bußgeldverfahren? Man stutzt, wenn man es liest und denkt gleich an den nemo-tenetur-Grundsatz. Allerdings: Es geht im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.12.2014 – 1 (8) SsRs 662/14-AK 233/14 – um eine verfahrensrechtliche Problematik in Zusammenhang mit einem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG. Im Verfahren wird es nicht ganz klar, ob es sich bei vom Betroffenen und/oder seinem Verteidiger gestellten Anträgen um einen Terminsverlegungsantrag oder einen Entbindungsantrag handelt. Das AG geht von einem Verlegungsantrag aus und verwirft den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG, als der Betroffene dann nicht erscheint. Die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Dem Betroffenen obliegt hinsichtlich des Antrags auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung (§ 73 Abs. 2 OWiG) eine Mitwirkungspflicht.
  2. Ergibt sich aus einer Verfügung des Gerichts, dass dieses ein missverständlich formuliertes Schreiben des Betroffenen anders als von diesem gewollt nicht als Entbindungsantrag auslegt, ist er deshalb gehalten, das Missverständnis aufzuklären. Andernfalls muss er sich an dem Erklärungsgehalt, den das Gericht dem Schreiben beimisst, festhalten lassen.

Und:

„Im Hinblick auf die dem Betroffenen durch § 73 Abs. 2 OWiG auferlegte Mitwirkungspflicht (Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG, 4. Aufl. 2014, § 73 Rn. 13; Seitz a. a. O., § 73 Rn. 3) oblag es danach dem Betroffenen, nachdem durch das – im Hinblick auf die erteilte Vertretungsvollmacht zulässigerweise an den Verteidiger gerichtete – Schreiben vom 12.8.2014 offensichtlich wurde, dass das Amtsgericht dem Schriftsatz vom 8.8.2014 nicht einen vom Betroffenen gewollten Erklärungsinhalt beigemessen hatte, dieses Missverständnis auszuräumen. Indem er untätig blieb, brachte er jedoch zum Ausdruck, der vom Amtsgericht vorgenommenen – nach dem Inhalt der Erklärung möglichen – Interpretation, dass es sich bei dem Antrag vom 8.8.2014 um einen solchen auf Terminverlegung handelte, nicht entgegentreten zu wollen (vgl. BGH StV 2001, 436 und 504; 1989, 465 – jeweils zur Mitwirkungspflicht bei falsch verstandenen Beweisanträgen), so dass ein Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG, der der Verwerfung des Einspruchs entgegenstand, gerade nicht vorlag.“

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Die Fürsorgepflicht des Amtsrichters…

© Corgarashu – Fotolia.com

© Corgarashu – Fotolia.com

Mit Urteil vom 11.12.2013 verwirft das AG Parchim wegen unentschuldigten Fernbleibens des anwaltlich vertretenen Betroffenen von der Hauptverhandlung dessen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid. Den vom Betroffenen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.12.2013, eingegangen beim Gericht am selben Tag, gestellten Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Amtsgericht nicht beschieden. Diese Vorgehensweise gefällt dem OLG Rostock gar nicht und es hebt im OLG Rostock, Beschl. v. 21.02.2014 – 2 Ss OWi 30/14 – auf.

 b)  Das Amtsgericht hat den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid rechtsfehlerhaft gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil es dem Antrag des der Hauptverhandlung ferngebliebenen Betroffenen vom 10.12.2013 auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht (B1. 42 ff. d.A.) zu Unrecht nicht entsprochen hat.

 Das Amtsgericht hat den wirksam gestellten Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu der Hauptverhandlung am 11.12.2013 (42 ff. d.A.) weder vor der Hauptverhandlung beschieden noch sich in dem den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verwerfenden Urteil vom selben Tage mit ihm auseinandergesetzt. Dass der Antrag ausweislich des auf ihm enthaltenen Faxstempels bereits am 10.12.2013 (gegen 15:00 Uhr) einging, jedoch ausweislich eines weiteren Stempelaufdrucks erst am Sitzungstag auf der Geschäftsstelle einging, steht der Pflicht nicht entgegen, diesen zu bescheiden. Erfahrungsgemäß gehen nicht selten erst kurz vor oder am Terminstag schriftliche oder telefonische Mitteilungen über eine Verhinderung des Betroffenen oder auch Entbindungsanträge bei Gericht ein. Die Fürsorgepflicht gebietet es deshalb, dass der Richter sich vor der Verkündung des Verwerfungsurteils bei der Geschäftsstelle informiert, ob dort eine entsprechende Nachricht vorliegt (OLG Frankfurt NJW 1974, 1151; OLG Stuttgart Justiz 1981, 288; OLG Köln VRS 102, 382 = DAR 2002, 230).

War ein Entschuldigungsschreiben oder eine entsprechende fernmündliche Nachricht über eine Verhinderung des Betroffenen zum Zeitpunkt der Entscheidung bei Gericht bereits eingegangen, ist die fehlende Kenntnis des Richters grds. belanglos (vgl. Senge in KK- OWiG, 3. Aufl., § 74 Rn 35 m.w.N.). Ein Fall arglistigen – dann ggf. zu einer anderen Sicht der Dinge führenden – Verteidigungsverhaltens, bei dem z.B. ein Entbindungsantrag ohne ersichtlichen Anlass erst ganz kurz vor der Terminsstunde in unlauterer Art und Weise angebracht wird in der (begründeten) Erwartung, dieser werde deshalb dem Tatrichter nicht rechtzeitig vorgelegt werden und zu dem hier eingetretenen Rechtsfehler führen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 12.10.2007 – 2 Ss(OWi) 256/07 1 157/07), dürfte (noch) nicht vorliegen.