Schlagwort-Archive: BVerfG

Corona: Versammlungsfreiheit, oder: Das BVerfG vermisst eine einzelfallbezogene Ermessensausübung

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Starten wir in die 17. KW. mit dem Thema, mit dem wir die 16. KW. beendet haben. Ja, mit Corona – ein anderes Thema gibt es ja kaum noch. Und ich starte in dem Zusammenhnag mit dem BVerfG, Beschl. v. 17.04.2020 – 1 BvQ 37/20, für mich der Beweis/das Zeichen, dass der Rechtsstaat auch in diesen schwierigen Zeiten funktioniert. Man muss nur auf der Klaviatur spielen können. Aber das ist immer Voraussetzung für (ausreichenden) Rechtsschutz.

Bei der Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BVerfG zu zwei in Stuttgart geplanten Versammlungen. Die waren am 10.04.2020 für den 15. und den 18.04.2020 bei der Stadt Stuttgart angemeldet worden. Zu deren Reaktion wird im Verfahren dann vorgetragen:

Corona-Virus, oder: Erfolglose Eilanträge im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim BVerfG

Bild von Vektor Kunst auf Pixabay

Und noch mal Corona 🙂 . Gerade läuft die PM 23/2020 vom 08.04.2020 des BVerfG über die Ticker. Überschrifft: „Erfolglose Eilanträge im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie“. In der heißt es:

„Beschluss vom 07. April 2020
1 BvR 755/20

I. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung der bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen und über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie abgelehnt. Der Antragsteller hielt die Verbote, Freunde zu treffen, seine Eltern zu besuchen, zu demonstrieren oder neue Menschen kennenzulernen, für zu weitgehend. Der Antrag war zwar nicht wegen des Grundsatzes der Subsidiarität unzulässig, da die vorherige Anrufung der Fachgerichte derzeit offensichtlich aussichtslos ist, denn diese haben bereits in anderen Verfahren den Erlass einstweiliger Anordnungen abgelehnt. Er war aber unbegründet. Die Kammer hatte im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden, wobei die Auswirkungen auf alle von den angegriffenen Regelungen Betroffenen zu berücksichtigen waren. Danach sind die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung ergeben, wenn sich die angegriffenen Maßnahmen im Nachhinein als verfassungswidrig erwiesen, zwar von besonderem Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Maßnahmen außer Kraft träten, sich aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würden. Die Gefahren für Leib und Leben wiegen hier schwerer als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Zwar beschränken die angegriffenen Maßnahmen die Grundrechte der Menschen, die sich in Bayern aufhalten, erheblich. Sie schreiben vor, den unmittelbaren körperlichen Kontakt und weithin auch die reale Begegnung einzuschränken oder ganz zu unterlassen, sie untersagen Einrichtungen, an denen sich Menschen treffen, den Betrieb, und sie verbieten es, die eigene Wohnung ohne bestimmte Gründe zu verlassen. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch unumkehrbaren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt und etwaige Verstöße gegen sie auch zu Unrecht geahndet worden.

Erginge demgegenüber die einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, würden sich voraussichtlich sehr viele Menschen so verhalten, wie es mit den angegriffenen Regelungen unterbunden werden soll, obwohl die Verhaltensbeschränkungen mit der Verfassung vereinbar wären. So würden dann Einrichtungen, deren wirtschaftliche Existenz durch die Schließungen beeinträchtigt wird, wieder öffnen, Menschen ihre Wohnung häufig verlassen und auch der unmittelbare Kontakt zwischen Menschen häufig stattfinden. Damit würde sich aber auch die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach derzeitigen Erkenntnissen erheblich erhöhen.

Eine geltende Regelung kann im Eilrechtsschutz nur ausnahmsweise außer Vollzug gesetzt werden; dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach diesem erscheinen die Folgen der angegriffenen Schutzmaßnahmen zwar schwerwiegend, aber nicht im geforderten Maß unzumutbar. Es erscheint nicht untragbar, sie vorübergehend zurückzustellen, um einen möglichst weitgehenden Schutz von Gesundheit und Leben zu ermöglichen, zu dem der Staat grundsätzlich auch nach der Verfassung verpflichtet ist. Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben wiegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit weniger schwer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Regelungen befristet sind, bezüglich der Ausgangsbeschränkungen viele Ausnahmen vorsehen und bei der Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu tragen ist.

II. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrere Entscheidungen zu Sachverhalten veröffentlicht, die Bezüge zur COVID-19-Pandemie aufweisen. So hat die 2. Kammer des Zweiten Senats einstweilige Anordnungen betreffend die Aufhebung mehrerer Hauptverhandlungstermine wegen der behaupteten Gefahr einer Corona-Infektion abgelehnt, weil dem Grundsatz der Subsidiarität nicht Genüge getan war beziehungsweise die Antragsschrift nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügte (Az. 2 BvR 474/20, 2 BvR 483/20 und 2 BvR 571/20 ) Die 1. Kammer des Ersten Senats hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ein infektionsschutzrechtliches Versammlungsverbot als unzulässig abgelehnt, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes nicht in Anspruch genommen hatten (1 BvR 661/20), und einen weiteren derartigen Antrag abgelehnt, weil das Rechtsschutzbedürfnis nicht hinreichend begründet war (1 BvR 742/20). Zudem hat die Kammer eine Verfassungsbeschwerde gegen die Berliner Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus nicht zur Entscheidung angenommen, da diese den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht genügte (1 BvR 712/20). Schließlich hat die 3. Kammer des Ersten Senats eine Verfassungsbeschwerde gegen die Begrenzung der Kündigungsmöglichkeiten durch Vermieter im Rahmen der Neuregelungen zur COVID-19-Pandemie nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht genügte (1 BvR 714/20).“

Damit dürften die Fragen zunächst mal geklärt sein. Und jetzt nicht mehr nur unzulässig, sondern unbegründet. Daher sollte man sich gut überlegen was man tut (vgl. auch hier: Findet „Shutdown“ verfassungswidrig Anwältin will gegen Corona-Verordnungen vor Gericht – jetzt wird gegen sie ermittelt).

U-Haft I: Keine U-Haft im „Augsburger Königsplatz-Fall“, oder: Deutliche Worte vom BVerfG

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

An sich hatte ich heute einen OWi-Tag vorgesehen. Aber ich habe mich umentschieden und bringe drei Entscheidungen zur U-Haft.

An der Spitze der BVerfG, Beschl. v. 09.03.2020 – 2 BvR 103/20. Der ist im sog. Augsburger Königsplatzfall ergangen. In dem wird u.a. gegen den 17-jährigen Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum Totschlag und der gefährlichen Körperverletzung geführt. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen „als Teil einer Gruppe von sieben Personen am 6. Dezember 2019 gegen 22.40 Uhr im Bereich des Königsplatzes in Augsburg auf die von einem Besuch des Weihnachtsmarkts kommenden Geschädigten S. und M. getroffen zu sein. Der Beschwerdeführer und die Mitbeschuldigten hätten bereits seit geraumer Zeit freundschaftliche Kontakte gepflegt und sich als Ausdruck der Zusammengehörigkeit gemeinsam mit weiteren Personen als Gruppe den Namen „Oberhausen 54“ gegeben. Nachdem sich zunächst ein Wortwechsel zwischen dem Geschädigten S. und einer oder mehrerer Personen aus der Gruppe entwickelt habe, hätten der Beschwerdeführer und die Mitbeschuldigten den Geschädigten S. umzingelt, um diesen einzuschüchtern. Alle Beschuldigten seien zu diesem Zeitpunkt jederzeit bereit gewesen, den Geschädigten S. entweder selbst gewaltsam zu attackieren oder ein anderes Gruppenmitglied bei jedweder Art auch massiver Gewalthandlungen gegen den Geschädigten zu unterstützen, sei es verbal, körperlich oder auch durch schiere physische Präsenz und Demonstration der Überlegenheit der Gruppe gegenüber dem allein in ihrer Mitte stehenden Geschädigten S. Auf diese Weise hätten der Zusammenhalt und die zahlenmäßige Überlegenheit der Gruppe jedem der Beschuldigten ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt, einhergehend mit einer erhöhten Bereitschaft, Aggressionen gegenüber dem Opfer hemmungslos auszuleben und sich zu solchen durch die übrigen Gruppenmitglieder angestachelt zu fühlen. Dies sei auch jedem von ihnen bewusst gewesen.2

Das AG Augsburg hatte gegen den Beschuldigten U-Haft angeordnet, die dagegen gerichtete Haftbeschwerde des Beschuldigten hatte beim LG Erfolg, das LG hat den dringenden Tatverdacht verneint. Dagegen dann die weitere Beschwerde der StA, die dazu geführt hat, dass das OLG den Haftbefehl wieder erlassen hat. Und dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, die zur Aufhebung des Haftbefehls und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG geführt hat.

Das BVerfG führt – nachdem es zu den Grundsätzen betreffend Haftentscheidungen „referiert“ hat – zur Sache aus:

BVerfG II: Durchsuchung wegen Geldwäscheverdachts, oder: Doppelter Anfangsverdacht

Die zweite Entscheidung des BVerfG, der BVerfG, Beschl. v. 31.01.2020 – 2 BvR 2992/14 – man beachte das Aktenzeichen und das Entscheidungsdatum – behandelt mal wieder eine Frage in Zusammenhang mit der Rechtsmäßigkeit einer Durchsuchungsmaßnahme.

Durchsucht worden ist die Wohnung des Beschuldigten wegen des Verdachts der Geldwäsche. Das BVerfG geht von folgendem Sachverhalt aus:

„1. Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan geboren und lebt in F…, wo er in dem Restaurant seines Bruders als Oberkellner beschäftigt ist. Aufgrund einer Verdachtsmeldung seiner Bank vom 7. November 2012 nach § 11 GwG a.F. leitete die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Aus der Verdachtsmeldung ergab sich, dass zwischen Januar 2010 und Anfang November 2012 insgesamt 58.090 Euro auf das Girokonto des Beschwerdeführers eingezahlt worden waren. Die einzelnen Bareinzahlungen waren sowohl am Schalter als auch am Einzahlungsautomaten vorgenommen worden. Im gleichen Zeitraum waren von dem Konto durch vier Überweisungen insgesamt 16.710 Euro auf ein Auslandskonto nach Pakistan transferiert worden, dessen Inhaber offenbar im Geburtsort des Beschwerdeführers wohnt. Außerdem waren Barauszahlungen am Schalter oder Geldautomaten in Höhe von insgesamt rund 35.000 Euro erfolgt und zwischen Mitte Juli und Anfang September 2011 kleinere Beträge von einem Geldautomaten der Citibank in Lahore/Pakistan abgehoben worden. Im Übrigen gingen aus der Meldung und den mit ihr vorgelegten Kontoauszügen nur wenige andere Kontobewegungen hervor.

Die weiteren Ermittlungen ergaben keine polizeilichen Erkenntnisse über den Beschwerdeführer. Nach einer Auskunft der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts, die sich später als falsch herausstellte, konnten für ihn weder Lohndaten noch eine steuerliche Führung im Bundesgebiet festgestellt werden.

2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 9. September 2013 auf der Grundlage von § 102 StPO die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume des Beschwerdeführers sowie seiner Person und seiner Kraftfahrzeuge wegen des Verdachts der Geldwäsche an. Die Durchsuchung sollte der Auffindung von Aufzeichnungen über Art, Umfang und Hintergründe der von ihm veranlassten Geldbewegungen, unter anderem der Transaktionen nach Pakistan, über Reisen nach Pakistan sowie über Kontaktpersonen und mögliche Geldgeber dienen.

Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass der Beschwerdeführer verdächtig sei, in den Jahren 2010 bis 2012 in 75 Fällen Geldmittel, die mutmaßlich aus Katalogtaten der Geldwäsche herrührten, unter Verwendung seiner Kontoverbindung verborgen und verwahrt sowie deren Herkunft verschleiert zu haben, um sie zur Sicherung vor staatlichen Zugriffen in den legalen Finanzkreislauf zu schleusen. Zwar seien die Vortaten im Sinne des Katalogs des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB derzeit nicht bekannt. Für den Anfangsverdacht einer Geldwäsche sei es allerdings ausreichend, dass eine auf kriminalistische Erfahrung gestützte Vermutung dafür spreche, dass jedenfalls eine verfolgbare Straftat begangen worden sei und die Durchsuchung zum Auffinden der Beweismittel führen werde. Die dem Konto des Beschwerdeführers im Tatzeitraum zugeflossenen Gelder ließen sich keinen legalen Einnahmequellen zuordnen. Der Beschwerdeführer habe davon Beträge in einer Größenordnung von 16.500 Euro direkt auf ein Auslands-konto nach Pakistan transferiert und die Gelder im Übrigen unmittelbar nach ihrer Einzahlung in größeren Beträgen wieder abgehoben und sie mutmaßlich während mehrerer Reisen nach Pakistan verbracht. Dies deute darauf hin, dass das Konto zur Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte verwendet worden sei, zumal nicht zu erkennen sei, dass es in irgendeiner Weise für Geschäfte des täglichen Lebens genutzt werde.

3. Die Durchsuchungsanordnung wurde am 14. Januar 2014 vollzogen. Dabei wurden der Arbeitsvertrag des Beschwerdeführers, die Kopie seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2009, sein Monatsplaner für das Jahr 2011 sowie ein Beleg über einen von einem Dritten veranlassten Bargeldtransfer nach Pakistan in Höhe von 200 Euro sichergestellt. Im Rahmen der Durchsuchung gab der Beschwerde-führer an, dass er wöchentlich etwa 20 Stunden im Restaurant seines Bruders arbeite und 460 Euro im Monat verdiene. Er werde in dem Restaurant verpflegt und wohne in der Wohnung seines Bruders. In Pakistan sei er verheiratet und habe drei Kinder.

Das mit der Durchführung der Durchsuchung betraute Landeskriminalamt vermerkte anlässlich der Rücksendung der Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft unter anderem, dass davon ausgegangen werden müsse, dass der Beschwerdeführer den Großteil seines Lohns „schwarz“ erhalte. Gegen seinen Bruder, den Betreiber des Restaurants, hätten sich wiederholt Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts gerichtet. Insbesondere sei unglaubwürdig, dass ein Oberkellner eines an sieben Tagen der Woche und an zwölf Stunden täglich geöffneten Restaurants lediglich 20 Stunden pro Woche für einen Monatslohn von 460 Euro brutto arbeite. Angesichts der Diskrepanz zwischen der Höhe der Einzahlungen und des von dem Beschwerdeführer erklärten Lohns müsse von erheblichen Schwarzlohnzahlungen ausgegangen werden, so dass gegen den Bruder des Beschwerdeführers ein Anfangsverdacht wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) bestehe.

4. Der Beschwerdeführer legte gegen die Durchsuchungsanordnung noch am 14. Januar 2014 Beschwerde ein und erhob zugleich Widerspruch gegen die Sicherstellung. Er machte geltend, dass eine bloße Ausforschung beabsichtigt gewesen sei. Die Begründung des Beschlusses erschöpfe sich in einer Aneinanderreihung von Vermutungen und Spekulationen. Insbesondere existierten keine Anzeichen für Katalogtaten im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB.

5. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin, die Beschlagnahme des Monatsplaners und des Zahlungsbelegs anzuordnen und die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung festzustellen. Zugleich veranlasste sie die Herausgabe des Arbeitsvertrags und der Kopie der Lohnsteuerkarte, denen sie keine Beweisbedeutung zumaß. Sie hielt einen Anfangsverdacht der Geldwäsche für gegeben. Der Umstand, dass die konkreten Vortaten den Ermittlungsbehörden unbekannt seien, lasse diesen nicht entfallen.

6. Der Beschwerdeführer replizierte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2014. Er führte aus, dass eine Durchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche nur zulässig sei, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für sämtliche Tatbestandsmerkmale vorlägen, was gerade auch die in § 261 StGB genannten Vortaten einschließe. Strafverfolgungsmaßnahmen könnten nicht schon durch die Verschleierung der Herkunft von jedem „schmutzigen“ Geld ausgelöst werden, sondern nur durch die Verschleierung von solchen Geldern, die aus den in § 261 StGB genannten Straf-taten stammten, wofür die bloße Vermutung, das Geld rühre aus solchen Taten her, nicht ausreichend sei. Beim Verdacht der Geldwäsche müsse in einem Durch-suchungsbeschluss daher auch die Vortat ausreichend beschrieben werden. Insofern stützte er sich unter anderem auf den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2006 – 2 BvR 950/05 -.

7. Mit Beschluss vom 10. März 2014 stellte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung aufgrund des Beschlusses vom 9. September 2013 fest und ordnete die Beschlagnahme des Monatsplaners und des Zahlungsbelegs an. Die Voraussetzungen der §§ 102, 105 StPO hätten bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vorgelegen. Insbesondere habe ein Anfangsverdacht für eine Straftat nach § 261 StGB bestanden, auch wenn die konkreten (Vor-)Taten noch unbekannt gewesen seien.“

Der Beschuldigte hat Rechtsmittel eingelegt, die keinen Erfolg hatten. Inzwischen ist nach weiteren Ermittlungen das Ermittlungsverfahren im Januar 2015 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der Monatsplaner und der Zahlungsbeleg wurden mit Einverständnis des ehemaligen Beschuldigten vernichtet.

Die Verfassungsbeschwerde des ehemaligen Beschuldigten hatte dann aber teilweise Erfolg. Auch diese Entscheidung bitte selbst lesen. Hier nur die maßgeblichen Punkte, die man wie folgt fassen kann:

Für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche ist nicht nur ein Anfangsverdacht für die Geldwäschehandlung erforderlich, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Katalogvortat i.S.v. § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB, also quasi ein „doppelter Anfnagsverdacht“.

Es müssen daher auch über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen. Es genügt nicht, wenn nur angenommen wird, dass das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand aus irgendeiner Straftat stamme.

BVerfG I: Nicht zustande gekommene Verständigung, oder: Inhalt der Mitteilungspflicht

© Klaus Eppele – Fotolia.com

Zum Auftakt der KW 11/2020 zwei Entscheidungen des BVerfG.

Zunächst hier das BVerfG, Urt. v. 04.02.2020 – 2 BvR 900/19, zu dem das BVerfG ja auch bereits eine einstweilige Anordnung erlassen hatte (vgl. hier den BVerfG, Beschl. v. 19.08.2010 – 2 BvR 900/19). In dem BtM-Verfahren geht es um eine die Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Der Angeklagte hat eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht. Im Berufungsverfahren sei gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO verstoßen worden.

Grundlage ist folgendes Verfahrensgeschehen: