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Pflichti II: Wegfall der „Waffengleichheit“, oder: Vorgeschobene Entpflichtungsgründe?

© pedrolieb -Fotolia.com

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Nach dem in meinen Augen nicht so schönen LG Stendal, Beschl. v. 26.11.2015 – 501 AR 9/15 (vgl. dazu Pflichti I: Rückwirkende Beiordnung, oder „Hase und Igel“) einen Beschluss, der beim AG einen ebenfalls nicht so ganz schönen Anfang genommen hat. Das LG Hamburg hat es dann aber im LG Hamburg, Beschl. v. 04.11.2015 – 628 Qs 34/15 – „gerichtet“. Es handelt sich um ein Verfahren beim AG wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Dem ursprünglichen Mitangeklagten des Angeklagten, dem bei einer Verurteilung ein Bewährungswiderruf in einer anderen Strafsache gedroht hätte, hatte das AG einen Pflichtverteidiger beigeordnet. Dies ist dann auch beim Angeklagten am ersten Hauptverhandlungstag geschehen. Am vierten Hauptverhandlungstag stellt das AG dann auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Mitangeklagten gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein. Dann setzt es die Hauptverhandlung mit der Vernehmung eines Zeugen fort. Nach dieser Vernehmung stellte Herr Pflichtverteidiger des verbliebenen Angeklagten drei Beweisanträge. Abschließend beraumte das AG einen weiteren Verhandlungstermin an, zu dem es sowohl den Angeklagten als auch seinen Pflichtverteidiger lud. Am nächsten Tag teilt das AG dann zum ersten Mal mit, es erwäge, die Beiordnung die Beiordnung des Pflichtverteidigers aufzuheben. Aufgrund der Einstellung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten sei der Grund der Beiordnung entfallen. Einige Tage später wird dann tatsächlich aufgehoben.

Das LG Hamburg ist „not amused“. Wenn man den Beschluss so liest, hat man den Eindruck, dass es dem AG die Beschlussbegründung – weitere Beiordnung nicht mehr erforderlich, da Gründe für die Waffengleichtheit weggefallen sind – nicht glaubt., sondern (auch) den Eindruck hat, dass es sich um vorgeschobene Gründe handelt, die vorgebracht wurden, um einen missliebigen, weil unbequemen Verteidiger – Stichwort: drei Beweisanträge –  aus dem Verfahren zu „schießen“:

„2. Ferner ist für die Kammer nicht feststellbar, dass die Aufhebung der Beiordnung tatsächlich allein durch das Ausscheiden des Mitangeklagten motiviert war.

Immerhin hat das Amtsgericht die Einstellung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten am 27.10.2015 nicht etwa zum Anlass genommen, sogleich eine Entpflichtung von Herrn Rechtsanwalt Dr. T. zu erwägen. Vielmehr hat es die Hauptverhandlung mit einer Zeugenvernehmung fortgesetzt, sodann einen weiteren Termin anberaumt und Herrn Dr. T. – der zuvor noch drei Beweisanträge gestellt hatte – zu diesem Termin geladen. Erst am Folgetag hat das Amtsgericht dann mitgeteilt, die Aufhebung der Beiordnung zu erwägen, und Gelegenheit zur eiligen Stellungnahme gegeben.“

Im Übrigen Bestätigung der „Vertrauensschutzrechtsprechung“ der Obergerichte, die sich in dem Leitsatz zusammenfassen lässt:

„Die Beiordnung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO gilt grundsätzlich für das gesamte Strafverfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss. Eine Aufhebung der Beiordnung ist daher nur zulässig, wenn das Vertrauen des Angeklagten auf die Beiordnungsentscheidung ausnahmsweise nicht schutzwürdig ist, weil sich die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände wesentlich geändert haben oder das Gericht von objektiv falschen Voraussetzungen ausgegangen ist.“

Der Kollege, der den Beschluss erstritten hat, wird sich nicht nur über die Entscheidung freuen, sondern sicherlich mit dem Mandanten auch die Frage der Befangenheit des Amtsrichters erörtern (§ 24 StPO). Mal sehen, ob wir von der Sache noch hören.

An sich ganz einfach, oder: Welche Feststellungen bleiben denn nun bestehen?

© Blackosaka - Fotolia.com

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Bei der Auswertung der Rechtsprechung des BGH auf dessen Homepage fällt auf, dass die Frage, welche Feststellungen nach einer Teilaufhebung des BGH eigentlich bestehen geblieben sind, offenbar nicht einfach zu beantworten ist. Die stellt sich insbesondere, wenn der BGH nur den Schuldspruch aufgehoben und insoweit zurückverwiesen hat. Mit der Frage befasst sich nun wieder der BGH, Beschl. v. 09.04.2015 – 2 StR 19/15. Da musste der BGH zum zweiten Mal aufheben. Zuvor hatte das LG den Angeklagten den Angeklagten im Juli 2013 u.a. wegen Diebstahls in 35 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der BGH mit Beschluss vom 15.04.2014 u.a. drei Taten aus dem Schuldspruch ausgeschieden, den Schuldspruch in einem Fall berichtigt und den Schuldspruch insgesamt dahingehend klargestellt, Außerdem wurden sämtliche Einzelstrafaussprüche sowie der Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

Daraufhin verurteilte das LG den Angeklagten nunmehr unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von (nur noch) vier Jahren und sieben Monaten. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte beim BGH erneut Erfolgm und zwar in vollem Umfang. Zur Begründung hat der BGH im Beschl. v. 09.04.2015 auf die Stellungnahme des GBA Bezug genommen (wenn die ein „Hiwi“ gemacht hat, wird es den gefreut haben):

„1. Nach rechtskräftigem Schuldspruch ist nur noch über den Rechtsfolgenausspruch zu befinden. Er hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Er beruht auf Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten, die das Landgericht nicht in prozessordnungsgemäßer Weise getroffen hat.

Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:

„Die Strafkammer hat dem Angeklagten bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen und der Gesamtstrafenbildung straferschwe-rend angelastet, dass er ‚bereits in einer Vielzahl von Fällen (auch einschlägig) strafrechtlich in Erscheinung getreten‘ ist (vgl. Bl. 22, 25 UA). Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten ein-schließlich seiner Vorstrafen hat sie indes im Wesentlichen keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern die Feststellungen aus dem im ersten Durchgang ergangenen Urteil des Landgerichts vom 30. Juli 2013 wörtlich wiedergegeben, die sie insoweit als bindend (‚rechtskräftig‘) angesehen hat (vgl. Bl. 4 ff. UA). Ergänzend hat sie insofern lediglich festgestellt, dass der Angeklagte nach Verbüßung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. April 2008 ohne längerfristige Vorbereitung aus der Strafhaft entlassen wurde und unter einer altersbedingten Augenerkrankung sowie möglicherweise auch unter einer Krebserkrankung leidet (vgl. Bl. 9 UA).

Darin liegt ein sachlich-rechtlicher Fehler. Das Urteil des Landgerichts vom 30. Juli 2013 war durch den Beschluss des Senats vom 15. April 2014 – 2 StR 566/13 – in „sämtlichen Einzelstrafaussprüchen sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben“ worden. Wird ein Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, so bleiben lediglich die den Schuldspruch tragenden Feststellungen bestehen. Diese binden den neuen Tatrichter, auch wenn sie als doppelrelevante Tatsachen zugleich für den Strafausspruch Bedeutung haben. Durch die Entscheidung des Revisionsgerichts sind hingegen alle Feststellungen aufgehoben, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Solche Feststellungen dürfen dem neuen Urteil nicht zugrunde gelegt werden; vielmehr muss der neue Tatrichter insoweit umfassend eigene Feststellungen treffen und diese in den Urteilsgründen mitteilen (vgl. BGHSt 24, 274, 275; BGH NStZ-RR 2000, 39; BGH, Beschluss vom 29. September 2010 – 3 StR 301/09 -, juris Rn. 3; BGH, NStZ-RR 2013, 22 f.).

Da die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und Vorstrafen des Angeklagten im Urteil des Landgerichts vom 30. Juni 2013 allein für den Strafausspruch Relevanz hatten, waren sie von der Aufhebung durch den Senat umfasst. Die Strafkammer durfte sich daher bei der Strafzumessung nicht auf sie stützen, sondern hätte insofern eigene Feststellungen treffen müssen. Dies hat sie unterlassen.“

An sich ganz einfach, oder?

5 Jahre 9 Monate U-Haft – das reicht – auch bei einem Mordvorwurf

© Elena Schweitzer - Fotolia.com

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Das Verfahren lange dauern, manchmal auch zu lange, das wissen wir alle. Und dass Verfahren beschleunigt zu führen sind, wissen wir, vor allem, wenn sich der Beschuldigte in U-Haft befindet, auch.Das scheint in einem Verfahren, das jetzt, zumindest was die Haftfrage angeht, beim OLG Köln mit dem OLG Köln, Beschl. v. 01.06.2015 – 2 Ws 299/15 – sein Ende gefunden hat, aus den Augen geraten sein.

Da befand sich der Beschuldigte in einem Verfahren mit dem Vorwurf des Mordes seit dem 05.08.2009 (!!!) in U-Haft. Es hat inzwischen zweimal eine erstinstanzliche Hauptverhandlung stattgefunden und zweimal war auch der BGH mit der Sache befasst. Derzeit liegt das Verfahren nach der zweiten Aufhebung durch den BGH beim LG Köln. Da passiert seit September 2014 zunächst nichts, Anfnag April 2015 wird dann tgerminiert auf 33 Verhandlungstagen zwischen dem 06.08.2015 und dem 26.11.2015. Nun hat es dem OLG Köln gereicht:  Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes inzwischen nicht mehr verhältnismäßig.

„Der Beschwerdeführer befindet sich – unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafe – rund 5 Jahre und 9 Monate in Untersuchungshaft. Eine rechtskräftige Verurteilung ist trotz zweier erstinstanzlicher Entscheidungen des Landgerichts Bonn, die im Revisionsverfahren durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs jeweils aufgehoben worden sind, bislang nicht erfolgt. Diese außergewöhnlich lange Dauer der Inhaftierung rechtfertigt für sich gesehen zwar nicht die generelle Annahme, dass eine weitere Vollstreckung der Untersuchungshaft unverhältnismäßig wäre, zumal es sich vorliegend um einen besonders aufwändigen und schwierigen Indizienprozess handelt. Andererseits war jedoch auch zu berücksichtigen, dass sich das Verfahren lediglich gegen zwei Angeklagte richtet und der Aktenumfang dem eines üblichen Schwurgerichtsverfahrens in etwa entspricht.

Die Prüfung des Verfahrensverlaufs ergibt, dass das Verfahren bis zum Erlass des Urteils des Landgerichts B. vom 10.07.2012 mit der gebotenen Beschleunigung gefördert worden ist. …

Hingegen war vorliegend auch festzustellen, dass das nach dem Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts B. vom 10.07.2012 folgende weitere Verfahren den Vorgaben des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen nicht mehr vollständig gerecht geworden ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass seit Absetzung des vorgenannten Urteils ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren und sieben Monaten vergangen ist, ohne dass ein rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens vorliegt bzw. – derzeit – noch nicht einmal mit einer erneuten Hauptverhandlung begonnen ist.

Maßgebend für diesen Zeitraum ist zum einen die aus Sicht des Senats ungewöhnlich lange zeitliche Dauer des „zweiten“ Revisionsverfahrens. Die Verteidigung hat zutreffend darauf hingewiesen, das vom Eingang der Akten beim Bundesgerichtshof am 19.03.2013 bis zum Erlass des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 05.06.2014 ein Zeitraum von 14 1/2 Monaten vergangen ist. Ergänzend bemerkt der Senat, dass bis zum Eingang der Verfahrensakten beim Landgericht K. im September 2014 eine Zeitspanne von weiteren drei Monate verstrichen ist.

Weiter war insoweit festzustellen, dass das Verfahren nach Eingang der Akten beim Landgericht K., offensichtlich bedingt durch die Belastung der zuständigen Strafkammer mit weiteren Haftsachen, was im Frühjahr diesen Jahres auch zu einer vom Präsidium vorgenommenen Ableitung von (anderen) Verfahren geführt hat, nicht mit der vorliegend gebotenen besonderen Beschleunigung gefördert worden ist. Entgegen einem von der zuständigen Strafkammer im angefochtenen Beschluss zunächst für möglich erachteten Prozessbeginn ab Anfang Januar 2015 hat die Vorsitzende der Strafkammer erst am 01.04.2015 Hauptverhandlungstermine – beginnend ab dem 06.08.2015 – bestimmt. Zwischen dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 05.06.2014 und der erneuten Hauptverhandlung liegt somit ein Zeitraum von 14 Monaten. …. Soweit die Strafkammer in der Nichtabhilfeentscheidung vom 29.04.2015 ausführt, dass ein frühzeitiger Beginn der Hauptverhandlung, insbesondere der zunächst in Aussicht genommene Beginn im Januar 2015, aufgrund vorrangig zu bearbeiten Haftsachen nicht zu realisieren war, hegt der Senat Zweifel, ob dies den vorliegend erhöhten Anforderungen des Beschleunigungsgrundsatzes ausreichend Rechnung trägt. Im Strafverfahren gilt nicht nur der Grundsatz, der vorrangigen Bearbeitung von Haftsachen gegenüber Nichthaftsachen, sondern auch von besonderen Haftsachen gegenüber anderen Haftsachen (vgl.: BVerfG B., v. 05.12.2005, a.a.O. Rn 82; OLG Düsseldorf Beschluss vom 25.03.1996 – 2 Ws 86/96 -). Der Senat, dem die Belastung der zuständigen Strafkammer mit Haftsachen aus der Befassung mit Entscheidungen nach §§ 121 f StPO vor Augen steht, ist nicht bekannt, dass neben der vorliegenden Haftsache, die im Hinblick auf die außergewöhnlich lange Dauer der Untersuchungshaft als „besondere Haftsache“ anzusehen ist, bei der zuständigen Schwurgerichtskammer weitere besondere Haftsachen anhängig sind. Soweit dies nicht der Fall gewesen sein sollte, was der Senat hier nicht abschließend aufklären musste, wäre dieses Verfahren vor anderen Haftsachen vorrangig zu bearbeiten und zeitnah zu terminieren gewesen. Trotz der unbestrittenen Schwierigkeit und Komplexität des Verfahrens erscheint es daher zweifelhaft, ob die erst ca. sechs Monate nach Eingang der Verfahrensakten vorgenommene und mit einem zeitlichen Vorlauf von rund vier Monaten erfolgte Terminierung den Vorgaben des Beschleunigungsgrundsatzes noch gerecht wird. Im Hinblick auf die besonders lange Dauer der Untersuchungshaft wäre das Landgericht gehalten gewesen, alles in seiner Macht stehende zu tun, um eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat so zeitnah wie irgend möglich herbeizuführen (BVerfGE 36, 264 (273)).
Der Senat konnte offen lassen, ob die aufgezeigten Gesichtspunkte, jeweils einzeln betrachtet, vor dem Hintergrund des erheblichen Tatvorwurfs sowie der Schwierigkeit des Verfahrens bereits zur Annahme einer Unverhältnismäßigkeit der Haftfortdauer ausgereicht hätten. Im Rahmen der vorgenommenen Gesamtwürdigung war jedoch festzustellen, dass die Förderung des Verfahrens seit der letzten Entscheidung durch das Landgericht B. im Juli 2012 nicht mehr den – an der ungewöhnlich langen Dauer der Untersuchungshaft zu messenden – erhöhten und zunehmend steigenden Anforderungen des Beschleunigungsgrundsatzes (vgl.: BVerfGE 19, 342 (347); 36, 264 (270)) entsprochen hat. Seit fast 2 Jahren und 10 Monaten hat eine Verfahrensförderung durch eine erneute Hauptverhandlung nicht mehr stattgefunden. Seit der (ersten) erstinstanzlichen Verurteilung durch das Landgericht B. vom 11.06.2010 sind sogar nahezu fünf Jahre vergangen, ohne dass das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen werden konnte. ….“

Ohne Kommentar: Außer: Einen kleinen Seitenhieb auf den BGH konnte sich das OLG dann doch wohl nicht verkneifen.

Es war „nicht ansatzweise nachvollziehbar“, was das LG mit der Haftverschonung macht

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Manche Haftentscheidungen sind auch für mich nach nun doch einigen Jahren (Berufs)Erfahrung noch überraschend und ich denke dann nicht selten: Darauf muss man erst einmal kommen. So ist es mir mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.03.2015 – 1 Ws 51/15 – ergangen. Nicht wegen des OLG-Beschlusses, denn der ist richtig, sondern wegen der zugrunde liegenden Entscheidung des LG Baden-Baden. Das LG hatte einen eigenen Haftverschonungsbeschluss der Kammer, durch den dem Angeklagten u.a. aufgegeben worden war, sich nach Haftentlassung unmittelbar in eine Fachklinik zur Suchbehandlung zu begeben, nach Einlegung einer Haftbeschwerde aufgehoben  und das – so muss man den OLG-Beschluss verstehen – damit begründet, dass sich aus der Einlegung des Rechtsmittels ergebe, dass der Angeklagte nicht bereit sei, die Suchtbehandlung anzutreten.

Das macht das OLG – zutreffend – nicht mit, sondern schreibt dem LG ins Stammbuch:

„Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25.02.2015 hat die 6. Kleine Strafkammer des Landgerichts Baden-Baden ihren Haftverschonungsbeschluss vom 16.02.2015 auf die Haftbeschwerde des Verteidigers aufgehoben und die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Diese Entscheidung war schon deshalb aufzuheben, weil die Begründung des Strafkammer, allein aus der Einlegung des Rechtsmittels ergebe sich die fehlende Bereitschaft des. Angeklagten zum Antritt der ihm auferlegten Aufnahme einer Suchtentwöhnungsbehandlung in der Fachklinik ppp., nicht ansatzweise nachvollziehbar ist und auf ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des bundesdeutschen Rechtsmittelsystems hindeutet. Es ist nämlich das verfassungsrechtlich verbürgte Recht eines jeden Angeklagten, auch bei einer erfolgten Außervollzugsetzung eines Haftbefehls die eigentliche Haftgrundlage durch Erhebung einer Haftbeschwerde in Frage zu stellen, weshalb die bloße Wahrnehmung dieses Rechts nicht zu seinem Nachteil gereichen darf. Tatsächliche Anhaltspunkte, auf welche sich die Annahme der fehlenden Bereitschaft des Angeklagten zur Aufnahme einer Suchtbehandlung in der Fachklinik ppp. gründen könnten und welche eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen können, sind jedoch in der angefochtener Entscheidung nicht dargetan und auch ansonsten nicht ersichtlich.“

Na, ist doch recht deutlich, oder: „nicht ansatzweise nachvollziehbar“ oder: „ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des bundesdeutschen Rechtsmittelsystems „.

„Dies nötigt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils“ – dann war es ein guter Job des Verteidigers

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Und dann nach dem OLG Dresden, Beschl. v. 23.12.2014 – 2 Ws 542/14 (vgl. dazu Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer vom OLG Dresden) noch einmal das OLG Dresden, und zwar der OLG Dresden, Beschl. v. 05.08.2014 – OLG 21 Ss 511/14 (Z), der bereits im DAR veröffentlicht worden ist und auf den mich der Kollege Dr. Krenberger vorhin auch bereits hingewiesen hat. Auch der Beschluss, der in der Sache nichts Neues bringt, in seiner Diktion (teilweise“ bemerkenswert, wenn es dort in Zusammenhang mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs heißt:

3. Gemessen an diesen Grundsätzen rechtfertigt das Beschwerdevorbringen die Annahme der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen, da nicht ersichtlich ist, dass das Amtsgericht die vorbereitenden Schriftsätze und Erklärungen der Beschwerdeführerin zur Kenntnis genommen bzw. diese erwogen hätte.

Die Betroffene war ausweislich der Urteilsgründe vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden; auch der Verteidiger der Betroffenen hat an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen. Allerdings hat der Verteidiger im Vorfeld der Hauptverhandlung, insbesondere mit dem Schriftsatz vom 24. März 2014, dem ein Privatgutachten beigefügt gewesen ist, umfangreich Stellung bezogen und insbesondere die Verwertbarkeit des Meßergebnisses unter verschiedenen Gesichtspunkten gerügt. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung wurde dieser Schriftsatz nicht gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG durch Mitteilung seines wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Zudem fehlt Im Urteil jegliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verteidigers. Darüber hinaus läßt sich dem Urteil nicht entnehmen, dass das Amtsgericht den vorbereitenden Schriftsatz des Verteidigers überhaupt zur Kenntnis genommen hätte. Diese Umstände in ihrer Gesamtheit drängen aber die Annahme auf, dass das Amtsgericht wesentliches Verteidigungsvorbringen außer Acht gelassen hat.

Dies nötigt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.“

Das Bemerkenswerte ist der letzte Satz. Wie meinte der Kollege Dr. Krenberger in seiner „Übersendungsverfügung“ treffend: „Wenn sich OLGs zu Entscheidungen genötigt sehen, dann hat der Verteidiger einen guten Job gemacht oder? 🙂 „. Recht hat er.