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Bewährungsstrafe für Opa – Banküberfall für kranke Enkelin

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Die Tagespresse (vgl. u.a. hier) berichtete in den letzten Tagen über die Verurteilung eines 60-jährigen wegen eines versuchten Banküberfalls. Bei dem Täter handelte es sich um einen 60-jährigen Großvater hatte, der in Ostwestfalen eine Bank überfallen hatte, um seiner schwer kranken Enkelin mit der Beute zu helfen. Die war nämlich war mit einem Herzfehler zur Welt gekommen und schon mehrmals operiert worden. Die Krankenkasse zahlte inzwischen nicht mehr für die Therapien.

Der Großvater ist zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Begründung des LG Bielefeld: Zwar schwere räuberische Erpressung, aber Versuch und ehrenwertes Motiv.

Aber hallo: BGH gewährt selbst Bewährung – das ist selten

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Das ist nun sicherlich selten, dass der BGH als Revisionsgericht selbst eine nicht gewährte Bewährung gewährt. So im BGH, Beschl. v. 31.07.2012 – 5 StR 135/12 -und dann auch noch im Beschlussweg. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Senat beim OLG, dem ich angehört habe, das mal gemacht hat. Aber der BGh ist eben immer wieder für Überraschendes gut :-). Die Begründung:

Die bei der Prüfung der Frage nach dem Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorzunehmende Gesamtwürdigung (vgl. hierzu Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56 Rn. 23 mwN) ist dem Urteil nicht ausreichend zu entnehmen. Im Rahmen ihrer sonst zutreffenden Erwägungen hat die Wirtschaftsstraf-kammer besondere, für die Beurteilung der Strafaussetzung bedeutsameGesichtspunkte außer Acht gelassen. Die Angeklagte stand bei Begehung der Taten in einem erheblichen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem intensiv und in zentraler Funktion an den Wirtschaftsstraftaten beteiligten Ehemann. Erst hierdurch ist die zuvor nicht straffällig gewordene Angeklagte zur Tatbegehung veranlasst worden. Ferner war sie infolgedessen einem Strafverfahren ausgesetzt, das im Verhältnis zu ihrer eigenen strafrechtlichen Verstrickung einen überaus großen Umfang aufwies. Unter Berücksichtigung dieser nicht bedachten Umstände sieht der Senat die Entscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB als ermessensfehlerhaft an und setzt seinerseits die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung aus. Die Feststellung von Umständen, die bei zutreffender Würdigung der vorgenannten Aspekte gleichwohl eine Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen könnten, ist im Rahmen einer erneuten Hauptverhandlung nicht zu erwarten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2011 – 5 StR 514/09, in BGHSt 56, 174 insoweit nicht abgedruckt). Die Nebenentscheidungen bleiben dem Landgericht vorbehalten.

Und: Die Bewährung bringt ein Viertel der Kosten.

Strafaussetzung zur Bewährung: Die „Wertigkeit“ eines Geständnisses

Der OLG Bamberg, Beschl. v.  21. 3. 2012 – 3 Ss 34/12 – befasst sich mit den in der Praxis immer wieder relevanten Fragen der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB). Da hatte das LG nach Auffassung des OLG nicht sauber gearbeitet, so dass das OLG die Rechtsfolgenentscheidung des LG aufgehoben hat und wie folgt in den Leitsätzen zu den Bewährungsfragen Stellung nimmt:

1. Besondere Umstände i.S.v.. § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB dürfen nicht mit der Begründung ver­sagt werden, einem Geständnis komme – etwa auf­grund der Betreffenssituation – nur eingeschränkte „Wertigkeit“ zu (u.a. Anschluss an BGH StraFo 2010, 207 und NStZ 2009, 441 = StraFo 2009, 342).

 2. Die Bedeutung eines Tatgeständnisses bei der Bewährungsentscheidung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB darf nicht mit der Begründung relativiert werden, es fehle ihm an ‚Schuldeinsicht’ oder ‚Reue’.

 3. Schon ein Zusammentreffen lediglich durchschnittlicher und für sich betrach­tet einfa­cher Milde­rungsgründe kann die Bedeutung besonderer Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB erlangen. Hierbei sind auch solche Milderungs­gründe zu be­rücksich­tigen, die (schon) bei der konkreten Strafhöhe oder der Prognose­entschei­dung herangezogen worden sind (u.a. Anschluss an BGH StV 2009, 695 f. = NStZ 2010, 147 f.).

 4. Für das Vorliegen besonderer Umstände i,S.v. § 56 Abs. 2 StGB ist ausreichend, dass Milderungsgründe von besonderem Gewicht vorliegen, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Un­rechtsgehalts der Tat, der sich in der Strafhöhe wider­spiegelt, als nicht unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interes­sen zuwiderlau­fend erscheinen lassen. Dass diese Milderungsgründe der Tat darüber hinaus ‚Aus­nahmecharakter‘ ver­leihen, verlangt § 56 Abs. 2 nich (u.a. Anschluss an BGH StV 2009, 695 f. = NStZ 2010, 147 f. und BGH NStZ 2009, 441 = StraFo 2009, 342).

 Zum Leitsatz 1 und zur „Wertigkeit“ führt das OLG dann im Einzelnen aus:

aa) Als rechtsfehlerhaft erweist sich schon, dass sich das LG angesichts der Zubilligung einer günstigen Sozialprognose im Sinne von § 56 I StGB bei der anschließenden Ver­neinung besonderer Umstände im Sinne von § 56 II 1 StGB maßgeblich von einer sei­ner Auffassung nach nur eingeschränkten „Wertigkeit“ des Geständnisses hat leiten lassen. Aus dem Zusammenhang der Strafzumessungs­gründe ergibt sich nämlich, dass hiermit zunächst auf die Betreffenssituation des Angekl. anlässlich seiner polizeilichen Kontrolle am Tattag abgestellt wird. Die Beru­fungskammer ist deshalb bereits im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne davon ausgegangen, dass „das Geständnis […] jedoch in seinem ‚Wert‘ insoweit relati­viert werden“ müsse, „als es in einer Situation erfolgt ist, als nach Auffinden des Am­phetamins in der Mittelkonsole die (weitere) gezielte Durchsuchung des Fahrzeugs angekündigt worden war mit der Folge, dass der Angeklagte mit dem Auffinden des Marihuanas rechnen musste“, zumal der Angekl. „mit seinem eigenen Fahrzeug allein unterwegs war, weswegen auch die Zuordnung der Betäu­bungsmittel zu seiner Person zumindest sehr nahe gelegen hat“. Von einer nur eingeschränkten „Wertigkeit“ des Geständnisses ist nach Auffassung des LG weiterhin aber auch deshalb auszugehen, weil der Angekl. „zwar den Vorwurf einge­räumt“ hat, jedoch „seinen emotionslosen Ausführungen darüber hinaus­gehende Schuldeinsicht und Reue nicht entnommen werden“ konnten. Beide Begründungsvari­anten für die mindere „Wertigkeit“ des Geständnisses des Angekl. laufen im Ergebnis darauf hinaus, die Verneinung besonderer Umstände im Sinne von § 56 II 1 StGB in rechtsfehlerhafter Weise mit Inhalt und Umfang des Tatgeständnisses bzw. dem Fehlen einer von „Schuldeinsicht und Reue“ getrage­nen Motivation für seine Abgabe und damit letztlich mit einer von dem Angekl. berechtigt verfolgten Verteidigungsstrategie zu be­gründen, was auch dann unzulässig wäre, wenn der Angekl. die ihm zur Last gelegte Tat bestritten hätte (BGH StraFo 2010, 207; BGH NStZ 2009, 441 = StraFo 2009, 342; Beschluss vom 07.02.2007 – 2 StR 17/07 [bei juris] und schon BGH NStZ-RR 2003, 264 = StV 2003, 669 f.; vgl. auch Fi­scher StGB 59. Aufl. § 56 Rn. 20 und 23, jeweils a.E.).

Schmuggel = Steuerhinterziehung, zumindest bei der Strafhöhe

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Der BGH meldet mit PM vom 22.0.50.2012 die Aufhebung eines Urteils gegen zwei wegen Schmuggels von gefälschten iPhones und MP3-Playern verurteilte Chinesen (Urt. v. 11.05.2012 – 1 StR 103/12). Diese müssen jetzt möglicherweise mit härteren Strafen rechnen. Der BGH hat das Bewährungsurteil auf. Der 1. Strafsenat betonte, dass – wie bei Steuerhinterziehung – auch beim Schmuggel nur in Ausnahmefällen eine Bewährungsstrafe möglich ist, wenn der Schaden mehr als eine Million € beträgt.

Der Bundesgerichtshof hob damit das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des LG. Die Beschränkung der Revisionen auf den Rechtsfolgenausspruch sei unwirksam, weil die Feststellungen zu den Taten so „knapp, unvollständig und insgesamt so unklar waren, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung sein konnten“,

Die beiden Angeklagten hatten zwischen 2008 und 2010 Elektronikgeräte nach Deutschland eingeführt und dabei Einfuhrumsatzsteuer von insgesamt mindestens 1.088.933 € hinterzogen.

Die Geräte waren bei der Einfuhr nach Deutschland in funktionslose Netzteile verpackt und wurden beim Zoll entsprechend als Netzteile deklariert. Das Landgericht Hamburg hatte die beiden zu Bewährungsstrafen von zwei Jahren beziehungsweise einem Jahr und vier Monaten verurteilt, die Staatsanwaltschaft hatte Revision eingelegt, um eine härtere Strafe zu erreichen.

Die Karlsruher Richter hoben das Urteil komplett auf und entsprachen dem Antrag von Verteidiger Gerhard Strate. Dennoch könnten den Angeklagten härtere Strafen drohen. Nach Ansicht des BGH gelten die Grundsätze zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe in gleicher Weise auch für den Schmuggel – einem Qualifikationstatbestand der Steuerhinterziehung. Demnach sei, darauf wies der BGH ausdrücklich hin, nur in Ausnahmefällen eine Bewährungsstrafe möglich, wenn der Zoll um mehr als eine Million € geprellt wird.

 

„… bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen…“

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Wenn einem Angeklagten vom Tatgericht erst mal Bewährung (§ 56 StGB) gewährt worden ist, dann ist zwar noch nicht der Krieg, aber doch eine wesentliche Schlacht gewonnen. Denn, wenn dann die StA gegen die Bewährungsentscheidung in die Revision geht, wird es für sie nicht so einfach. Hat das Tatgericht keine (wesentlichen) Fehler gemacht, hat die Bewährungsentscheidung nicht immer, aber meist Bestand.

Das zeigt noch einmal das BGH, Urt. v.25.04.2012 – 5 StR 17/12:

Das Tatgericht hat dem Angeklagten anders als den beiden Mitangeklagten, die ihre Taten während laufender Bewährung begangen haben, ungeachtet seiner Vorstrafen eine günstige Kriminalprognose zugebilligt. Diese Entscheidung, die auf den derzeitigen Lebensumständen des Angeklagten und maßgeblich auf dem von ihm in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruht, hat das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Mai 2002 – 1 StR 48/02, insoweit in StV 2003, 81 nicht abgedruckt; 10. Juni 2010 – 4 StR 474/09, Rn. 34; 22. Juli 2010 – 5 StR 204/10, NStZ-RR 2010, 306, 307; 10. November 2010 – 5 StR 424/10). Diese Grenze ist gewahrt. Wesentliche Lücken oder Widersprüche im Zusammenhang mit der Strafaussetzungsfrage lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen.

An den persönlichen Eindruck kommt das Revisionsgericht natürlich nicht ran – wenn er ausreichend belegt ist.

Ach so: Warum ein Urteil des BGH? Es handelte sich um eine zu Lasten eingelegte Revision der StA.