Schlagwort-Archive: Ausland

Zeuge im Ausland – muss er kommen?

Frankreich IIDas Landgericht hat gegen eine ordnungsgemäß geladene Zeugin türkischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in Deutschland ein Ordnungsgeld verhängt, nachdem sie in der Hauptverhandlung, für die sie geladen war, nicht zu ihrer Vernehmung erschienen war, weil sie sich vorübergehend in der Türkei aufgehalten hat. Dagegen die Beschwerde der Zeugin, die der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.10.2013 – 2 Ws 58/13 – zurückweist. Den Beschluss fasst das OLG in den Leitsätzen wie folgt zusammen:

1. Zeugenpflichten sind staatsrechtlich begründete Pflichten und verpflichten jeden, der mit Wohnsitz in Deutschland als Zeuge geladen wird.

2. Verlässt der Zeuge zwischen Ladung und Hauptverhandlungstermin das Bundesgebiet, ändert das an seiner durch die Ladung in seiner Person begründeten Zeugenpflicht nichts.

3. Gegen ihn darf ein Ordnungsmittel nach § 51 StPO verhängt werden, und zwar unabhängig davon, ob er deutscher oder ausländischer Staatsangehöriger ist

Zu Leitsatz 3 hat das OLG Düsseldorf früher anders entschieden (vgl. OLG Düsseldorf, 25. Januar 1999, 1 Ws 702/98, NJW 1999, 1647 und 29. Mai 1991, 2 Ws 148/91, NJW 1991, 2223).

Drogentourist – Konsumfahrt in die Niederlande strafbar?

CannabisGanz gut zu dem eben eingestellten Beitrag „Kokain-Pullis, oder: Auch so kann man BtM einführen….“ passt der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.04.2013 – III-3 RVs 45/13, auf den ich erst jetzt gestoßen bin. In dem setzt sich das OLG mit der Frage der Strafbarkeit von sog. „Drogentouristen“ auseinander. Das AG hatte festgestellt, dass der Angeklagte in die Niederlande gereist war, um dort in einem Coffeeshop  in Venlo Marihuana zum Preis von 10,00 €zu erwerben und dort in der Folgezeit zu konsumieren. Bei der Kontrolle an der deutschen Grenze führte er bei der Wiedereinreise drei Kundenkarten von Coffeeshops mit sich. Das AG  hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe v verurteilt. Das OLG sagt: Geht so nicht, denn:

„Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nicht. Eine Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbes von Betäubungsmitteln nach §29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG kam nicht in Betracht, da diese Tatmodalität am niederländischen Tatort – wie es § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB für die Strafbarkeit von Deutschen wegen im Ausland begangener Taten erfordert – nicht unter Strafe gestellt ist. Art. 2 C, 11 Nr. 1 des niederländischen Opiumwet verbieten jedoch unter Strafandrohung den Besitz – selbst geringer Mengen – von Cannabisprodukten. Dass die niederländischen Strafverfolgungsbehörden bei Besitz von bis zu 5 g Cannabis von der Strafverfolgung absehen, ändert an der grundsätzlichen Strafbarkeit nichts.

Ob der Angeklagte Besitzer war, ist anhand der Feststellungen für das Revisionsgericht nicht überprüfbar. Der Besitzbegriff des §29 Abs. 1 S.1 Nr. 3 BtMG entspricht nicht dem des Bürgerlichen Gesetzbuches. Vielmehr erfordert der Besitz von Betäubungsmitteln objektiv eine tatsächliche Sachherrschaft für einen nennenswerten Zeitraum und subjektiv einen die Sachherrschaft tragenden Herrschaftswillen (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., §29 Rn. 15. MünchKomm-Kotz, Bd. 6, 2. Aufl., BtMG §29 Rn. 1156, Franke, 2. Aufl., BtMG, §29 Rn. 135, Weber, BtMG, 3 Aufl., §29 1170, jeweils m.w.N). Wer Betäubungsmittel von einem Dritten in verbrauchsgerechter Menge zum sofortigen Genuss an Ort und Stelle erhält und es tatsächlich auch sofort zu sich nimmt, erlangt noch nicht die Stellung eines Besitzers, sondern ist lediglich Konsument (OLG Hamburg NStZ 2008, 287, Weber a.a.O., §29 Rn. 1175, Körner/Patzak/Volkmer, a.a.O. § 29 Rn. 29 m.w.N.).

Das angefochtene Urteil verhält sich nicht dazu, ob der Angeklagte das für 10 Euro erworbene Marihuana für einen bestimmten Zeitraum tatsächlich innegehabt hat. Zwar ist das Hauptkriterium des Erwerbs, dass der Erwerber die tatsächliche Möglichkeit erlangt, über das Betäubungsmittel wie ein Eigentümer zu verfügen (OLG München NStZ 2006, 579). Damit dürfte der Erwerber nach Übergabe in aller Regel auch Besitzer werden. Ob dies aber auch für Erwerbsvorgänge in niederländischen Coffeeshops gilt, ist zweifelhaft und anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Zwar wird in dem Urteil dargelegt, es sei gerichtsbekannt, dass der Gast in niederländischen Coffeeshops pro Kundenkarte maximal fünf Gramm Cannabisprodukte erhalte, hierfür üblicherweise 10 Euro zu zahlen seien und sich daraus selbst bei geringster Qualität vier bis sechs Konsumeinheiten fertigen ließen, welche nicht unter ständiger Aufsicht des Verkäufers konsumiert werden könnten. Diese Beweiswürdigung ist aber rechtsfehlerhaft, da sie den Grundsatz „in dubio pro reo“ missachtet. Denn das Gericht ist bei seiner Schätzung zu Lasten des Angeklagten von Höchstmengen ausgegangen, die für den Zahlbetrag erwerbbar gewesen wären. Es hätte sich jedoch – ggf. im Wege der Schätzung unter Beachtung des Zweifelssatzes – eine Überzeugung von der Mindest erwerbmenge und dem Mindest wirkstoffgehalt verschaffen und diese den Feststellungen zugrunde müssen. Da aus dem Urteil nicht nachvollziehbar hervorgeht, wie viel Marihuana mit welchem Wirkstoffgehalt der Angeklagte in dem niederländischen Coffeeshop erworben hat, kann aus dem bloßen Erwerbsvorgang nicht auf die Erlangung einer so erheblichen Menge geschlossen werden, die nicht sofort verbraucht werden konnte und somit Besitzerlangung an dem überschießenden Anteil nahelegt.

Des Weiteren hat das Amtsgericht auch nicht festgestellt, wie der konkrete Konsum des Marihuanas erfolgte. Besitzerlangung läge z. B. eher fern, wenn der Verkäufer das Marihuana in eine Bong oder eine Shisha zum direkten Verbrauch im Coffeeshop gefüllt hätte. Aber auch bei Übergabe in Zigarettenform sind Umstände denkbar, die eine für den Besitz erforderlich tatsächliche Sachherrschaft ausschließen könnten. Lassen sich zu den genauen Umständen der Übergabe und des Konsums keine Feststellungen treffen, die den Schluss auf eine tatsächliche Sachherrschaft begründen, muss der Tatrichter unter Anwendung des Zweifelssatzes von der für den Angeklagten günstigeren Sachverhaltsvariante des besitzlosen Konsums ausgehen (OLG Nürnberg NStZ-RR 2009, 194).

Sollte die erneute Hauptverhandlung auf gesicherter Tatsachenbasis dazu gelangen, dass Besitz von Betäubungsmitteln vorlag, so wird zu prüfen sein, ob dem Angeklagten bei Tatbegehung die Einsicht, Unrecht zu tun gefehlt hat (Verbotsirrtum, § 17 StGB). An das Vorliegen eines Verbotsirrtums sind jedoch strenge Voraussetzungen zu stellen.“

Freiheitsentziehung in Malaysia – Anrechnung 1:2

Nach § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB ist eine im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auf hier verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen. Schaut man sich dazu die Rechtsprechung an, kann man davon ausgehen, dass der BGH bei in Europa erlittener Freiheitsentziehung, i.d.R. 1 : 1 anrechnet, vgl. z.B. hier Niederlande, Belgien, Österreich, Italien, England. Manchmal ist es für Spanien anders, wenn der Angeklagte dort in einem der berühmten/berüchtigten Knaste in Madrid eingessen hat (Name ist mir im Moment entfallen).

Anders ist es bei der Anrechnung von Freiheitsentziehung im außereuropäischen Ausland. Da gelten günstigere Anrechnungsmaßstäbe. So z.B. der BGH, Beschl. v. 13.07.2011 -2 StR 179/11. In dem hat der BGH in Malaysia erlittenen Freiheitsentzug mit 1 : 2 angerechnet. Insoweit nichts Besonderes im Beschluss.

Allerdings lässt sich ihm ein Hinweis entnehmen: Wenn der BGH formuliert:

Eine weitergehende Anrechnung ist nicht angebracht, da es an konkreten Anhaltspunkten für eine größere Belastung des Angeklagten fehlt. Weitergehende Ermittlungen zu dieser Frage sind hier nicht angebracht.“

dann bedeutet das: Wenn der Angeklagte eine noch bessere Quote erzielen will, muss er zu den Erschwernissen vortragen und dazu ggf. einen Beweisantrag stellen. Vielleicht führt das ja zu einem „Gerichtsausflug“ in das betreffende Land, um sich vor Ort von den Haftbedingungen zu überzeugen :-). Wohl eher nicht. Aber es wird im Zweifel eine Anfrage an die örtliche Botschaft der Bundesrepublik geben.

Telefonieren mit dem ausländischen Verteidiger …….

darum ging es einem rumänischen U-Haft-Gefangegen in dem dem Beschl. des OLG Köln v. 12.08.2010 – 2 Ws 498/10 – zugrunde liegenden Verfahren. Dies wurde nicht erlaubt. Das OLG führt dazu aus, dass einem Untersuchungshäftling keine richterliche Erlaubnis für ein Ferngespräch mit einem Verteidiger in anderer Sache im Ausland zu erteilen sei. Eine Versagung einer solchen Genehmigung sei in aller Regel geboten, da das Begehren des Untersuchungsgefangenen, Telefonate mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu führen oder von solchen zu empfangen, in der Regel dem Zweck der Untersuchungshaft widerstreite. Dies gelte unabhängig davon, ob dem Haftbefehl die Annahme einer Verdunklungsgefahr zu Grunde gelegt worden seioder nicht. Auch die bloße Fluchtgefahr seiinsoweit ausreichend, weil nicht gewährleistet werden könne, ob die Kontaktaufnahme tatsächlich zu einem Anwalt stattfindet.

Und verfahrensmäßig gilt: Nach der gesetzgeberischen Neuregelung des § 119 StPO obliegen derartige Entscheidungen nunmehr der Anstaltsleitung.

Buntes Durcheinander bei der EU-Fahrerlaubnis

Das OVG Lüneburg hat in seinem Beschl. v. 11. 08. 2010 – 12 ME 130/10 – darauf hingewiesen, dass nach dem 19. o1. 2009 im Ausland ausgestellte EU-Fahrerlaubnisse nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigen, wenn zuvor die deutsche Fahrerlaubnis entzogen worden ist. Damit hat es sich dem BayerischenGH, demOVG Münster und VGH Bad.-Württemberg angeschlossen und gegen den Hessischen VGH, das OVG Koblenz und das OVG Saarland entschieden. Die Bundesreunplik sieht in der Frage also aus wie ein Flickenteppich. Man frabt sich, wie die Betroffenen damit eigentlich noch klar kommen sollen. Klarheit wird sicherlich erst eine (weitere; die wie vielte eigentlich) Entscheidung des EuGH bringen. Auf das die Zeitschriften voll werden. 🙂 🙂