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Was hat der „Jahrestag des Kriegsendes“ mit der Fertigung eines Schriftsatzes zu tun?

Die Antwort auf die Frage in der Überschrift: „Was hat der „Jahrestag des Kriegsendes“ mit der Fertigung eines Schriftsatzes zu tun?“ lautet schlicht: Nichts, und hat dazu geführt, dass das OLG Hamm – in einem Zivilverfahren – bei einem Richter, der in der mündlichen Verhandlung so einen verspätet eingegangenen Schriftsatz kommentiert hatte, die Besorgnis der Befangenheit bejaht hat. Genau hat der Richter sich wie folgt geäußert: „es sei schön, dass sich der Beklagtenvertreter noch am 08.05.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes, die Mühe gemacht habe, einen Schriftsatz zu fertigen“.

Dazu das OLG Hamm, Beschl. v. 06.10.2011 – I-32 W 19/11:

Kommentiert ein Richter den Eingang einer Klageerwiderung, die außerhalb der hierfür gesetzten Frist zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung erstellt worden ist, mit den Worten „es sei schön, dass sich der Beklagtenvertreter noch am 08.05.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes, die Mühe gemacht habe, einen Schriftsatz zu fertigen“, so stellt dies eine verbale Entgleisung und grobe Unsachlichkeit dar und kann nach den Umständen des Einzelfalls die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.“

Und:

„Der Senat verkennt hierbei nicht, dass es bei einer verspäteten Vorlage von Schriftsätzen – insbesondere in oder unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung – zu Auseinandersetzungen zwischen Prozessbevollmächtigten und Gericht kommen kann, die eine gereizte Reaktion verständlich machen können. Der Richter ist dann nicht verpflichtet, gänzlich emotionslos zu reagieren und kann seinen Unmut durchaus mit deutlichen Worten und offen zum Ausdruck bringen. Er muss aber die Grenzen einer zulässigen Wortwahl beachten und darf sich nicht – wie im vorliegenden Fall geschehen – zu einer verbalen Entgleisung und groben Unsachlichkeit hinreißen lassen...“

Kein Familienbetrieb LG/BGH? :-)

Auf der Homepage des BGH ist erst heute (man fragt sich warum) BGH, Beschl. v. 26.05.2011 – 5 StR 165/11 eingestellt worden, der sich mit einer Ablehnungsfrage befasst. Der Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof B. [Basdorf?] hatte gemäß § 30 StPO angezeigt, dass seine Tochter im Verfahren vor dem LG Hamburg als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft tätig war. Dazu der Senat:

Der Angeklagte hat sich zu dem angezeigten Umstand nicht geäußert. Mit dem Generalbundesanwalt erkennt der Senat keinen Grund anzunehmen, dass der Vorsitzende Richter wegen der Mitwirkung seiner Tochter eine Haltung einnehmen könnte, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 24 Rn. 8 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung betrifft das von unabhängigen Richtern erlassene Urteil des Landgerichts. Welcher Sitzungsstaatsanwalt am Verfahren mitgewirkt hat, ist hierbei in der Regel ohne Bedeutung und vermag deshalb die Einstellung des das Urteil prüfenden Revisionsrichters nicht zu beeinflussen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Mai 1998 – 1 StR 171/98 zum ähnlichen Fall eines Bruders eines Senatsvorsitzenden, der als Nebenklägervertreter im Ausgangsverfahren tätig geworden war).

Also: Kein Familienbetrieb. Allerdings m.E. auch richtig. Denn die Tochter war nur Staatsanwältin im Ausgangsverfahren

„die Kammer steht grundsätzlich dazu, was sie sagt“ – kein Grund zur Ablehnung

Das Urt. des BGH v. 14.04.2011 – 4 StR 571/10 behandelt den m.E. eher selteneren Fall, dass die Staatsanwaltschaft das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Und zwar in Zusammenhang mit (gescheiterten) Verständigungsgesprächen, mit deren „Ergebnis“ die StA dann wohl nicht zufrienden war.

Der BGH behandelt in der Entscheidung drei Fragen, nämlich

  1. die mögliche Befangenheit der Schöffen,
  2. die mögliche Befangenheit der Kammer wegen der Angabe einer angemessenen Strafobergrenze und
  3. die mögliche Befangenheit der Kammer, wegen des Ausspruchs „die Kammer steht grundsätzlich dazu, was sie sagt“.

Alle drei Fälle führen nicht zum Erfolg der Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO).

Der lag folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Weiterlesen

Schon wieder Besorgnis der Befangenheit – Grund: Gutes kollegiales Verhältnisses

„Zwar ist im Ausgangspunkt ein rein kollegiales Verhältnis zwischen zwei Richtern nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern DVBl 2001, 938; Meyer-Goßner, StPO, a. a. O., § 24 Rdnr. 10). Anders ist es jedoch dann, wenn der zuständige Richter und ein Verfahrensbeteiligter als Kollegen in demselben Spruchkörper tätig sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern a. a. O.) oder wenn das dienstliche Verhältnis so eng ist, dass es auf die persönliche Beziehung ausstrahlt (Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2006, § 24 Rdnr. 34).“

heißt es im Beschl. des OLG Düsseldorf v. 12.04.2010 – III-2 Ss 107/09 – 69/09 III. Das OLG hat dann aber die Besorgnis der Befangenheit bejaht und das u.a. mit dem guten kollegialen Verhältnis der beteiligten Richter bejaht. Nachzulesen hier.

Vorbefassung kann zur (Besorgnis der) Befangenheit führen…. also aufgepasst!

Immer wieder stellt sich im Strafverfahren die Frage: War der Richter mit der Sache vorbefasst und ist er deshalb ggf. befangen oder besteht zumindest die Besorgnis der Befangenheit. Das spielt insbesondere eine Rolle, wenn der Richter sich zu Haftfragen geäußert hat.

So auch in dem dem Beschl. des BGH v. 17.12.2009 – 3 StR 367/09 zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort hatte der Richter im Rahmen eines Haftbefehles gegen einen Mitangeklagten auch zu den Tatbeiträgen des Angeklagten Stellung genommen. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass eine Vorbefassung mit der Sache vom Gesetz grds. gesetzlich vorgesehen sei und keinen originären Anlehnungsgrund begründt. Dies gelte jedoch nicht, wenn aufgrund der Vorbefassung berechtigte Bedenken an der Objektivität des Richters bestehen. Davon sei auszugehen, wenn er in einem Haftbefehl indikativisch Bezug auf die Tatbeiträge der Angeklagten Bezug nimmt und Sachverhaltsschilderungen als feststehend formuliert, die insbesondere die Höhe der entstandenen Schäden betreffen, obwohl diese noch völlig unklar sind. Der Verteidiger muss die Formulierungen also sehr genau prüfen.