Ich mache heute dann mal einen „Einsichtstag“. Nein, es geht nicht um die „bessere Einsicht“, sondern um Akteneinsicht. 🙂
Und da starte ich mit BayObLG, Beschl. v. 18.08.2022 – 102 VA 68/22 -, der sich zum rechtlichen Interesse eines Anzeigeerstatters an der Einsicht in die von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren beigezogene Akte eines Zivilverfahrens äußert.
Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, war in dem Ausgangsverfahren, einem Zivilverfahren, Beklagter. Der Kläger forderte von ihm Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Unternehmensübertragung. Er warf ihm ausweislich vor, beim Unternehmensverkauf sowohl ihn, den Kläger und Verkäufer, als auch den Käufer, den weiteren Beteiligten des hiesigen Verfahrens, beraten und dadurch unter Verstoß gegen § 43a BRAO widerstreitende Interessen vertreten zu haben.
Der weitere Beteiligte erstattete wegen des Sachverhalts Strafanzeige. In dem wegen des Verdachts des Parteiverrats, § 356 StGB, eingeleiteten Ermittlungsverfahren zog die Staatsanwaltschaft die Akte des Zivilverfahrens bei und wertete sie aus. Sie teilte dem Anzeigeerstatter mit Schreiben vom 11.03.2022 mit, dass sie die Einstellung des Verfahrens wegen Verfolgungsverjährung beabsichtige. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 04.04.2022 an die Staatsanwaltschaft monierte der weitere Beteiligte, dass ihm auf sein Einsichtsgesuch nur die Ermittlungsakte, nicht aber die beigezogene Zivilakte überlassen worden sei. Er bat, ihm Letztere nachzuliefern, da er andernfalls nicht vollständig Stellung nehmen könne. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft die Zivilakte unter Hinweis auf das Einsichtsgesuch an den Vorsitzenden der ersten Zivilkammer des LG Passau zurück zum Verbleib, verbunden mit der Bitte um Entscheidung über das Gesuch. Der Vorsitzende Richter informierte hierüber den weiteren Beteiligten und wies darauf hin, dass nach § 299 Abs. 2 ZPO Dritten Akteneinsicht ohne Einwilligung der Parteien nur gestattet werden dürfe, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht werde. Darauf brachte der weitere Beteiligte dem Vorsitzenden Richter die Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 11.03.2022 zur Kenntnis und verwies darauf, dass die Staatsanwaltschaft die Zivilakte gemäß Anforderung vom 15. Juni 2021 zur kurzzeitigen Einsichtnahme erhalten und sie zum Gegenstand ihrer Überlegungen gemacht habe. Er könne sich zu der beabsichtigten Einstellung des Ermittlungsverfahrens und der rechtlichen Auffassung der Staatsanwaltschaft nur äußern, wenn er ebenfalls die Zivilakte einsehen könne, von der die Staatsanwaltschaft keine Kopien gefertigt habe.
Mit Bescheid des Landgerichts Passau vom 24.05.2022 wurde dann dem weiteren Beteiligten Einsicht in die Zivilakte gewährt. Gegen den iBescheid wendet sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er erstrebt die Aufhebung des Bescheids und die Abweisung des Einsichtsgesuchs.
Er hatte mit seinem Antrag keinen Erfolg. Das BayObLG hat ein rechtliches Interesse des weiteren Beteiligten an der Einsicht in die Zivilprozessakte angenommen, so dass die nach § 299 2 ZPO erforderliche Voraussetzung für die Gewährung von Akteneinsicht an Dritte ohne Einwilligung der Parteien erfüllt war.
Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die recht umfangreichen Beschlussgründe des verlinkten Volltextes. Also mal wieder Anorndung des „Selbtsleseverfahrens“.