Ich hatte vor einiger Zeit über den OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2013 – 2 OLG Ss 113/13 – (vgl. dazu Belehrungsfehler I: Der verdichtete Tatverdacht) und den LG Saarbrücken, Beschl. v. 27.05.2013 – 6 Qs 61/13 (vgl. dazu Belehrungsfehler II: Das LG hebt auf, das AG hat nur durchgewunken) berichtet. Nun hat mich ein Kollege auf den LG Gießen, Beschl. v. 09.12.2013 – 7 Qs 196/13 – aufmerksam gemacht, der sich auch mit der Frage der Erforderlichkeit einer Belehrung befasst. Ausgangspunkt ist/war folgender Sachverhalt: Dem Beschuldigten wird ein Verstoß gegen §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgeworfen. Er soll infolge Übermüdung (Sekundenschlaf) einen Auffahrunfall mit erheblichem Sachschaden verursacht haben. Deswegen ist dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vom AG gem. § 111a StPO vorläufig entzogen worden. Der dringende Verdacht eines kurzzeitigen Einschlafens des Beschuldigten wird u.a. auf Angaben des Beschuldigten gegenüber einem POK X. gestützt, wonach er wohl kurz eingeschlafen zu sein. Die Beschwerde des Beschuldigten, mit der u.a. die Unverwertbarkeit dieser Angaben geltend gemacht worden ist, hatte keinen Erfolg
Das LG bejaht die Verwertbarkeit der Angaben des Beschuldigten gegenüber dem Polizeibeamten mit der Begründung: Auch wenn bei einem Auffahrunfall bereits aufgrund der Tatsache des Auffahrens gegen den Hintermann der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 1 Abs. 2, 4, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StVO, 24 StVG bestehen könne, begründe dieser allgemeine Verdacht noch keine Verpflichtung des Vernehmungsbeamten zur Belehrung gemäß §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 StPO schon vor der ersten Befragung des Auffahrenden. Die Beurteilung durch POK X., der davon ausgegangen sei, es gehe noch um Informationsgewinnung, sei nicht ermessenfehlerhaft oder missbräuchlich. Dies zeigte sich für das LG auch darin, dass er den Beschuldigten sofort nach dessen Äußerung zum Einschlafen gemäß § 136 Abs. 1 StPO belehrt hatte.
Eben kann man das m.E. nur sagen. Denn, wenn der Polizeibeamte den Beschuldigten nämlich sofort nach seiner Äußerung zum Einschlafen belehrt hat, dann spricht das m.E. dafür, dass sich auch schon vorher seine potentielle „Täterschaft“ bereits so verdichtet hatte, dass er nicht mehr nur „Auskunftsperson“ war, sondern bereits als Tatverdächtiger im Raum stand. Und das losgelöst vom Vorwurf des Strafverfahrens mit einem Verstoß gegen § 315c StGB, sondern ggf. auch und vor allem wegen des Vorwurfs einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 2, 4, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StVO, 24 StVG. Insoweit hätte er auf jeden Fall belehrt werden müssen. Die Entscheidung des LG legt daher m.E. die „Belehrungsschwelle“ zu weit nach hinten. Anders und richtig das LG Saarbrücken in der o.a. Entscheidung.