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OWi I: Tatü, tata, die Polizei ist mit Blaulicht da, oder: Sofort freie Bahn für Einsatzfahrzeuge

Bild von Franz P. Sauerteig auf Pixabay

Ich stelle heute dann drei Owi-Entscheidungen vor, und zwar zweimal AG, einmal AG.

Der Start findet hier statt mit dem AG Landstuhl, Urt. v. 02.02.2024 – 3 OWi 4211 Js 9376/23. Es geht um einen Verstoß gegen § 38 Abs. 1 S. 2 StVO – nämlich Missachtung des Gebots, einem Einsatzfahrzeug (der Polizei usw.) sofort freie Bahn zu schaffen. Dabei geht es um die Frage: Vorsatz oder Fahrlässigkeit.

Folgende Feststellungen des AG: Der Betroffene war am 12.02.2023 als Führer eines PKW auf der BAB 6, Fahrtrichtung Saarbrücken unterwegs. Dort fuhr er auf Höhe des km 634 auf der linken von zwei vorhandenen Fahrspuren. Hinter ihm näherte sich mit aktivierten optischen und akustischen Signalen ein Einsatzfahrzeug der Polizei. Der Betroffene verließ jedoch die linke Spur nicht, sodass das Einsatzfahrzeug, das vom Zeugen PHK pp. gesteuert wurde, eine Weile lang hinter dem Fahrzeug des Betroffenen herfahren musste, dies mit der vor Ort geltenden Geschwindigkeit, erst mit Tempo 100, dann 80 km/h vor der stationären Messtelle bei km 632,280. Selbst auf das zusätzliche Betätigen der Lichthupe und der akustischen Hupe hat der Betroffene die linke Spur nicht freigegeben. Erst nach einiger Zeit bemerkte der Betroffene das hinter ihm fahrende Einsatzfahrzeug und wich alsdann direkt auf die rechte Spur aus, sodass das Einsatzfahrzeug passieren konnte.

Der Betroffene hat sich zur Sache wie folgt eingelassen: Er habe irgendwann eine Sirene gehört und habe gedacht, das komme aus dem Radio, dann habe er einen Schulterblick gemacht, das Fahrzeug gesehen und seinen Wagen nach rechts auf die andere Fahrspur gerissen. Er habe sich mit seiner Frau unterhalten und Radio gehört und den Einsatzwagen vorher nicht bemerkt.

Das AG ist von einem fahrlässigen Verstoß ausgegangen:

„Ein vorsätzliches Verhalten ist dem Betroffenen hier nicht anzulasten. Die verspätete Reaktion auf die Signale des Einsatzfahrzeugs waren auch ausweislich des Eindrucks des Zeugen pp. nicht willentlich, sondern die von der Sicht des Zeugen pp. erkennbare erste Reaktion erfolgte schlicht zu spät, war dann aber von einer sofortigen Wegfreigabe gefolgt. Der Betroffene hätte aber bei gehöriger Aufmerksamkeit das Einsatzfahrzeug aufgrund der genutzten Signale wahrnehmen müssen, sodass von fahrlässigem Verhalten auszugehen ist.

Jeder Verkehrsteilnehmer muss darauf achten, dass er nicht aufgrund zu lauter Geräusche, etwa durch Musik, oder durch nicht von Schnee oder Eis befreite Fenster die blauen Blinklichter oder das Einsatzhorn nicht rechtzeitig wahrnehmen kann (AG Villingen-Schwenningen BeckRS 2014, 14098; KG NZV 1998, 27). Auch eine zu langsame Reaktion auf ein unter allen Signalen fahrendes Einsatzfahrzeug ist pflichtwidrig, wenn wie hier die Aufmerksamkeit des auf der linken Spur fahrenden Betroffenen durch Gespräche und Radio aktiv und bewusst vermindert wird (OLG Naumburg BeckRS 2009, 09958). Fahrzeugführer müssen dafür sorgen, dass sie das Einsatzhorn jederzeit hören können (KG NZV 1992, 456). Dies hat der Betroffene hier missachtet.“

Kann man so sehen. Kann man m.E. aber auch einstellen. Und ein Regelfahrverbot muss man auch nicht unbedingt verhängen.

Ta-Tü-Tata, hier kommt die Polizei: Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall mit Einsatzfahrzeug.

entnommen wikimedia.org Urheber Contributor for Wikipedia

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In der Praxis sicherlich nicht alltäglich sind Verkehrsunfälle, an denen Polizeifahrzeuge, die sich im Einsatz befinden und mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn fahren. Aber man findet dann doch immer wieder Entscheidungen, in denen es um die Haftung und Haftungsverteilung geht, wenn bei Verkehrsunfall ein Polizeifahrzeug im Einsatz beteiligt ist. So das LG Düsseldorf, Urt. v. 25.06.2014 – 2b O 165/13.

Auszugehen war von folgendem Sachverhalt:

„Am 04.02.2012 gegen 12:20 Uhr hatte der Sohn des Klägers, der Drittwiderbeklagte, das Fahrzeug an der Tankstelle an der Meerbuscher T7 in Meerbusch-Osterrath betankt. Kurz zuvor waren zwei Polizeieinsatzfahrzeuge von der Polizeiwache unter Nutzung von Sonderrechten zur Grundschule h losgefahren, wo ein laufender Einbruchdiebstahl gemeldet worden war. Als der Drittwiderbeklagte von der Tankstellenkasse zum Fahrzeug zurückkehrte, sah er das erste Einsatzfahrzeug der Polizei mit Blaulicht und Martinshorn mit sehr hoher Geschwindigkeit in seiner Fahrtrichtung vorbeifahren. Der Drittwiderbeklagte fuhr dann zur Tankstellenzufahrt, um nach rechts abzubiegen. Er ließ zwei Fahrzeuge passieren und ordnete sich vor dem Fahrzeug des Zeugen B, das sich in Höhe der auf der anderen Straßenseite befindlichen Tankstelle befand, nach rechts ein, da er nach ca. 40 m nach links in den E abbiegen wollte. Der Drittwiderbeklagte reduzierte seine Geschwindigkeit dazu bis zum Stillstand, so dass der Zeuge B hinter ihm anhalten musste. Da er das Polizeifahrzeug durch das Blaulicht im Rückspiegel hinter sich bemerkte, zog der Zeuge B sein Fahrzeug nach rechts an den Straßenrand. Im Abbiegevorgang kollidierte das Klägerfahrzeug mit dem von der Zeugin gelenkten, überholenden zweiten Polizeifahrzeug, an dem jedenfalls Blaulicht angeschaltet war.“

Das LG kommt zu einer Haftung „halbe/halbe“.

Der festgestellte Unfallhergang führt zu einer Haftung der Beteiligten für die Unfallschäden zu gleichen Teilen. Anhaltspunkte, die eine unterschiedliche Haftung eines Beteiligten rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Das durch einen Unfall beim Linksabbiegen bewiesene Verschulden des Drittwiderbeklagten beschränkt sich auf die fehlende Einordnung. Hinzukommt allerdings die Tatsache, dass er dem Polizeifahrzeug nicht freie Bahn verschafft hat. Die Zeugin u als Fahrerin des Polizeifahrzeuges ist ihrerseits angesichts der stark überhöhten Geschwindigkeit der auch bei einer Sonderrechtsfahrt nach § 35 StVO bestehenden Pflicht zu besonders umsichtigem Verhalten nicht nachgekommen. Dies rechtfertigt jeweils eine Haftung zu 50 %.

Die rechtlichen Ausführungen des LG kann man etwa wie folgt zusammenfassen

  1. Ein Fahrer eines Pkw ist nach der StVO gegenüber einem Polizei-Einsatzfahrzeug, das mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn fährt, verpflichtet, sofort freie Bahn zu schaffen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn tatsächlich gegeben sind.
  2. Wer einem Einsatzfahrzeug freie Bahn zu schaffen hat, muss sich so verhalten, dass eine Behinderung des Einsatzfahrzeuges ausgeschlossen ist. Dies gebietet es, ein Abbiegemanöver zurückzustellen, wenn nicht sicher ist, woher sich das Einsatzfahrzeug nähert.
  3. Bei einem Verkehrsunfall eines Pkw mit einem Polizeifahrzeug im Einsatz kann eine hälftige Haftungsverteilung gerechtfertigt sein, wenn der Pkw-Fahrer gegen die genannte Vorschrift verstoßen hat und wenn der Fahrer des Polizeifahrzeuges seiner angesichts der stark überhöhten Geschwindigkeit der auch bei einer Sonderrechtsfahrt bestehenden Pflicht zu besonders umsichtigem Verhalten nicht nachgekommen ist.