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OWi IV: Neuer Grenzwert in Altfällen der Drogenfahrt, oder: Freispruch, auch durch das BayObLG

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Und dann noch zum Abschluss eine weitere Entscheidung zum Umgehen mit Altfällen wegen Nichterreichens des neuen gesetzlichen THC-Nachweisgrenzwerts nach § 24a Abs. 1a StVG n.F. Dazu hatte ja bereits das OLG Oldenburg Stellung genommen (vgl. hier OWi I: Neuer Grenzwert in Altfällen der Drogenfahrt, oder: Freispruch, ggf. durch das OLG).

Das BayObLG macht es im BayObLG, Beschl. v. 10.10.2024 – 202 ObOWi 989/24 – wie das OLG Oldenburg. Es spricht frei. Daher hier nur der Leitsatz:

Beruht die vor Inkrafttreten des § 24 Abs. 1a StVG n.F. am 22.08.2024 erfolgte Verurteilung wegen (vorsätzlichem oder fahrlässigem) Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung von THC auf der Feststellung eines den neuen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum nicht erreichenden sog. analytischen Nachweisgrenzwert, ist der Betroffene auf die Rechtsbeschwerde hin neben der Aufhebung des angefochtenen Urteils in Anwendung von § 4 Abs. 3 OWiG durch das Rechtsbeschwerdegericht freizusprechen, sofern auch eine verfolgbare Bußgeldahndung nach § 24c StVG n.F. ausscheidet.

OWi I: Neuer Grenzwert in Altfällen der Drogenfahrt, oder: Freispruch, ggf. durch das OLG

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Heute gibt es hier dann OWi-Entscheidungen. Das Besondere: Es sind vier Postings. Die Beiträge waren vorbereitet, jetzt ist aber noch eine Entscheidung veröffentlicht worden, über die ich unbedingt berichten wollte. Diese kommt hier vorab.

Es handelt sich um den OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.04.2024 – 2 ORbs 95/24 (1537 Js 37043/23) – zur Anwendung des neuen § 24a Abs. 1a StVG – Stichwort: Neuer Grenzwert für THC.

Durch Urteil vom 09.202.204 hat das AG den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 24a StVG zu einer Geldbuße von 1000 € und einem 3-monatigen Fahrverbot verurteilt. Das OLG hat jetzt auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen aufgehoben und frei gesprochen:

„Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Betroffene ist freizusprechen:

Zwar war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Papenburg noch davon auszugehen, dass der Betroffene mit einem THC-Wert von 1,3 ng/ml im Blut gegen § 24a StVG verstoßen hat. Durch das am 22. August 2024 in Kraft getretene 6. Gesetz zur Änderung des StVG und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, ist allerdings § 24a StVG durch die Einfügung von Absatz 1a) dahingehend geändert worden, dass der maßgebliche Wert nunmehr 3,5 ng/ml beträgt.

Zwar beruhte der bisherige analytische Grenzwert von 1,0 ng/ml nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, sondern war von der Rechtsprechung -entsprechend eines Beschlusses der „Grenzwertkommission“- als maßgeblich angesehen worden. Gleichwohl ist zumindest der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 3 OWiG heranzuziehen, wonach in dem Fall, in dem ein Gesetz, dass bei der Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert wird, das mildeste Gesetz anzuwenden ist. Nachdem nunmehr der maßgebliche Wert in § 24a StVG über dem Wert liegt, den der Betroffene im Blut hatte, hätte er bei einer Tatbegehung nach Inkrafttreten des Gesetzes den Bußgeldtatbestand nicht verwirklicht.

Das Verfahren ist nicht entsprechend des Antrages der Generalstaatsanwaltschaft einzustellen, sondern der Betroffene ist vom Rechtsbeschwerdegericht unter Anwendung des § 354a StPO freizusprechen.“

Wohl dem, der sein Verfahren „offen gehalten“ hat.

Urteilsgründe I: Feststellungen bei der Drogenfahrt, oder: Allein „Blutwirkstoffbefund“ reicht nicht

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Und dann unter der „Oberrubrik“ StPO heute drei Entscheidungen, die sich mit den Anforderungen an die Urteilsgründe befassen.

In dem Zusammenhang stelle ich hier zunächst den BGH, Beschl. v. 24.04.2024 – 4 StR 90/24 – vor, er sich noch einmal zu den tatsächlichen Feststellungen bei einer Drogenfahrt äußert. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. es hat – soweit insoweit von Interesse – festgestellt, dass der Angeklagte vor Fahrantritt er Marihuana und Amphetamine konsumiert hatte. Aufgrund dessen übersah er einen an einer roten Ampel wartenden Pkw und fuhr auf dessen Heck auf, wodurch dem Geschädigten ein Schaden in Höhe von über 4.000 EUR entstand. Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte nach Auffassung des LG bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen. Der Geschädigte hatte den Angeklagten nach dem Unfall angesprochen und gefragt, was denn passiert sei, er werde die Polizei rufen. Der Angeklagte reagierte zunächst nicht, wirkte im weiteren Gesprächsverlauf schläfrig und hatte eine langsame Aussprache. Er bat den Geschädigten davon abzusehen, die Polizei hinzuzuziehen, worauf sich dieser angesichts des oberflächlich nur leichten Schadens zunächst einließ. Der Angeklagte ermöglichte die Feststellung seiner Personalien, indem er seinen Personalausweis übergab. Als der Geschädigte mangels von ihm weiter erbetener Herausgabe eines Führerscheins durch den Angeklagten doch die Polizei einschalten wollte, fuhr dieser mit seinem Pkw davon. Wenig später wurde er an seiner Wohnanschrift am Steuer des Fahrzeugs sitzend von der Polizei angetroffen, nachdem er soeben einen Joint konsumiert hatte. Die Polizei eröffnete ihm, ohne Fahrerlaubnis gefahren zu sein, woraufhin er unsinnige Bemerkungen abgab wie „Ja, und wer bestimmt das? Wem gehört die Schwerkraft?“.

Dem BGH haben die Feststellungen des LG für eine Veurteilung nach § 315c StGB nicht gereicht bzw. sie seien nicht ausreichend „belegt“:

Nichts Besonderes, aber mal wieder ein „Reminder“.

„b) Diese auch den Schuldspruch nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB im Fall II.1 a) der Urteilsgründe tragenden Feststellungen hat das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei belegt.

aa) Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf daher neben dem Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers so weit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16 Rn. 10; Beschluss vom 2. Juni 2015 – 4 StR 111/15 Rn. 9; Urteil vom 15. April 2008 – 4 StR 639/07 Rn. 10 ff.; Beschluss vom 3. November 1998 – 4 StR 395/98, BGHSt 44, 219, 221 ff.). Dies hat das Tatgericht anhand einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2022 – 4 StR 231/22 Rn. 8; Urteil vom 22. April 1982 – 4 StR 43/82, BGHSt 31, 42, 44 ff.).

bb) Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat die Fahruntüchtigkeit des Angeklagten allein mit „dem in der Hauptverhandlung verlesenen chemisch-toxikologischen Gutachten“ sowie „den bestätigenden glaubhaften Angaben“ des Geschädigten begründet, der den Angeklagten als schläfrig, langsam sprechend und reaktionsarm beschrieben habe. Diese Beweiswürdigung ist in mehrfacher Hinsicht unzureichend. Mangels Mitteilung des Ergebnisses des chemisch-toxikologischen Gutachtens und der ihm zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen ist ungeachtet der Zeugenaussage schon nicht in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise belegt, dass der insoweit nicht geständige Angeklagte unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stand. Zudem wäre hinsichtlich des Blutwirkstoffbefundes zu bedenken gewesen, dass der Angeklagte den Feststellungen zufolge noch nach dem Tatgeschehen Cannabis konsumierte.

Darüber hinaus hätte die Strafkammer näher darlegen und begründen müssen, welche Beweisbedeutung sie dem insgesamt festgestellten Nachtatverhalten des Angeklagten für dessen betäubungsmittelbedingte Fahruntüchtigkeit beigemessen hat. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung hätte das Landgericht zudem bedenken müssen, ob auch die Fahrweise des Angeklagten auf seine relative Fahruntüchtigkeit schließen ließ (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16 Rn. 10). Insbesondere mit den näheren Gegebenheiten des Unfallereignisses und seines Zustandekommens hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt. Dies wäre jedoch auch deshalb erforderlich gewesen, weil der Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB zugleich voraussetzt, dass die eingetretene Gefährdung gerade Folge der betäubungsmittelbedingten Fahruntüchtigkeit ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2016 – 4 StR 317/16 Rn. 2; Beschluss vom 11. Februar 2014 ? 4 StR 520/13)…..“

Grenzwert von 3,5 ng/ml für Drogenfahrt beschlossen, oder: Änderungen im StVG kommen

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Und heute dann ein Bericht aus Berlin 🙂 .

Zunächst auch hier die Mitteilung über die Änderungen im StVG, die durch das KCanG erforderlich geworden sind. U.a. also Einführung eines gesetzlichen Grenzwertes bei der Drogenfahrt.

Da hat der Bundestag am vergangenen Donnerstag – 06.06.2024 – Nägel mit Köpfen gemacht und die Änderungen und weitere beschlossen.

Ich mache es mir dann mal einfach und stelle hier dann den Text ein, den man auch auf der HP des Bundestages nachlesen kann, und zwar:

„Bundestag beschließt Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr

Nur wenige Wochen nach der Verabschiedung des Konsumcannabisgesetzes hat der Bundestag die Regelung nachjustiert. Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes und des Medizinal-Cannabisgesetzes“ (20/11366) stimmten am Donnerstag, 6. Juni 2024, die Koalitionsfraktionen zu. Die Unionsfraktion, die AfD und die Gruppe Die Linke lehnten ihn ab. Zur Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (20/11662) vor. Ein Entschließungsantrag der Gruppe Die Linke (20/11665) zum Gesetzentwurf wurde abgelehnt, ihm stimmten nur die Antragsteller zu.

Angenommen wurde der Koalitionsentwurf eines Gesetzes „zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften“ (20/11370), mit dem ein Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr festgeschrieben wird. Dem Gesetzentwurf stimmten die Koalitionsfraktionen zu, die Unionsfraktion und die AfD-Fraktion lehnten ihn bei Enthaltung der Gruppe Die Linke ab.

Abgelehnt wurde ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Für die Vision Zero und gegen die Erhöhung des Cannabis-Grenzwertes im Straßenverkehr“ (20/11143). Die Koalitionsfraktionen lehnten ihn ab, die Unionsfraktion und die AfD stimmten ihm zu, die Gruppe Die Linke enthielt sich. Zu beiden Vorlagen hatte der Verkehrsausschuss eine Beschlussempfehlung (20/11666) abgegeben.

Hintergrund der Nachjustierung ist die Protokollerklärung, die die Bundesregierung im Rahmen der Sitzung des Bundesrates am 22. März 2024 zum Cannabisgesetz abgegeben hat. Die Veränderungen sollen den Bedenken und Wünschen der Länder Rechnung tragen, heißt es. So soll die im Konsumcannabisgesetz vorgesehene Evaluation erweitert und die Kontrolle von Anbauvereinigungen durch die Länder flexibilisiert werden.

Außerdem erhalten die Länder Handlungsspielraum beim Umgang mit Großanbauflächen. Darüber hinaus ist die Entwicklung eines Weiterbildungsangebotes durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Suchtpräventionsfachkräfte der Länder und Kommunen vorgesehen.

Der Gesundheitsausschuss hatte den Gesetzentwurf am 5. Juni gegen das Votum der Opposition in geänderter Fassung angenommen. Der Entwurf wurde einem Punkt geändert. Das Verbot der Bündelung verschiedener Tätigkeiten bei Angestellten in Anbauvereinigungen wurde gestrichen. Demnach dürfen die Cannabisclubs bezahlte Beschäftigte mit verschiedenen Tätigkeiten beauftragen, die nicht unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau oder der Weitergabe von Cannabis verbunden sind. Das soll den Organisationsaufwand geringer halten.

Der Gesundheitsausschuss hat den Entwurf zu Konsumcannabisgesetz und Medizinal-Cannabisgesetz in den Beratungen noch an einem Punkt geändert. Das Verbot der Bündelung verschiedener Tätigkeiten bei Angestellten in Anbauvereinigungen wurde gestrichen.
Demnach dürfen die Cannabisclubs bezahlte Beschäftigte mit verschiedenen Tätigkeiten beauftragen, die nicht unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau oder der Weitergabe von Cannabis verbunden sind. Das soll den Organisationsaufwand geringer halten.
Änderung des Straßenverkehrsgesetzes

Durch die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes wird ein THC-Grenzwert im Straßenverkehr sowie ein Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten eingeführt.

Der Grenzwert liegt der Neuregelung zufolge künftig bei 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum. Bei erstmaliger Überschreitung droht eine Strafzahlung von 500 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot.

Die Unionsfraktion spricht sich in ihrem abgelehnten Antrag gegen die Erhöhung des Cannabis-Grenzwertes im Straßenverkehr aus. Die Abgeordneten verweisen auf das „erhebliche Gefahrenpotenzial“, das vom Cannabiskonsum für die aktive Teilnahme im Straßenverkehr ausgehe. Die Anhebung des Cannabis-Grenzwertes von 1,0 Nanogramm pro Milliliter auf 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum stelle das individuelle Mobilitätsbedürfnis der Cannabiskonsumenten über den Allgemeinschutz der Verkehrsteilnehmer, wird kritisiert.
Im Sinne der „Vision Zero“ müsse daher auf die Anhebung des Grenzwerts für Cannabis verzichtet werden. Die Bundesregierung sollte aufgefordert werden, „ein generelles Fahrverbot für Cannabiskonsumenten auszusprechen, wie es mit dem THC-Grenzwert von 1,0 Nanogramm pro Milliliter in der Rechtsprechung bereits besteht“.

Beschlossen worden ist außerdem, dass Mischkonsum – also Cannabis und Alkohol – unzulässig ist. Zudem gilt für Fahranfänger (§ 24v StVG) ein absolutes Cannabisverbot.

Ich komme auf die sich ergebenden Fragen zurück.

KCanG II: „Drogenfahrt“ nun bis 3,5 ng/ml THC erlaubt?, oder: Das AG Dortmund als Gesetzgeber?

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Und im zweiten Posting zum KCanG dann das AG Dortmund, Urt. v. 11.04.2024 – 729 OWi-251 Js 287/24-27/24. Ich weiß nicht so recht, wie ich mit dem Urteil, das den Betroffenen vom Vorwurf einer Drogenfahrt (§ 24a Abs. 2 StVG) freigesprochen hat, umgehen soll.

Zur Erläuterung vorab: § 44 KCanG enthält einen an eine vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr eingesetzte interdisziplinäre Arbeitsgruppe gerichteten Auftrag. Danach war bis zum 31.03.2024 der Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol im Blut vorzuschlagen, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr nicht mehr regelmäßig gewährleistet ist. In Umsetzung dieses Auftrags hat die Expertengruppe am 28.03.2024 vorgeschlagen, in § 24a StVG einen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum zu verankern. Zudem hat das Gremium unter Hinweis auf die besonderen Gefahren von Mischkonsum vorgeschlagen, für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot festzuschreiben, entsprechend der Regelung für Fahranfänger in § 24c StVG.

Ob und wie der Gesetzgeber diesen Vorschlägen folgen wird, muss man mal sehen. M.E. wäre abzuwarten. Aber: Nicht so das AG Dortmund. Das hat den Betroffenen vom Vorwurf einer Drogenfahrt nach § 24a StVG aus tatsächlichen Gründen frei gesprochen. Festgestellt war eine Fahrt mit einem Pkw unter der Wirkung berauschender Mittel, nämlich Cannabis. Entnommen worden war eine Blutprobe, die eine THC-Konzentration von 3,1 ng/ml aufgewiesen hat. Das AG meint:

„Der Betroffene war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

Der bisherige Grenzwert für § 24a Abs. II StVG lag für Cannabis bei 1,0 ng/ml.

Dabei ist die Situation derart, dass bislang lediglich der Wirkstoff THC in der Anlage zu § 24a StVG genannt ist, jedoch nicht der im Straßenverkehr maßgebliche Grenzwert. Dieser wurde in der Vergangenheit von der Rechtsprechung festgesetzt anhand rechtsmedizinischer Vorschläge.

Im Rahmen des Cannabis-Gesetzes und der Teillegalisierung von Cannabis hat der Gesetzgeber in § 44 KCanG ausdrücklich eine Regelung getroffen, wie weiter zu verfahren ist:

Hiernach sollte eine nach dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31.03.2024 den Wert einer Konzentration von THC im Blut vorschlagen, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist. Diese Arbeitsgruppe hat – allgemein bekannt aufgrund einer Veröffentlichung durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr – den Grenzwert auf 3,5 ng/ml vorgeschlagen. In der Pressemitteilung des Ministeriums heißt es u.a.:

„…Die wissenschaftlichen Experten geben danach folgende Empfehlungen ab:

Im Rahmen des § 24a StVG wird ein gesetzlicher Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vorgeschlagen. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt….Bei dem vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. THC im Blutserum ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Daher soll mit dem Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC erreicht werden, dass – anders als bei dem analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC – nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabiskonsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte und eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs möglich ist….“

Das Gericht sieht hierin ein sogenanntes antizipiertes Sachverständigengutachten, dass auch nicht durch anderweitige Vorschläge/Kritik aus Politik, Justiz, Medizin oder dem Bereich der Polizei infrage gestellt wird. Dies gilt umso mehr, dass ausweislich des § 44 KCanG keinerlei weiterer Schritt vorgesehen ist, der die Umsetzung des Grenzwertes in die verkehrsrechtliche Praxis vorsieht. Die aus der Gesetzesbegründung sich insoweit ergebende Absicht einer Kodifizierung des gefundenen Wertes spricht nicht gegen die Anwendung des Wertes bereits zum jetzigen Zeitpunkt.

Die Situation ist nämlich in rechtlicher Hinsicht hinsichtlich des § 24a StVG gleichgeblieben. Lediglich die Risikobewertung hat sich hinsichtlich des Cannabis geändert, so dass der neue Grenzwert von 3,5 ng/l seit dem 01.04.2024 für gerichtliche Entscheidungen maßgeblich ist.“

M.E. zumindest mutig und nicht unbedenklich. Die „Empfehlung“ der Expertenarbeitsgruppe ist also ein „antizipiertes Sachverständigengutachten“ – den Begriff kennen wir aus dem OWi-Recht, wo ihn das OLG Frankfurt am Main bei Messverfahren eingeführt hat? Ach so. Ich sehe da nichts von einem Sachverständigengutachten, sondern zunächst mal nur eine Empfehlung, mehr nicht.

Und wie kommt diese Empfehlung, sorry, das „antizipierte Sachverständigengutachten“, ins Verfahren? Hat man ein Mitglied der Expertengruppe als Sachverständigen gehört? Nein, natürlich nicht, sondern es hat ein Zitat aus der Pressemitteilung (!!!) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr gereicht. Auch da habe ich erhebliche Probleme. Das AG geht offenbar von „gerichtsbekannt“ oder „allgemein bekannt“ aus. Na ja, ob das stimmt und reicht?

Und es stimmt m.E. auch nicht, dass die Empfehlung nicht durch „Vorschläge/Kritik aus Politik, Justiz, Medizin oder dem Bereich der Polizei infrage gestellt“ wird. Zumindest ist schon mal das „Verkehrspolizeiliche Votum zur Legalisierung von Cannabis und zur
Festlegung eines THC- Grenzwertes“ wohl anderer Auffassung.  Und auch beim “ Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr“ scheint man anderer Auffassung zu sein. Jedenfalls hat man dort eine kritische „Stellungnahme von Prof. Dr. Daldrup zu dem Ergebnis der im Rahmen des Konsumcannbisgesetzes (KCanG) vom BMDV im Dezember 2023 eingerichteten unabhängigen, interdisziplinären Arbeitsgruppe mit Experten aus den Bereichen Medizin, Recht und Verkehr sowie dem Bereich der Polizei“ auf der Homepage eingestellt. Mehr habe ich dann nicht gesucht. Die beiden „Stellungsnahmen“ zur „Empfehlung“ waren einfach zu finden, wenn man sie finden wilöö. Das AG offenbar nicht.

Ich kann leider derzeit nicht feststellen, ob das Urteil rechtskräftig ist oder ob die StA den Gang zum OLG Hamm unternommen hat. Jedenfalls steht das Urteil ohne Hinweis auf „abgekürzt“ bei NRWE. Es würde mich schon interessieren, was das OLG Hamm dazu sagt, dass der AG sich zum Gesetzgeber aufgeschwungen hat.

Zumindest m.E. ein wenig voreilig. Ich würde mich auf dieses Urteil nicht unbedingt bei anderen AG berufen wollen.