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Vorsicht beim genetischen Fingerabdruck

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in zwei Fällen die Anwendung der Bestimmung des § 81g Abs. 1 StPO für verfassungswidrig erklärt. Diese Entscheidung erfolgte im Anschluss an die grundsätzliche Billigung der Vorschriften über den „genetischen Fingerabdruck“ bei verurteilten Straftätern (Beschluss vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 -, BVerfGE 103, 21; dazu Pressemitteilung Nr. 8/2001 vom 18. Januar 2001).

Die zwei Beschwerdeführer waren jeweils zu Freiheitsstrafen auf  Bewährung verurteilt worden. Die Amtsgerichte hatten die Entnahme von Speichel- oder Blutproben und die Speicherung des „genetischen Fingerabdrucks“ auf der Grundlage von § 81g Abs. 1 StPO angeordnet. Die Rechtsmittel der Beschwerdeführer blieben erfolglos. Gegen die
Entscheidungen der Amts- und Landgerichte hatten die Beschwerdeführer jeweils Verfassungsbeschwerde erhoben.

Die Beschlüsse der Amts- und Landgerichte verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Die Begründungen der Beschlüsse lassen jeweils nicht erkennen, dass die
erforderliche umfangreiche und gründliche Prüfung des Einzelfalls durchgeführt worden ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Speicherung des „genetischen Fingerabdrucks“ nur bei angemessener Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angeordnet werden darf. Dazu ist das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen jeweils einzelfallbezogen darzulegen. In die vorzunehmende Würdigung ist insbesondere eine Strafaussetzung zur Bewährung einzubeziehen, die nicht automatisch die
negative Prognose ausschließt. Will das Gericht von der im Rahmen der Bewährungsentscheidung getroffenen positiven Prognose abweichen, muss dies jedoch im Einzelnen begründet werden.

Im Fall 2 BvR 400/09 hat die Kammer zudem beanstandet, dass die Prognose, der Beschwerdeführer werde auch künftig Straftaten begehen, mit früheren Verurteilungen begründet worden war, die nach den einschlägigen Bestimmungen des Bundeszentralregistergesetzes zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht mehr verwertet werden durften.

Beschluss v. 22. Mai 2009 – 2 BvR 287/09, 2 BvR 400/09

Richtervorbehalt bei der Blutprobe: Ruf nach dem Gesetzgeber?

Man ist ja schon erstaunt, wohin es mit dem Richtervorbehalt bei der Blutprobe (§ 81a Abs. 2 StPO) geht bzw. gehen soll. Nachdem wir nun die damit zusammenhängenden Fragen seit gut zwei Jahren diskutieren, eine klare Linie in der Rechtsprechung letztlich nicht zu erkennen ist – Beweiserhebungsverbot ja, Beweisverwertungsverbot nein, nachdem das BVerfG wohl über seine erste Entscheidung vom 12.02.2007 und den darauf zurückführenden Sturm in der Rechtsprechung wohl erschrocken ist und im Sommer des vergangenen Jahres zurückgerudert ist – kommt jetzt das, was kommen muss: Der Ruf nach dem Gesetzgeber.

Das ist ja so einfach (vgl. z.B. die Postings im Blog bei www.jurabilis.de; aber auch Krumm in der ZRP 2009, 71). Ist das wirklich der Weisheit letzter Schluß?. Wir beachten (alle) einen Richtervorbehalt jahrelang nicht, dann wird seine Beachtung durch das BVerfG angemahnt und dann rufen wir nach dem Gesetzgeber, der eine jahrelange rechtswidrige Praxis dadurch sanktionieren soll, dass er den Richtervorbehalt bei der Blutprobe abschafft. Das ist also der Stein des Weisen?. Aber: Wir öffnen damit Tür und Tor. Das ist nämlich der Weg/der Einstieg in eine „StPO-light“, die in bestimmten Verfahren dann zur Anwendung kommen soll. Und wenn sie dann immer noch „zu heavy“ ist, dann ändern wir eben das Gesetz noch einmal.

„Amüsant“ in dem Zusammenhang auch der Hinweis (?) eines Amtsrichters auf www.jurabilis.de:

Die Beachtung des Richtervorbehalts führt zu erheblichen Verfahrensverzögerungen.

Das ist die unverhohlene Drohung mit längerer Verfahrensdauer……Und das ist derzeit in vielen Bereichen ein Totschlagargument.

Vorratsdatenspeicherung

Die Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache zur Vorratsdatenspeicherung wird noch auf sich warten lassen. Das BVerfG hatte im März 2008 im vorläufigen Verfahren beschlossen, dass die Telekommunikationsfirmen Verbindungs- und Standortdaten der Nutzer verdachtsunabhängig sechs Monate vorhalten müssen, Sicherheitsbehörden darauf aber nur zur Verfolgung schwerer Straftaten zugreifen dürfen. Im Oktober 2008 hat es dann die Befugnisse zum Datenabruf zur präventiven Gefahrenabwehr für Strafverfolger und Geheimdienste beschränkt. Jetzt hat das BVerfG mit Beschluss vom 22.04.2009 seine Auflagen zum eingeschränkten Zugriff auf Vorratsdaten per einstweiliger Anordnung um weitere sechs Monate – längstens bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde – verlängert. Das bedeutet: Man ist noch nicht so weit.

BVerfG (ein wenig) gegen BGH?

Jetzt hat sich auch das BVerfG (noch einmal) mit der Verfahrensverzögerung auseinandergesetzt. In seiner Entscheidung vom 10.03.2009 – 2 BvR 49/09 – hat es der 2. Senat nicht beanstandet, dass das LG Mannheim trotz der inzwischen vom BGH vertretenen Vollstreckungslösung in einem „Übergangsfall“ noch die frühere Kompensationslösung angewendet hatte. Allerdings war das Urteil des LG vor der Entscheidung des Großen Senats in Strafsachen und der darin vollzogenen Wende in der Rechtsprechung ergangen. Insbesondere in diesen Fällen müsse das tatrichterliche Urteil nicht allein deshalb aufgehoben werden, um den Strafausspruch von der Strafzumessungs- auf die Vollstreckungslösung umzustellen. Anders hatte der 3. Strafsenat des BGH in seinem Beschl. v. 13.02.2008 – 3 StR 563/07 – entschieden. Er hatte in einem „Übergangsfall“ den landgerichtlichen Strafausspruch aufgehoben und statt der Strafzumessungslösung die Vollstreckungslösung angewendet.

Auskünfte von Kreditkartenunternehmen

Wir haben in StRR 2008, 231 über eine Entscheidung des AG Halle berichtet, in der es um die Zulässigkeit des Einholens von Kreditkartenauskünften bei den ausstellenden Unternehmen durch die StA ging, und zwar in einer Form, die der Rasterfahndung ähnlich ist. Das wurde vom AG – und später vom LG – Halle als zulässig angesehen. Mit der Frage hatte sich dann auch das BVerfG zu befassen. Dieses hat jetzt durch Beschluss vom 17. 2. 20092 BvR 1372/07 und 2 BvR 1745/07 – die Frage positiv beantwortet. Die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgende Einstellung von Kreditkartendaten in einen maschinellen Suchlauf stellt danach noch keinen Eingriff in das Recht der betroffenen Kreditkarteninhaber auf informationelle Selbstbestimmung dar. Denn es sei möglich, dass die Daten mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien nicht als Treffer angezeigt und der Staatsanwaltschaft daher auch nicht übermittelt werden. Das BVerfG hat auch die Anwendung der Vorschriften über die Rasterfahndung verneint. Ein weiterer Schritt zur heimlichen Überwachung. Man weiß inzwischen schon gar nicht mehr, wo noch alles nach Informationen „gefischt“ wird.