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Nacktkontrollen im Strafvollzug, oder: Ausnahmen müssen sein

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Ich habe schon länger nicht mehr über Entscheidungen zum/aus dem Strafvollzug berichtet. Das will ich dann heute nachholen. Ich eröffne den Reigen mit dem schon etewas älteren BVerfG, Beschl. v. 05.11.2016 – 2 BvR 6/16. Es geht um die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen, die sich gegen dessen Durchsuchung vor dem Gang zu einem Besuch richtete. Der Strafgefangene musste sich dafür vollständig entkleiden, die körperliche Durchsuchung umfasste auch eine Inspektion der Körperöffnungen. Grundlage der Durchsuchung war eine gemäß Art. 91 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG erlassene Durchsuchungsanordnung, wonach jeder fünfte Gefangene und Sicherungsverwahrte vor der Vorführung zum Besuch zu durchsuchen sei. Der Strafgefangene hatte sich dagegen gewehrt, mit seinen Rechtsmitteln aber weder beim LG noch beim OLG Erfolg. Erst das BVerfG hat dem – zumindest vorerst – Einhalt geboten. Dazu aus der PM des BVerfG:

„1. Der Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG).

a) Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Dies gilt in besonderem Maße für Durchsuchungen, die mit einer Inspizierung von normalerweise verdeckten Körperöffnungen verbunden sind. Diese Wertung liegt auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde, die bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes zu berücksichtigen ist. Mit Entkleidungen und der Inspektion von Körperöffnungen verbundene Durchsuchungen können durch die Erfordernisse der Sicherheit und Ordnung der Haftanstalt gerechtfertigt sein. Insofern erlaubt Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG im Einzelfall die mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung von Gefangenen auf Anordnung des Anstaltsleiters. Die Definition des „Einzelfalls“ wird sehr weit gefasst, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, solange nicht fast alle Gefangenen von der Anordnung betroffen sind. Demnach ist für eine Einzelfallanordnung ausreichend, dass sie durch Ort, Zeit, Art und Umfang der Maßnahme im Einzelnen so bestimmt abgegrenzt werden kann, dass dadurch für jeden denkbaren Einzelfall erkennbar ist, worin die Maßnahme im Einzelnen besteht und welcher Gefangene ihr unterworfen sein soll.

b) Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht vertretbar davon ausgegangen, bei der Durchsuchungsanordnung vom 17. Mai 2015 handele es sich um eine Einzelfallanordnung im Sinne des Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG. Allerdings verletzt die Anordnung der Durchsuchung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers, weil sie keine Abweichungen zulässt und daher dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ausreichend Rechnung trägt. Mit Blick auf den weiten Begriff des „Einzelfalls“ hätte die Verfügung der Anstaltsleitung erkennen lassen müssen, dass von der Anordnung der Durchsuchung jedes fünften Gefangenen ausnahmsweise abgewichen werden kann. Um einen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der Wahrung der Intimsphäre des Gefangenen und dem Sicherheitsinteresse der Vollzugsanstalt zu erreichen, hätte den die Durchsuchungsanordnung vollstreckenden Vollzugsbeamten durch den Wortlaut der Anordnung zumindest die Möglichkeit belassen werden müssen, von ihr abzuweichen, wenn die Gefahr des Missbrauchs des Besuchs fernliegt.

c) Die Entscheidung der Frage, ob die Justizvollzugsanstalt vorliegend zu Gunsten des Beschwerdeführers von der getroffenen Anordnung hätte abweichen müssen, da die Gefahr eines Missbrauchs des Besuchs durch den Beschwerdeführer fernliegend war, obliegt den Fachgerichten. Dies ist insbesondere mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer sich bei dem Empfang von Besuchen in der Vergangenheit bewährt hatte, jedenfalls nicht ausgeschlossen.“

Dazu passt dann ganz gut der OLG Hamm, Beschl. v. 03.11.2016 – 1 Vollz (Ws) 385/16.

Wohnungsschäden nach Polizeieinsatz/Durchsuchung, oder: Wer haftet?

entnommen wikimedia.org Urhber: Hichhich - Eigenes Werk

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Urhber: Hichhich – Eigenes Werk

Die zweite Entscheidung stammt dann heute – auf den ersten Blick – aus dem Zivilrecht, sie hat aber einen strafverfahrensrechtlichen Ursprung. Es geht um die Frage, die in der Praxis auch immer wieder eine Rolle spielt: Ist der Mieter, der in seiner Wohnung illegale Betäubungsmittel aufbewahrt, zum Ersatz von Schäden verpflichtet ist, die im Rahmen eines gegen den Mieter geführten Ermittlungsverfahrens bei der polizeilichen Durchsuchung der Wohnung entstanden sind. Dazu verhält sich das BGH, Urt. v. 14.12..2016 – VIII ZR 49/16:

Nach dem Sachverhalt war der Beklagte Mieter einer im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung. Diese Wohnung wurde Ende Juni 2013 aufgrund eines richterlichen Beschlusses durchsucht, der auf den Verdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Tatzeitraum Januar bis Oktober 2012 gestützt war. Von diesem Tatvorwurf wurde der Beklagte dann später rechtskräftig freigesprochen. Im Rahmen der Durchsuchung sind allerdings 26 Gramm Marihuana aufgefunden und sichergestellt worden. Insoweit wurde der Beklagte wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Bei dem Polizeieinsatz bei der Durchsuchung wurde die Wohnungeingangstür beschädigt. Die klagende Vermieterin des Beklagten hat von diesem Ersatz der Reparaturkosten verlangt. Damit ist sie zunächst gescheitert. Das LG Nürnberg-Fürth hatte die Revision zugelassen. Die ist vom Bundesland Bayer als Träger der Polizei im Wege der Streithilfe eingelegt worden. Und: Sie hatte keinen Erfolg. Auch der BGh hat die Klage abgewiesen. Der BGH sagt:

„Der Beklagte hat durch die Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erworbenen Betäubungsmittel in der Wohnung zwar gegen seine vertraglichen Obhutspflichten als Mieter verstoßen (§§ 535, 241 Abs. 2 BGB). Er ist der Klägerin jedoch nicht zum Ersatz der im Rahmen der Durchsuchung entstandenen Schäden an der Wohnungstür verpflichtet (§ 280 Abs. 1 BGB), da diese Straftat nicht Anlass und Ursache der Ermittlungsmaßnahme war, sondern vielmehr von den Beamten des Streithelfers erstmals bei deren Vollzug festgestellt wurde. Damit ist die Pflichtverletzung des Beklagten bereits nicht äquivalent kausal für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden geworden.

1. Der Beklagte hat mit der Aufbewahrung von Betäubungsmitteln in den von ihm angemieteten Wohnräumen die Grenzen vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten und seine mietvertragliche Obhutspflicht verletzt, hierdurch jedoch den bei der Klägerin eingetretenen Schaden nicht verursacht.

a) Ebenso wie den Vermieter verpflichtet das Mietverhältnis (§ 535 BGB) seinem Inhalt nach auch den Mieter zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seines Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB). Aufgrund dieser Obhutspflicht hat ein Mieter die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer – von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB) nicht umfassten – Verschlechterung oder ei-nem Schaden an dieser führen kann (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 1989 – VIII ZR 91/88, BGHZ 108, 1, 8; vom 5. Oktober 1994 – XII ZR 15/93, NJW-RR 1995, 123 unter II 2 a; vom 6. November 2013 – VIII ZR 416/12, NJW 2014, 143 Rn. 17 f.; KG, KGR 2008, 529; Kraemer in Festschrift für Blank, 2006, S. 281; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 535 Rn. 94; jeweils mwN). Ge-gen diese besondere Schutzpflicht, die nicht zuletzt Konsequenz des auf den Mieter übertragenen Besitzes an der Mietsache ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 1989 – VIII ZR 91/88, aaO S. 9), kann ein Mieter jedoch nicht nur im unmittelbaren Umgang mit dieser verstoßen, sondern auch durch einen Gebrauch, wel-cher schädigende Einwirkungen Dritter hervorzurufen geeignet ist.

Mit der Aufbewahrung von 26,32 g Marihuana in der von ihm angemieteten Wohnung hat der Beklagte diese Obhutspflicht verletzt. Denn entgegen der – von der Revision mit Recht angegriffenen – Auffassung des Berufungsgerichts muss nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Mieter, der in seiner Wohnung Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begeht oder seine Wohnung zur Aufbewahrung von Tatmitteln aus derartigen Straftaten nutzt oder hierfür zur Verfügung stellt, ohne weiteres damit rechnen, dass es im Zuge aufgrund dessen durchgeführter strafprozessualer Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung kommt. Mit einem derartigen Verhalten überschreitet der Mieter den ihm aufgrund seiner Mietzahlung zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 – III ZR 253/12, BGHZ 197, 43 Rn. 12).

b) Trotz dieser von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung ist der Beklagte der Klägerin nicht nach § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des ihr aufgrund der Beschädigung der Eingangstür entstandenen Schadens verpflichtet, weil die Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Tatbestand (der Obhutspflichtverletzung) und dem in Frage stehenden Schaden an der Wohnungseingangstür nicht gegeben ist. Es fehlt insoweit bereits an der äquivalenten Kausalität, so dass es auf die vom Berufungsgericht erörterten weitergehenden Fragen zum Zurechnungszusammenhang nicht ankommt…..

Zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten – Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz erworbenen 26,32 g Marihuana in der Wohnung – und der Beschädigung der Eingangstür besteht ein derartiger Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non nicht. Zwar ist der Beklagte aufgrund der im Rahmen der Durchsuchung bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittel nachfolgend wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verurteilt worden. Diese erst anlässlich der Durchsuchung festgestellte Straftat war jedoch nicht Grundlage der am 27. Juni 2013 durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen. Denn der an diesem Tag durch die Polizeibeamten des Streithelfers vollzogene Durchsuchungsbeschluss hatte zwar ebenfalls dem Beklagten vorgeworfene Betäubungsmitteldelikte zum Gegenstand, jedoch ging es hierbei um Tatvorwürfe des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) aus dem bereits länger zurückliegenden Tatzeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Oktober 2012. Dass es sich bei den am 27. Juni 2013 aufgefundenen Betäubungsmitteln aber um Tatmittel aus diesen dem Beklagten vorgeworfenen Taten handelt, kann – jedenfalls mangels anderslautender Feststellungen des Berufungsgerichts – nicht angenommen werden…..“

Eine m.E. schon recht enge Sicht des BGH, aber nun: Karlsruhe locuta…..

Die „planvolle“ Herbeiführung von „Gefahr im Verzug“, oder: Dafür gibt es ein Beweisverwertungsverbot

© Spencer - Fotolia.com

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Ich habe in der letzten Zeit wiederholt über Entscheidungen berichten können, in denen die Frage eines Beweisverwertungsverbotes in Zusammenhang mit Durchsuchungen eine Rolle gespielt hat. Das waren der Beitrag: Durchsuchung II: Nichts Neues zum Beweisverwertungsverbot, oder: Gesund beten, zum BGH, Urt. v. 17.02.2016 – 2 StR 25/15 – oder der BGH, Beschl. v. 21.04.2016 – 2 StR 394/15, und dazu:Durchsuchung IV: Wenn Oberstaatsanwälte irren, Beweisverwertungsverbot, oder: Kein gesund Beten,  aber auch der AG Kehl, Beschl. v. 29.04.2016 – 2 Cs 303 Js 19062/15 und dazu Beweisverwertungsverbot bei rechtswidriger Durchsuchung, oder: Schöne AG-Entscheidung. In die Reihe gehört dann noch der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2016 – III-3 RVs 46/16, der – oh Wunder – auch zu einem Beweisverwertungsverbot kommt. Ist schon erstaunlich, was sich da im Moment tut. M.E. aber sicherlich noch zu früh, um von einer Wende in der Rechtsprechung – hin zum Beweisverwertungsverbot – zu sprechen.

Denn es handelt sich letztlich dann doch immer um Fälle, in denen am Beweisverwertungsverbot kein Weg vorbei ging. So auch beim OLG Düsseldorf. Da hatten Polizeibeamte im Zuge einer anderweitigen Durchsuchungsmaßnahme einen aus der Wohnung des späteren Angeklagten kommenden stärkeren Marihuanageruch bemerkt. Der Gruppenleiter versuchte über einen Zeitraum von 10 bis 15 Minuten mindestens dreimal erfolglos, den Eildienst der StA telefonisch zu erreichen, um diesen zu veranlassen, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Zwei Polizeibeamte klopften an der Wohnungstür. Sie gaben sich dabei auch verbal als Polizeibeamte zu erkennen. Hierauf wurde die Wohnungseingangstür nach dem Eindruck der Polizeibeamten von innen mittels eines Schlüssels verschlossen. Die Polizeibeamten schöpften den Verdacht, dass hinter der Tür nunmehr Beweismittel vernichtet oder in den von ihnen nicht überwachten Garten geworfen werden könnten. Der Gruppenleiter entschied, dass aufgrund drohenden Beweismittelverlustes Gefahr im Verzug vorliege und ordnete als leitender Polizeibeamter die Durchsuchung der Wohnung an. Dort wurden zahlreiche Marihuanapflanzen gefunden. Nach Belehrung gab der Angeklagte gegenüber den Polizeibeamten vor Ort an, dass er an ADHS erkrankt sei, ohne „Gras“ nicht klar komme und deshalb „ohne Ende kiffe“. Auf die Revision des Angeklagten hat das OLG das Urteil aufgehoben und ihn freigesprochen.

Das OLG ist von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen:

Obwohl noch vor dem Klopfen an der Eingangstür zur Wohnung des Angeklagten weiterhin hätte versucht werden können, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, weil die tatsächlichen Voraussetzungen dafür – auch nach den Vorstellungen der Polizeibeamten – vorlagen, haben die Polizeibeamten selbst ohne jede praktische Notwendigkeit durch das Klopfen an der Wohnungstür des Angeklagten in Kenntnis des Umstands, dass der Angeklagte sodann versuchen könnte, Beweismittel zu vernichten, eine Situation herbeigeführt, in der ein weiteres Zuwarten wegen drohenden Beweismittelverlustes nicht angezeigt war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2015 – 2 BvR 2718/10 u.a. –, Rn. 69 – 70, juris).“

Und: Das OLG bejaht „Fernwirkung“ hinsichtlich der vom Angeklagten gemachten Angaben:

Eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten in dem Sinne, dass neben der Verwertung der unmittelbar unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot erlangten Informationen auch die Verwertung aller weiteren Beweismittel verboten ist, die aufgrund solcher Informationen erlangt worden sind, wird in der Rechtsprechung zwar grundsätzlich verneint. Ein Verfahrensfehler, der ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel bewirkt, darf nicht ohne weiteres dazu führen, dass das gesamte Strafverfahren „lahmgelegt“ wird. Die Grenzen richten sich jeweils nach der Sachlage und der Art des Verbots (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 10. November 2000 – Ss 462/00 Z, Ss 462/00 –, Rn. 10, juris, m. w. N.). Hiernach wären die nach ordnungsgemäßer Belehrung des Angeklagten von ihm gemachten Angaben grundsätzlich verwertbar. Dem stehen jedoch die Besonderheiten dieses Falles entgegen. Ein Beweisverwertungsverbot ist in der Rechtsprechung etwa angenommen worden für Bekundungen von Beschuldigten, die unter dem Eindruck des Vorhalts von unzulässig gewonnenen Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung gemacht worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. August 1983 – 3 StR 136/83 –, juris, Rn. 10; OLG Köln a.a.O., Rn. 12). Damit zu vergleichen ist die hiesige Situation, in der der Angeklagte Angaben zur Sache gemacht hat. Die Vernehmung des Angeklagten wurde noch im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung und unter dem Eindruck der dabei in unzulässiger Weise gewonnen Erkenntnisse durchgeführt. Der sich offensichtlich als überführt ansehende Angeklagte hatte keinen Anlass, von seinem Recht auf Schweigen Gebrauch zu machen, zumal er nicht wissen konnte, dass die vorgefundenen Beweismittel unverwertbar waren. Für ihn bestand ein Zustand, in dem Leugnen oder Schweigen sinnlos war angesichts der Tatsache, dass sich die Polizeibeamten in seiner Wohnung befanden und die unerlaubt angebauten Marihuanapflanzen bereits entdeckt hatten.“

4 x innerhalb von 10 Tagen BVerfG zur Durchsuchung – da liegt wohl was im Argen

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Der zweite Beitrag zu BVerfG-Entscheidungen (zum ersten hier: Rechtsbeugung in Erfurt, oder: Wenn der OWi-Richter sauer ist….) betrifft mal wieder Verfahren mit einer Durchsuchungproblematik. In dem Bereich haben wir ja längere Zeit aus Karlsruhe nichts bzw. kaum etwas Neues gehört. Jetzt hat es aber vier Entscheidungen zur Durchsuchung in knapp 10 Tagen gegeben. Auf zwei dieser Entscheidungen hatte ich bereits hingewiesen. Das sind:

Offen sind dann noch zwei weitere Entscheidungen aus dem zeitraum. und zwar:

  • Der BVerfG, Beschl. v. 5. 07. 2016 – 2 BvR 1710/15. In ihm musste das BVerfG einen Durchsuchungsbeschluss als den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügend beanstanden, weil konkrete Angaben zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt und zu der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat vollständig fehlten, obwohl sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen ohne Weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung auch nicht abträglich gewesen wären. Das BVerfG weist zudem darauf hin, dass im Beschwerdeverfahren Mängel bei der Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel nicht mehr heilbar sind.
  • Im BVerfG, Beschl. v. 15.07. 2016 – 2 BvR 857/14 – ging es schließlich um die Frage der Verletzung des Anspruchs des Beschuldigten auf rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren. Das BVerfG hat dies bejaht, wenn dem Beschuldigten vor der Entscheidung über seine Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft nicht zur Kenntnis gegeben worden ist. Dies gelte unabhängig davon, ob die Stellungnahme im konkreten Fall Einfluss auf das Entscheidungsergebnis gewinnen konnte oder nicht. Der Gehörsverstoß wird nach Auffassung des BVerfG jedoch durch die Entscheidung über eine Anhörungsrüge des Beschuldigten geheilt, wenn das Beschwerdegericht dabei dessen weiteres Vorbringen berücksichtigt.

Innerhalb von 10 Tagen also vier Entscheidungen des BVerfG zur Durchsuchung. Das zeigt, dass bei dieser die Beschuldigten i.d.R. besonders belastenden Zwangsmaßnahme dann in der Praxis doch wohl einiges im Argen liegt.

Durchsuchung im Bußgeldverfahren, oder: Klatsche aus Karlsruhe für den (zu) „wilden Süden

© canstockphoto5259235

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Vielleicht erinnern sich regelmäßige Blogleser ja noch an das Posting „So gehts „im wilden Süden“: Durchsuchung/Beschlagnahme im OWi-Verfahren“ Da ging es um eine Durchsuchung/Beschlagnahme im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, die vom AG Reutlingen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 39 km/h angeordnet und die vom LG Tübingen dann abgesegnet worden war. Ich hatte damals „leichtes“ Unverständnis geäußert.

Und – ich bin nicht allein. Denn nun hat es in einem vergleichbaren Fall aus Karlsruhe vom BVerfG eine Klatsche nach Reutlingen/Tübingen gegeben. Denn das BVerfG hat im BVerfG, Beschl. v. 14.07.2016 – 2 BvR 2748/14 – die dortige Praxis als unverhältnismäßig gerügt. Da waren in einem Bußgeldverfahren – Vorwurf Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h – zwei Durchsuchungen der Wohnung des Betroffenen angeordnet worden, um dort Beweismittel (Motorradkleidung usw.) zu finden, aus denen man dann auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen schließen können wollte. Das BVerfG macht das nicht mit. Es sieht in dem schön begründeten Beschluss (schön nicht nur wegen des Hinweises auf unser OWi-Handbuch) die Maßnahmen als unverhältnismäßig an. Begründung:

„Zwar war der Tatverdacht nicht unerheblich und nicht lediglich auf Vermutungen gegründet (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 1999 – 2 BvR 2158/98 -, juris, Rn. 11; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2008 – 2 BvR 103/04 -, juris, Rn. 24). Insoweit waren die Haltereigenschaft und nach der Einschätzung des erkennenden Gerichts die Ähnlichkeit der Person auf dem Überwachungsfoto mit dem Betroffenen jedenfalls ausreichende Indizien.

Das Gewicht der Ordnungswidrigkeit sowie die auf Grund der guten Qualität der vorhandenen Beweismittelfotos erfolgversprechende Möglichkeit einer Identitätsfeststellung durch Einholung eines anthropologischen Gutachtens sprachen im vorliegenden Fall jedoch gegen den mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen erheblichen Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Zwar handelt es sich bei der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit nicht um eine Bagatelle (vgl. dazu z.B. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2006 – 2 BvR 1141/05 -, juris, Rn. 17), aber auch nicht – wie von den Fachgerichten angenommen – um eine „beträchtliche“ Geschwindigkeitsüberschreitung. Die Geldbuße nach Nr. 11.3.5 des zum Tatzeitpunkt gültigen Bußgeldkatalogs in Höhe von 80 € befand sich vielmehr am unteren Rand der Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Krafträdern, die überhaupt zu einer Eintragung im Verkehrszentralregister führten. Ein Fahrverbot war im Regelfall bei erstmaliger Begehung nicht vorgesehen (zur Relevanz eines drohenden Fahrverbots vgl. z.B. LG Freiburg, Beschluss vom 3. Februar 2014 – 3 Qs 9/14 -, SVR 2014, S. 275, juris, Rn. 8).

Es waren auch keine erschwerenden Umstände bei der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat erkennbar. Die Geschwindigkeitsüberschreitung trug sich außerhalb geschlossener Ortschaften zu und wies somit nicht die gleiche abstrakte Gefährlichkeit auf wie eine Geschwindigkeitsüberschreitung in gleicher Höhe innerhalb einer geschlossenen Ortschaft (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. November 2005 – 2 BvR 1307/05 -). Gegen die Durchsuchungsanordnungen ist zudem anzuführen, dass bei dem Beschwerdeführer keine Voreintragungen im Verkehrszentralregister vorlagen. Weiter war mit der Wohnung die Privatsphäre des Beschwerdeführers betroffen und nicht etwa lediglich nicht besonders privilegierte Geschäftsräumlichkeiten (vgl. z.B. LG Mühlhausen, a.a.O., juris, Rn. 23).

Insbesondere aber haben Amtsgericht und Landgericht verkannt, dass im vorliegenden Einzelfall wegen der guten Qualität der Beweismittelfotos die Einholung eines anthropologischen Gutachtens nahe lag und jedenfalls die sofortige, noch dazu mehrfache Anordnung der Wohnungsdurchsuchung deshalb zurückzustehen hatte (vgl. dazu – allerdings bereits im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit der Maßnahme – LG Zweibrücken, Beschluss vom 22. Dezember 1998 – 1 Qs 1168/98 -, NStZ-RR 1999, S. 339). Denn bei dem – vom Amtsgericht auch eingeholten – Gutachten nach Bildern handelte es sich um ein erheblich milderes Mittel als es die Durchsuchung darstellt. Insoweit hätte das Amtsgericht die Tauglichkeit der Überwachungsbilder für ein Gutachten zunächst mit dem Sachverständigen abklären und gegebenenfalls die Erstellung des Gutachtens abwarten müssen (zu den Anforderungen an ein anthropologisches Identitätsgutachten, bei welchem es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren handelt, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 – 1 StR 91/04 -, NStZ 2005, S. 458 <459 f.>).

Dem können nicht – wie das Landgericht meint – die „regelmäßig kurzen Verjährungsfristen“ im Ordnungswidrigkeitenrecht entgegengehalten werden. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 26 Abs. 3 StVG bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG ab Erlass eines Bußgeldbescheides sechs Monate. Diese sechsmonatige Verjährungsfrist wird allerdings durch jede Anberaumung einer Hauptverhandlung (§ 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG) und auch jede Beauftragung eines Sachverständigen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter, wenn der Betroffene vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 OWiG), unterbrochen. Die absolute Verjährungsfrist beträgt dann zwei Jahre nach der Tat (§ 33 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 31 Abs. 3 OWiG).

Es war dem Gericht zuzumuten, innerhalb der nach Beauftragung des Sachverständigen neu anlaufenden sechsmonatigen Verjährungsfrist auf die fristgerechte Erstellung des Gutachtens hinzuwirken. Dass die Durchsuchung nach der Motorradbekleidung und der Armbanduhr des Betroffenen möglicherweise noch wirksamer oder jedenfalls zusätzlich notwendig sein konnte, kann die Angemessenheit der Maßnahme – angesichts des geringeren Gewichts der vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften ohne Regelfahrverbot und unter Berücksichtigung der fehlenden Voreintragungen für den Betroffenen im Verkehrszentralregister nicht begründen. Die Gewinnung aller bestmöglichen Beweismittel mittels einer Wohnungsdurchsuchung war in dieser Konstellation im Hinblick auf das Gewicht des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht verhältnismäßig.“

In meinen Augen Klatsche aus Karlsruhe. Und: Die Geschichte der Durchsuchung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren wird neu geschrieben werden müssen.