Schlagwort-Archive: elektronischens Dokument

Mangelnde Eignung eines elektronischen Dokuments, oder: Doppelte Wiedereinsetzung

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Nachdem ich nun schon über einige Entscheidungen betreffend aktive Nutzungspflicht aus dem Zivilverfahren und auch dem Verwaltungsverfahren berichtet habe, hier dann (endlich) auch eine aus dem Strafverfahren.

Ergangen ist der OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.02.2022 – 1 Ss 28/22 – nach einem Berufungsverfahren. Der Verteidiger hatte gegen das ergangene landgerichtliche Urteil, durch das die Berufung des Angeklagten verworfen worden war, Revision eingelegt. Das LG-Urteil wurde dem Verteidiger am 08.12.2021 zugestellt. Am Montag, den 10.01.2022 erhielt das LG lediglich den Prüfvermerk über die Übermittlung einer Revisionsbegründung im Format „docx“ (word-Dokument) aus dem besonderen Anwaltspostfach des Verteidigers; das Dokument selbst befand sich nicht bei der Akte. Nachdem das LG am 11.01.2022 den Verteidiger darauf hingewiesen hatte, hat dieser mit noch am selben Tag beim LG eingegangen Fax mitgeteilt, dass die Revisionsbegründung vom Vortag von ihm erstellt, überprüft und ordnungsgemäß in seinem System über „E-Versand“ über sein eigenes beA-Postfach an das LG versandt worden sei. Zugleich hat er dem LG nicht nur den entsprechenden Zustellungsnachweis, sondern auch die auf den 10.01.2022 datierende und von ihm nunmehr handschriftlich unterzeichnete Revisionsbegründungsschrift per Fax übermittelt. Im selben Schriftsatz hat der Verteidiger anwaltlich versichert, dass das am 11.01.2022 per Fax zur Absendung gebrachte Dokument in Form der Revisionsbegründung inhaltsidentisch ist mit dem am 10.01.2022 per beA als Anlage versandten Revisionsbegründung. Für den Fall, dass von einer versäumten Revisionsbegründungsfrist ausgegangen werde, hat der Verteidiger schließlich vorsorglich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersucht.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig angesehen. Seiner Entscheidung hat es folgende Leitsätze vorangestellt:

  1. Die in § 32a Abs.6 Satz 2 StPO vorgesehene Fiktion fristwahrender Einlegung nach Hinweis auf die mangelnde Eignung einer zuvor mittels elektronischen Dokumentes eingereichten Revisionsbegründung kann nur durch die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokumentes ausgelöst werden, nicht durch Übermittlung einer Revisionsbegründung in Papierform.
  2. Ebenso genügt nur die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokumentes den Anforderungen einer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigenden Nachholung der versäumten Handlung.

Die Entscheidung zeigt anschaulich die Gefahren, die in der Neuregelung „schlummern“ und worauf der Verteidiger ggf. achten muss: Sind die Vorgaben des § 32d StPO nicht erfüllt, tritt die Fiktionswirkung des § 32a Abs. 6 StPO und die Heilung nur ein, wenn das elektronische Dokument dann in einer zur Bearbeitung geeigneten Form unverzüglich nachgereicht wird.

Hier hat das OLG aber die für den Angeklagten nachteiligen Folge der Unzulässigkeit der Revision allerdings abgemildert:

„Für das weitere Verfahren weist der Senat jedoch daraufhin, dass, wenn der Angeklagte über seinen Verteidiger binnen Wochenfrist nach Zustellung dieses Beschlusses nunmehr eine den vorstehenden Voraussetzungen genügende Revisionsbegründungsschrift beim Landgericht einreicht, diesem Wiedereinsetzung in die – mangels formgerechten Wiedereinsetzungsantrags (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2018 – 2 Rev 47/181 Ss 86/18, juris Rn. 9; Graalmann-Scheerer, in LR-StPO, 27. Aufl., § 44 Rn. 9 jew. m.w.N.) – vorliegend versäumte Wiedereinsetzungsantragsfrist zu gewähren sein wird. Denn ausnahmsweise erscheint hier die neuerliche Wiedereinsetzung zur Wahrung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geboten, um dem Angeklagten, der bislang von dem allein durch seinen Verteidiger verschuldeten (vgl. BT-Drs. 17/12634, S. 26), ihm indes nicht zuzurechnenden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 44 Rn. 18) Formmangel keine Kenntnis gehabt haben dürfte, die Möglichkeit zur Beseitigung dieses Formmangels durch Nachholung formgerechten Vorbringens i.S.d. § 45 Abs. 2 StPO zu geben (vgl. in diese Richtung BGH, Beschluss vom 09.07.2003 – 2 StR 146/03, NStZ 2003, 615 Rn. 4; OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2018 – 2 Rev 47/181 Ss 86/18, juris Rn. 12; s.a. Kassenbohm, StraFo 2017, 393 <399>; Beukelmann/Brökers, in MAH-Strafverteidigung, 3. Aufl., § 38 Rn. 147; Graf, in KK-StPO, 8. Aufl., § 32d Rn. 5; Bosbach, in NK-StGB, 5. Aufl., § 32d Rn. 2; Valerius, in BeckOK-StPO, § 32d Rn. 4 jew. zur Wiedereinsetzung im Kontext des § 32d StPO).“