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beA II: Glaubhaftmachung des technischen Defektes, oder: Zumindest eine „laienverständliche“ Darstellung

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Die zweite Entscheidung, die sich mit Fragen in Zusammenhang mit dem beA-Versand – besser: einem missglückten beA-Versand – befasst, ist der BGH, Beschl. v. 05.09.2023 – 3 StR 256/23.

Das LG hat die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Das Urteil wurde am Mittwoch, den 15.02.2023, in Anwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidigerin verkündet worden. Die Frist zur Einlegung der Revision endete damit am 22.02.2023 um 24 Uhr (§ 341 Abs. 1, § 43 Abs. 1 StPO). Am Donnerstag, den 23.02.2023, hat der Angeklagte durch Schriftsatz seiner Verteidigerin Revision eingelegt. Zugleich hat die Rechtsanwältin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine Übermittlung über das elektronische Anwaltspostfach (beA) „gestern wegen technischer Probleme nicht möglich“ gewesen sei. Sie hat die Aufnahme eines Bildschirms beigefügt, auf dem die Eingabemaske eines beA-Postfachs abgebildet ist. Dort finden sich folgende Angaben: Absender (es folgt der Name der Verteidigerin), Empfänger: Landgericht Duisburg, Aktenzeichen Empfänger (es folgt das Aktenzeichen des Landgerichts Duisburg in dieser Sache), Betreff: Revision. Außerdem ist der Hinweis „Fehler beim Aufbau der Verbindung“ zu sehen. Datum und Uhrzeit des Screenshots sind ebenso wenig zu erkennen wie ein etwa zu übermittelndes Schriftstück.

Der BGh hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen:

„Dieses Vorbringen genügt nicht den rechtlichen Darlegungsanforderungen des § 45 StPO. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 S. 1 StPO). In dem Antrag ist ein Lebenssachverhalt darzulegen und glaubhaft zu machen, der das fehlende Verschulden des Angeklagten an der Säumnis belegt und Alternativen ausschließt, die der Wiedereinsetzung entgegenstehen. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 S. 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Zudem ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 45 Abs. 2 S. 2 StPO).

Die Glaubhaftmachung der hier geltend gemachten vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (vgl. BGH – 4 StR 104/22, BeckRS 2022, 25316, BGH – 5 StR 328/22, BeckRS 2022, 28366, BGH – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647; Siegmund: Anforderungen bei Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs, NJW 2023, 1681 Rn. 23 mwN, beck-online).

Zwar genügt insoweit eine (laienverständliche) Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen, doch auch diesen Anforderungen genügt das aus einem Satz bestehende Antragsvorbringen nicht. Insbesondere wird aus dem beigefügten Screenshot, der weder Datum noch Uhrzeit enthält und nur einen einzigen Sendungsversuch eines nicht mitgeteilten Textes dokumentiert, nicht erkennbar, wie lange am 22.02.2023 das vorübergehende technische Zustellungshindernis bestand und wann der Sendungsversuch erfolgte. Insoweit wäre ein glaubhaft gemachter Vortrag veranlasst gewesen, wann und wie oft Rechtsanwältin H.   , die offensichtlich eine für einen solchen Fall gesetzlich vorgesehene Ersatzzustellung gem. § 32d Satz 3 StPO nicht vorgenommen oder auch nur in Erwägung gezogen hat (vgl. BGH – II ZB 22/16, NJW-RR 2017, 1084, beck-online), versuchte, die schriftliche Revisionseinlegung am 22.02.2023 per beA zu übersenden. Ferner ist nichts dazu vorgetragen, ob und wie Rechtsanwältin H.    versuchte, etwa über Kontakt mit dem Landgericht, Abhilfe zu schaffen und das technische Problem zu beheben (BGH 2 StR 140/22, NStZ-RR 2023, 115, beck-online). An einem Werktag (der 22.02.2023 war ein Mittwoch) erscheint dies nicht offensichtlich unzumutbar.

Aufgrund der Unzulässigkeit des gestellten Wiedereinsetzungsantrags ist auch die verspätet eingelegte Revision des Angeklagten als unzulässig zu verwerfen.“

Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend, dass die Verteidigerin von der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Gebrauch gemacht hat.

beA I: beA-Versand geht mit einfacher Signatur, oder: BGH gibt Verteidiger „beA-Nachhilfe“.

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Der Startschuss in die 44. KW fällt dann heute mit zwei Entscheidungen des BGH zum beA bzw. formgerechten Einlegung der Revision und ihrer Begründung.

Ich stelle zunächst den BGH, Beschl. v. 19.07.2023 – 2 StR 369/22 – vor, der sehr schön zeigt, was man als Verteidiger alles falsch machen kann. „Ausbaden“ muss es dann ggf. der Angeklagte.

Hier hatt das LG den Angeklagten durch Urt. v. 23.02.2022 u.a. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten (!!) verurteilt. Dagegen richtete sich seine am 02.03.2022 durch einen mit Telefax eingereichten Schriftsatz eingelegte Revision.

Der BGH hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen:

„Zugleich mit der Revisionseinlegung hat der Verteidiger hinsichtlich der Form erklärt, er habe die Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach versucht, „was jedoch mangels einer qualifizierten elektronischen Signatur“ misslungen sei. Bis dahin habe er sich „technisch gerüstet gewähnt“, da er im Besitz eines Kartenlesegeräts und einer Chipkarte gewesen sei und „bisher ohne Probleme am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen vermochte“. Versuche zur „`Aufrüstung´ seines Anschlusses um ein qualifiziertes Signaturzertifikat“ seien erfolglos geblieben.

II.

Die Mitteilung genügt nicht den Form- und Fristanforderungen an eine wirksame Revisionseinlegung.

1. Nach der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Vorschrift des § 32d Satz 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, die bei Nichteinhaltung deren Unwirksamkeit zur Folge hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 1. Februar 2023 – 2 StR 162/22 und vom 24. Mai 2022 – 2 StR 110/22; BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2023 – 5 StR 164/23; vom 7. März 2023 – 6 StR 74/23; vom 9. August 2022 – 6 StR 268/22, NJW 2022, 3588; vom 19. Juli 2022 – 4 StR 68/22 und vom 20. April 2022 – 3 StR 86/22, wistra 2022, 388).

a) § 32d Satz 2 StPO erfordert zwingend die Übermittlung der Revision als elektronisches Dokument. Die Prozesshandlung muss gemäß § 32a Abs. 3 StPO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder aber von der verantwortenden Person einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 45; Senat, Beschluss vom 1. Februar 2023 – 2 StR 162/22; BGH, Beschluss vom 9. August 2022 – 6 StR 268/22, NJW 2022, 3588, 3589). Der Grad der Signatur, durch welche die eigenhändige Unterschrift ersetzt wird, richtet sich daher nach der Versandart. Ist der Versand über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (§ 31a BRAO) als sicherer Übermittlungsweg erfolgt, so genügt eine einfache Signatur (§ 32a Abs. 3 Var. 2 StPO); in diesem Fall bedarf es keiner qualifizierten elektronischen Signatur (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Dezember 2022 – 2 StR 140/22, NStZ-RR 2023, 115).

Der Verteidiger des Angeklagten K. hat nicht behauptet, dass ihm eine Übermittlung in dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach mit einfacher Signatur nicht möglich gewesen sei. Seine Annahme, es bedürfe auch bei Übermittlung in dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach zusätzlich einer qualifizierten elektronischen Signatur geht fehl.

b) Die Übermittlung der Revisionsschrift durch Telefax am 2. März 2022 genügte nicht der Form des § 32d Satz 2 StPO. Der Verteidiger hat keinen Ausnahmefall im Sinne des § 32d Satz 3 und 4 StPO dargelegt.

aa) Nur wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung der Revisionsbegründung in Papierform zulässig. In einem solchen Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit auch bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2022 – 5 StR 328/22). Als Beispiel für eine vorübergehende Unmöglichkeit gilt ein Serverausfall (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 51). Wie die Formulierungen „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ verdeutlichen, ist die Einreichung der Revisionsbegründung in Papierform die Ausnahme. Deshalb muss beim Absender grundsätzlich die notwendige technische Einrichtung vorhanden sein, um elektronische Dokumente einreichen zu können (vgl. BeckOK StPO/Valerius, 43. Ed., § 32d Rn. 5). Dagegen muss die Anwendung des Ausnahmetatbestands ausscheiden, wenn der Verteidiger kein geeignetes System vorhält oder bei technischen Problemen nicht umgehend für deren Behebung sorgt (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Dezember 2022 – 2 StR 140/22, NStZ-RR 2023, 115).

bb) Eine nur vorübergehende technische Unmöglichkeit wurde mit der Behauptung, eine qualifizierte elektronische Signatur für einen Versand aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach heraus zu benötigen und dies sei dem Verteidiger technisch nicht möglich gewesen, nicht dargelegt.

Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist kein Raum. Nachdem trotz des erläuterten Revisionsverwerfungsantrags des Generalbundesanwalts – anders als im Fall des Senatsbeschlusses vom 2. März 2023 aaO – kein Wiedereinsetzungsantrag gestellt wurde, kommt auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO nicht in Betracht. Mangelndes Verschulden des Angeklagten ist nicht offenkundig. Auch die für sich genommen formgerecht eingereichte Revisionsbegründung vom 3. Juli 2022 mit der allgemeinen Sachrüge hat den Mangel der Form- und Fristwahrung bei der Einlegung des Rechtsmittels nicht geheilt. Sie verhält sich auch nicht zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.“

Was mich wundert: Einerseits frage ich mich, warum der Verteidiger nicht zumindest einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat, andererseits frage ich mich, warum der BGH nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung gewährt worden ist. „Mangelndes Verschulden des Angeklagten ist nicht offenkundig“, na ja? Wirklich?

beA II: Kontrolle des beA-Versands durch Mitarbeiter, oder: Die (beA)Berufungsbegründung, die keine war

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Und im zweiten Posting dann zwei BGh-Entscheidungen zum BeA und/oder zur Fristversäumung aus dem Zivilverfahren, und zwar:

Der BGH, Beschl. v. 06.09.2023 – IV ZB 4/23 – hat folgenden amtlichen Leitsatz:

Zu den organisatorischen Anforderungen an die Kontrolle einer Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO.

Der BGH hat in dem Beschluss die Voraussetzungen an eine Kontrolle des beA-Versands durch Kanzleimitarbeitende konkretisiert. Danach gilt: Wer die Einhaltung von Fristen an Mitarbeitende delegiert, muss sie genau anweisen. Dazu gehört insbesondere, dass  sichergestellt ist, dass Fristen nicht gestrichen werden, obwohl noch keine Übermittlung erfolgt ist. In dem Fall hatte eine Kanzleimitarbeiterin die Berufungsbegründen zwar über eine Schnittstelle der hauseigenen Kanzleisoftware über das beA versandt. Die Übermittlung war aber aus technischen Gründen innerhalb der Schnittstelle unterblieben, was die Mitarbeitern jedoch nicht bemerkte und die Frist als „erledigt“ notiert hat. Der Fehler ist dann erst aufgefallen, als das OLG darauf hinwies, dass es beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Und dann noch der BGH, Beschl. v. 31.08.2023 – VIa ZB 24/22 – ebenfalls mit einen amtlichen „Zu…-Leitsatz, nämlich:

Zu den Anforderungen an die Versendung eines bestimmenden Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach.

In dem Fall war die Fristversäumung betreffend eine Berufungsbegründung darauf zurückz zu führen, dass per beA statt einer korrekt adressierten Berufungsbegründung ein völlig anderer Schriftsatz eingereicht worden war, der mit dem Verfahren in keinerlei Zusammenhang stand. Das OLG war davon ausgegangen, dass in der betroffenen Kanzlei keine hinreichende Ausgangskontrolle gewährleistet gewesen sei. Bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr mittels beA sei es unerlässlich den Versandvorgang zu überprüfen. Dabei sei auch eine Prüfung erforderlich, ob die richtige Datei versandt worden sei. Der Rechtsanwalt müsse durch eine Organisationsanweisung oder durch konkrete Einzelanweisung sicherstellen, dass jeder fristgebundene Schriftsatz mit einem individuellen Dateinamen versehen werde, der später anhand von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung die Kontrolle auf Fehlversendungen ermögliche. Dass in der Kanzlei eine solche Kontrolle angeordnet worden wäre, habe sich aus dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht entnehmen lassen. Dem ist der BGH gefolgt.

beA I: Keine Weitergabe von beA-Karte und/oder PIN, oder: Sich selbst verteidigender Rechtsanwalt

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Und auf geht es in die neue Woche. Diese woche mal wieder mit „beA-Entscheidungen“. Ich denke, die Problematik wird uns noch längere Zeit beschäftigen. Ich stelle hier zunächst zwei Entscheidungen aus dem Straf- bzw, aus dem Bußgeldverfahren vor, und zwar einmal vom BGH und die andere dann vom BayOblG.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23. In dem Verfahren hatte das LG den Angeklagten am 24.08.2022 freigesprochen. Dagegen hat die Nebenklägerin mit einem am 25.08.2022 per Telefax eingegangenen Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters, Revision eingelegt. Das LG hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil die Form des § 32d Satz 2 StPO in der Frist zur Einlegung der Revision gemäß § 341 StPO nicht gewahrt wurde.

Nach Zustellung des Beschlusses an den anwaltlichen Vertreter der Nebenklägerin hat dieser am gleichen Tag durch Übermittlung im beA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Revisionseinlegung auf diesem Wege nachgeholt. Den Wiedereinsetzungsantrag hat er damit begründet, er habe am 24.08.2022 mit der Nebenklägerin die Einlegung der Rechtsmitteleinlegung besprochen, am Folgetag den Rechtsmittelschriftsatz der Kanzleiangestellten S. diktiert und ihr die Anweisung erteilt, den Schriftsatz durch Übermittlung im besonderen elektronischen Anwaltspostfach und durch Telefax an das LG zu übersenden. Sendeberichte habe diese am nächsten Tag einem ebenfalls in der Kanzlei tätigen Rechtsanwalt zur Kontrolle vorlegen sollen. Er selbst sei am 25.08.2022 zu einer Reise aufgebrochen. Erst nach Zugang des Revisionsverwerfungsbeschlusses der Strafkammer sei erkannt worden, dass die Rechtsmittelschrift nicht im beA übermittelt wurde. Da er im Home-Office arbeite und die Kanzlei nur zur Wahrnehmung von Besprechungsterminen aufsuche, habe er die Angestellte S. gebeten, seine beA-Karte und den PIN in ihrem Schreibtisch zu verwahren; diese wäre daher in der Lage gewesen, den Übermittlungsauftrag auszuführen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hatte keinen Erfolg, der BGH hat das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes verneint.

M.E. reicht der Leitsatz zu der Entscheidung, der allerdings nicht vom BGH stammt, sondern von mir 🙂 :

Die Überlassung der beA-Karte und der PIN des Rechtsanwalts an Dritte, z.B. an Kanzleimitarbeiter, ist nicht zulässig.

Insoweit verweise ich auf § 26 Abs. 1 RAVPV aber auch auf § 23 Abs. 2 und 3 RAVPV. Und wenn man dennoch überlässt, dann sollte man es zumindest nicht offen legen.

Und die zweite Entscheidung in diesem Posting ist der BayObLG, Beschl. v. 14.07.2023 – 201 ObOWi 707/23 – zur Rechtsbeschwerdebegründung eines Rechtsanwalts in eigener Sache und zu den Substantiierungsanforderungen für Wiedereinsetzungsgrund nach § 32d Satz 4 StPO. dazu folgende Leitsätze der Entscheidung:

1. Die Pflicht zur Begründung der Rechtsbeschwerde durch ein elektronisches Dokument (§ 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 110c Satz 1 OWiG) gilt zumindest dann auch für den Rechtsanwalt, der selbst Betroffener ist, wenn dieser als Rechtsanwalt auftritt.

2. Wird die Rechtsmittelbegründung ausnahmsweise nicht in elektronischer Form übersandt, ist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass im Zeitpunkt der Übersendung eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur zur elektronischen Übermittlung von anwaltlichen Schriftsätzen an die Gerichte existierte und eine nur vorübergehende technische Störung gegeben war

Dazu dann der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 30.08.2022 – 4 StR 104/22 und auf OLG Hamm, Beschl. v. 20.07.2023 – 4 ORs 62/23.

beA II: Owi-Antrag auf gerichtliche Entscheidung, oder: Richtige Rechtsmittelbelehrung?

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Und als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des AG Aschersleben, und zwar der AG Aschersleben, Beschl. v. 18.07.2023 – 6 OWi 139/23, noch einmal zur richtigen Rechtsmittelbelehrung.

Es geht um einen Wiedereinsetzungsantrag. Der Betroffene hatte gegen einen Bußgeldbescheid per E-Mail Einspruch eingelegt, der von der Behörde als formwidrig verworfen worden ist. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das AG zurückgewiesen:

„1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, denn er ist nicht fristgerecht eingegangen. Nach Zustellung des Verwerfungsbescheides am 06.05.2023 lief die zweiwöchige Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 OWiG am 22.05.2023 ab, weil der 20.05.2022 ein Sonnabend war. Der Betroffene stellte erst am 23.05.2023 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, da es auf den Zeitpunkt des Ausdrucks der E-Mail ankommt (BGH NJW 2019, 2096 (2097); OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 10324; Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 10. November 2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16). Anders als für den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eröffnete die Behörde hier keinen zusätzlichen Übertragungsweg.

2. Dem Betroffenen war für diese Fristversäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Rechtsmittelbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid vom 03.05.2023 – anders als die Rechtsmittelbelehrung unter dem Bußgeldbescheid vom 21.03.2023 (AG Aschersleben Beschl. v. 2.1.2023 – 6 OWi 301/22, BeckRS 2023, 1, beck-online) – richtig ist und der Betroffene keine Gründe für eine unverschuldete Versäumung der Frist geltend gemacht hat.

Die Verwaltungsbehörde war nicht gehalten, in die Rechtsbehelfsbelehrung zusätzlich aufzunehmen, dass auch die elektronische Übersendung nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG möglich ist. Die Belehrung muss nur enthalten, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde oder schriftlich eingelegt werden muss, §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 306 Abs. 1 StPO. Die Behörde muss nicht darüber belehren, wie diese Schriftform einzuhalten ist. Seit dem 01.01.2022 muss die Verwaltungsbehörde zwar auch den Zugang nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG eröffnen. Darüberhinausgehende Zugangsmöglichkeiten stehen in ihrem Belieben (BeckOK OWiG/Gertler, 31. Ed. 1.7.2021, OWiG § 67 Rn. 69). Der Wortlaut von § 32a Abs. 3 StPO gestaltet jedoch keine neue Formvorschrift, sondern definiert die Umstände, unter denen ein elektronisches Dokument schriftlich abgefasst ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, erfüllt das Dokument die Schriftform. Es wird gerade keine neue Form geschaffen (was im Einklang mit BGH NJW 2019, 2096 (2097) steht), über die dann zu belehren wäre.

Auch wenn die Arten, Dokumente „schriftlich“ bei den Gerichten und Behörden einzureichen, damit noch unübersichtlicher werden und die „Schriftlichkeit“ kaum noch etwas mit dem gemeinen Wortsinn zu tun hat, ist es Aufgabe des Rechtsbehelfsführers, sich über die konkrete Art der Schriftform selbst zu informieren (BeckOK OWiG/A. Bücherl, 38. Ed. 1.4.2023, OWiG § 50 Rn. 16.1).

Gemessen daran erfüllt die oben dargestellte Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid die Anforderungen der §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 306 Abs. 1 StPO.

Darüberhinausgehende Gründe, die für eine unverschuldete Fristversäumung sprächen, hat der Betroffene nicht dargetan. In seinem Schreiben vom 26.06.2023 wendet er sich inhaltlich im Wesentlichen gegen den Bußgeldbescheid, wenn er ausführt, dass die Geschwindigkeitstafeln keine Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt hätten. Das wäre erst nach zulässigem Einspruch zu prüfen gewesen. Dem Betroffenen ist zwar zuzustimmen, dass wir im Digitalzeitalter leben. Die Grenzen der Digitalisierung werden jedoch durch die Gesetze gezogen. Bei rechtzeitigem und formwirksamen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre seinem konkludenten Antrag auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist auch entsprochen worden, weil die Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Bußgeldbescheid wie in AG Aschersleben Beschl. v. 2.1.2023 – 6 OWi 301/22, BeckRS 2023, 1, beck-online dargestellt irreführend ist. Da er jedoch auch gegen den Verwerfungsbescheid nicht formgerecht Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte und die Rechtsbehelfsbelehrung hier richtig ist, musste ihm der Erfolg versagt werden.

§ 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 6 StPO ist nicht anzuwenden, weil sich dieser nur auf die Möglichkeit der Bearbeitung des eingereichten Dokuments, nicht jedoch auf die Einreichungsmodalitäten bezieht.“