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Teilnahme des Verteidigers am Anhörungstermin, oder: Keine Vernehmungsterminsgebühr

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Im Strafverfahren gibt es zahlreiche Termine außerhalb der Hauptverhandlung, an denen der Verteidiger mit seinem Mandanten teilnehmen kann/muss. Es stellt sich dann immer die Frage, ob der Verteidiger dafür eine sog. Vernehmungsterminsgebühr abrechnen kann. Dazu äußert sich für einen Anhörungstermin in Zusammenhang mit der Unterbringung des Angeklagten das LG Potsdam im LG Potsdam, Beschl. v. 12.08.2024 – 25 KLs 5/23.

In einem Verfahren wegen des Vorwurfs des schweren Raubes hatte die Strafkammer zugleich mit der Eröffnung des Verfahrens die psychologische Begutachtung des – mittlerweile rechtskräftig verurteilten – Angeklagten angeordnet. Da der Angeklagte mehrfach nicht zu Explorationsterminen beim Sachverständigen erschienen ist, hat die Strafkammer seine vorübergehende Unterbringung zur Vorbereitung des Gutachtens gemäß § 81 StPO erwogen und den Angeklagten hierzu mündlich angehört. Zu dem Anhörungstermin am 29.08.2023 hat die Kammer auch den Pflichtverteidiger geladen. Die vorübergehende Unterbringung des Angeklagten ist dann nicht erfolgt, da der Angeklagte in dem Anhörungstermin mit dem ebenfalls anwesenden Sachverständigen Explorationstermine vereinbart hat, die er auch einhielt.

In seinem Vergütungsfestsetzungsantrag hat der Pflichtverteidiger für die Wahrnehmung des Anhörungstermins eine Vernehmungsterminsgebühr gemäß Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG mit 150,00 EUR berechnet. Die Rechtspflegerin hat diese Gebühren nicht festgesetzt und darauf verwiesen, dass die Wahrnehmung des Anhörungstermins durch die allgemeine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG abgegolten sei. Dagegen hat der Pflichtverteidiger Erinnerung eingelegt, die die Strafkammer, der die Sache vom Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist, zurückgewiesen hat:

„2. In der Sache hat die Erinnerung keinen Erfolg. Dem Verteidiger steht für die Wahrnehmung des Anhörungstermins vom 29. August 2023 keine Gebühr gemäß Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG zu.

a) Nach dieser Vorschrift kann der Verteidiger die Vergütung seiner Teilnahme an einem Termin außerhalb der Hauptverhandlung verlangen, in dem „über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung“ verhandelt wird. Nach dem Wortlaut der Regelung ist mit der „einstweiligen Unterbringung“ nur die – grundsätzlich bis auf Weiteres – angeordnete Freiheitsentziehung gemäß § 126a StPO gemeint und nicht die – auf die Dauer der Untersuchung, längstens jedoch auf sechs Wochen befristete – vorläufige Unterbringung zur Begutachtung gemäß § 81 StPO. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung, die ausdrücklich die „einstweilige Unterbringung“, und damit die amtliche Überschrift von § 126a StPO, in Bezug nimmt. Hinzu kommt, dass die Vergütungsvorschrift die „einstweilige Unterbringung“ neben dem Haftbefehl aufführt, was ebenfalls – nur – auf § 126a StPO hinweist, da die einstweilige Unterbringung gemäß § 126a StPO das Pendant zum Haftbefehl darstellt, wie die vielfältigen Verweise in § 126a Abs. 2 StPO auf das Haftbefehlsrecht belegen. Abgesehen hiervon erfordert die Unterbringung zur Begutachtung gemäß § 81 StPO nicht zwingend eine Anhörung oder gar die Verkündung einer Entscheidung. Vor diesem Hintergrund wird in der Literatur – ganz selbstverständlich – davon ausgegangen, dass die Vergütungsregel in Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG nur die Verkündungs- und Vorführungstermine gemäß § 126a Abs. 2 in Verbindung mit §§ 115, 118 StPO erfassen, nicht jedoch Anhörungstermine im Vorfeld einer Entscheidung gemäß § 81 StPO oder ähnliche Anhörungen (vgl. etwa Felix in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl., RVG VV 4102, Rn. 11; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Nr. 4102 VV, Rn. 25; Knaudt in: BeckOK RVG, 64. Ed., VV 4102, Rn. 8). Soweit dies ersichtlich ist, ist diese Frage in der Rechtsprechung und der Literatur jedoch nicht – jedenfalls nicht tragend – entschieden worden, sodass der hier zu treffenden Entscheidung eine gewisse grundsätzliche Bedeutung beikommt. Im Falle seiner Anwendbarkeit lägen nämlich die kostenrechtlichen Voraussetzungen der Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG vor, da der Verteidiger in dem Anhörungstermin verhandelt hat, indem er Erklärungen und Stellungnahmen abgegeben hat, auch wenn dies aus dem Terminsprotokoll nicht ersichtlich ist, da sich dieses auf die Erklärungen des Angeklagten konzentriert. So hat der Verteidiger die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Unterbringung zur Gutachtenvorbereitung aufgeworfen und im Übrigen den Sinn der Maßnahme bezweifelt, da eine gegen ihren Willen zwangsweise untergebrachte Person sich kaum für ein zielführendes Explorationsgespräch öffnen dürfte; hierbei hat der Verteidiger die besonderen Persönlichkeitsvariablen des Angeklagten dargelegt, der Probleme im Umgang mit fremdbestimmten Situationen habe.

b) Eine entsprechende Anwendung der Nr. 4102 VV RVG auf weitere, dort nicht bezeichneten Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb der Hauptverhandlung kommt nicht in Betracht. Bei der genannten Regelung handelt es sich nämlich um eine Ausnahmeregelung, die eng auszulegen und eine Analogie nicht zugänglich ist. Der Gesetzgeber hat dem Verteidiger enumerativ nur in den dort genannten Fallgestaltungen einen Vergütungsanspruch für Termine außerhalb der Hauptverhandlung zugesprochen. Dies ist die allgemeine Meinung in der Literatur (vgl. Kapischke in: Ahlmann/Kapischke/Pankaz/Rech/Schneider/Schütz, RVG, 11. Aufl., VV 4102, Rn. 22; Burhoff, a.a.O., VV 4102 Rn.47 f.; ders. in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl., VV 4102, Rn. 5; Felix in Toussaint, a.a.O., VV RVG Nr. 4102, Rn. 3; Knaudt, a.a.O., VV 4102, Rn. 11), während in der Rechtsprechung bisweilen trotzdem Analogien gezogen worden sind (etwa LG Hamburg, Beschluss vom 19.10.2020, 601 Qs 28/20; vgl. auch die Nachweise bei Knaudt, a.a.O., VV 4102, Rn. 11.1). Diese ausnahmsweise vorgenommenen Analogien sind jedoch systemwidrig, da Nr. 4102 VV RVG selber eine Ausnahmeregelung ist, die abschließend auflistet, für welche Termine außerhalb der Hauptverhandlung der Rechtsanwalt eine Gebühr beanspruchen kann. Abgesehen hiervon fehlt es an einer (zudem: systemwidrigen) Regelungslücke, die durch eine Analogie zu schließen wäre, da sich aus der Vorbemerkung 4.1 Abs. 2 zum vierten Teil VV RVG ergibt, dass durch die im VV geregelten Gebühren die gesamte Tätigkeit des Verteidigers entgolten wird, soweit keine ausdrückliche abweichenden Regelungen erfolgen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8.8.2011, 1 Ws 89/11; KG, Beschluss vom 18.11.2011,1 Ws 86/11; OLG Köln, Beschluss vom 23.7.2014, III-2I Ws 416/14 und OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.1.2023, 2 WS 156/22 (S); jeweils zitiert nach Juris). Die Tätigkeit des Verteidigers im dem Anhörungstermin vom 29. August 2023 ist durch seine allgemeine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG abgegolten.“

So traurig es auch ist: Man muss dem LG folgen. Der Hinweis auf den Wortlaut ist eindeutig. In der Nr. 4102 S. 1 Nr. 3 VV RVG ist nur von der „einstweiligen Unterbringung“, also von § 126a StPO, die Rede. Zutreffend ist es auch, dass das LG die Vorschrift nicht entsprechend angewendet hat. Den Argumenten des LG ist nichts hinzuzufügen. Sie entsprechen der Argumentation in der Literatur und der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung.

Es ist zu wünschen und zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber endlich mal aufrafft und in einem 3. KostRMoG die Nr. 4102 VV RVG überarbeitet und durch sie weitere Termine erfasst, an denen der Rechtsanwalt teilnimmt. Denn der Verweis auf die Verfahrensgebühr ist für diesen angesichts der doch recht geringen Gebührensätze nur ein schwacher Trost.

Das LG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen Frage gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. mit § 33 Abs. 3 S. 2 RVG die Beschwerde zugelassen. Man wird zu der Frage also ggf. bald etwas vom OLG Brandenburg hören, allerdings wird es m.E. wahrscheinlich die Entscheidung des LG bestätigen. Das würde auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des OLG liegen.

Haft II: Verhältnismäßige einstweilige Unterbringung?, oder: Betreuungsrechtliche Unterbringung

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In der zweiten Haftentscheidung geht es um die einstweilige Unterbringung (§ 126a StPO) eines Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hatte die beantragt, das LG hat abgelehnt. Die dagegen gerichteten Beschwerde hat das OLG Hamm mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 06.02.2024 – 5 Ws 14/24 – zurückgewiesen. Nach seiner Auffassung wäre die einstweilige Unterbringung des Angeklagten, bei dem bereits eine länger andauernde betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1831 BGB) existiert, unverhältnismäßig:

„3. Allerdings fehlt es für die Anordnung der einstweiligen Unterbringung an der Verhältnismäßigkeit, da der Schutz der Allgemeinheit vor der Beschuldigten derzeit durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann. Grundsätzlich bedarf es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung vor einer einstweiligen Unterbringung einer näheren Prüfung, ob einer verbliebenen Gefährlichkeit nicht durch eine Betreuung nebst Unterbringung entgegengewirkt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 2011 ? 2 BvR 2181/11 = NJW 2012, 513, beckonline). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt nur dann als letztes Mittel in Betracht, wenn (therapeutische und sichernde) Maßnahmen außerhalb des Maßregelvollzugs keinen ausreichend zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters bieten. Ist der Betroffene bereits auf anderer Rechtsgrundlage untergebracht, ist zudem erforderlich, dass andere organisatorische Möglichkeiten der außerstrafrechtlichen Maßnahmen zur Einschränkung der Gefährlichkeit ausgeschöpft werden. Strafrechtliche Maßnahmen können erst als letztes Mittel in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 04.08.1998 – 5 StR 223/98 = NStZ-RR 1998, 359, beckonline). Bei schon vorliegender Heimunterbringung sind vor einer Unterbringung im Maßregelvollzug zunächst andere organisatorische und außerstrafrechtliche Mittel auszuschöpfen (vgl. Fischer, a.a.O., § 63, Rn. 49). Es muss geprüft werden, ob eine (einstweilige) Unterbringung im Maßregelvollzug unterbleiben kann, weil andere, weniger einschneidende organisatorische Vorkehrungen innerhalb der geschlossenen Pflegeeinrichtung einen genügenden Schutz für andere Heimbewohner bieten und die ausgehende Gefahr für Mitpatienten in vertretbarer Weise abgemildert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 04.08.1998 – 5 StR 223/98 = NStZ-RR 1998, 359, beckonline).

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist es derzeit noch unverhältnismäßig, die Beschuldigte einstweilen forensisch unterzubringen; im Einzelnen:

a) Zunächst ist hier zu berücksichtigen, dass die erheblichen Anlasstaten vom 20.10.2022 bereits über ein Jahr zurückliegen und seit der Anlasstat vom 04.04.2023 keine weiteren Taten mehr aktenkundig geworden sind. Dieser zeitliche Horizont gepaart mit dem Umstand, dass der Beschuldigten auch während des 10-jährigen Zeitraums der geschlossenen Heimunterbringung vor der ersten Anlasstat keine schweren Gewaltdelikte vorgeworfen wurden, spricht dafür, dass derzeit die von ihr ausgehende Gefahr sich mehr im Bereich der Eigen- als der Fremdgefährdung bewegt. Das deckt sich im Übrigen auch mit den Einschätzungen der Mitarbeiterinnen des LWL Wohnheims gegenüber dem Sachverständigen Z. in dem forensischen Gutachten vom 15.09.2023 (dort S. 11). Die derzeit von der Beschuldigten ausgehende Gefahr dürfte auch dadurch abgemildert sein, dass sie nach den aktenkundigen Angaben von Mitarbeiterinnen des Wohnverbundes seit den vorgeworfenen Taten mehrfach in – wenn auch eigengefährdenden – Krisensituationen eigeninitiativ nach (zusätzlicher) sedierender Medikation gefragt bzw. sich freiwillig in den Kriseninterventionsraum begeben hat.

b) Des Weiteren mutet die Einschätzung des LWL Wohnverbundes in R. (zuletzt in der Stellungnahme vom 19.12.2023) widersprüchlich an, da der Beschuldigten auf der einen Seite eine massive Fremdgefährdung bescheinigt wird, auf der anderen Seite aber wöchentlich vier (wohl unbegleitete) Stadtausgänge genehmigt werden. In die Prognose für die aktuelle Fremdgefährdung dürfte insoweit auch einzubeziehen sein, dass es bei den Stadtausgängen offenbar zu keinerlei fremdaggressiven Zwischenfällen kommt.

c) Auch die zeitliche Befristung der betreuungsrechtlichen Unterbringung der Beschuldigten macht die Anordnung der Unterbringung nach § 126a StPO hier nicht erforderlich (vgl. zu anderen Fallkonstellationen im Rahmen des PsychKG NRW OLG Hamm Beschl. v. 9.6.2020 – 4 Ws 95/20, BeckRS 2020, 13095 33, beckonline; LG Kleve, Beschluss vom 07.07.2011 – 120 Qs-306 Js 392/11/65/11; LG Kleve Beschl. v. 7.7.2011 – 120 Qs-306 Js 392/11/65/11, BeckRS 2011, 20279, beckonline). Hier ist zu berücksichtigen, dass die derzeitige Unterbringung auf der Grundlage von § 1831 BGB bis zum 07.12.2024 befristet ist und somit vom Zeithorizont her die Gemeingefährlichkeit der Beschuldigten für einen Zeitraum abmildert, der länger wäre als beim einstweiligen Unterbringungsbefehl nach § 126a StPO unter Berücksichtigung der Fristen der §§ 121, 122 StPO.

d) Der Senat verkennt nicht, dass die zivilrechtliche Unterbringung nach § 1831 BGB auf der Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts Marsberg vom 07.12.2023 keine Handhabe bietet, die Beschuldigte bei Fremdgefährdung in einem Kriseninterventionsraum abzuschirmen, da dieser entsprechend den Vorgaben von § 1831 BGB nur bei Eigengefährdung eingreift. Indes ist zu berücksichtigen, dass für den Fall einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Mitbewohnern neben einer Fremdgefährdung der Beschuldigten regelmäßig auch eine Eigengefährdung vorliegen dürfte, sodass der genannte Beschluss als Ermächtigungsgrundlage für einen Freiheitsentzug im Kriseninterventionsraum dienen könnte. Zudem ist – davon geht der Senat mangels anderer Angaben aus – nicht einmal versucht worden, auf der Grundlage des PsychKG NRW für die Fälle der Fremdgefährdung eine Ermächtigung i.S.v. § 20 Abs. i Nr. 2 und 4 PsychKG NRW für eine Unterbringung in einem Kriseninterventionsraum bzw. eine Fixierung zu erreichen. Trotz § 1 Abs. 3 PsychKG NRW erscheint ein solcher Antrag zulässig, da er über den Anwendungsbereich von § 1831 BGB hinaus zur Abwehr einer Fremdgefahr gedacht wäre (vgl. zur Anwendung der öffentlichrechtlichen Vorschriften bei Fremdgefahr neben der Selbstgefahr: BeckOK BGB/Müller-Engels, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 1831 28; LG Hildesheim, Beschluss vom 14. Januar 1994 – 5 T 720/93 -, Rn. 6 – 8, juris).“

BVerfG II: Zulässigkeit der einstweiligen Unterbringung, oder: Keine Unterbringung zur Explorationserzwingung

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Und dann der BVerfG, Beschl. v. 19.05.2023 – 2 BvR 637/23. Entschieden hat das BVerfG in einem Eilverfahren betreffend einen Unterbringungsbeschluss nach § 81 Abs 1 StPO.

Zugrunde liegt ein Verfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Diebstahl. Das AG hatte Bedenkene wegen der Schuldfähigkeit der Angeklagten. Zudem stand ggf. auch die Frage einer Unterbringung nach § 63 StGB an. Es hat daher einen Sachverständigem bestellt.  Die Angeklagte sagte vereinbarte Termine zur Exploration durch den bestellten Sachverständigen zunächst ab bzw. erschien so verspätet, dass der Termin scheiterte. Der Sachverständige legte sodann ein Gutachten nach Aktenlage vor, das er später ergänzte. Im Rahmen eines Hauptverhandlungstermins vereinbarten die Angeklagte und der Sachverständige einen Termin für ein Explorationsgespräch. Zu diesem erschien die Angeklagte, verweigerte jedoch nach Belehrung ihre Mitwirkung. Der Sachverständige regte daraufhin eine Unterbringung zur Begutachtung nach § 81 StPO an. Da die Angeklagte nicht kooperiere, sei die Unterbringung zur Beobachtung in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus sinnvoll. Aufgrund des sich abzeichnenden Fehlens der Kooperationsbereitschaft solle diese sechs Wochen dauern. Dieses Vorgehen sei aus forensisch-psychiatrischer Perspektive notwendig.

Das AG ist dem gefolgt und hat die Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand der Angeklagten für die Dauer von höchstens sechs Wochen angeordnet. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Angeklagte hat Verfassungsbeschwerde erhoben und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der hatte Erfolg:

„2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet.

a) Die Verfassungsbeschwerde genügt den Zulässigkeitsanforderungen. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg erschöpft und ihre Verfassungsbeschwerde substantiiert begründet.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich unbegründet. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin erscheint nicht ausgeschlossen. Dies abschließend zu klären, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

aa) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter eines Menschen (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 ff.>; 44, 353 <372 f.>; 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194 f.>).

bb) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht absolut geschützt. Vielmehr muss jeder Bürger staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 32, 373 <379>; 65, 1 <44>). Die Auslegung und Anwendung des einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestattenden Gesetzes ist dabei grundsätzlich Sache der Fachgerichte. Verfassungsgerichtliches Einschreiten ist nur geboten, wenn sich diese als objektiv willkürlich erweisen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.>).

(1) Nach § 81 Abs. 1 StPO kann das zuständige Gericht zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten beziehungsweise Angeklagten nach Anhörung eines Sachverständigen und des Verteidigers die Unterbringung und Beobachtung in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus anordnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Unterbringung jedoch nicht verhältnismäßig, wenn sich der Betroffene weigert, die erforderlichen Untersuchungen zuzulassen beziehungsweise an ihnen mitzuwirken. Insbesondere dann, wenn eine Exploration erforderlich wäre, die Mitwirkung hieran aber verweigert wird und ein Erkenntnisgewinn daher nur bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden oder einer anderen Einflussnahme auf die Aussagefreiheit des Betroffenen zu erwarten ist, ist die Anordnung der Unterbringung nicht verhältnismäßig (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2001 – 2 BvR 1523/01 -, Rn. 20). Zielt das Untersuchungskonzept darauf ab, den Betroffenen in seinem Alltagsverhalten und seiner Interaktion mit anderen Personen zu beobachten, so steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer derartigen „Totalbeobachtung“ unüberwindbar entgegen. In einem solchen Fall wäre der Betroffene nur noch Objekt staatlicher Erkenntnisgewinnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2001 – 2 BvR 1523/01 -, Rn. 22).

(2) Aufgrund des Vortrags der Beschwerdeführerin und den von ihr vorgelegten Unterlagen steht ernsthaft im Raum, dass die Anordnung der Unterbringung im vorliegenden Fall darauf abzielte, die Beschwerdeführerin in unzulässiger Weise zu veranlassen, einer Exploration und weiteren Untersuchungen entgegen ihrer eindeutigen Weigerung zuzustimmen. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Unterbringung auf eine unzulässige „Totalbeobachtung“ abzielt. Dies abschließend zu klären, ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

3. Die damit eröffnete Folgenabwägung spricht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später als zulässig und begründet, so wäre mit der Unterbringung ein nicht mehr revidierbarer Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin geschehen. Etwaige Erkenntnisse unterlägen dann zwar eventuell einem Verwertungsverbot. Die Einwirkung auf den Willensentschluss der Beschwerdeführerin und die vollständige Beobachtung ihres Verhaltens könnten jedoch nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Erginge hingegen die einstweilige Anordnung und erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später als erfolglos, so könnte der Beschluss des Amtsgerichts vollzogen werden. Die Aufklärung der offenen Fragen wäre nach wie vor möglich. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Unterbringung erst so spät erfolgen könnte, dass Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zu den Tatzeitpunkten unmöglich wären.

Die negativen Folgen in erstgenanntem Fall überwiegen insgesamt.“