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Haft III: Wenn die Angeklagte in der HV ausbleibt, oder: Kein Haftbefehl, wenn Erscheinen demnächst sicher

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Und als dritte Entscheidung dann noch etwas aus der landgerichtlichen Spruchpraxis, nämlich den LG Oldenburg, Beschl. v. 22.11.2024 – 4 Qs 332/24. Thematik: Sicherungshaftbefehl nach § 230 StPO.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten, dem Ehemann der Beschwerdeführerin, mit zwei Anklageschriften zur Last, insgesamt sieben Betrugstaten begangen zu haben, wobei er in sechs Fällen gewerbsmäßig und in fünf Fällen mit dem weiteren Angeklagten G. gemeinschaftlich gehandelt habe. Durch die eine Anklage wird zudem dem Angeklagten P.B. und der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer der Taten eine Beihilfe zur Last gelegt.

Das AG hat unter dem 15.04.2024 einen Termin zur Hauptverhandlung mit allen vier Angeklagten auf den 19.09.2024, 10:00 Uhr, anberaumt sowie Fortsetzungstermine auf den 10.10.2024, 09:00 Uhr, den 17.10.2024, 09:00 Uhr, den 07.11.2024, 09:00 Uhr, und den 28.11.2024, 09:00 Uhr, festgelegt. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist die Ladung der Beschwerdeführerin zur Hauptverhandlung und zu den Fortsetzungsterminen unter der Zustellanschrift pp., dem Angeklagten C.D., der ebenfalls unter dieser Anschrift gemeldet ist, am 19.04.2024 persönlich übergeben worden.

Zum Hauptverhandlungstermin am 19.09.2024 erschien die Beschwerdeführerin pünktlich. Nicht erschienen war indes der Mitangeklagte P.B., gegen den, nach einem erfolglosen polizeilichen Vorführversuch, im Termin ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO ergangen ist. Nach Unterbrechung der Hauptverhandlung am 19.09.2024 ist die Fortsetzung der Hauptverhandlung auf den bereits anberaumten Termin am 10.10.2024 bestimmt worden.

Aufgrund einer Mitteilung des Bewährungshelfers des Angeklagten C.D. und unter Weiterleitung von Unterlagen, die ihm der Angeklagte C.D. überreicht habe, erhielt das AG am 08.10.2024 davon Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann auf den 10.10.2024 um 15:00 Uhr und den 16.10.2024 um 11:00 Uhr in einer Nachlasssache – in Serbien – zu zwei Terminen geladen worden seien. Bestandteil der übermittelten Dokumente war u. a. eine Abschrift der in serbischer Sprache verfassten undatierten Ladung im Original sowie eine Übersetzung hiervon in die deutsche Sprache vom 26.09.2024. Aus der übersetzten Ladung ergibt sich neben den Terminsstunden die Mitteilung an die beiden Adressaten, dass deren persönliche Anwesenheit zu den Terminen zwingend erforderlich sei und die vorzulegenden Ausweisdokumente nicht durch eine bevollmächtigte Person, sondern nur durch Erben oder gesetzliche Vertreter eingereicht werden können. Eines der Dokumente war darüber hinaus mit der Behauptung versehen, dass die Beschwerdeführerin und der Mitangeklagte C.D die weiteren Termine „selbstverständlich“ wahrnehmen würden.

Zum Fortsetzungstermin am 10.10.2024 um 09.00 Uhr erschien die Beschwerdeführerin nicht. Der anwesende Verteidiger des C.D. teilte für den Angeklagten C.D. u. a. mit, dass dieser sich in Serbien befinde, um die Nachlassangelegenheit wahrzunehmen, weil die Gefahr bestünde, dass der Erbanspruch verfallen könnte. Die Höhe des möglichen Anspruchs sei dem Verteidiger aber nicht bekannt. Der Angeklagte C.D. werde nicht kommen. Die Verteidigerin der Beschwerdeführerin schloss sich diesen Ausführungen an und erklärte für die Beschwerdeführerin das Gleiche.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das AG daraufhin um 09:32 Uhr gegen die Beschwerdeführerin noch im Termin vom 10.10.2024 einen auf § 230 Absatz 2 StPO gestützten Haftbefehl erlassen. Dagegen die Beschwerde, die Erfolg hatte:

„2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Haftbefehl ist in materieller Hinsicht zu beanstanden. Dabei kann nach Ansicht der Kammer dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe einen hinreichenden Entschuldigungsgrund darstellen, weil die Anordnung von Haft gemäß § 230 Abs. 2 StPO jedenfalls nicht erforderlich war und damit unverhältnismäßig ist. Im Einzelnen:

….

b) Nach Ansicht der Kammer lagen aber im Zeitpunkt seiner Anordnung durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Cloppenburg am 10.10.2024 die materiellen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO nicht vor. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Beschwerdeführerin für ihr Ausbleiben im Termin vom 10.10.2024 hinreichend entschuldigt war. Denn die Anordnung von Haft war jedenfalls nicht erforderlich und ist damit unverhältnismäßig.

aa) Gemäß § 230 Abs. 2 StPO ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, wenn das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist und soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

bb) Die Beschwerdeführerin war zu dem auf den 10.10.2024 anberaumten Hauptverhandlungstermin durch Zustellung im Wege der Übergabe der Ladung an einen in der Wohnung der betreffenden Person befindlichen erwachsenen Familienangehörigen (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), ordnungsgemäß geladen worden. Ladungen dieser Art wird im normalen Geschäftsgang ein Hinweis auf die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten im Sinne des § 216 Abs. 1 StPO beigefügt. Anhaltspunkte dafür, dass dies vorliegend nicht der Fall gewesen sein könnte, liegen nicht vor, insbesondere wurde Entsprechendes auch von der Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet. Dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus auf die Folgen ihres unentschuldigten Ausbleibens sowohl durch einen Hinweis der Vorsitzenden am Schluss des Hauptverhandlungstermins vom 19.09.2024 und darüber hinaus durch Schreiben vom 08.10.2024 weitere Male hingewiesen worden ist, schadet nicht, ist aber ohne Belang. Die Beschwerdeführerin ist im Termin vom 10.10.2024 auch ausgeblieben, da sie zur festgesetzten Terminsstunde sowie nach Ablauf einer hinreichenden Wartefrist nicht im Sitzungssaal anwesend war.

cc) Es kann nach Ansicht der Kammer dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe einen hinreichenden Entschuldigungsgrund darstellen.

Die Kammer weist insoweit darauf hin, dass zur Entschuldigung eines Angeklagten jeder Umstand dient, der ihn – wie beispielsweise Krankheit oder Gefangenschaft – am Erscheinen vor Gericht gegen seinen Willen hindert oder bei Abwägen aller Gesichtspunkte ergibt, dass dem Angeklagten aus seinem Fernbleiben billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann (Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn. 16). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Angeklagte – wie hier – sein Ausbleiben mitteilt und insoweit um Entschuldigung oder Verständnis bittet, sondern allein darauf, ob er entschuldigt ist, also ob dem Angeklagten wegen seines Ausbleibens unter Abwägung aller Umstände des Falles billigerweise ein Vorwurf gemacht werden kann oder nicht (BVerfG, NJW 2007, 2318; Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 230 StPO, Rn. 16 m. w. N.).

Das Gericht entscheidet hierüber im Freibeweis, wobei aber nur solche Beweise heranzuziehen sind, die sofort zur Verfügung stehen. Genügend entschuldigt ist das Ausbleiben zwar nur, wenn es glaubhaft erscheint, dass den Angeklagten kein Verschulden trifft (siehe insgesamt Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 21 m. w. N.). Allerdings ist bei der Auslegung zugunsten des Angeklagten eine weite Auslegung geboten (BGHSt 17, 391 [397]). Maßgebend ist, ob dem Angeklagten nach den Umständen des Falles wegen des Ausbleibens billigerweise ein Vorwurf zu machen ist oder nicht (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 23 m. w. N.). Eine insoweit durch die Rechtsprechung angenommene Fallgruppe kann generell die Regelung beruflicher oder privater Angelegenheiten sein, jedenfalls dann, wenn sie unaufschiebbar und von solcher Bedeutung sind, dass dem Angeklagten das Erscheinen billigerweise nicht zugemutet werden kann, sodass die öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung ausnahmsweise zurücktreten muss (Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 329 StPO, Rn. 28 m. z. N. aus d. Rspr.). Hierunter können auch drohende wirtschaftliche Verluste fallen (OLG Düsseldorf, NJW 1960, 1921). Eine derartige Konstellation könnte ggf. auch der Verlust der Erbschaft darstellen.

dd) Der Erlass eines Haftbefehls war im Zeitpunkt seiner Anordnung aber unverhältnismäßig.

(1) In das hohe Rechtsgut der persönlichen Freiheit darf der Staat nur dann und nur insoweit eingreifen, als dies unerlässlich ist, um die künftige Teilnahme eines Angeklagten an einem Hauptverhandlungstermin mit Sicherheit zu erreichen. Ist nach den bekannt gewordenen Umständen zu erwarten, dass der Angeklagte zum neuen Hauptverhandlungstermin von selbst erscheinen wird, etwa, weil der für sein Ausbleiben angeführte Grund sich nur auf den gegenwärtigen Termin bezog, so ist es meist nicht erforderlich, und damit auch nicht zulässig, präventiv die Teilnahme an dem künftigen Termin durch Zwangsmittel sicherzustellen. Gleiches gilt, wenn das Erscheinen des Angeklagten mit der erforderlichen Sicherheit durch ein milderes Mittel erreichbar ist (BVerfGE 32, 87; OLG Hamburg, Beschl. v. 04.06.2020 – 2 Ws 72/20, Rn. 20).

Der Grundsatz, dass das mildeste Mittel anzuwenden ist, gilt auch für die Auswahl der in § 230 Abs. 2 StPO nebeneinander angedrohten Zwangsmittel. Dem an erster Stelle genannten Vorführungsbefehl gebührt als dem weniger einschneidenden Eingriff in die persönliche Freiheit stets der Vorrang vor dem Haftbefehl (BVerfGE 32, 87; BVerfG, NJW 2007, 2318). Letzterer darf nur angeordnet werden, wenn das mildere Mittel entweder bereits erfolglos ausgeschöpft ist oder nach Würdigung aller Umstände der Zweck der Norm, die Durchführung der Hauptverhandlung in Gegenwart des Angeklagten zu ermöglichen, andernfalls nicht oder nicht mit der erforderlichen Sicherheit erreichbar wäre. So liegt es etwa, wenn zu befürchten ist, dass der Angeklagte sich einer Vorführung durch Fernbleiben von seiner Wohnung entziehen würde (siehe hierzu insgesamt OLG Hamburg, Beschl. v. 04.06.2022 – 2 Ws 72/20, Rn. 21 m. w. N.).

(2) Diesen hohen Verhältnismäßigkeitsanforderungen hielt der Haftbefehl im Zeitpunkt seines Erlasses nicht stand.

Das mildere Mittel der Vorführungsanordnung war zwar für den Termin vom 10.10.2024 von vorne herein aussichtslos und damit gescheitert, weil sich die Beschwerdeführerin nach der Vorankündigung und den Angaben der Verteidigerin nicht an ihrer Wohnanschrift befand und eine Vorführung damit von vorne herein aussichtslos und fehlgeschlagen war. Dass dies für den Termin am 17.10.2024, jedenfalls aber zu den Terminen vom 07.11.2024 und vom 28.11.2024, aber ebenfalls der Fall sein würde, ist nicht ersichtlich.

Nach den bekannt gewordenen Umständen war bei Erlass des Haftbefehls nach Ansicht der Kammer vielmehr sogar hinreichend sicher zu erwarten, dass die Beschwerdeführerin zu dem künftigen Hauptverhandlungstermin am 17.10.2024, jedenfalls aber zu den Terminen vom 07.11.2024 und vom 28.11.2024, sogar von selbst erschienen wäre. Denn sie war schon zu dem ersten Verhandlungstermin – im Gegensatz zu dem Mitangeklagten Bruns – pünktlich erschienen. Nur aufgrund dessen Ausbleibens konnte am 19.09.2024 nicht in der Sache verhandelt werden. Auch hat die an einer festen Wohnanschrift gemeldete Beschwerdeführerin bereits schriftlich ihre Absicht bekundet, zu den weiteren Verhandlungs-terminen „selbstverständlich“ zu erscheinen. Dafür, dass sie insoweit nicht Wort halten würde, ergeben sich für die Kammer vor dem Hintergrund ihres Erscheinens im ersten Hauptverhandlungstermin keine Anhaltspunkte, zumal sie ihre Abwesenheit – unabhängig davon, ob man dies als Entschuldigungsgrund gelten lassen wollte oder nicht – vorab angekündigt und hierfür einen jedenfalls nachvollziehbaren – zeitlich befristeten – Grund genannt hat, der ihre Anwesenheit in Serbien lediglich am 10.10.2024 und am 16.10.2024 erfordert habe.

Aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit hätte das Amtsgericht auf ihre künftige Zuverlässigkeit im Umgang mit justiziellen Verpflichtungen schließen müssen, sodass der Erlass eines Haftbefehls zur Erreichung des verfassungslegitimen Zwecks der Anwesenheit der Beschwerdeführerin während weiterer Hauptverhandlungstermine zwar geeignet, aber nicht erforderlich gewesen ist. Da der Erlass des Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO nicht erforderlich war, ist er unverhältnismäßig und der Beschluss materiell unrechtmäßig.“

OWi II: Verspätung wegen Vergessen des Impfpasses, oder: Genügende Entschuldigung

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Die zweite Entscsheidung des Tages kommt mit dem KG, Beschl. v. 10.03.2022 – 3 Ws (B) 56/22 – auch noch einmal aus Berlin. Es geht um die Frage der genügenden Entschuldigung und/oder die Frage der Zulässigkeit der Verwerfung des Einspruchs. Also um die Frage: War der Betroffene im Termin unentschuldigt ausgeblieben.

Folgender Sachverhalt: Zur Hauptverhandlung war der Betroffene nicht erschienen. Grund hierfür ist gewesen, dass der Betroffene keinen Einlass in das Gerichtsgebäude erhalten hatte, weil er weder ein Impfzertfikat noch einen Genesenen- oder Testnachweis bei sich hatte. Das AG hat den Einspruch daraufhin mit der Begründung verworfen, der Betroffene fehle unentschuldigt.

Mit der Rechtsbeschwerde ist dann vorgetragen worden, dass Betroffene 20 bis 30 Minuten vor Terminsbeginn um 10.30 Uhr an der Pforte des AG gewesen sei, dort jedoch mangels Impfnachweises abgewiesen worden. Daraufhin sei er umgekehrt und habe das Zertifikat holen wollen. Fünf Minuten vor Terminsbeginn sei er von seinem Verteidiger angerufen worden; diesem habe er den Sachverhalt geschildert und mitgeteilt, er werde zwischen 10.45 Uhr und 10.55 Uhr erscheinen. Der Verteidiger habe daraufhin dem Gericht mitgeteilt, er, der Betroffene, werde sich geringfügig verspäten. Um 10.45 Uhr habe das AG den Einspruch verworfen.

Die Rechtsbeschwerde hatte beim KG Erfolg:

„2. Die Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG ist auch begründet. Das Amtsgericht hätte, nachdem es von einer 15 Minuten nicht erheblich überschreitenden Verspätung des Betroffenen wusste, dessen Einspruch nicht ohne weiteres Zuwarten verwerfen dürfen.

a) Die Vorschrift des § 74 Abs. 2 OWiG beruht auf der Vermutung, dass derjenige sein Rechtsmittel nicht weiterverfolgt wissen will, der sich ohne ausreichende Entschuldigung zur Verhandlung nicht einfindet (vgl. BGHSt 24, 143; Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 74 Rn. 19). Sie dient dem Zweck, den Rechtsmittelführer daran zu hindern, die Sachentscheidung über seine Rechtsbeschwerde dadurch zu verzögern, dass er sich der Verhandlung entzieht. Diese Vermutung entfällt jedoch, wenn der Betroffene noch vor dem Termin oder in der normalen Wartezeit von fünfzehn Minuten (vgl. VerfGH Berlin NJW-RR 2000, 1451) die Gründe seiner (voraussichtlichen) Verspätung mitteilt und sein Erscheinen in angemessener Zeit ankündigt (vgl. OLG Köln VRS 42, 184; BayObLG VRS 47, 303; 60, 304; 67, 438; StV 1985, 6; 1989, 94; NJW 1995, 3134; OLG Stuttgart MDR 1985, 871; OLG Düsseldorf StV 1995, 454; OLG Hamm NZV 1997, 408; ebenso zu den Anforderungen an den Erlass eines Versäumnisurteils wegen Nichterscheinens vor Gericht: OLG Dresden NJW-RR 96, 246 und BGH NJW 1999, 724). Das Gericht ist in diesem Fall gehalten, einen längeren Zeitraum zuzuwarten (vgl. Senat VRS 123, 291 m. w. N.). Diese über die normale Wartezeit hinausgehende Wartepflicht besteht unabhängig davon, ob den Betroffenen an der Verspätung ein Verschulden trifft, es sei denn, ihm fällt grobe Fahrlässigkeit oder Mutwillen zur Last (vgl. Senat, a. a. O.).

b) So verhielt es sich hier. Nach dem nachvollziehbaren und glaubhaften Rechtsbeschwerdevortrag war die Abteilungsrichterin bereits vor Terminsbeginn darüber unterrichtet, dass sich der Betroffene „geringfügig“, nämlich 15 bis 25 Minuten, verspäten würde. Dass der Betroffene beim ersten Aufruf der Sache um 10.34 Uhr und beim zweiten Aufruf um 10.45 Uhr fehlte, beruhte also, wie das Gericht wusste, nicht darauf, dass der Betroffene kein Interesse an der Rechtsverfolgung hatte. Es ergab sich vielmehr, wie das Amtsgericht im Urteil auch zutreffend feststellt, daraus, dass der Betroffene seine „Obliegenheit“ verletzt hatte, sich über die pandemiebedingten Zugangsregeln zu informieren. Eine solche Pflichtwidrigkeit erfüllt aber jedenfalls dann nicht die Voraussetzungen des in § 74 Abs. 2 OWiG genannten Merkmals der nicht genügenden Entschuldigung, wenn das alsbaldige Erscheinen des Betroffenen angekündigt und tatsächlich zu erwarten ist. Dies war hier der Fall. Auch grobe Fahrlässigkeit oder gar Mutwillen stehen hier schon angesichts der Volatilität der Pandemieregeln nicht in Rede.

c) Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer auf die Verwerfung der Rechtsbeschwerde antragenden Zuschrift die bedenkenswerte Auffassung, es könne dahinstehen, ob das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen bereits nach einer fünfzehnminütigen Wartezeit verwerfen durfte. Jedenfalls beruhe das Urteil nicht auf einem solchen – unterstellten – Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG, denn die Rechtsbeschwerde verschweige, ob sich der Betroffene überhaupt wieder zurück zum Gericht begeben habe und wann er dort eingetroffen sei.

Dieser Überlegung ist zuzugeben, dass sich die Rechtsbeschwerde nicht dazu verhält, ob und wann sich der Betroffene tatsächlich verhandlungsbereit vor dem Gerichtssaal eingefunden hat. Weiter ist anzuerkennen, dass die gerichtliche Wartepflicht auch dann nicht unbegrenzt andauert, wenn dem Gericht die Gründe der Verspätung bekannt sind. Daraus lassen sich die Erfordernisse ableiten, dass die Rechtsbeschwerde die Dauer der tatsächlichen oder zu erwarten gewesenen Verspätung beziffern und auch mitteilen muss, dass diese dem Tatrichter unterbreitet worden ist. Denn nur in diesem Fall kann das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen, ob dem Amtsgericht ein Zuwarten tatsächlich zumutbar war.

Allerdings teilt die Rechtsbeschwerde hier mit, dass von einer 15- bis 25-minütigen Verspätung auszugehen gewesen sei und dem Amtsgericht demzufolge eine „geringfügige Verspätung“ angekündigt worden sei. Nach der Auffassung des Senats reicht dies für die Bewertung aus, dass das Amtsgericht nicht bereits nach einer fünfzehnminütigen Wartezeit den Einspruch des Betroffenen verwerfen durfte. Es dürfte die Anforderungen überspannen, würde vom Betroffenen die Mitteilung verlangt, dass und wann er sich im Falle eines bereits verkündeten Verwerfungsurteils tatsächlich verhandlungsbereit an Gerichtsstelle eingefunden hat.“

Corona II: Bin Corona-Kontaktperson 1. Grades, oder: Darf ich deshalb der Hauptverhandlung fernbleiben?

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Die zweite Entscheidung stammt dann mit dem KG, Beschl. v. 30.08.2021 – 3 Ws (B) 163/21– vom KG aus Berlin. Thema: Covid 19 und unentschuldigtes Fernbleiben in der Hauptverhandlung.

Das AG hat den Einspruch des Betroffenen verworfen. Der Betroffene war in der Haupverhandlung ausgeblieben und hatte das damit entschuldigt, er sei Kontaktperson ersten Grades einer an Covid-19 erkrankten Person. Das hat dem KG nicht gereicht:

„Die Verfahrensrüge des Betroffenen, das Amtsgericht habe mit der Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, ist jedenfalls unbegründet. Das Amtsgericht hat den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerfrei verworfen.

Das Gericht darf den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG nur verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist. Die Entschuldigung eines Ausbleibens im Termin ist dann als genügend anzusehen, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen (vgl. Senat VRS 134, 143). Maßgebend dafür ist nicht, ob sich der Betroffene entschuldigt hat, sondern ob er entschuldigt ist, weswegen der Tatrichter von Amts wegen prüfen muss, ob Umstände ersichtlich sind, die das Ausbleiben des Betroffenen genügend entschuldigen (vgl. zu § 329 StPO BGHSt 17, 391). Die ihn insoweit treffende Nachforschungspflicht setzt jedoch erst ein, wenn überhaupt ein hinreichend konkreter und schlüssiger Sachvortrag vorliegt, der die Unzumutbarkeit oder die Unmöglichkeit des Erscheinens indizierende Tatsachenbehauptungen enthält (vgl. Senat a.a.O. und Beschluss vom 18. Januar 2018 – 3 Ws (B) 5/18 -; KG, Beschluss vom 28. Oktober 2013 – (4) 161 Ss 198/13 (229/13) -, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. März 2013 – 3 Ss 20/13 -, juris m.w.N.) und dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind, die einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. März 2020 – 202 StRR 29/20 -, juris).

a) Der Vortrag des Betroffenen im – dem Amtsgericht vor Sitzungsbeginn vorgelegten – Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 22. März 2021, er sei “Kontaktperson 1. Grades” einer an Covid-19 erkrankten Person, mit der er am 17. März 2021 Kontakt gehabt habe, die am 19. März 2021 positiv getestet worden sei und dies dem Betroffenen am 20. März 2021 mitgeteilt habe, belegt noch keinen triftigen Grund, der Hauptverhandlung fernzubleiben. Die vom Betroffenen gemachten Angaben waren dafür zu vage und unpräzise. In dem Schriftsatz der Verteidigerin vom 22. März 2021 wird noch nicht einmal die vermeintlich an Covid-19 erkrankte Kontaktperson des Betroffenen sowie die Art des Kontakts benannt, geschweige denn ein – vom Gericht überprüfbares – Dokument über die tatsächliche Erkrankung dieser Kontaktperson vorgelegt oder zumindest Ort und Zeit der Testung mitgeteilt. Auf die – nicht verifizierbare – bloße Behauptung des Betroffenen musste und durfte sich das Amtsgericht bei seiner Entscheidung über die Verwerfung des Einspruchs mithin nicht verlassen.

b) Ebenso wenig löste der Schriftsatz vom 22. März 2021 eine Nachforschungspflicht des Amtsgerichts aus. Denn – wie dargelegt – enthält er keinerlei auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Angaben. Dazu hätte der Betroffene zumindest die Identität der Kontaktperson preisgeben und mitteilen müssen, wann und wo diese durch wen auf Covid-19 positiv getestet worden sein soll, woran es hier fehlt.

c) Das nachträgliche Vorbringen im Schriftsatz der Verteidigerin vom 31. März 2021 ist im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich, weil es für die rechtliche Überprüfung des Verwerfungsurteils allein auf solche Umstände ankommt, die dem Gericht bei dessen Erlass bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 5. Januar 2021 – 3 Ws (B) 330/20 -, 5. Juni 2009 – 3 Ws (B) 245/09 – und 23. Februar 2005 – 3 Ws (B) 74/05 -; alle juris; zu § 329 StPO vgl. KG BeckRS 2014, 9668; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Februar 2021 – III-2 RVs 5/21 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 329 Rdn. 48 m.w.N).2

Na ja, da hätte man m.E. auch großzügiger sein können…..

OWi III: Zweimal verlegt und dann „erkrankt“, oder: Wenn schon, denn schon, sonst bringt es nichts.

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Bei der dritten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um einen Beschluss aus dem schier unerschöpflichen Reservoir der „Entbindungs-“ bzw. „Verwerfungsentscheidungen“. Es ist der KG, Beschl. v. 27. 08.2018 – 3 Ws (B) 194/18.

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Betroffene hatte gegen den gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Das AG Tiergarten hat dann mit Verfügung vom 05.10.2017 einen Termin zur Hauptverhandlung für den 15.01.2018 anberaumt. Ausweislich der Ladungsverfügung war der Termin mit dem Verteidigerbüro abgesprochen. Mit Schriftsatz vom 28.11.2017 hat der Verteidiger eine Terminsverlegung beantragt, da er „aufgrund der Hessischen Winterferien urlaubsbedingt abwesend“ sei und deshalb „einen anderen Terminstag nach dem 19.01.2018“ erbitte. Das Vorbringen wurde anwaltlich versichert.

Das AG hat dem Verlegungsantrag mit Verfügung vom 30.11.2017 entsprochen – ohne dabei offenkundig das anwaltliche Vorbringen näher zu hinterfragen, obwohl es sich bei dem ursprünglich anberaumten Termin tatsächlich um den Montag nach den bis zum 13.01.2018 dauernden hessischen (Schul-) Weihnachtsferien handelte, wie sich als allgemeinkundige Tatsache bspw. über das Internetportal des hessischen Kultusministeriums feststellen lässt. Zugleich hat der Bußgeldrichter neuen Termin zur Hauptverhandlung für den 15.02.2018 bestimmt; ausweislich der Ladungsverfügung war dieser Termin nicht nur mit der Kanzlei, sondern mit dem Verteidiger selbst abgesprochen. Am 08.01.2018 hat der Verteidiger schriftsätzlich eine erneute Terminsverlegung beantragt, die er mit einer Verhinderung „aufgrund eines Seminars (Fortbildung Fachanwaltschaft)“ begründet hat. Eine Terminierung sei, so der Verteidiger weiter, sollte der Verhandlungstag ein Donnerstag sein, „aufgrund anderweitiger Termine in einer Strafangelegenheit mit mehreren Verhandlungstagen erst am 29.03.2018 möglich“.

Mit Verfügung vom 10.01.2018 hat das AG auch dem zweiten Verlegungsantrag entsprochen und in Absprache mit dem Verteidigerbüro nunmehr den 29.03.2018, 13.30 Uhr, als Termin anberaumt. Nach Übermittlung einer Schutzschrift vom 08.03.2018 hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 09. 03.2018 einen nochmaligen Verlegungsantrag gestellt, da er bei Eingang der Ladung übersehen habe, „dass dieser Termin in die hessischen Osterferien fällt und sowohl der Betroffene als auch der Verteidiger sich im Urlaub befinden“.

Das Amtsgericht hat die erneute Terminsverlegung mit Schreiben vom 14.03.2018 abgelehnt und hierzu mitgeteilt: „Dies ist bereits der dritte Termin. Sämtliche Termine wurden mit Ihrer Kanzlei abgesprochen. Jedes Mal haben Sie dann danach um Terminverlegung gebeten. Das Gericht ist diesen Anträgen bereits zweimal nachgekommen. Dieser dritte Termin findet nunmehr statt.“

Mit Telefax vom 28.03.2018, dem AG am gleichen Tag um 13.53 Uhr übermittelt, hat der Verteidiger mitgeteilt, dass der Betroffene, der zum Termin persönlich erscheinen müsse, „plötzlich erkrankt“ sei. Er könne, so der Verteidiger, „auch im Hinblick auf die weite Anreise (ca. 600 km einfache Strecke) daher an dem Termin am 29.03.2018 nicht teilnehmen“. Das Vorbringen wurde anwaltlich versichert. Eine telefonische Erreichbarkeit der zuständigen Geschäftsstelle war zu diesem Zeitpunkt – wie der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren vorträgt – nicht gegeben.

Zum Hauptverhandlungstermin am 29.03.2018 sind weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen. Das Amtsgericht hat den Einspruch hierauf mit der formelhaften Begründung verworfen, dass der Betroffene im Termin ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei, ohne von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden gewesen zu sein.

Dagegen die Rechtsbeschwerde, die keinen Erfolg hatte. Das KG beanstandet zwar eine nur formelhafte Begründung des Verwerfungsurteils, darauf beruhe die angefochtene Entscheidung jedoch nicht:

„bb) Das Urteil des Amtsgerichts beruht indes nicht auf dem dargestellten Rechtsfehler (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 337 Abs. 1 StPO), denn das Entschuldigungsvorbringen des Betroffenen war von vornherein nicht geeignet, sein Ausbleiben im anberaumten Termin genügend zu entschuldigen (vgl. KG aaO; OLG Oldenburg aaO; OLG Bamberg aaO; OLG Karlsruhe aaO; OLG Hamm aaO; OLG Köln aaO).

(1) Die Entschuldigung eines Ausbleibens im Termin ist dann als genügend anzusehen, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen. Hiernach stellt die Erkrankung eines Betroffenen (nur) dann einen ausreichenden Entschuldigungsgrund dar, wenn sie nach ihrer Art und nach ihren Wirkungen, insbesondere nach dem Umfang der von ihr ausgehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar erscheinen lässt (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 18. Januar 2018 – 3 Ws (B) 5/18 – mwN; OLG Köln DAR 1987, 267; OLG Düsseldorf NStZ 1984, 331). Der zwingenden Verhandlungsunfähigkeit bedarf es insoweit nicht (vgl. Senat NZV 2002, 421).

Eine Pflicht zur Glaubhaftmachung des behaupteten Entschuldigungsgrundes oder gar zu einem lückenlosen Nachweis trifft den Betroffenen nicht (std. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 18. Januar 2018 – 3 Ws (B) 5/18 – ; VRS 108, 110 [zu § 329 Abs. 1 StPO] sowie NZV 2002, 421). Daher kann insbesondere aus der mangelnden Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung – oder deren inhaltlicher Unzulänglichkeit – nicht geschlossen werden, dass eine geltend gemachte Erkrankung nicht der Wahrheit entspreche und der Betroffene deshalb nicht genügend entschuldigt sei. Bestehen Zweifel, ob er genügend entschuldigt ist und können diese auch im Freibeweisverfahren nicht geklärt werden, darf sein Einspruch nicht verworfen werden.

Die gerichtliche Nachforschungspflicht setzt indes erst dann ein, wenn überhaupt ein schlüssiger Sachvortrag vorliegt, der die Unzumutbarkeit des Erscheinens indizierende Tatsachenbehauptungen enthält. Ein Sachvortrag, der dem Tatgericht die Bewertung einer „Erkrankung“ des Betroffenen als Entschuldigungsgrund ermöglichen soll, erfordert für seine Schlüssigkeit dabei zumindest die Darlegung eines krankheitswertigen Zustandes, also eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vgl. BSGE 35, 10; Senat, Beschluss vom 18. Januar 2018 – 3 Ws (B) 5/18 – mwN; OLG Bamberg aaO).

(2) Das ausschließliche Vorbringen des Verteidigers in dessen Schriftsatz vom 28. März 2018, der Betroffene sei „plötzlich erkrankt“, weshalb er „auch im Hinblick auf die weite Anreise“ nicht am anberaumten Termin teilnehmen könne, genügte den dargestellten (Mindest-)Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag nicht. Weder wurden die Art der Erkrankung noch die vorhandene Symptomatik zumindest dem allgemeinem Sprachgebrauch nach bezeichnet, so dass sich Erwägungen zur grundsätzlichen Plausibilität des behaupteten Entschuldigungsgrundes nicht einmal ansatzweise anstellen ließen – wobei der Umstand, dass es sich um ein Vorbringen aus der Sphäre des Betroffenen handelt, einen umfassenderen Sachvortrag ermöglicht, der ihm bzw. seinem Verteidiger auch zuzumuten ist. Eine Nachforschungspflicht des Bußgeldrichters, die näheren Umstände der Verhinderung des Betroffenen allein auf der Grundlage einer derart pauschalen Behauptung durch Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger oder dem Betroffenen persönlich einer Klärung zuzuführen, erkennt der Senat nicht (im Grundsatz ebenso Senat DAR 2011, 146 [aufgrund näherer Darlegung der in Bezug genommenen Erkrankung mit anderem Ergebnis]; Beschluss vom 24. April 2002 – 3 Ws (B) 2/02 mwN; vgl. auch OLG Bamberg aaO); an der vereinzelt gebliebenen Auffassung, allein die Erklärung, der Betroffene sei „akut erkrankt und weder reise- noch verhandlungsfähig“, gebe hierfür Anlass (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2011 – 3 Ws (B) 268/11 –), hält er nicht fest. Denn in ihrer Pauschalität lässt eine solche Mitteilung lediglich vermuten, dass der Betroffene meint, aufgrund seines Gesundheitszustandes sei ihm eine Teilnahme an der Hauptverhandlung – vorliegend in Verbindung mit der notwendigen Anreise – nicht zuzumuten, während er die konkreten und sodann überprüfbaren Anhaltspunkte hierfür unerwähnt lässt. Insoweit ist auch keine Vergleichbarkeit des vorliegenden Sachverhalts mit den erfahrungsgemäß häufig vorkommenden Fällen der Vorlage einer unspezifisch formulierten ärztlichen Bescheinigung gegeben, denn in den letztgenannten Fällen ergeben sich hinreichende (wenn auch im Rahmen der gerichtlichen Nachforschungspflicht ggf. zu verifizierende) Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung des Betroffenen zwanglos aus dem Umstand, dass ein ausgebildeter Mediziner bei dem vorstellig gewordenen Patienten auf das Vorliegen eines krankheitswertigen Zustandes erkannt hat.

(3) Der Betroffene hatte auch keinen Grund zu der Annahme, dass dem Terminsverlegungsantrag seines Verteidigers ohne ein geeignetes Entschuldigungsvorbringen entsprochen werden könnte. Zwar wird einem solchen Gesuch in der Regel nachzukommen sein, wenn ein Betroffener bzw. sein Verteidiger rechtzeitig – und mit nachvollziehbarer Begründung – erstmals einen Antrag auf Verlegung eines Hauptverhandlungstermins stellen (vgl. OLG Karlsruhe aaO; BayObLG MDR 1996, 955); eine derartige Fallkonstellation war vorliegend indes nicht gegeben.“

Das Bestreben/Ziel des Verteidigers ist m.E. deutlich zu erkennen. Nur: Wenn man auf Verzögerung aus ist, muss man auch bis zum Ende richtig spielen 🙂 .