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Zweimal Terminsgebühr: Aufruf der Sache nicht erforderlich

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Heute ist Montag und da müsste es um diese Zeit etwa die Lösung des Gebührenrätsels geben. Da in der vorigen Woche aber kein Rätsel gelaufen ist, gibt es heute keine Auflösung. Es soll dann aber trotzdem etwas zum Gebührenrecht laufen, und zwar zwei Entscheidungen, die schon länger in meinem Blogordner hängen. In beiden Entscheidungen geht es um den Anfall der Terminsgebühr. Und in beiden Entscheidungen wird zur Frage der Erforderlichkeit des Aufrufs der Sache für den Anfall der Hauptverhandlungsterminsgebühr Stellung genommen.

Die eine Entscheidung ist der OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.08.2015 – 2 Ws 51/15. Der Sachverhalt ergibt sich aus der Beschlussbegründung:

Das Landgericht Kassel hat völlig zutreffend darauf abgestellt, dass die Terminsgebühr nur dann anfällt, wenn am 28.07.2014 ein Verhandlungstermin (Hauptverhandlungstag im Sinne der Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Nr. 4121 VV-RVG) stattgefunden hat. Der Beschwerdeführer hatte vorliegend unmittelbar vor Aufruf der Sache zum ersten Hauptverhandlungstag am 28.07.2014 ein schriftliches Befangenheitsgesuch eingereicht. Das für den Sitzungstag gefertigte Protokoll das vom Vorsitzenden und der Protokollführerin unterschrieben ist, weist eine Verhandlung vom 9:02 Uhr bis 9:20 Uhr auf. In dem Protokoll ist die komplette Anwesenheit der Richterbank inklusive der Schöffen vermerkt. Ein formaler Aufruf zur Sache ist nicht notiert. Ebenso sind die weiteren Anwesenden nicht vermerkt. Weiter ist festgehalten, dass der Vorsitzende sodann mitteilte, dass aufgrund des Ablehnungsantrages am heutigen Tag die Hauptverhandlung nicht durchgeführt werden könne und der nächste Termin zur Hauptverhandlung wie bereits bestimmt am Donnerstag, den 31.07.2014 stattfinden werde.

Das Protokoll belegt damit, dass eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Dass vorliegend nicht förmlich aufgerufen wurde und auch die Anwesenheit nicht ordnungsgemäß protokolliert worden ist, ist insoweit unschädlich. Ein förmlicher Aufruf zur Sache ist ebenso wie die Präsenzfeststellung, keine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner § 243 Rdnr. 4 am Ende und Rdnr. 5).

Ob verhandelt werden soll, ergibt sich durch das äußere Erscheinungsbild, bei dem die Beteiligten als erstes erkennen können, dass zur Sache verhandelt werden soll. Dies ergibt sich vorliegend dadurch, dass die komplette Kammer inklusive Schöffen als anwesend im Protokoll vermerkt worden sind und zumindest über die bloße Entgegennahme des Ablehnungsantrages auch eine Einlassung oder eine Erklärung des Beschwerdeführers zum Ablehnungsantrag vermerkt worden ist. Entscheidend ist darüber hinaus, dass nicht die Kammer nach § 228 StPO die Hauptverhandlung abgesetzt und am nächsten geplanten Sitzungstag neu begonnen hat, sondern der Vorsitzende die (weitere) Verhandlung lediglich (auf Grund des Befangenheitsantrags) auf den nächsten Sitzungstag verlegt hat.

Damit ist kostenrechtlich ein Sitzungstag angefallen, so dass die Hauptverhandlungsgebühr vom Pflichtverteidiger im Ergebnis zu Recht in Ansatz gebracht worden ist.“

Insoweit richtig, im zweiten Teil betreffend den Längenzuschlag m.E. falsch.Aber nun, auch ein OLG hat nicht immer gute Tage.

Und ähnlich zum Aufruf hat das LG Düsseldorf im LG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08.2015 – 10 KLs 1/14 argumentiert. Da ging es um eine Verbindungsproblematik, bei der auch die Frage des Aufrufs eine Rolle gespielt hat. Das LG sagt dazu im Leitsatz:

„Der auch für ein hinzuverbundenes Verfahren bestellte Pflichtverteidiger kann eine Terminsgebühr auch für dieses Verfahren beanspruchen, wenn vor der Verbindung zwar kein Aufruf des erst unmittelbar vor der Verbindung in der Hauptverhandlung eröffneten hinzuverbundenen Verfahrens erfolgt ist, der Vorsitzende aber durch die Ankündigung der Verbindung zu erkennen gegeben hat, die Hauptverhandlung auch in diesem Verfahren durchführen zu wollen und der Angeklagte und sein Verteidiger durch Verzicht auf die Förmlichkeiten und Fristen gem. §§ 216, 217 StPO die Voraussetzungen für eine Hauptverhandlung geschaffen haben.“

Auch Landtagsabgeordnete dürfen nicht zum „Schottern“ aufrufen

FesteFahrbahn+SchotterAuch Landtagsabgeordnete dürfen nicht „Schottern“ bzw. dürfen nicht zum Schottern aufrufen. Tun sie es doch, machen sich sich nach dem OLG Celle, Urt. v. 15?.?11?.?2013?, 32 Ss ?135?/?13? – strafbar. Das ergibt sich aus der PM des OLG Celle, die zu dieser Entscheidung vorliegt. Da heißt es u.a.

Etwa 1.780 Unterzeichner, darunter auch der Angeklagte, hatten sich im Jahr 2010 auf einer frei zugänglichen Internetseite mit ihren Namen in eine dort veröffentlichte Liste eingetragen, um die angekündigte „Schotter – Aktion“ anlässlich des Castortransportes zu unterstützen. Ziel der Aktion war es den damaligen Castor – Transport aufzuhalten. Durch Entfernung der Schottersteine aus dem Gleisbett der Schienenstrecke, sollte die Standfestigkeit des Gleisbettes derart beeinträchtigt werden, dass die Strecke unbefahrbar würde (sog. Schottern). Das OLG Celle hatte mit Beschl. v. 14.03.2013 (31 Ss ?125?/?12?) entschieden, dass ein solcher Aufruf zum „Schottern“ für sich schon eine Straftat darstellt (vgl. Der Aufruf: “Komm, wir gehen schottern” – strafbar oder nicht?).

Der Angeklagte im Verfahren 32 SS 135/13 ist/war Abgeordneter der Partei „Die LINKE“ im Thüringischen Landtag. Nachdem der Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten des Thüringer Landtages auf Antrag der Staatsanwaltschaft Lüneburg die Immunität des Angeklagten, also den Schutz eines Abgeordneten davor, ohne Genehmigung des Parlaments wegen einer Straftat verfolgt zu werden, aufgehoben hatte, sprach das Amtsgericht Lüneburg den Angeklagten mit Urteil vom ?02?.?05?.?2013? vom Vorwurf der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten frei. Ihm komme der persönliche Strafausschließungsgrund der Indemnität zugute, also die Straffreiheit bei Abstimmungshandlungen und Äußerungen im Parlament. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Sprungrevision eingelegt.

Der 2. Strafsenat des OLG Celle hat nunmehr festgestellt, dass sich der Angeklagte nicht auf die landesverfassungsrechtlichen Indemnitätsvorschrift des Art. 55 Abs. 1 Thüringische Verfassung berufen kann. Nach Art. 55 Abs. 1 Thüringer Verfassung dürfen Abgeordnete zu keiner Zeit wegen ihrer Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die sie im Landtag, in einem seiner Ausschüsse oder sonst in Ausübung ihres Mandats getan haben, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Landtags zur Verantwortung gezogen werden. Der Regelungsbereich dieser Norm sei nicht eröffnet, denn er sei auf das Abstimmungsverhalten und Äußerungen aller Art im Landtag zu beschränken, also auf die öffentliche Debatte im Plenum, in den Ausschüssen und in den anderen Vorbereitungsgremien, nicht aber auf Äußerungen außerhalb des Landtages, etwa in Wahlversammlungen und anderen politischen Veranstaltungen in der Öffentlichkeit oder in der Partei oder anderen nichtparlamentarischen Gremien. Hieraus folge, dass Äußerungen, die ein Abgeordneter außerhalb des Landtages und seiner Ausschüsse im öffentlichen Raum – zu dem auch das Internet zählt – tätigt, nicht geschützt seien.

Hieran könne auch der Umstand nichts ändern, dass der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen seinen Eintrag in die Unterstützungsliste mit dem Zusatz „MdL Die LINKE.Thüringen“ versehen hat, denn dieser Zusatz weise allein auf seinen Status als Landtagsabgeordneter hin, nicht aber auf einen vermeintlich geschützten Handlungsbereich.

Der Strafsenat hat gleichzeitig zu erkennen gegeben, dass die Normen des Landesverfassungsrechts die Regelung des § 36 StGB weder einengen noch ausdehnen können, soweit es um die strafrechtlichen Folgen der Indemnität geht. Der Bundesgesetzgeber habe von seiner Strafrechts-Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht, sodass nach Artikel 31 des Grundgesetzes – Bundesrecht bricht Landesrecht – die landesverfassungsrechtlichen Indemnitätsnormen nicht anzuwenden seien.

Der Aufruf: „Komm, wir gehen schottern“ – strafbar oder nicht?

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Durch die wieder aufgekommene Diskussion um die Castortransporte und/oder die Endlagerung von Atom-Müll, bekommt wahrscheinlich ein Beschluss des OLG Celle erhebliche Brisanz und praktische Bedeutung, auf den das OLG in einer PM  hingewiesen hat, und zwar der OLG Celle, Beschl. v. 14. 03.2013 – 31 Ss 125/12. In dem Verfahren ging es um die Frage der Strafbarkeit des öffentlichen Aufrufs zum „Schottern“. Die hat das OLG bejaht. Dazu die – zunächst nur vorliegende PM –

Etwa 1.780 Unterzeichner, darunter auch der Angeklagte, hatten sich im Jahr 2010 auf einer frei zugänglichen Internetseite mit ihren Namen in eine dort veröffentlichte Liste eingetragen, um die angekündigte „Schotter – Aktion“ anlässlich des Castortransportes zu unterstützen. Ziel der Aktion war es den damaligen Castor – Transport aufzuhalten. Durch Entfernung der Schottersteine aus dem Gleisbett der Schienenstrecke, sollte die Standfestigkeit des Gleisbettes derart beeinträchtigt werden, dass die Strecke unbefahrbar würde (sog. Schottern). Das Amtsgericht Lüneburg verurteilte den Angeklagten im Juni 2012 wegen öffentlicher Aufforderung zu Strafftaten zu einer Geldstrafe in Höhe eines halben Netto-Monatsgehalts.

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle bestätigte auf die Revision des Angeklagten die Entscheidung des Amtsgerichts Lüneburg mit Beschluss vom 14. März 2013 (31 Ss 125/12). Zunächst stelle die Entfernung der Schottersteine aus einem Gleisbett, bis dieses unterhöhlt und unbefahrbar ist, eine strafbare Handlung im Sinne einer Störung öffentlicher Betriebe nach § 316 Abs. 1 Nr. 1 StGB* dar. Die Gleise der Deutschen Bahn AG dienten dem öffentlichen Verkehr, auch wenn sie in gewissen Zeiträumen ausschließlich dem Castor – Transport zur Verfügung stünden.

Außerdem habe sich der Angeklagte mit der Unterzeichnung einer öffentlich zugänglichen Unterschriftenliste, die ausdrücklich den bildlichen und schriftlichen Aufruf zum „Schottern“ unterstützen sollte, den Aufruf zur Störung öffentlicher Betriebe zu Eigen gemacht. Damit habe der Angeklagte die Schwelle von einer Meinungsäußerung oder straflosen Befürwortung von Straftaten zur strafbaren Aufforderung überschritten. Die Veröffentlichung der Aktionspläne könne nicht mehr als Versuch der Sensibilisierung anders Denkender innerhalb eines politischen Streites gesehen werden. Vielmehr enthalte der Aufruf die Handlungsanweisung, an einem bestimmten Tattag und Tatort eine näher bezeichnete strafbare Handlung umzusetzen. Die tatsächliche Umsetzung der „Aktion-Schottern“ sei vom Aufruf bezweckt und durch die Unterzeichnung des Angeklagten von diesem auch ausdrücklich erwünscht und angestrebt gewesen.

Der Pressesprecher und Richter am Oberlandesgericht Dr. Götz Wettich erläutert: „Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit in Bezug auf die bisher diskutierte Frage der Strafbarkeit des sog. Schotterns. Atomkraftgegnern bleibt es natürlich weiter unbenommen, andere von ihrer Meinung zu überzeugen und die Auseinandersetzung mit den Castor-Transporten öffentlich und mit kreativen oder spektakulären Aktionen zu begleiten.Aber die Rechtsordnung schützt nicht nur die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit der einen, sondern auch die Eigentumsrechte der anderen. Die Gerichte müssen dies bei der Auslegung der Straftatbestände berücksichtigen.

Dass die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Aufrufs jede Gefahr für Leib und Leben von Unbeteiligten und Polizisten ausschließen wollten und sich für ein überragend wichtiges politisches Anliegen einsetzten, spiegelt sich in der sehr milden Strafe.“

*Hinweis: Kleiner Fehler in der PM: Es muss nicht „§ 316 Abs. 1 Nr. 1 StGB heißen sondern: § 316b Abs. 1 Nr. 1 StGB“. Kann auch mal beim OLG passieren.

 

Der Lynch-Aufruf bei Facebook bringt zwei Wochen Jugendarrest

Verhältnismäßig schnell hat das AG Emden gegen den 18-Jährigen Jugendlichen verhandelt, der im sog. Mordfall Lena über Facebook zur Lynchjustiz aufgerufen hatte (vgl. hier). In der gestrigen Hauptverhandlung ist, wie die Tagespresse heute berichtet, ein Jugendarrest von zwei Wochen verhängt worden.

Nicht als Exempel, sondern als Warnschuss – hat der Jugendrichter begründet. Ist dann aber wohl nicht nur ein Warnschuss für den Betroffenen, sondern auch für (viele) andere. Hoffentlich