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Die „planvolle“ Herbeiführung von „Gefahr im Verzug“, oder: Dafür gibt es ein Beweisverwertungsverbot

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Ich habe in der letzten Zeit wiederholt über Entscheidungen berichten können, in denen die Frage eines Beweisverwertungsverbotes in Zusammenhang mit Durchsuchungen eine Rolle gespielt hat. Das waren der Beitrag: Durchsuchung II: Nichts Neues zum Beweisverwertungsverbot, oder: Gesund beten, zum BGH, Urt. v. 17.02.2016 – 2 StR 25/15 – oder der BGH, Beschl. v. 21.04.2016 – 2 StR 394/15, und dazu:Durchsuchung IV: Wenn Oberstaatsanwälte irren, Beweisverwertungsverbot, oder: Kein gesund Beten,  aber auch der AG Kehl, Beschl. v. 29.04.2016 – 2 Cs 303 Js 19062/15 und dazu Beweisverwertungsverbot bei rechtswidriger Durchsuchung, oder: Schöne AG-Entscheidung. In die Reihe gehört dann noch der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2016 – III-3 RVs 46/16, der – oh Wunder – auch zu einem Beweisverwertungsverbot kommt. Ist schon erstaunlich, was sich da im Moment tut. M.E. aber sicherlich noch zu früh, um von einer Wende in der Rechtsprechung – hin zum Beweisverwertungsverbot – zu sprechen.

Denn es handelt sich letztlich dann doch immer um Fälle, in denen am Beweisverwertungsverbot kein Weg vorbei ging. So auch beim OLG Düsseldorf. Da hatten Polizeibeamte im Zuge einer anderweitigen Durchsuchungsmaßnahme einen aus der Wohnung des späteren Angeklagten kommenden stärkeren Marihuanageruch bemerkt. Der Gruppenleiter versuchte über einen Zeitraum von 10 bis 15 Minuten mindestens dreimal erfolglos, den Eildienst der StA telefonisch zu erreichen, um diesen zu veranlassen, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Zwei Polizeibeamte klopften an der Wohnungstür. Sie gaben sich dabei auch verbal als Polizeibeamte zu erkennen. Hierauf wurde die Wohnungseingangstür nach dem Eindruck der Polizeibeamten von innen mittels eines Schlüssels verschlossen. Die Polizeibeamten schöpften den Verdacht, dass hinter der Tür nunmehr Beweismittel vernichtet oder in den von ihnen nicht überwachten Garten geworfen werden könnten. Der Gruppenleiter entschied, dass aufgrund drohenden Beweismittelverlustes Gefahr im Verzug vorliege und ordnete als leitender Polizeibeamter die Durchsuchung der Wohnung an. Dort wurden zahlreiche Marihuanapflanzen gefunden. Nach Belehrung gab der Angeklagte gegenüber den Polizeibeamten vor Ort an, dass er an ADHS erkrankt sei, ohne „Gras“ nicht klar komme und deshalb „ohne Ende kiffe“. Auf die Revision des Angeklagten hat das OLG das Urteil aufgehoben und ihn freigesprochen.

Das OLG ist von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen:

Obwohl noch vor dem Klopfen an der Eingangstür zur Wohnung des Angeklagten weiterhin hätte versucht werden können, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, weil die tatsächlichen Voraussetzungen dafür – auch nach den Vorstellungen der Polizeibeamten – vorlagen, haben die Polizeibeamten selbst ohne jede praktische Notwendigkeit durch das Klopfen an der Wohnungstür des Angeklagten in Kenntnis des Umstands, dass der Angeklagte sodann versuchen könnte, Beweismittel zu vernichten, eine Situation herbeigeführt, in der ein weiteres Zuwarten wegen drohenden Beweismittelverlustes nicht angezeigt war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2015 – 2 BvR 2718/10 u.a. –, Rn. 69 – 70, juris).“

Und: Das OLG bejaht „Fernwirkung“ hinsichtlich der vom Angeklagten gemachten Angaben:

Eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten in dem Sinne, dass neben der Verwertung der unmittelbar unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot erlangten Informationen auch die Verwertung aller weiteren Beweismittel verboten ist, die aufgrund solcher Informationen erlangt worden sind, wird in der Rechtsprechung zwar grundsätzlich verneint. Ein Verfahrensfehler, der ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel bewirkt, darf nicht ohne weiteres dazu führen, dass das gesamte Strafverfahren „lahmgelegt“ wird. Die Grenzen richten sich jeweils nach der Sachlage und der Art des Verbots (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 10. November 2000 – Ss 462/00 Z, Ss 462/00 –, Rn. 10, juris, m. w. N.). Hiernach wären die nach ordnungsgemäßer Belehrung des Angeklagten von ihm gemachten Angaben grundsätzlich verwertbar. Dem stehen jedoch die Besonderheiten dieses Falles entgegen. Ein Beweisverwertungsverbot ist in der Rechtsprechung etwa angenommen worden für Bekundungen von Beschuldigten, die unter dem Eindruck des Vorhalts von unzulässig gewonnenen Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung gemacht worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. August 1983 – 3 StR 136/83 –, juris, Rn. 10; OLG Köln a.a.O., Rn. 12). Damit zu vergleichen ist die hiesige Situation, in der der Angeklagte Angaben zur Sache gemacht hat. Die Vernehmung des Angeklagten wurde noch im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung und unter dem Eindruck der dabei in unzulässiger Weise gewonnen Erkenntnisse durchgeführt. Der sich offensichtlich als überführt ansehende Angeklagte hatte keinen Anlass, von seinem Recht auf Schweigen Gebrauch zu machen, zumal er nicht wissen konnte, dass die vorgefundenen Beweismittel unverwertbar waren. Für ihn bestand ein Zustand, in dem Leugnen oder Schweigen sinnlos war angesichts der Tatsache, dass sich die Polizeibeamten in seiner Wohnung befanden und die unerlaubt angebauten Marihuanapflanzen bereits entdeckt hatten.“

4 x innerhalb von 10 Tagen BVerfG zur Durchsuchung – da liegt wohl was im Argen

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Der zweite Beitrag zu BVerfG-Entscheidungen (zum ersten hier: Rechtsbeugung in Erfurt, oder: Wenn der OWi-Richter sauer ist….) betrifft mal wieder Verfahren mit einer Durchsuchungproblematik. In dem Bereich haben wir ja längere Zeit aus Karlsruhe nichts bzw. kaum etwas Neues gehört. Jetzt hat es aber vier Entscheidungen zur Durchsuchung in knapp 10 Tagen gegeben. Auf zwei dieser Entscheidungen hatte ich bereits hingewiesen. Das sind:

Offen sind dann noch zwei weitere Entscheidungen aus dem zeitraum. und zwar:

  • Der BVerfG, Beschl. v. 5. 07. 2016 – 2 BvR 1710/15. In ihm musste das BVerfG einen Durchsuchungsbeschluss als den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügend beanstanden, weil konkrete Angaben zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt und zu der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat vollständig fehlten, obwohl sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen ohne Weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung auch nicht abträglich gewesen wären. Das BVerfG weist zudem darauf hin, dass im Beschwerdeverfahren Mängel bei der Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel nicht mehr heilbar sind.
  • Im BVerfG, Beschl. v. 15.07. 2016 – 2 BvR 857/14 – ging es schließlich um die Frage der Verletzung des Anspruchs des Beschuldigten auf rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren. Das BVerfG hat dies bejaht, wenn dem Beschuldigten vor der Entscheidung über seine Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft nicht zur Kenntnis gegeben worden ist. Dies gelte unabhängig davon, ob die Stellungnahme im konkreten Fall Einfluss auf das Entscheidungsergebnis gewinnen konnte oder nicht. Der Gehörsverstoß wird nach Auffassung des BVerfG jedoch durch die Entscheidung über eine Anhörungsrüge des Beschuldigten geheilt, wenn das Beschwerdegericht dabei dessen weiteres Vorbringen berücksichtigt.

Innerhalb von 10 Tagen also vier Entscheidungen des BVerfG zur Durchsuchung. Das zeigt, dass bei dieser die Beschuldigten i.d.R. besonders belastenden Zwangsmaßnahme dann in der Praxis doch wohl einiges im Argen liegt.

Durchsuchung im Bußgeldverfahren, oder: Klatsche aus Karlsruhe für den (zu) „wilden Süden

© canstockphoto5259235

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Vielleicht erinnern sich regelmäßige Blogleser ja noch an das Posting „So gehts „im wilden Süden“: Durchsuchung/Beschlagnahme im OWi-Verfahren“ Da ging es um eine Durchsuchung/Beschlagnahme im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, die vom AG Reutlingen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 39 km/h angeordnet und die vom LG Tübingen dann abgesegnet worden war. Ich hatte damals „leichtes“ Unverständnis geäußert.

Und – ich bin nicht allein. Denn nun hat es in einem vergleichbaren Fall aus Karlsruhe vom BVerfG eine Klatsche nach Reutlingen/Tübingen gegeben. Denn das BVerfG hat im BVerfG, Beschl. v. 14.07.2016 – 2 BvR 2748/14 – die dortige Praxis als unverhältnismäßig gerügt. Da waren in einem Bußgeldverfahren – Vorwurf Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h – zwei Durchsuchungen der Wohnung des Betroffenen angeordnet worden, um dort Beweismittel (Motorradkleidung usw.) zu finden, aus denen man dann auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen schließen können wollte. Das BVerfG macht das nicht mit. Es sieht in dem schön begründeten Beschluss (schön nicht nur wegen des Hinweises auf unser OWi-Handbuch) die Maßnahmen als unverhältnismäßig an. Begründung:

„Zwar war der Tatverdacht nicht unerheblich und nicht lediglich auf Vermutungen gegründet (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 1999 – 2 BvR 2158/98 -, juris, Rn. 11; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2008 – 2 BvR 103/04 -, juris, Rn. 24). Insoweit waren die Haltereigenschaft und nach der Einschätzung des erkennenden Gerichts die Ähnlichkeit der Person auf dem Überwachungsfoto mit dem Betroffenen jedenfalls ausreichende Indizien.

Das Gewicht der Ordnungswidrigkeit sowie die auf Grund der guten Qualität der vorhandenen Beweismittelfotos erfolgversprechende Möglichkeit einer Identitätsfeststellung durch Einholung eines anthropologischen Gutachtens sprachen im vorliegenden Fall jedoch gegen den mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen erheblichen Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Zwar handelt es sich bei der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit nicht um eine Bagatelle (vgl. dazu z.B. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. September 2006 – 2 BvR 1141/05 -, juris, Rn. 17), aber auch nicht – wie von den Fachgerichten angenommen – um eine „beträchtliche“ Geschwindigkeitsüberschreitung. Die Geldbuße nach Nr. 11.3.5 des zum Tatzeitpunkt gültigen Bußgeldkatalogs in Höhe von 80 € befand sich vielmehr am unteren Rand der Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Krafträdern, die überhaupt zu einer Eintragung im Verkehrszentralregister führten. Ein Fahrverbot war im Regelfall bei erstmaliger Begehung nicht vorgesehen (zur Relevanz eines drohenden Fahrverbots vgl. z.B. LG Freiburg, Beschluss vom 3. Februar 2014 – 3 Qs 9/14 -, SVR 2014, S. 275, juris, Rn. 8).

Es waren auch keine erschwerenden Umstände bei der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat erkennbar. Die Geschwindigkeitsüberschreitung trug sich außerhalb geschlossener Ortschaften zu und wies somit nicht die gleiche abstrakte Gefährlichkeit auf wie eine Geschwindigkeitsüberschreitung in gleicher Höhe innerhalb einer geschlossenen Ortschaft (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. November 2005 – 2 BvR 1307/05 -). Gegen die Durchsuchungsanordnungen ist zudem anzuführen, dass bei dem Beschwerdeführer keine Voreintragungen im Verkehrszentralregister vorlagen. Weiter war mit der Wohnung die Privatsphäre des Beschwerdeführers betroffen und nicht etwa lediglich nicht besonders privilegierte Geschäftsräumlichkeiten (vgl. z.B. LG Mühlhausen, a.a.O., juris, Rn. 23).

Insbesondere aber haben Amtsgericht und Landgericht verkannt, dass im vorliegenden Einzelfall wegen der guten Qualität der Beweismittelfotos die Einholung eines anthropologischen Gutachtens nahe lag und jedenfalls die sofortige, noch dazu mehrfache Anordnung der Wohnungsdurchsuchung deshalb zurückzustehen hatte (vgl. dazu – allerdings bereits im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit der Maßnahme – LG Zweibrücken, Beschluss vom 22. Dezember 1998 – 1 Qs 1168/98 -, NStZ-RR 1999, S. 339). Denn bei dem – vom Amtsgericht auch eingeholten – Gutachten nach Bildern handelte es sich um ein erheblich milderes Mittel als es die Durchsuchung darstellt. Insoweit hätte das Amtsgericht die Tauglichkeit der Überwachungsbilder für ein Gutachten zunächst mit dem Sachverständigen abklären und gegebenenfalls die Erstellung des Gutachtens abwarten müssen (zu den Anforderungen an ein anthropologisches Identitätsgutachten, bei welchem es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren handelt, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 – 1 StR 91/04 -, NStZ 2005, S. 458 <459 f.>).

Dem können nicht – wie das Landgericht meint – die „regelmäßig kurzen Verjährungsfristen“ im Ordnungswidrigkeitenrecht entgegengehalten werden. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 26 Abs. 3 StVG bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG ab Erlass eines Bußgeldbescheides sechs Monate. Diese sechsmonatige Verjährungsfrist wird allerdings durch jede Anberaumung einer Hauptverhandlung (§ 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG) und auch jede Beauftragung eines Sachverständigen durch die Verfolgungsbehörde oder den Richter, wenn der Betroffene vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 OWiG), unterbrochen. Die absolute Verjährungsfrist beträgt dann zwei Jahre nach der Tat (§ 33 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 31 Abs. 3 OWiG).

Es war dem Gericht zuzumuten, innerhalb der nach Beauftragung des Sachverständigen neu anlaufenden sechsmonatigen Verjährungsfrist auf die fristgerechte Erstellung des Gutachtens hinzuwirken. Dass die Durchsuchung nach der Motorradbekleidung und der Armbanduhr des Betroffenen möglicherweise noch wirksamer oder jedenfalls zusätzlich notwendig sein konnte, kann die Angemessenheit der Maßnahme – angesichts des geringeren Gewichts der vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften ohne Regelfahrverbot und unter Berücksichtigung der fehlenden Voreintragungen für den Betroffenen im Verkehrszentralregister nicht begründen. Die Gewinnung aller bestmöglichen Beweismittel mittels einer Wohnungsdurchsuchung war in dieser Konstellation im Hinblick auf das Gewicht des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG nicht verhältnismäßig.“

In meinen Augen Klatsche aus Karlsruhe. Und: Die Geschichte der Durchsuchung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren wird neu geschrieben werden müssen.

Durchsuchung IV: Wenn Oberstaatsanwälte irren, Beweisverwertungsverbot, oder: Kein gesund Beten

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In der vergangenen Woche ist der Beitrag: Durchsuchung II: Nichts Neues zum Beweisverwertungsverbot, oder: Gesund beten, zum BGH, Urt. v. 17.02.2016 – 2 StR 25/15 – gelaufen. Dazu passt dann jetzt ganz gut der BGH, Beschl. v. 21.04.2016 – 2 StR 394/15, also auch vom 2. Strafsenat, der anders als der Senat im Beschl. v. 17.02.2015 zu einem Beweisverwertungsverbot kommt.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen eines Verstoßes gegen das BtM-Gesetz verurteilt. Dazu der BGH:

„Insoweit rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass sich das Landgericht bei seiner Überzeugungsbildung auf Beweise gestützt hat, die es nicht hätte verwerten dürfen, da sie bei einer Durchsuchung gewonnen worden waren, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt (§ 105 Abs. 1 Satz 1 StPO) durchgeführt wurden und daher rechtswidrig waren.

a) Folgendes liegt zugrunde: Am 14. Oktober 2013 bewahrte der Angeklagte L. E. in seinem in der Nähe seiner Wohnung abgestellten Fahrzeug der Marke Ford Sierra in einer in der Mittelkonsole versteckten Plastiktüte 93,07g Kokain mit einem Kokainhydrochloridanteil von 79,5% auf, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war.

b) Das Landgericht hat seine Überzeugung von diesem Sachverhalt trotz des Widerspruchs des Angeklagten gegen die Beweisverwertung in der Hauptverhandlung im Wesentlichen auf die bei der Durchsuchung des genannten Pkw erlangten Erkenntnisse und auf die Aussage der Ermittlungsbeamten gestützt. Zu dieser Durchsuchung kam es wie folgt:

Nachdem der Angeklagte L. E. am 4. Oktober 2013 vorläufig festgenommen worden war und sich sodann in Untersuchungshaft befand, stießen die Ermittlungsbeamten im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen wegen der am selben Tag begangenen gefährlichen Körperverletzung am 14. Oktober 2013 (Montag) zufällig auf einen weiteren, auf den Angeklagten L. E. zugelassenen und in dessen Wohnortnähe abgestellten Pkw, zu dem die passenden Fahrzeugschlüssel zuvor sichergestellt worden waren. Da die Ermittlungsbeamten vermuteten, dass sich in diesem Fahrzeug insbesondere die bei der Straftat verwendeten Tatwaffen befinden, informierten sie Oberstaatsanwalt , der als Vertreter der an sich zuständigen Dezernentin zuständig war. Oberstaatsanwalt , dem nicht bewusst war, dass die den Ermittlungen zugrunde liegende Straftat bereits zehn Tage zurücklag, ordnete wegen Gefahr in Verzug die sofortige Durchsuchung des Pkw des An- geklagten L. E. an, ohne zuvor zu versuchen, eine richterliche Anordnung zu erlangen; die Anordnung des Oberstaatsanwalts ist zudem weder schriftlich dokumentiert noch sind die die Dringlichkeit rechtfertigenden Tatsachen (schriftlich) begründet. Um 13.35 Uhr durchsuchten Ermittlungsbeamte den Pkw des Angeklagten L. E. und fanden dabei zufällig das versteckte Kokain; Tatwaffen fanden sie nicht.

c) Vor diesem Hintergrund unterliegen die aus der Durchsuchung erlang-ten Erkenntnisse – entgegen der Ansicht des Landgerichts – einem Beweisverwertungsverbot.

aa) Die montags am 14. Oktober 2013 um 13.35 Uhr durchgeführte Durchsuchung war wegen Missachtung des Richtervorbehalts rechtswidrig. Eine gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO grundsätzlich erforderliche richterliche Durchsuchungsanordnung lag nicht vor. Wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 19. Oktober 2015 zutreffend ausgeführt hat, rügt die Revision zu Recht, dass die Anordnung des Oberstaatsanwalts nicht auf einer rechtmäßigen Inanspruchnahme seiner sich aus § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO er-gebenden Eilkompetenz beruhte, weil Gefahr im Verzug objektiv nicht vorlag.

bb) Das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung führt hier zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel.

Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots ist von Verfassungs wegen zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrens-verstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 61; Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02, NJW 2006, 2684, 2686; Beschluss vom 20. Mai 2011 – 2 BvR 2072/10, NJW 2011, 2783, 2784). Ein solcher schwerwiegender Ver-stoß liegt aufgrund der oben geschilderten Umstände vor. Der Gesichtspunkt, wonach dem anordnenden Oberstaatsanwalt nicht bewusst gewesen sei, dass die den Ermittlungen zugrunde liegende Straftat bereits zehn Tage zurücklag, ändert an dieser Bewertung nichts. Unbeschadet dessen, dass eine solche Fehlvorstellung auf – nicht nachzuvollziehender – nicht vollständiger Information beruht hat, die der Sphäre der Ermittlungsbehörden zuzurechnen ist, kann die-ser Umstand es nicht rechtfertigen, dass noch nicht einmal der Versuch unternommen worden ist, an einem Werktag zu dienstüblichen Zeiten eine richterliche Entscheidung zu erlangen, zumal der Angeklagte sich in Untersuchungshaft befunden hatte.

cc) Anders als der Generalbundesanwalt meint, kann dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. November 2003 – 1 StR 455/03, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 4) bei – wie hier – solcher Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 295 f.; Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 210/11, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 8). Die Einhaltung der durch § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte in diesen Fällen bei Anerkennung des hypothetisch rechtmäßigen Ersatzeingriffs als Abwägungskriterium bei der Prüfung des Vorliegens eines Beweisverwertungsver-bots stets unterlaufen und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden. Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Einschaltung des Ermittlungsrichters einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten. Damit würde das we-sentliche Erfordernis eines rechtstaatlichen Ermittlungsverfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechtsbruch oder gleichgewichtiger Rechtsmissachtung erlangt werden dürfen (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296; Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 210/11, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 8).“

Wenn man so etwas doch nur häufiger lesen würde.

Durchsuchung III: Eigenkonsum von Drogen, oder: Es muss ein bisschen Mehr sein

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Nach den beiden nicht so ganz schönen BGH-Entscheidungen des BGH (vgl. den BGH, Beschl. v. 19.04.2016 – StB 10/16 und dazu Durchsuchung I: Durchsuchung des Verteidigers – darf das Gericht das? und das BGH, Urt. v. 17.o2.2016 – 2 StR 25/15 und dazu Durchsuchung II: Nichts Neues zum Beweisverwertungsverbot, oder: Gesund beten) nun zum Tagesabschluss den LG Trier, Beschl. v. 05.01.2016 – 5 Qs 90/15.

Es geht auch um die Voraussetzungen für eine Durchsuchung. Der Beschuldigte befand sich in einem laufenden Bewährungsverfahren. Ein dort angeordnetes Drogenscreening hat einen auffälligen Befund für Amphetamin ergeben. Dieser Befund v. 06.05.2016 wurde der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des LG Trier beim AG Wittlich durch die Bewährungshelferin des Beschuldigten mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft Trier hat sodann die Anordnung einer Durchsuchung beim Beschuldigten gemäß §§ 102, 94 StPO beantragt und begründet dies mit dem positiven Urintest. Das AG hat sodann mit beschl. v. 01.07.2015 die Durchsuchung der Person sowie der Wohn-, Keller-, Neben-, Geschäfts- und sonstigen Räumen und die Beschlagnahme vorgefundener Beweismittel gemäß §§ 94, 98, 102, 105, 162 StPO angeordnet. Zur Begründung heißt es u. a.:

„Der Tatverdacht ergibt sich aus dem auf Amphetamin positiven Urintest des Beschuldigten vom 06.05.2015 in dem Bewährungsverfahren 10 StVK 280/15 des Landgerichts Trier, das eine Amphetaminaufnahme des Beschuldigten im vorangegangenen Monat belegt. Der Konsum indiziert den Besitz von Betäubungsmitteln. Es ist davon auszugehen, dass sich die gesuchten Betäubungsmittel in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten befinden.“

Der Beschluss ist vollzogen. Das LG hat auf die Beschwerde des Beschuldigten die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung festgestellt: Ihm reichen die Voraussetzungen für einen Anfnagsverdacht nicht:

„Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung bedarf es mithin der Unterscheidung zwischen dem konkreten und dem weitergehenden, allein auf Rückschlüssen beruhenden Anfangsverdacht bezüglich der hier in Rede stehenden Vorwürfe des Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln.

Ein Tatverdacht im Sinne eines Anfangsverdachts kann insoweit allein hinsichtlich des Zeitraums vor und um den 06. Mai 2015, dem Tag der Urinprobenentnahme, angenommen werden. Dieser ergibt sich bereits hinreichend aus dem für Amphetamine positiven Ergebnis der darauf folgenden Untersuchung eines nach DIN ISO EN 17025 akkreditierten Labors. Indes kann zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses am 01. Juli 2015 nicht von einem Tatverdacht hinsichtlich weiterer, fortlaufender Verstöße gegen § 29 BtMG geschlossen werden. Ein solcher Rückschluss auf einen weitergehenden Tatverdacht ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht möglich und würde auf einen Generalverdacht hinauslaufen, der für eine Durchsuchungsanordnung einer Wohnung unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes des Artikels 13 GG nicht ausreichend ist (LG Koblenz, Beschl. v. 28.11.2008, Az. 9 Qs 76/08, zitiert nach juris). Zwar ist auf dem Gebiet der Betäubungskriminalität durchaus von einem wiederholten Vorgehen eines Beschuldigten auszugehen (BVerfG, Beschl. v. 15.12.2004, Az. 2 BvR 1873/04, zitiert nach juris). Gleichwohl darf ohne nähere Anhaltspunkte, insbesondere bei dem hier in Rede stehenden Eigenkonsum, auch bei einer Betäubungsmittelvergangenheit nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Beschuldigte konsumiere wieder und weiterhin regelmäßig solche (vgl. bei einem konkreten Tatzeitraum BVerfG, Beschl. v. 29.10.2013, Az. 2 BvR 389/13, BeckRS 2013, 59957).

Vielmehr bestand im Juli 2015 nur noch der allgemeine Verdacht, dass bei Betäubungsmittelkonsumenten immer auch Betäubungsmittel aufzufinden sind (so ausdrücklich LG Koblenz a. a. O.). Insbesondere erfordert die Durchsuchungsanordnung die Beachtung des Bestimmtheitsgebots. Aus dem Beschluss, der die Durchsuchung anordnet, muss sich hinreichend genau ergeben, um welchen konkreten Tatvorwurf es sich handelt (vgl. auch BVerfG a. a. O.). Die Zulassung eines Rückschlusses aus einem Anhaltspunkt auf einen zwei Monate später liegenden generellen Tatverdacht würde diese Anforderung umgehen. Schließlich äußert sich der amtsgerichtliche Beschluss auch nicht dazu, ob der Tatvorwurf sich nunmehr allein auf den Besitz um den Zeitpunkt des 06. Mai 2015 bezieht oder es sich um einen weitergehenden Tatverdacht handelt.

Verbleibt es letztlich bei dem Tatverdacht für den Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln um den 06. Mai 2015 herum, hält die angefochtene Entscheidung den ebenfalls zu beachtenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht stand. Zum einen war ein Nachweis des Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln durch den Beschuldigten bereits durch das Ergebnis der Untersuchung der Urinprobe gegeben (LG Koblenz a. a. O.). Eine etwaige Behauptung, es hätte sich um einen besitzlosen Konsum gehandelt, kann bei lebensnaher Betrachtung – insbesondere bei Amphetamin – regelmäßig entkräftet werden. Zum anderen war nicht davon auszugehen, dass ca. zwei Monate nach positivem Befund der Urinuntersuchung noch Vorräte hätten aufgefunden werden können, aus denen auf einen Besitz von Betäubungsmitteln zeitnah zum 06. Mai 2015 hätte zurückgeschlossen werden können. Es handelte sich lediglich um den Vorwurf des Erwerbs und Besitzes zum Zwecke des Eigenkonsums. Bei einem solchen ist aber davon auszugehen, dass die Betäubungsmittel zeitnah konsumiert werden.“

Als ein bisschen Mehr muss es schon sein.