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BVerfG II: Zulässigkeit der einstweiligen Unterbringung, oder: Keine Unterbringung zur Explorationserzwingung

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Und dann der BVerfG, Beschl. v. 19.05.2023 – 2 BvR 637/23. Entschieden hat das BVerfG in einem Eilverfahren betreffend einen Unterbringungsbeschluss nach § 81 Abs 1 StPO.

Zugrunde liegt ein Verfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Diebstahl. Das AG hatte Bedenkene wegen der Schuldfähigkeit der Angeklagten. Zudem stand ggf. auch die Frage einer Unterbringung nach § 63 StGB an. Es hat daher einen Sachverständigem bestellt.  Die Angeklagte sagte vereinbarte Termine zur Exploration durch den bestellten Sachverständigen zunächst ab bzw. erschien so verspätet, dass der Termin scheiterte. Der Sachverständige legte sodann ein Gutachten nach Aktenlage vor, das er später ergänzte. Im Rahmen eines Hauptverhandlungstermins vereinbarten die Angeklagte und der Sachverständige einen Termin für ein Explorationsgespräch. Zu diesem erschien die Angeklagte, verweigerte jedoch nach Belehrung ihre Mitwirkung. Der Sachverständige regte daraufhin eine Unterbringung zur Begutachtung nach § 81 StPO an. Da die Angeklagte nicht kooperiere, sei die Unterbringung zur Beobachtung in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus sinnvoll. Aufgrund des sich abzeichnenden Fehlens der Kooperationsbereitschaft solle diese sechs Wochen dauern. Dieses Vorgehen sei aus forensisch-psychiatrischer Perspektive notwendig.

Das AG ist dem gefolgt und hat die Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand der Angeklagten für die Dauer von höchstens sechs Wochen angeordnet. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Angeklagte hat Verfassungsbeschwerde erhoben und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der hatte Erfolg:

„2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet.

a) Die Verfassungsbeschwerde genügt den Zulässigkeitsanforderungen. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg erschöpft und ihre Verfassungsbeschwerde substantiiert begründet.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich unbegründet. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin erscheint nicht ausgeschlossen. Dies abschließend zu klären, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

aa) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter eines Menschen (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 ff.>; 44, 353 <372 f.>; 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194 f.>).

bb) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht absolut geschützt. Vielmehr muss jeder Bürger staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 32, 373 <379>; 65, 1 <44>). Die Auslegung und Anwendung des einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestattenden Gesetzes ist dabei grundsätzlich Sache der Fachgerichte. Verfassungsgerichtliches Einschreiten ist nur geboten, wenn sich diese als objektiv willkürlich erweisen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.>).

(1) Nach § 81 Abs. 1 StPO kann das zuständige Gericht zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten beziehungsweise Angeklagten nach Anhörung eines Sachverständigen und des Verteidigers die Unterbringung und Beobachtung in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus anordnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Unterbringung jedoch nicht verhältnismäßig, wenn sich der Betroffene weigert, die erforderlichen Untersuchungen zuzulassen beziehungsweise an ihnen mitzuwirken. Insbesondere dann, wenn eine Exploration erforderlich wäre, die Mitwirkung hieran aber verweigert wird und ein Erkenntnisgewinn daher nur bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden oder einer anderen Einflussnahme auf die Aussagefreiheit des Betroffenen zu erwarten ist, ist die Anordnung der Unterbringung nicht verhältnismäßig (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2001 – 2 BvR 1523/01 -, Rn. 20). Zielt das Untersuchungskonzept darauf ab, den Betroffenen in seinem Alltagsverhalten und seiner Interaktion mit anderen Personen zu beobachten, so steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer derartigen „Totalbeobachtung“ unüberwindbar entgegen. In einem solchen Fall wäre der Betroffene nur noch Objekt staatlicher Erkenntnisgewinnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2001 – 2 BvR 1523/01 -, Rn. 22).

(2) Aufgrund des Vortrags der Beschwerdeführerin und den von ihr vorgelegten Unterlagen steht ernsthaft im Raum, dass die Anordnung der Unterbringung im vorliegenden Fall darauf abzielte, die Beschwerdeführerin in unzulässiger Weise zu veranlassen, einer Exploration und weiteren Untersuchungen entgegen ihrer eindeutigen Weigerung zuzustimmen. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Unterbringung auf eine unzulässige „Totalbeobachtung“ abzielt. Dies abschließend zu klären, ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

3. Die damit eröffnete Folgenabwägung spricht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Erginge die einstweilige Anordnung nicht und erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später als zulässig und begründet, so wäre mit der Unterbringung ein nicht mehr revidierbarer Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin geschehen. Etwaige Erkenntnisse unterlägen dann zwar eventuell einem Verwertungsverbot. Die Einwirkung auf den Willensentschluss der Beschwerdeführerin und die vollständige Beobachtung ihres Verhaltens könnten jedoch nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Erginge hingegen die einstweilige Anordnung und erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später als erfolglos, so könnte der Beschluss des Amtsgerichts vollzogen werden. Die Aufklärung der offenen Fragen wäre nach wie vor möglich. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Unterbringung erst so spät erfolgen könnte, dass Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zu den Tatzeitpunkten unmöglich wären.

Die negativen Folgen in erstgenanntem Fall überwiegen insgesamt.“

BVerfG II: Neue Wiederaufnahme zu Ungunsten?, oder: Außervollzusetzung des Haftbefehls verlängert

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Das zweite Posting betrifft den BVerfG, Beschl. v. 20.12.2022 – 2 BvR 900/22. Ergangen ist er in Zusammenhang mit der Neuregelung der Rechts der Wiederaufnahme in der StPO. Ich erinnere: Im September 2021 haben der Bundestag und der Bundesrat das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) beschlossen (vgl. hier:  Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochenen kommt, oder: Ist das “materielle Gerechtigkeit”?. 

Die Neuregelung ist dann alsbald zur Anwendung gekommen und als verfassungsmäßig angesehen worden; vgl. dazu den OLG Celle, Beschl. v. 20.04.2022 – 2 Ws 62/22 , der zur Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung im Recht der Wiederaufnahme – § 362 Nr. 5 StPO – Stellung genommen hat (vgl. hierzu Neues Spurengutachten 40 Jahre nach Freispruch, oder: Wiederaufnahme zu Ungunsten verfassungmäßig?). 

Die Neuregelung ist inzwischen Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung beim BVerfG. Das hatte mit BVerfG, Beschl. v. 14.07.2022 – 2 BvR 900/22 – den in dem Verfahren verkündeten Haftbefel durch eine einstweilige Anordnung außer Vollzug gesetzt. Allerdings nur für sechs Monate (vgl. BVerfG I: Neue Wiederaufnahme zu Ungunsten?, oder: Eilantrag gegen Haftbefehl hat Erfolg).

Nun hat das BVerfG  mit Beschluss vom 20.12.2022 die Außervollzusetzung um sechs Monate verlängert:

„Das Bundesverfassungsgericht kann eine einstweilige Anordnung dann wiederholen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den erstmaligen Erlass einer solchen Anordnung noch gegeben sind (vgl. BVerfGE 21, 50; 89, 113 <115 f.>; 97, 102 <102>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. September 2019 – 2 BvR 1845/18 -, Rn. 2; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Februar 2022 – 2 BvR 1514/21 -, Rn. 2).

Dies ist vorliegend der Fall. Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 14. Juli 2022 verwiesen. Die Sach- und Rechtslage hat sich seither nicht wesentlich geändert. Der Beschwerdeführer ist den ihm auferlegten Weisungen beanstandungsfrei nachgekommen. Auch eingedenk des Beschleunigungsgrundsatzes, der bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl prinzipiell weiterhin gilt (vgl. BVerfGE 53, 152 <159 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 14. Juli 2022 – 2 BvR 900/22 -, Rn. 54), sind die fortgeltenden Maßnahmen gegenüber dem Beschwerdeführer für weitere sechs Monate noch verhältnismäßig.“

Also: Noch einmal sechs Monate. Ich wage die Voraussage: Das BVerfG wird auch dann noch nicht entschieden haben. Also: Dann noch einmal Verlängerung oder – im Hinblick auf den haftrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz – Aufhebung des Haftbefehls.

Verkehrsrecht I: Sachschaden bei der Unfallflucht, oder: „Klatsche“ für StA, AG und LG vom VerfGH

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Und heute kommt dann das Programm, was ich eigentlich schon gestern bringen wollte, nämlich noch einmal Entscheidungen mit verkehrsrechtlichem „Einschlag“.

Ich beginne mit dem VerfGH Saarland, Beschl. v. 08.11.2022 – Lv 13/22 -, den mir der Kollege Gratz, der den Beschluss „erstritten“ hat, geschickt hat (hier „geht“ es zu dem Kollegen).

Ergangen ist der Beschluss in Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Mandanten des Kollegen durch einen Beschluss des AG. Die gegen den Beschluss erhobene Beschwerde hat das LG. Dagegen ist Verfassungsbeschwerde erhoben. Folgender Sachverhalt:

Der beruflich als Busfahrer und in der Freiwilligen Feuerwehr seines Heimatortes ehrenamtlich tätige Angeschuldigte fuhr mit einem von ihm gesteuerten Linienbus. Er soll einen an einer verengten Straßenstelle verbotswidrig geparkten PKW bei einem Rangiermanöver im Bereich der linken hinteren Stoßstange gestreift und sich sodann vom Unfallort entfernt haben. An dem angeblich hierdurch beschädigten Wagen wurde im Bereich der Ecke des rechten hinteren Kotflügels und des Radkastens ein rund 40 cm hoher Streifschaden festgestellt. Lackanhaftungen fehlten. Nach den polizeilichen Feststellungen fanden sich dort lediglich „aufgrund der regennassen Witterung Schmutzanhaftungen“. Eine Spurensicherung wurde nicht durchgeführt. Der Sachschaden wurde polizeilich auf 3.000 EUR geschätzt. Die geschädigte Halterin wurde benachrichtigt. Sie meldete sich nach drei Wochen bei der Polizei und gab als Information über das vermeintliche Geschehen an, sie werde ihren Wagen in einer Werkstatt reparieren lassen und – was bislang auch auf Nachfrage hin nicht geschehen ist – die Reparaturrechnung nachreichen.

Zeuginnen und Zeugen haben angegeben, das Unfallereignis akustisch und optisch bemerkt und gesehen zu haben, dass sich der Beschwerdeführer aus dem Busfenster in Richtung des geparkten Fahrzeugs gebeugt habe, dann jedoch weitergefahren sei. Rund eine Stunde später wurde der Beschwerdeführer festgestellt. An dem Linienbus wurde ein – längerer, aus der Farbbildaufnahme allerdings nicht klar zu erkennender – Streifschaden festgestellt. Der Beschwerdeführer bestritt, einen Zusammenstoß mit dem geparkten Fahrzeug bemerkt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft hat — zunächst ohne Angabe eines bestimmten Strafzumessungsantrags, was später auf richterliche Beanstandung hin korrigiert wurde — den Erlass eines Strafbefehls wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und zugleich die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt. Das Amtsgericht Saarbrücken hat beiden Anträgen stattgegeben. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm zugestellten Strafbefehl Einspruch erhoben. Die gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erhobene Beschwerde hat das Landgericht Saarbrücken mit der Begründung verworfen, es sei „nichts dagegen zu erinnern, dass das Amtsgericht bei seiner, zum jetzigen Zeitpunkt zwangsweise vorläufigen Betrachtung die von der Polizei geschätzte Schadenshöhe von 3.000 € seiner Entscheidung zugrunde gelegt“ habe. Die Staatsanwaltschaft betreibt nunmehr die Vollstreckung des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

Der VerfGH Saarland hat auf die Verfassungsbeschwerde hin eine einstweilige Anordnung erlassen und die Wirksamkeit der Beschlüsse des AG und LG ausgesetzt. Das begründet es u.a. wie folgt:

„b) Nach § 111a Abs. 1 S. 1 StPO darf eine Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn „dringende Gründe“ für die Annahme vorliegen, dass die Fahrerlaubnis — im Streitfall nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB wegen des Nach-weises eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort bei Verursachung eines bedeutenden Sachschadens — entzogen werden wird.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben Staatsanwaltschaft, Amtsgericht und Landgericht nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise geprüft. Denn auch vorläufige Eingriffe in Freiheitsrechte können nicht mit vagen Annahmen und nicht näher plausibilisierten oder angreifbaren Schätzungen von Strafverfolgungsbehörden gerechtfertigt werden, sondern bedürfen einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.

Deren Nachprüfung ist zwar grundsätzlich Sache tatrichterlicher Würdigung. Fehlen aber valide Feststellungen oder werden in einem frühen Stadium eines Ermittlungs- und Strafverfahrens notwendigerweise unsichere Einschätzungen einem Grundrechtseingriff zugrunde gelegt, so müssen sie nicht nur einfachrechtlich, sondern auch von Verfassungs wegen auf feststehenden hinreichenden oder, wie in den Fällen des § 111a StPO „dringenden“ Verdachtsgründen beruhen. Zugleich müssen — auch in der Begründung staats-anwaltschaftlicher Anträge und gerichtlicher Entscheidungen — feststehende Umstände gewürdigt werden, die die Überzeugungskraft vorläufiger und ungewisser Annahmen einer zu erwartenden Maßregel zu erschüttern geeignet sind (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis BVerfG 08.11.2017 2 BvR 2129/16). Dem werden die angegriffenen Entscheidungen — im Verfahren und nach gegenwärtigem Sachstand auch im Ergebnis — nicht gerecht.

Es ist nicht erkennbar, dass Staatsanwaltschaft, Amts- und Landgericht solchen sich aus den Akten ergebenden offenkundigen Zweifeln nachgegangen sind und bestehende, nahe liegende und bessere Erkenntnismöglichkeiten einer Prüfung der entscheidenden Schadenhöhe genutzt hätten. Vielmehr stützen sich die Grundrechtseingriffe allein auf eine nicht näher begründete polizeiliche Schätzung. Eine solche, meist auf vielfältigen Erfahrungswerten beruhende Schätzung zugrunde zu legen ist zwar nicht unzulässig. Das ist indessen anders, wenn die Schätzung im Grenzbereich der Annahme eines bedeutenden Sachschadens — dessen Bestimmung in den Grenzen willkür-freien Verhaltens fachgerichtliche Aufgabe ist — liegt, oder wenn — zum Zeitpunkt der Beantragung oder des Erlasses des Beschlusses über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis — Anhaltspunkte vorliegen, die die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auf die Hand legen. Aus welchen Gründen sich die Staatsanwaltschaft mit dem Ausbleiben einer solchen — zunächst angeordneten — Feststellung begnügt hat, ist unerfindlich.

Insoweit kann dahinstehen, ob sich aus den Lichtbildern des Busses überhaupt ein kompatibler Streifschaden ergibt und wie die Divergenzen der Schadenbereichshöhen — 40 bis 74 cm bei dem PKW, 44 bis 80 cm bei dem Bus — zu erklären sein können. Es kann auch dahinstehen, was mit „Schmutzanhaftungen infolge der regennassen Witterung“ gemeint sein soll und wie sich innerhalb der kurzen Zeit zwischen dem (angezeigten) Unfall-geschehen und der polizeilichen Feststellung „Verschmutzungen“ eines frischen Blechschadens durch „Regen“ ergeben haben können.

Nicht ohne Weiteres erklärlich ist auch, dass bei einem Blechschaden dieses angeblichen Schadenausmaßes mit — soweit ersichtlich — Lackabschürfungen auf einer Höhe von 34 cm keinerlei Lackanhaftungen des überwiegend rot lackierten Busses verblieben sein sollen.

Nicht ohne Weiteres erklärlich ist auch, warum sich die Geschädigte über nunmehr mehr als ein halbes Jahr hinweg nicht gemeldet und die Reparatur-rechnung vorgelegt hat.

Vor allem nämlich haben die Strafverfolgungsbehörden auf der Hand liegen-de Ermittlungen unterlassen, die ihren Grundrechtseingriff hätten rechtfertigen — oder untersagen — können: Die Staatsanwaltschaft hat zwar die zu-ständige Polizeibehörde unter Hinweis auf die Möglichkeit zwangsweiser Vorführung aufgefordert, die Zeugen nachzuvernehmen, sich dann aber da-mit begnügt, dass die Geschädigte sich nicht gemeldet habe und, was nicht näher erläutert ist, nicht erreichbar gewesen sein soll. Vor allem aber hätte mehr als nahe gelegen, die Halterin und Selbstversichererin des Linienbusses, die a GmbH, die — bislang nicht beschieden — Akteneinsicht erbeten hatte, zu befragen, ob dort eine Schadenanzeige und ein Verlangen nach Übernahme näher belifferter Instandsetzungskosten eingegangen ist. Dazu hätte ein Telefonat genügt. Vor diesem Hintergrund liegt — beim gegenwärtigen Stand der Dinge — ein verfassungswidriger Grundrechtseingriff durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis eher nahe.

3. Die somit gebotene Abwägung der Folgen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung mit jenen, die bei ihrem Ausbleiben einträten, fällt zugunsten des Beschwerdeführers aus.

Im letzteren Fall wäre dem Beschwerdeführer für eine geraume Zeit die Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr entzogen. Er würde damit voraussichtlich die Möglichkeit beruflicher Betätigung als Busfahrer und voraussichtlich auch Möglichkeiten zur Fortführung seines — gemeinwohlwichtigen — Ehrenamtes verlieren, ohne dass das rückwirkend auszugleichen wäre. Sollte sich die Verfassungsbeschwerde als unbegründet erweisen, könnten sowohl die vorläufige als auch eine etwaige endgültige Maßregel weiterhin ergriffen werden, Eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch zwischenzeitliche schwere Verkehrsverstöße des Beschwerdeführers ist anders als in Fällen der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Fahrens in fahruntüchtigem Zustand — nicht zu befürchten; Feststellungen zu einer verkehrsrechtlichen einschlägigen Auffälligkeit des Beschwerdeführers fehlen. Es kommt hinzu, dass § 142 Abs. 1 StGB im Wesentlichen dem privaten Interesse an der Sicherung von Schadenersatzansprüchen dient, das, wie das Verhalten der angeblich Geschädigten zeigt, im Streitfall nicht besonders schutzwürdig erscheint.“

Nicht so schön für StA, AG und LG, oder: Es zeichnet sich eine Klatsche ab. Und für den Verteidiger ein schöner Erfolg, der zeigt, dass man eben die Flinte nicht zu früh ins Korn werden darf. Allerdings: In Fällen der Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt besteht wohl wenig(er) Aussicht auf einen solchen Erfolg. Aber immerhin. Man kann es ja mal versuchen.

BVerfG I: Dringender Tatverdacht im „KiPo-Verfahren, oder: Zweifel des BVerfG?

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Ich eröffne die 34. KW. mit zwei BVerfG-Entscheidungen. Zunächst stelle ich den BVerfG, Beschl. v. 23.05.2019 – 2 BvR 886/19, dem eine Durchsuchung beim Beschwerdeführer zugrunde liegt.

Es sind im Rahmen der Auswertung sichergestellter Speichermedien in einem gegen zwei andere Personen geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b StGB) auf einer der sichergestellten Festplatten E-Mail-Nachrichten festgestellt worden, in welchen kinderpornographische Bild- und Videodateien verschafft und verschickt worden sein sollen. Eine der Absenderadressen konnte im Rahmen einer Provideranfrage dem Beschwerdeführer zugeordnet werden. Daraufhin erstattete die zuständige Kriminalbeamtin im Oktober 2017 Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer, in der er beschuldigt wurde, im September 2009 über die ihm zugeordnete E-Mail-Adresse mindestens zwei Mal Bildmaterial mit möglicherweise kinderpornographischem Inhalt versendet zu haben.

Der Beschluss des BVerfG teilt dann folgenden weiteren Sachverhalt mit:

„2. Im Rahmen weiterer Ermittlungen wurde Anfang November 2017 einer der gesondert Verfolgten vernommen, der in Bezug auf den Kontakt mit der dem Beschwerdeführer zugeordneten E-Mail-Adresse angab, dass er die Adresse „schon mal irgendwann“ gesehen habe, aber nicht mehr sagen könne, was genau gelaufen beziehungsweise transferiert worden sei. Er kenne den Nutzer der E-Mail-Adresse nicht persönlich. Auf die Frage, ob er sich noch daran erinnern könne, ob er mit dem Nutzer der E-Mail-Adresse kinderpornographische Dateien getauscht habe, gab er an, grundsätzlich müsse über diesen Account „irgendwas gelaufen“ sein; er wisse aber nicht mehr genau, was.

3. Mit Beschluss vom 13. März 2018 ordnete das Amtsgericht Frankfurt am Main auf der Grundlage von § 102 StPO wegen Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Auffindung von Computern, Speichermedien, internetfähigen Mobiltelefonen, Multimediaplayern sowie von Unterlagen beziehungsweise Notizzetteln mit Passwörtern und Hinweisen auf externe Datenspeicher im Internet oder E-Mail-Postfächer an. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, am 8. September 2009 an einen der namentlich benannten, gesondert Verfolgten via E-Mail „jugendpornographische Schriften“ verschickt zu haben. Trotz der Tatsache, dass diese Tat verjährt sei, stehe zu vermuten, dass er auch heute noch im Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften sei. Der Anfangsverdacht beruhe auf den Angaben des gesondert Verfolgten, der auf die Frage, ob er mit dem Nutzer der oben genannten E-Mail-Adresse kinderpornographische Dateien ausgetauscht habe, angegeben habe, dass über den Account „irgendwas gelaufen“ sei, er wisse aber nicht mehr was. Auf den sichergestellten Datenträgern des gesondert Verfolgten habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer am 8. September 2009 zwei Bilddateien verschickt habe, die jeweils dasselbe männliche erigierte Glied eines Jugendlichen zeigten. Die leicht erkennbare Beinbehaarung lasse vermuten, dass es sich um einen Jungen in der Pubertät handele.

4. Die Durchsuchungsanordnung wurde am 16. August 2018 vollzogen. Dabei wurden mehrere Computer, Festplatten und ein Smartphone sichergestellt. Der Beschwerdeführer gab im Rahmen der Durchsuchung an, das abgebildete Glied auf den 2009 versendeten Bilddateien könnte sein eigenes darstellen. Er habe früher solche Bilder verschickt, jedoch nie kinder- oder jugendpornographische Schriften besessen. Er kenne überdies weder die E-Mail-Adresse, von der die beiden Bilddateien 2009 versandt wurden, noch den gesondert Verfolgten, der diese erhalten hatte.

5. Gegen den Durchsuchungsbeschluss legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein und stellte hinsichtlich der Sicherstellung der Datenträger zugleich Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Ferner beantragte er, die „Beschlagnahme“ aufzuheben und die Gegenstände an den Beschwerdeführer zurückzugeben. Zur Begründung der Beschwerde führte er im Wesentlichen aus, dass kein Anfangsverdacht gegen ihn bestehe. Die getroffene Vermutung, dass es sich bei den angeblich durch ihn 2009 versandten Bilddateien um jugendpornographische handele, sei äußerst vage und ungenügend. Eine differenzierte, nachvollziehbare Darlegung, warum nach Ansicht der Ermittlungsbehörden auf dem Bild eine jugendliche und keine erwachsene Person zu sehen sei, fehle vollständig. Im Zweifel sei in einem solchen Fall von der Volljährigkeit der dargestellten Person auszugehen. Abgesehen davon hätten sich die Ermittlungsbehörden nicht mit der naheliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt, dass der Versendende selbst abgebildet sein könnte. Die Angaben des gesondert Verfolgten, dass „irgendwas gelaufen“ sei, ließen ebenfalls nicht den Schluss zu, dass darunter der Austausch von kinder- und jugendpornographischen Schriften zu verstehen sei, zumal die Angaben kaum vager sein und damit einen Anfangsverdacht ganz offensichtlich nicht rechtfertigen könnten. Im Übrigen stünde der Verfolgung von im Jahr 2009 versandten Bilddateien jedenfalls die Verjährung entgegen. Des Weiteren habe es das Amtsgericht vollständig unterlassen, sich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit auseinanderzusetzen.

6. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2018 verwarf das Landgericht Frankfurt am Main die Beschwerde aus den fortgeltenden Gründen der angegriffenen Entscheidung als unbegründet, nachdem das Amtsgericht ihr nicht abgeholfen hatte. Ergänzend führte es an, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat in dem Durchsuchungsbeschluss noch ausreichend konkretisiert sei. Zwar begründe die Strafverfolgungsverjährung grundsätzlich ein Verfahrenshindernis, so dass wegen dieser Tat allein eine Durchsuchung gemäß § 102 StPO unzulässig sei. Da allerdings auch verjährte Taten bei der Aburteilung einer neuen Straftat im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden dürften, könnten – wenn auch in eingeschränktem Maße – Maßnahmen zum Zweck der Ermittlungen strafzumessungsrelevanter Umstände zulässig sein. Jedenfalls ein solcher Fall liege hier vor. Zwar dürfte die Tat vom 8. September 2009 als solche gemäß § 184b StGB a.F. in Verbindung mit § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB verjährt sein. Dem angegriffenen Beschluss lasse sich jedoch entnehmen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der dargestellten Beweismittel verdächtig sei, über seine E-Mail-Adresse oder andere digitale Kommunikationswege in nicht rechtsverjährter Zeit weitere kinderpornographische Dateien anderen Nutzern zur Verfügung gestellt zu haben. Der gesondert Verfolgte habe die Funktionsweise der genannten Tauschbörsen beschrieben. Es handele sich danach um besondere, nicht leicht zugängliche Plattformen, die auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhten. Bereits dies belege den Tatverdacht. Es liege nämlich nach allgemeiner Lebenserfahrung auch fern, dass es sich bei der beschriebenen Tat um einen Einzelfall gehandelt haben könnte, da dies untypisch sei. Auch für die Einlassung des Beschwerdeführers, dass es sich bei dem auf den Lichtbildern abgebildeten Geschlechtsteil um sein eigenes handele, von welchem er früher Lichtbilder verschickt habe, spreche wenig. Eine nachvollziehbare Motivation für ein derartiges Verhalten sei bei Zugrundelegung des Zuschnitts der Tauschbörsen derzeit nicht erkennbar.

7. Gegen den Beschluss erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, die er im Wesentlichen mit der fehlenden Auseinandersetzung des Landgerichts mit der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme begründete. Diese wies das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 23. November 2018 zurück. Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde unter dem Aktenzeichen 2 BvR 31/19.

8. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2018 bestätigte das Amtsgericht Frankfurt am Main gemäß §§ 102, 110 StPO die vorläufige Sicherstellung der anlässlich der Durchsuchung in Verwahrung genommenen Datenträger zum Zwecke der Durchsicht. Zur Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer sei des Besitzes und des Verbreitens kinder- und jugendpornographischer Schriften verdächtig; wegen der Einzelheiten werde auf den Durchsuchungsbeschluss und den Beschluss des Landgerichts über die Beschwerde verwiesen. Die vorläufige Sicherstellung sei zu bestätigen gewesen, da die Datenträger der Durchsicht bedürften, um entscheiden zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie als Beweismittel für das Verfahren in Betracht kämen. Insbesondere bedürfe der Klärung, ob auf den vorläufig sichergestellten Datenträgern kinder- und jugendpornographische Schriften und Hinweise auf deren Verbreitung vorhanden seien.

9.Im Januar 2019 bestätigte eine Auswertungsfirma den entsprechenden Auftrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main sowie die Übernahme der Asservate und stellte die Fertigstellung eines Gutachtens bis Ende April 2019 in Aussicht.

10. Gegen den die Sicherstellung bestätigenden Beschluss vom 17. Dezember 2018 stellte der Beschwerdeführer im März 2019 einen Antrag nach § 307 Abs. 2 StPO und legte Beschwerde ein, mit der er die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung rügte, die durch die richterliche Bestätigung der Sicherstellung noch weiter vertieft werde. Im Übrigen nahm er auf seinen bisherigen Vortrag Bezug. Mit Beschluss vom 27. März 2019 verwarf das Landgericht Frankfurt am Main die Beschwerde als unbegründet, nachdem es zuvor den Antrag nach § 307 Abs. 2 StPO zurückgewiesen hatte. Gegen den Beschwerdeführer bestehe Tatverdacht. Zur Begründung werde auf den die Durchsuchung bestätigenden Beschluss verwiesen. Die Fortsetzung der Durchsicht sei geboten. Die Ausführungen des Beschwerdeführers gingen insoweit von einem fehlerhaften Ausgangspunkt aus, wenn ausgeführt werde, das Zuwarten auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Verfahren 2 BvR 31/19 führe zu keinen Nachteilen. Zwar seien Unterbrechungsmaßnahmen im Sinne des § 78c StGB durch die Staatsanwaltschaft jedenfalls ab dem Jahr 2015 ausgebracht worden; aufgrund des Zeitablaufs, der kurzen absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 StGB und „den derzeit noch unbekannten Tatzeiträumen“ drohe – je nach Ergebnis der Auswertung – Verfolgungsverjährung. Die Durchsicht sei daher nicht nur rechtmäßig, sondern dringend geboten.

11. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, mit der er unter anderem rügte, dass das Landgericht sich zum wiederholten Male nicht mit der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung auseinandergesetzt habe. Diese verwarf das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 10. April 2019, der der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 16. April 2019 zugegangen ist.“

Der Beschwerdeführer hat mit der Verfassungsbeschwerde zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erlassen. Der Antrag hatte Erfolg, denn:

„Bei der somit erforderlichen Folgenabwägung überwiegen die Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung. Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, könnte die Staatsanwaltschaft in der Zwischenzeit eine Auswertung der sichergestellten Gegenstände und Daten vornehmen, ohne hierzu berechtigt zu sein. Darin läge ein irreparabler Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung. Denn dieses Recht gewährleistet gerade die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 142, 234 <251 Rn. 30> m.w.N.; stRspr).

Erginge dagegen die einstweilige Anordnung, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später jedoch als unbegründet, würde damit lediglich eine Verzögerung der staatsanwaltlichen Ermittlungen für eine begrenzte Zeitspanne einhergehen. Ein Beweisverlust hinsichtlich der Informationen aus den sichergestellten Gegenständen und Daten wäre nicht zu befürchten. Auch der Eintritt von Verfolgungsverjährung droht gegenwärtig konkret nicht. Bei Abwägung der jeweiligen Folgen wiegen die möglichen Nachteile für den Beschwerdeführer im Ergebnis schwerer als die durch den Erlass der einstweiligen Anordnung eintretende vorübergehende Beschränkung der staatlichen Strafverfolgung.“

Der Sachverhalt ist länger als die eigentliche Begründung der Entscheidung. Ich stelle die Entscheidung auch letztlich nur wegen des Sachverhalts vor. Das wird so oder ähnlich fast jeder Verteidiger kennen. Auch die Begründung des dringenden Tatverdachts wird so oder in ähnlicher Form fast jeder schon mal so gelesen haben. Das BVerfG scheint Zweifel zu haben, ob das so geht/richtig ist. Mal sehen, wie es weitergeht.

Erlass einer EA im Auslieferungsverfahren, oder: Das OLG Schleswig wird es nicht gern lesen

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Zum Auftakt der 28. KW. dann zwei Entscheidungen aus dem Auslieferungsrecht. Ich starte mit dem BVerfG, Beschl. v. 24.06.2019 – 2 BvR 894/19. Er nimmt nicht unbedingt zu auslieferungsrechtlichen Fragen Stellung, aber: Das OLG Schleswig wird den Beschluss nicht gerne lesen. Denn es hatte im Auslieferungsverfahren seine Hausaufgaben wohl nicht gemacht, so dass das BVerfG  zunächst mal die Notbremse gezogen und eine einstweilige Anordnung erlassen hat.

„Die mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung des Beschwerdeführers, eines russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Herkunft, zur Strafverfolgung nach Russland. Der Beschwerdeführer rügt unter anderem, das Oberlandesgericht habe in der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung die Bedeutung des Umstandes verkannt, dass er in Polen als Flüchtling anerkannt worden sei. Dies begründe im Auslieferungsverfahren jedenfalls die Vermutung, dass der Beschwerdeführer in Russland politisch verfolgt werde. Europarechtlich und verfassungsrechtlich sei aber darüber hinaus davon auszugehen, dass die Flüchtlingsanerkennung durch den kraft Unionsrecht zuständigen EU-Mitgliedstaat Polen für das deutsche Auslieferungsverfahren verbindlich sei, so dass die Auslieferung des Beschwerdeführers bereits daran scheitern müsse. Den entsprechenden Vortrag habe das Oberlandesgericht nicht gewürdigt, sondern sich lediglich darauf gestützt, dass die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling in Polen nicht zwangsläufig auf eine politische Verfolgung des Beschwerdeführers zurückzuführen sein müsse. Dies wiederum verkenne, dass der Begriff des Flüchtlingsstatus im Europarecht einheitlich definiert und mit dem Auslieferungshindernis der politischen Verfolgung materiell deckungsgleich sei. Zudem habe das Oberlandesgericht die bislang ungeklärte Frage nach der Verbindlichkeit einer Flüchtlingsanerkennung in einem EU-Mitgliedstaat für das Auslieferungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat ohne jegliche Begründung nicht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt und dadurch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Sollte die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling in Polen für das deutsche Auslieferungsverfahren nicht bindend sein, hätte das Oberlandesgericht jedenfalls weitergehenden Vortrag zu den Hintergründen der politischen Verfolgung ermöglichen und die Akten aus dem Asyl-verfahren beiziehen müssen. Darüber hinaus genügten die zu erwartenden Haft-bedingungen nicht den Mindestanforderungen, zumal interne Beschwerdemechanismen ineffektiv seien.

Zur Verfahrenssicherung wird die Übergabe des Beschwerdeführers an die 2 russischen Behörden gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, einstweilen untersagt.

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a) Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Es erscheint auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers vielmehr möglich, dass die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts, mit der die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig erklärt wurde, den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Zum einen hat sich das Oberlandesgericht trotz gewichtiger Anhaltspunkte nicht vertieft mit dem Auslieferungshindernis der politischen Verfolgung und den Auswirkungen der Flüchtlingsanerkennung in Polen auf das deutsche Auslieferungsverfahren befasst. Zum anderen hat es trotz der Darlegungen des Beschwerdeführers zu einer aus dem Unionsrecht abzuleitenden Bindungswirkung der polnischen Entscheidung für das erkennende Gericht eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ohne Begründung nicht erwogen. Ob auch weitere Rügen des Beschwerdeführers Aussichten auf Erfolg haben, kann daher dahinstehen.“