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„Vollmacht für den Mandanten selbst unterschreiben“ II, oder: Praktikerzeitschriften….

© Gina Sanders Fotolia.com

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Da ist er mir zuvor gekommen, der Kollege Siebers. In seinem Posting: Vollmacht für den Mandanten selbst unterschreiben“ hat er gestern schon über den KG, Beschl. v. 12.12.2016 – 3 Ws (B) 660/16 – berichtet, den der Kollege Handschumacher aus Berlin erstritten hat. Es geht (mal wieder) um die Frage, ob der Verteidiger die Vertretervollmacht, die im Abwesenheitsverfahren (§§ 73, 74 OWiG) von erheblicher Bedeutung für den Mandanten sein kann, selbst unterschreiben kann. Das hatte der Kollege in einem Bußgeldverfahren beim AG Tiergarten getan. Sein Mandant/der Betroffene war nämlich zur Hauptverhandlung nicht erschienen, wohl aber sein Verteidiger. Eine schriftliche Verteidiger- oder Vertretervollmacht befand sich zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht bei den Akten, so dass der Kollege z.B. (noch) keinen Entbindungsantrag stellen konnte. Er versicherte dann mündlich, vom Betroffenen „umfassend bevollmächtigt“ zu sein und verfasste eine kurze Erklärung („Hiermit erteile ich Herrn RA pp. besondere Terminsvollmacht“), die er „i. V.“ im eigenen Namen unterzeichnete. Sodann erklärte er, sein Mandant räume ein, gefahren zu sein, und er wolle sich nicht weiter einlassen. Schließlich beantragte er, den Betroffenen von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens zu entbinden. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen, weil eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht nachgewiesen sei, und hat den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Anders das KG:

„b) Dieses durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesene Verfahrensgeschehen offenbart eine Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG. Das Amtsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Betroffene nicht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG durch einen „schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten“ war. Denn dieser hatte seine Vertretungsbefugnis durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesen. Dass der Betroffene diese Vollmacht nicht selbst unterzeichnet hat, ist unschädlich. Insoweit ist zwischen der Erteilung der Vollmacht und dem Nachweis durch Vorlag einer entsprechenden Urkunde zu unterscheiden. Die Erteilung der umfassenden Vertretungsvollmacht bedarf keiner besonderen Form und kann auch mündlich erteilt werden. In ihr kann zugleich die Ermächtigung enthalten sein, eine etwa erforderliche Vollmachtsurkunde im Namen des Vollmachtgebers zu unterzeichnen (vgl. Senat VRR 2014, 155 [Volltext bei juris]; BayObLG NStZ 2002, 277; Brandenburgisches OLG zfs 2015, 470; OLG Celle VRR 2014, 83 [Volltext bei juris]; OLG Dresden StRR 2013, 26 [Volltext bei juris]; HK-OWiG/Krumm, OWiG § 73 Rn. 28; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG 4. Aufl., § 74 Rn. 21; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 21 Rn. 11).

So liegt der Fall auch hier. Der Betroffene hatte, so die Begründung der Rechtsbeschwerde, seinen Verteidiger umfassend bevollmächtigt. Diese Erklärung schließt die Ermächtigung des Verteidigers ein, die Vollmachtsurkunde im Namen des Betroffenen zu unterschreiben. Damit war der Verteidiger des Betroffenen berechtigt, für den Mandanten Erklärungen zu Sache abzugeben und einen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung zu stellen.

c) Dem steht auch nicht entgegen, dass der Verteidiger den Entbindungsantrag erst zu Beginn der Hauptverhandlung angebracht hat. Denn dies ist nach überwiegender Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung zulässig (vgl. Senat NZV 2013, 99 [Volltext bei juris]; OLG Celle VRS 116, 451 mwN; OLG Zweibrücken zfs 2011, 708 mwN).“

Die Entscheidung ist zutreffend. Das Einzige was mich daran stört: Das KG führt leider unser OWi-HB und die Handbücher HV und EV nicht an. Da steht das nämlich auch. Aber dafür bringt es die Entscheidungen, die das ebenso wie das KG sehen, mit ihren VRR- und StRR-Fundstellen 🙂 . Ich sage doch: Praktikerzeitschriften.

Vollmacht und Zustellung – eine unendliche Geschichte

Es ist wirklich eine unendliche Geschichte, das Zusammenspiel von Vollmacht und Zustellung. Und wie sich der Verteidiger bevollmächtigen lässt, kann erhebliche Auswirkungen haben – lassen wir mal die Frage der Vollmachtsvorlage außen vor.

Ich plädiere dafür auch bei einer Kanzel/Sozietät, die aus mehreren Rechtsanwälten besteht, die Vollmacht nur auf den auszustellen, der auch verteidigen soll. Dann kann/muss auch nur der zum Termin geladen werden – auf ihn kommt es auch nur für Verlegungen an. Und: Nur an ihn kann dann auch wirksam zugestellt werden.

Das hatte offenbar der Kollege übersehen, mit dessen Bevollmächtigung sich der OLG Hamm, Beschl. v. 27.02.2012 – III 3 RBs 386/11 auseinander setzt. Nur in einem Zusatz, aber immerhin. Da heißt es:

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Zustellung eines Bußgeldbescheides wirksam und mit verjährungsunterbrechender Wirkung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG) an eine Anwaltssozietät als solche adressiert werden kann, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt. Hat der Betroffene eine alle Rechtsanwälte einer aus mehr als drei Rechtsanwälten bestehenden Anwaltssozietät erfassende Verteidigervollmacht unterzeichnet – eine derartige Vollmacht liegt auch vor, wenn im Vollmachtsrubrum nicht alle Rechtsanwälte namentlich genannt sind, sondern nur die Kanzlei- bzw. Sozietätsbezeichnung als solche aufgeführt ist – und haben sich höchstens drei dieser Anwälte (vgl. § 46 Abs. 1 OWiG, § 137 Abs. 1 Satz 2 StPO) im Verfahren zum Verteidiger bestellt, können Zustellungen nach §§ 46 Abs. 1, 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 145a Abs. 1 StPO wirksam und mit verjährungsunterbrechender Wirkung an die Anwaltskanzlei bzw. –sozietät als solche adressiert werden (vgl. OLG Hamm, MDR 1980, 513; OLG Köln, Beschluss vom 22. Mai 2003 – Ss 169/03 – <juris>; OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. Januar 2002 – 4b Ss 431/01 – <juris>). Dies gilt erst recht, wenn – wie im vorliegenden Falle – die im Rubrum der Vollmachtsurkunde genannte Anwaltssozietät aus lediglich drei Rechtsanwälten besteht und sich lediglich einer der Anwälte im Verfahren zum Verteidiger bestellt hat. Die abweichende Auffassung des Amtsgerichts Stadthagen (BeckRS 2009, 06724), das sich in seiner Entscheidung mit den oben zitierten oberlandesgerichtlichen Beschlüssen nicht auseinandergesetzt hat, ist kein Grund, die Rechtsbeschwerde zuzulassen

Die im vorliegenden Verfahren erfolgte Adressierung des Bußgeldbescheides an die „Anwaltskanzlei A Partner“ begegnet nach dem oben Gesagten keinen Bedenken.“