BVerfG II: Neue Wiederaufnahme zu Ungunsten?, oder: Außervollzusetzung des Haftbefehls verlängert

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Das zweite Posting betrifft den BVerfG, Beschl. v. 20.12.2022 – 2 BvR 900/22. Ergangen ist er in Zusammenhang mit der Neuregelung der Rechts der Wiederaufnahme in der StPO. Ich erinnere: Im September 2021 haben der Bundestag und der Bundesrat das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) beschlossen (vgl. hier:  Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochenen kommt, oder: Ist das “materielle Gerechtigkeit”?. 

Die Neuregelung ist dann alsbald zur Anwendung gekommen und als verfassungsmäßig angesehen worden; vgl. dazu den OLG Celle, Beschl. v. 20.04.2022 – 2 Ws 62/22 , der zur Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung im Recht der Wiederaufnahme – § 362 Nr. 5 StPO – Stellung genommen hat (vgl. hierzu Neues Spurengutachten 40 Jahre nach Freispruch, oder: Wiederaufnahme zu Ungunsten verfassungmäßig?). 

Die Neuregelung ist inzwischen Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung beim BVerfG. Das hatte mit BVerfG, Beschl. v. 14.07.2022 – 2 BvR 900/22 – den in dem Verfahren verkündeten Haftbefel durch eine einstweilige Anordnung außer Vollzug gesetzt. Allerdings nur für sechs Monate (vgl. BVerfG I: Neue Wiederaufnahme zu Ungunsten?, oder: Eilantrag gegen Haftbefehl hat Erfolg).

Nun hat das BVerfG  mit Beschluss vom 20.12.2022 die Außervollzusetzung um sechs Monate verlängert:

„Das Bundesverfassungsgericht kann eine einstweilige Anordnung dann wiederholen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den erstmaligen Erlass einer solchen Anordnung noch gegeben sind (vgl. BVerfGE 21, 50; 89, 113 <115 f.>; 97, 102 <102>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. September 2019 – 2 BvR 1845/18 -, Rn. 2; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Februar 2022 – 2 BvR 1514/21 -, Rn. 2).

Dies ist vorliegend der Fall. Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 14. Juli 2022 verwiesen. Die Sach- und Rechtslage hat sich seither nicht wesentlich geändert. Der Beschwerdeführer ist den ihm auferlegten Weisungen beanstandungsfrei nachgekommen. Auch eingedenk des Beschleunigungsgrundsatzes, der bei einem außer Vollzug gesetzten Haftbefehl prinzipiell weiterhin gilt (vgl. BVerfGE 53, 152 <159 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 14. Juli 2022 – 2 BvR 900/22 -, Rn. 54), sind die fortgeltenden Maßnahmen gegenüber dem Beschwerdeführer für weitere sechs Monate noch verhältnismäßig.“

Also: Noch einmal sechs Monate. Ich wage die Voraussage: Das BVerfG wird auch dann noch nicht entschieden haben. Also: Dann noch einmal Verlängerung oder – im Hinblick auf den haftrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz – Aufhebung des Haftbefehls.

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