Als zweite Entscheidung am „Gebührenfreitag“ dann mal wieder ein Beschluss, in dem es um die nachträgliche Berichtigung einer Kostenentscheidung geht. Das LG verwirft die Berufung der Staatsanwaltschaft. Im Verwerfungsurteil werden aber die notwendigen Auslagen der Angeklagten nicht der Staatskasse auferlegt. Die Berufungskammer erkennt das „Versehen“ und berichtigt ihren Beschluss, womit übrigens auch die Staatsanwaltschaft einverstanden war. Das AG lehnt dann dennoch die Festsetzung der Gebühren für die Berufung ab mit der Begründung: Keine Kostengrundentscheidung. Dem schließt sich im Beschwerdeverfahren (natürlich) der Bezirksrevisor an mit der Begründung: Nachträgliche Berichtigung war nicht zulässig.
1. Es liegt eine ausreichende Auslagengrundentscheidung nach dem Tenor des Berufungsurteils in Form des Berichtigungsbeschlusses der 3. Strafkammer des Landgerichts Traunstein vor.
Gemäß §§ 464 StGB ist im Urteil darüber zu entscheiden, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind (Absatz 1) und wer die notwendigen Auslagen trägt (Absatz 2). Unterbleibt eine ausdrückliche Kostenentscheidung so trägt die Staatskasse die Kosten, eine Nachholung ist unzulässig, beim Fehlen einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung verbleiben die notwendigen Auslagen bei demjenigen, dem sie entstanden sind (Meyer-Goßner/Schmitt, § 464 StPO Rz. 12).
Im vorliegenden Fall ist aber eine Kosten- bzw. Auslagenentscheidung durch die 3. Strafkammer des Landgerichts Traunstein im Urteil vom 20.04.2017 nicht vollständig unterblieben, sondern das Gericht hat entschieden, dass die Berufung kostenpflichtig verworfen wird. Damit hat das Landgericht eine, wenn auch unzureichende bzw. unvollständige Entscheidung über die Kosten getroffen. Nach einhelliger Meinung kann eine Kostenentscheidung aber auch ausgelegt werden.
Eine ausdrückliche Kostenentscheidung ist zwar auch dann erforderlich, wenn sich die Kostenfolge einer gerichtlichen Maßnahme unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Denn nicht die materielle Rechtslage, sondern erst der gerichtliche Ausspruch bildet als Kostentitel die Grundlage der Kostenfestsetzung. Es gibt allerdings keinen Grund, weshalb der Ausspruch über eine Kostenentscheidung im Urteil nicht auslegungsfähig sein sollte. Die Auslegung ist nach dem Gewollten und den Gesetzesnormen vorzunehmen. Hier ergibt sich, dass das Berufungsgericht eine Kostenentscheidung treffen wollte und diese auch getroffen hat, allerdings hat es eine Formulierung verwendet, die nicht zwischen den Kosten der Staatskasse und den notwendigen Auslagen unterscheidet, wie es üblich ist. Andererseits ergibt sich aus der klaren gesetzlichen Regelung des § 467 Abs. 1 StPO, dass die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last fallen, soweit der Angeschuldigte freigesprochen wird.
§ 467 Abs. 1 StPO zieht die notwendigen kostenrechtlichen Konsequenzen aus der Unschuldsvermutung des Artikel 6 Abs. 2 EMRK (vgl. Gieg in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Auflage 2013, Randnr. 1). Ausfluss dieser Unschuldsvermutung ist nicht nur, dass der Beschuldigte, der freigesprochen wurde, so anzusehen ist, als wäre nie ein Strafverfahren gegen ihn geführt worden, welches den Verdacht einer Straftat beinhaltete, sondern auch, dass er ebenso von allen finanziellen Nachteilen, welche mit dem gegen den freigesprochenen Beschuldigten geführten Strafverfahren im Zusammenhang stehen, freigestellt werden muss. So hat er gegebenenfalls auch Anspruch auf Entschädigung nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz.
Aber auch die Kosten im Zusammenhang mit der Führung des Verfahrens vor Gericht hat ein Freigesprochener nicht zu tragen. Dies wird deswegen in § 467 Abs. 1 StPO klar gesetzlich festgestellt. Wenn ein Angeklagter auf Kosten der Staatskasse freigesprochen wird, hat diese Kostenentscheidung den objektiven Erklärungswert, dass die Staatskasse den Freigesprochenen umfassend finanziell zu entlasten hat, also auch seine notwendigen Auslagen zu tragen hat (vgl. OLG Düsseldorf, 12.01.1994, 2 Gs 593/93 und OLG des Landes Sachsen-Anhalt vom 17.01.2001, 1 Gs 13/01). Dieser Erklärungswert ist aber auch bei einer Formulierung, wie im vorliegenden Fall, wonach die Berufung kostenpflichtig verworfen wird, gegeben. Jedem Angehörigen der entsprechenden Verkehrskreise, sei es Staatsanwalt, Richter, Rechtsanwalt und auch Rechtspflegern ist ohne Weiteres klar, dass bei einer Verwerfung einer Berufung als kostenfällig die Kosten der Staatskasse zugewiesen werden, einschließlich der Kosten auch der notwendigen Auslagen. Dies folgt auch aus der eindeutigen Regelung des § 467 Abs. 1 StPO. Jede andere Ansicht oder Auslegung wäre lebensfremd und würde die Rechte eines Freigesprochenen in nicht nachvollziehbarer und für die rechtstreue Bevölkerung unverständlicher Weise benachteiligen.
…..
3. Hinzu kommt im vorliegendem Fall, dass die 3. Strafkammer des Landgerichts Traunstein mit Beschluss vom 08.09.2017 den Tenor seines Urteils dahingehend berichtigt hat, dass die notwendigen Auslagen ebenfalls der Staatskasse zur Last fallen. Zwar ist umstritten, ob ein derartiger Berichtigungsbeschluss überhaupt zulässig ist, allerdings ist dieser Beschluss tatsächlich ergangen und wurde auch von keinem Beteiligten angefochten. Ergeht ein unzulässiger Nachtragsbeschluss und wird dieser rechtskräftig, so ist der Mangel geheilt (Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464 Rn. 28 a. E.).
Die Beschwerdekammer sieht sich außer Stande, sich über diesen Beschluss hinwegzusetzen, da er existent ist und es sich hierbei nicht um einen willkürlichen oder nichtigen Beschluss handelt.
Die Vorsitzende der 3. Strafkammer hat der Beschwerde der Beschwerdeführerin abgeholfen, indem sie den ergänzenden Beschluss erlassen hat, § 311 Abs. 3 Satz 2 StPO. Dementsprechend wurde in einem Vermerk vom 30.11.2017 (BI. 177 d. A.) von der Vorsitzenden der 3. Strafkammer ausgeführt, dass mit der Berichtigung der Kostenentscheidung der Beschwerde gegen die Kostenentscheidung vom 23.08.2017 bereits faktisch abgeholfen worden sei, die Beschwerde gehe daher in Leere und auch eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der pp sei nicht mehr veranlasst.“
Jetzt lassen wir mal die Frage dahingestellt, ob eine nachträgliche Berichtigung der Kostenentscheidung möglich ist oder nicht; die Frage wird von der wohl hM. verneint. Aber: Eine Auslegung und Klarstellung wird man als zulässig ansehen können und die hat die Berufungskammer hier vorgenommen. Aber darauf kam es m.E. im Kostenfestsetzungsverfahren auch gar nicht mehr an. Denn entscheidend ist – und darauf weist das LG ja auch unter 3. hin -, dass die Berufungskammer ihre Kostenentscheidung „berichtigt“ hatte. Und daran waren das AG und auch der Bezirksrevisor, auch wenn es ihm sicherlich nicht gefallen hat – warum eigentlich? – gebunden. Denn selbst wenn die „Berichtigung“ nicht zulässig war: Der dann vorliegende Fehler führt sicherlich nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses und damit zu dessen Unbeachtlichkeit. Auch wenn es dem Bezirksrevisor nicht gefällt.