Urteil I: Berichtigung der Urteilsformel, oder: Tatbestandsverwechselung ist kein Verkündungsversehen

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Ich stelle heute dann Entscheidungen rund um das Urteil vor – Urteilverkündung, Urteilsgründe usw.

Und ich beginne den Reigen mit dem schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 11.11.2020 – 2 StR 48/20. In dem geht es um die Urteilberichtigung. Das LG hatte die Angeklagte u.a. wegen  falscher Verdächtigung verurteilt. Dagegen die Revision, die Erfolg hatte:

„2. Die Feststellungen tragen einen Schuldspruch wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB nicht. Es fehlen insoweit hinreichende Feststellungen zur inneren Tatseite, insbesondere zur Absicht der Angeklagten bei ihrer Beschuldigtenvernehmung ein behördliches Verfahren gegen den Geschädigten einzuleiten.

Soweit das Landgericht in den Urteilsgründen – abweichend vom Urteilstenor – ausführt, dass die Verurteilung nicht wegen falscher Verdächtigung, vielmehr wegen Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB erfolgt sei und es sich bei der Formulierung im Tenor um ein „Schreibversehen“ handele, ist dies einer Berichtigung nicht zugänglich.

a) Eine Berichtigung der Urteilsformel nach Abschluss der mündlichen Urteilsverkündung kommt nur bei einem offensichtlichen Schreib- bzw. Verkündungsversehen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1953 – 1 StR 508/52, BGHSt 5, 5, 8 f.; Senat, Urteil vom 8. November 2017 – 2 StR 542/16, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 6 Rn. 17 mwN). Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer solchen Berichtigung eine unzulässige inhaltliche Abänderung des Urteils verbunden ist (vgl. Senat, Urteil vom 14. Januar 2015 – 2 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 119, 120). Insbesondere ist in Ansehung der überragenden Bedeutung der Urteilsformel, die – anders als die schriftlichen Urteilsgründe – bei Verkündung schriftlich vorliegen muss, bei einer Berichtigung der Urteilsformel Zurückhaltung geboten (vgl. Senat, Urteil vom 8. November 2017 – 2 StR 542/16, aaO). Ein der Berichtigung zugängliches offensichtliches Verkündungsversehen kann nur angenommen werden, wenn sich der Fehler ohne Weiteres aus solchen Tatsachen ergibt, die für alle Verfahrensbeteiligten – auch ohne Berichtigung – klar zu Tage liegen und der auch nur entfernte Verdacht einer späteren inhaltlichen Änderung des verkündeten Urteils ausgeschlossen ist, die Berichtigung also lediglich dazu dient, die äußere Übereinstimmung der Urteilsformel mit der tatsächlich beschlossenen herzustellen.

b) Gemessen hieran liegt bei einer möglichen Verwechselung des in der Urteilsformel bezeichneten Tatbestandes kein offensichtliches Verkündungsversehen vor (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1952 – 5 StR 480/52, BGHSt 3, 245, 247; Beschluss vom 22. Januar 1981 – 1 StR 642/80, bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1983, 208, 212). Trotz der Ausführungen des Landgerichts in den Urteilsgründen und des Umstands, dass in der Liste der angewendeten Vorschriften § 145d StGB aufgeführt ist, vermag der Senat nicht mit der für ein offensichtliches Verkündungsversehen erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass das Auseinanderfallen von Schuldspruch und Urteilsgründen auf einem bloßen Verkündungsversehen beruht.“

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