Schlagwort-Archive: DNA

DNA passt, also Sack zu = Verurteilung, so geht es nicht

© Thomas Becker – Fotolia.com

In der letzten Zeit hat der BGH in mehreren Entscheidungen zur Beweisführung mit/durch ein DNA-Gutachten und zu den Anforderungen an die Urteilsgründe Stellung genommen. So z.B. im BGH, Urt. v. 03.05.2012 – 3 StR 46/12. Aus der Rechtsprechung des BGH kann man ableiten, dass es sich die Tatgerichte manchmal zu einfach machen. Jedenfalls passt die Argumentation: DNA passt, also Sack zu = Verurteilung, so nicht.

Das lässt sich sehr schön aus dem BGH, Urt. v. 03.05.2012 ableiten. Danach sind auch bei einem DNA-Gutachten zwei Schritte zu unterscheiden, und zwar:

1. Schritt:

Für DNA-Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Zwar ist das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren, das dazu dient, aus der Probe sowie aus der Vergleichsprobe jeweils eine bestimmte Anzahl in der Kern-DNA auftretender Systeme (sog. short tandem repeats; STR) eindeutig zu iden-tifizieren, um so (zunächst) Übereinstimmungen festzustellen, inzwischen in seinen Abläufen so weit standardisiert, dass es im Urteil keiner näheren Darlegungen hierzu bedarf.

2. Schritt:

Kein in diesem Sinne standardisiertes Verfahren ist aber die im zweiten Schritt an die so gewonnenen Daten anknüpfende Wahrscheinlichkeitsberechnung, denn die Aussage darüber, mit welcher statistischen Häufigkeit ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Merkmalskombination auftritt, hängt zunächst von einer wertenden Entscheidung des Gutachters ab, welche Vergleichspopulation er ausgehend von der genetischen Herkunft des Täters heranzieht und inwieweit er aufgrund voneinander unabhängiger Vererbung der übereinstimmenden Merkmale die sog. Produktregel anwendet. Um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Wahrscheinlichkeitsberechnung auf ihre Plausibilität zu ermöglichen, verlangt der Bundesgerichtshof deshalb in ständiger Rechtsprechung die Mitteilung ihrer Grundlagen im Urteil (Beschluss vom 6. März 2012 – 3 StR 41/12; Beschluss vom 12. Oktober 2011 – 2 StR 362/11, NStZ-RR 2012, 53; Beschluss vom 21. Januar 2009 – 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159; Beschluss vom 5. Februar 1992 – 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601; Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320). Hierzu gehören – zumindest wenn der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört – eine hinreichend deutliche Umschreibung der zum Vergleich herangezogenen Bevölke-rungsgruppe sowie jedenfalls die Häufigkeit der einzelnen als übereinstimmend festgestellten Merkmale in dieser Vergleichspopulation sowie eine Aussage dazu, inwieweit in wissenschaftlich zulässiger Weise die sog. Produktregel zur Anwendung kam.

Zum konkreten Fall dann:

Diesen Maßstäben wird hier die bloße Mitteilung im Urteil, unter Anwendung biostatistischer Berechnungsmethoden ergebe sich eine Wahrscheinlichkeit von eins zu mehr als zehn Milliarden, nicht gerecht. Weder werden die Faktoren erkennbar, auf denen dieses rechnerische Ergebnis beruht, noch wird ersichtlich, inwieweit der Gutachter bei der Auswahl der Vergleichspopulation mögliche aus der ethnischen Herkunft des Angeklagten – eines marokkanischen Staatsangehörigen – herrührende Besonderheiten berücksichtigt hat.


Beweiswürdigung: Über eine DNA-Spur kommt man nur schwer hinweg…

DNA-Spuren sind immer verhältnismäßig „sichere BeweismitteL“ – ein Kollege sprach neulich von einem „todsicheren“ und meinte damit, dass damit das Verfahren „tot“  sei für den Angeklagten, die Verurteilung also sicher sei Jedenfalls liest man selten, dass Gerichte trotz DNA-Spuren frei sprechen. Das hatte das LG Kaiserslautern getan, dem der BGH im BGH, Beschl. v. 12.02.2012 – 4 StR 499/11 – allerdings bescheinigt hat, dass das rechtsfehlerhaft war, weil das LG die Anforderungen an seine Überzeugungsbildung überspannt hätte. Der BGH führt u.a. aus:

„a) Die Erwägungen des Landgerichts, warum eine aktive Beteiligung des Angeklagten an der Tat vom 28. Juli 2009 trotz seiner eindeutigen Identifizierung als Spurenleger an einem am Tatort aufgefundenen 60 cm langen Klebe-band (Spur T06.06) nicht nachweisbar sei, lassen besorgen, dass es über-spannte Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Das Landgericht hat nicht ausschließen können, dass die DNA-Antragung bei einem Anlass erfolgt sei, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen zum Nachteil des L. stehe. Die DNA-Antragung befand sich an der gerissenen Seite des Klebebandes, während die andere Kante mittels eines Abrollers durchtrennt war. Aufgrund der generellen persönlichen Verflechtung des Angeklagten mit den Tätern bestehe die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass der Angeklagte die Klebebandrolle im anderen Zusammenhang in der Hand gehabt habe. Selbst wenn sich die gerissene Kante bei Tatbeginn noch im Rolleninneren befunden hätte, könne die DNA-Antragung seitlich der späteren Abrisskante erfolgt sein. Hierfür spre-che, dass die Täter bei der Tatausführung Gummihandschuhe getragen hätten, also darauf bedacht gewesen seien, keine Spuren zu hinterlassen……“

Und: Der BGH vermisst eine Gesamtwürdigung aller Umstände. Das darf jetzt eine andere Strafkammer des LG Kaiserslautern nachholen.

DNA passt – Basta, du warst es…

Ungefähr so hatte es sich offenbar die Strafkammer beim LG Aachen in ihrer Beweiswürdigung gedacht, die einem bestreitenden Angeklagten eine Verurteilung wegen der Beteiligung an einem Raubüberfall eingebracht hat. Dem LG lag ein DNA-Gutachten des LKA NRW vor. Auf das hatte die Strafkammer pauschal verwiesen. U.a. das beanstandet der BGH, Beschl. v. 12.10.2011 – 2 StR 362/11:

….Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssät-ze verstößt (BGH 4 StR 285/10 vom 28. Oktober 2010; st. Rspr.).

Legt man dies zugrunde, stellt sich die Beweiswürdigung hier in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft dar. Zunächst rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht zur Begründung seiner Feststellung, es habe sich eine DNA-Spur des Angeklagten auf der Handytasche der Umhängetasche befunden, pauschal auf ein „Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 30.3.2011 in Verbindung mit dessen Mitteilung vom 3.2.2009“ verweist (UA 11). Zwar handelt es sich bei der molekulargenetischen Untersuchung von DNA-Spurenträgern um ein standardisiertes Verfahren, bei dem die Darlegungsanforderungen in den Urteilsgründen geringer sind, als dies normalerweise bei Sachverständigengutachten der Fall ist, und es insbesondere keiner Darlegung der Untersuchungsmethode bedarf. Um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die auf das Gutachten gestützte Überzeugung des Landgerichts auf rechtsfehlerfreier Grundlage beruht, hätte es gleichwohl in den Urteilsgründen neben der Berechnungsgrundlage zumindest der Mitteilung bedurft, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger in Be-tracht kommt. Denn was das Ergebnis der DNA-Analyse betrifft, bedarf es re-gelmäßig jedenfalls eines Seltenheitswertes im Millionenbereich, um die Überzeugung des Tatrichters zu begründen, dass eine bestimmte Spur vom Ange-klagten herrührt (BGH NStZ 2009, 285).

Die Beweiswürdigung ist aber auch deshalb lückenhaft, weil das Landge-richt sich nicht ausreichend mit der für die Täterschaft des Angeklagten entscheidenden Frage auseinandersetzt, ob zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht. …...

Zunächts: Für alle die, die immer auf die Staatsanwaltschaft und den GBA schimpfen:..“Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung …“.

Und: DNA passt – basta, du warst es, geht so einfach nicht.

 

Kinderpornografie und DNA-Feststellung

§ 81g StPO lässt die DNA-Feststellung für zukünftige Verfahren zu. Voraussetzung ist eine Wiederholungsgefahr.

Das LG Darmstadt, Beschl. v. 28.03.2011 – 3 Qs 152/11 geht dazu davon aus, dass eine einmalige Aburteilung wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften nicht Annahme der Wiederholungsgefahr für eine DNA-Feststellung rechtfertig. Für die Anordnung einer Körperzellenentnahme für eine DNA-Untersuchung nach einem Sexualdelikt reiche das Vorliegen einer abstrakten Wahrscheinlichkeit eines künftigen Strafverfahrens nicht aus. Die Wahrscheinlichkeit sei aufgrund von Umständen des Einzelfalls, die sich aus der Art oder Ausführung der jeweiligen Taten, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstigen Erkenntnissen ergeben, durch das jeweils befasste Gericht konkret festzustellen. Insofern dürfe eine Negativprognose im Sinne der Rechtmäßigkeit einer solchen Entnahme nicht in abstrakter Weise allein deswegen angenommen werden, weil der Betroffene wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften verurteilt worden sei, wenn weitere Anhaltspunkte für eine Fortschreibung der Anlasstat nicht ersichtlich sind.

Also: Konkrete Einzelfallprüfung ist angesagt.

Zwei Fremdschamhaare, oder: Kombinierte Analyse von Kern-DNA und mitochondrialer DNA

Große Bedeutung misst der BGH offenbar seiner Entscheidung v. 03.11.2010 – 1 StR 520/10 bei. Das zeigt sich daran, dass sie zur Aufnahme in die amtliche Sammlung BGHSt bestimmt ist.

Stellung genommen hat der BGH zum Beweiswert einer kombinierten Analyse von Kern-DNA und mitochondrialer DNA. Zu entscheiden war über ein Urteil des Landgerichts Landshut, mit dem der Angeklagte jetzt wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war, nachdem ein zuvor erfolgter Freispruch durch das LG vom BGH auf die staatsanwaltschaftliche Revision kassiert und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen worden war (BGHSt 54, 15).

Dieses „zweite“ Urteil stützte sich auf die DNA-Untersuchungen von zwei an der Unterhose bzw. an den Strümpfen des Opfers sichergestellten Fremdschamhaaren. Nach der SV-Analyse stammte die aus der Wurzel eines Haares gewonnene Kern-DNA, d.h. die im Kern der menschlichen Zelle vorhandene Erbsubstanz, 1.000 Mal wahrscheinlicher vom Angeklagten als von einer anderen Person. Da das zweite Haar keine Wurzel mehr aufwies, konnte insofern nur die außerhalb des Kerns in den Mitochondrien enthaltende DNA (sog. mitochondriale DNA [mtDNA] ) untersucht werden. Insoweit ergab sich, dass diese – sowie ebenso die aus dem anderen Haar gewonnene – mtDNA 4.591 Mal wahrscheinlicher vom Angeklagten stammte als von einer anderen nicht über die mütterliche Linie mit ihm verwandten Person mit zufällig derselben Sequenz.

Der BGH führt aus, dass zur Bestimmung dieser Wahrscheinlichkeit auf die nach wissenschaftlichen Maßstäben geführte Innsbrucker Datenbank EMPOP zurückgegriffen werden durfte. Denn in diese finden für die forensische Verwendung nur randomisierte Einzelproben Eingang, d.h. solche, die bereits auf der Basis von Populationsstudien erhoben worden sind, so dass die Datenbank einen repräsentativen Querschnitt der in Europa vorkommenden mtDNA-Sequenzen enthält.

Insofern ebenfalls sachverständig beraten durfte das Landgericht zudem zu der Einschätzung gelangen, dass die genannten Untersuchungsergebnisse der beiden unterschiedlichen Arten von Erbsubstanzen (UA S. 77) im Sinne der Produktregel dergestalt voneinander unabhängig sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 323; Beschluss vom 5. Februar 1992 – 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601, 602), dass sie als Faktoren miteinander kombiniert werden können. Es konnte daher im Rahmen seiner Beweiswürdigung als gewichtiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten ansehen, dass die sichergestellten Schamhaare im Ergebnis 4.591.000 Mal wahrscheinlicher von diesem stammen als von einer anderen, nicht über die mütterliche Linie mit ihm verwandten Person.