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Termin III: „.. nimm doch einen anderen Verteidiger“, oder: Auch im OWi-Verfahren Anwalt des Vertrauens

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Und dann als dritte Entscheidung noch der LG Wuppertal, Beschl. v. 11.11.2022 – 26 Qs 230/22 (523 Js 644/22). Der stammt zwar aus dem Bußgeldverfahren, die Fragen der Terminierung bzw. der Terminsverlegung spielen aber auch da eine große Rolle.

Hier hatte die Amtsrichterin eine Terminsverlegung (mal wieder) mit der Begründung abgelehnt, der Betroffene könne ja einen anderen Verteidiger wählen. Das LG ist dem nicht gefolgt:

„Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Auch in einem Bußgeldverfahren hat der Betroffene regelmäßig das Recht, sich durch einen Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu lassen. Diese Gewährleistung ist Ausdruck seines von Art. 20 Abs. 3 GG geschützten Anspruchs auf ein faires Verfahren (BayObLG, BeckRS 2020, 35554; OLG Brandenburg, BeckRS 2020, 35233; OLG Köln, BeckRS 2005, 13580; BayObLG, BeckRS 2001, 8950). Die Terminierung ist zwar Sache der Vorsitzenden. Die Vorsitzende ist aber gehalten, über Terminsverlegungsanträge nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (BayObLG, BeckRS 2020, 35554; OLG Brandenburg, BeckRS 2020, 35233; OLG Bamberg, Beschluss vom 04.03.2011, Az. 2 Ss OWi 209/11). In die Abwägung einzustellen sind insbesondere die Bedeutung der Sache, die Lage des Verfahrens bei Eintritt des Verhinderungsfalles, der Anlass, die Voraussehbarkeit und die voraussichtliche Dauer der Verhinderung, die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und damit zusammenhängend die Fähigkeit des Betroffenen, sich selbst zu verteidigen und das Gebot der Verfahrensbeschleunigung.

Gemessen an diesen Anforderungen leidet die Entscheidung hier an einem Ermessensfehler. Denn das Amtsgericht hat sich bei Ablehnung der Terminsverlegung maßgeblich darauf gestützt, dass der Termin bereits mehrfach verlegt worden sei und der Betroffene einen anderen Verteidiger wählen könne. Vorliegend ist der Betroffene durch den Bußgeldbescheid nicht nur mit einem Bußgeld, sondern auch mit einem Punkt im Fahreignungsregister belegt worden, was keine ganz unerhebliche Sanktion darstellt. Zudem droht dem Betroffenen hierdurch der (erneute) Verlust der Fahrerlaubnis, da er bereits mehrfach einschlägig vorbelastet ist. In dieser Lage kann dem Betroffenen nicht verwehrt werden, sich von dem Verteidiger seines Vertrauens, der ihn bereits seit längerer Zeit vertritt, vertreten zu lassen. Auch ist keine auf Prozessverschleppung ausgerichtete Verteidigungsstrategie erkennbar, da der Verteidiger ausdrücklich eine telefonische Terminsabsprache angeboten hat, das Amtsgericht diese Möglichkeit jedoch nicht in Betracht gezogen hat. Eine Verjährung droht — auch vor dem Hintergrund einer nicht näher dargelegten „angespannten Terminslage“ des Amtsgerichts – ebenfalls noch nicht, da eine absolute Verjährung erst im Februar 2024 eintreten kann.

Da die Vorsitzende somit von dem ihr zustehenden pflichtgemäßen Ermessen keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, waren der angefochtene Beschluss und der Hauptverhandlungstermin vom 01.12.2022 aufzuheben. Da vorliegend aufgrund der Terminskollision des Wahlverteidigers nur eine Aufhebung bzw. Verlegung des Termins vom 01.12.2022 in Betracht kommt, kann die Kammer als Beschwerdegericht diese Entscheidung auch selbst treffen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.).“

Das kleine 1 x 1 der Terminsverlegung/Terminierung, oder: „Angefressenes“ Beschwerdegericht

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Die zweite landgerichtliche Entscheidung stammt dann aus dem Problembereich: Terminsverlegung. Die war vom Verteidiger – rechtzeitig vor dem anberaumten Haupverhandlungstermin – beantragt worden. Das AG hatte sie abgelehnt. Das LG Stuttgart hat im LG Stuttgart, Beschl. v. 25.09.2019 – 7 Qs 59/19 – dann „Tacheles“ geredet:

„1. Grundsätzlich hat ein Angeklagter das Recht, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Daraus folgt allerdings nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden kann. Die Terminierung ist Sache des Vorsitzenden und steht in dessen pflichtgemäßem Ermessen (§ 213 StPO). Der Vorsitzende muss sich jedoch ernsthaft bemühen, dem Recht des Angeklagten, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, soweit als möglich Geltung zu verschaffen und einem nachvollziehbaren Begehren dieses Verteidigers bezüglich der Terminierung im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Gerichts und anderer Verfahrensbeteiligter sowie des Gebots der Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragen (vgl. BGH NJW 2018, 1698, 1699). Zu berücksichtigen ist ferner, ob dem Angeklagten auf Grund rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten die Wahrnehmung des Termins ohne seinen Verteidiger unzumutbar ist und das Verlegungsgesuch rechtzeitig gestellt und auf gewichtige Gründe gestützt worden ist (vgl. OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2014, 250, 251).

2. Nach diesen Maßstäben ist die Ablehnung der Terminsverlegung ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig:

Zutreffend weist die Beschwerdebegründung darauf hin, dass der Strafrichter sich weder bei den zuvor erfolgten Terminierungen auf den 15. Oktober 2019 und 5. November 2019 noch bei derjenigen auf den 12. November 2019 um eine Terminsabstimmung mit dem Wahlverteidiger, den der Angeklagte bereits vor Erlass des Strafbefehls beauftragt hat und der ersichtlich sein Vertrauen genießt, bemüht hat. Wie die zweifache Verlegung des Termins um wenige Wochen bzw. Tage nahelegt, dürfte eine andere Terminierung der Strafsache, bei der es sich im Übrigen um keine besonders zu beschleunigende Haftsache handelt, auch nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen sein. Die zuvor jeweils mögliche zeitnahe Verlegung der Hauptverhandlung zeigt zudem, dass auch im Fall einer weiteren Terminsverlegung trotz der angeführten, allerdings nicht näher konkretisierten Auslastung des Strafreferats eine ins Gewicht fallende zeitliche Verzögerung nicht zu befürchten ist. Die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten sind nicht nur Bagatelldelikte. Dies und der von ihnen betroffene sensible Deliktsbereich machen es für den Angeklagten unzumutbar, den Hauptverhandlungstermin allein wahrzunehmen oder sich einen neuen Verteidiger zu suchen. Letztlich ist die Verhinderung des Wahlverteidigers wegen der Wahrnehmung anderer Vertretungen in Strafverfahren ein gewichtiger, eine Terminsverlegung rechtfertigender Grund. Der Verlegungsantrag wurde unmittelbar nach Erhalt der Ladung und viele Wochen vor der angesetzten Hauptverhandlung angebracht. In seiner ohnehin nur knappen fallbezogenen Begründung der Ermessensausübung hat der Strafrichter die genannten Gesichtspunkte nicht erkennbar berücksichtigt. Diese erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass bereits zwei Mal eine Terminsverlegung auf Antrag des Wahlverteidigers erfolgt ist. Diese waren jedoch allein auf die eigenen Versäumnisse des Strafrichters zurückzuführen.

Nach alledem wird der Strafrichter nunmehr — tunlichst nach Terminsanfrage beim Wahlverteidiger — einen neuen Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen haben.“

Man merkt m.E., dass das LG „angefressen“ war – „knapp fallbezogen“, „eigene Versäumnisse des Strafrichters“ und „tunlichst nach Terminsanfrage“ -, dass es mal wieder das „kleine 1 x 1“ der Terminierung/Terminsverlegung erläutern musste.

Terminsverlegung und faires Verfahren, oder: Wenn das AG die Terminsschwierigkeiten selbst verursacht hat

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Und als dritte Entscheidung dann der LG Wiesbaden, Beschl. v. 06.06.2018 – 6 Qs 38/18, den mir der Kollege Zipper aus Schwetzingen geschickt hat. Thematik: Dauerbrenner „Terminsverlegung und faires Verfahren“, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten und einer Mitangeklagten u.a. Vorenthalten vonArbeitsentgelt und Steuerhinterziehung zur Last. Nach „Zulassung der Anklage zur Verhandlung vor dem Amtsgericht – Strafrichter (Abteilung 71 des AG Wiesbaden) mit Beschluss vom 21.11.2017 wird vom Strafrichter der Abteilung 71 Termin zur Hauptverhandlung am 24.01.2018 bestimmt. Dieser Termin wird sodann aus „dienstlichen Gründen“ aufgehoben, weil übersehen worden war, dass nach der Geschäftsverteilung des AG Wiesbaden offensichtlich Sonderdezernate für Steuerstrafsachen eingerichtet sind, was die Zuständigkeit einer anderen Abteilung des AG begründete, nämlich der Abteilung 79. Die Abladung des Angeklagten  kam mit dem Vermerk „unter der angegeben Anschrift nicht zu ermitteln“ in den Postrücklauf. Mit Terminierung des aktuellen Hauptverhandlungstermins am 07.06.2018 und am 05.04.2018 wurde gleichwohl – erfolglos – versucht, den Angeklagten unter der nicht mehr aktuellen Anschrift zu laden. Eine Einwohnermeldeauskunft am 24.04.2018 ergab, dass der Angeklagte seit dem 15.10.2017 unter der aktuellen Adresse gemeldet ist. Offensichtlich ohne Kenntnisnahme dieser Einwohnermeldeauskunft vom 24.02.2018 beauftragte das AG sodann am 14.05.2018 die Polizeistation Idstein mit der „Überprüfung der Meldeadresse des Angeklagten, gegebenenfalls Aufenthaltsermittlung und Übergabe der Terminsladung gegen EB falls er angetroffen werden sollte“. Auf diesem Wege wurde der Angeklagte sodann am Freitag, den 25.05.2018, zum Termin am 07.06.2018 geladen. Sein – früherer – Verteidiger hatte zwischenzeitlich am 16.05.2018 ohne Angabe von Gründen mitgeteilt, dass er den Angeklagten nicht mehr verteidige.

Am 30.05.2018 meldete sich der aktuelle Verteidiger des Angeklagten, der Kollege Zipper, und bat neben Akteneinsicht um Aufhebung des Termins am 07.06.2018 und Anberaumung eines neuen Termins unter Beifügung seiner Ladung als Verteidiger in einer Strafsache vor dem AG Mannheim zu einer Hauptverhandlung am 07.06.2018 mit 13 Zeugen und der Mitteilung, dass ihn der Angeklagte erst am Montag, dem 28.05.2018, mandatiert habe.

Das AG weist den „Aussetzungsantrag vom 30.05.2018″ zurück und gewährt dem Verteidiger Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle. Bezug genommen wurde dabei auf § 228 Abs. 2 StPO, der bei Verhinderung des Verteidigers dem Angeklagten – unbeschadet einer notwendigen Verteidigung nach § 145 StPO – kein Recht einräumt, eine Aussetzung der Verhandlung Abbruch der Verhandlung. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das LG Wiesbaden als zulässig und begründet angesehen:

„Der angefochtene Beschluss lässt eine diesbezügliche Ermessensausübung vermissen. Gleiches gilt für den Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 04.06.2018 <369R>, der lediglich darauf verweist, dass die Sache bei Wechsel in das Steuerdezernat bereits terminiert gewesen sei.

Soweit das Amtsgericht den Angeklagten in der Begründung des Beschlusses unter „Berücksichtigung“ des Grundsatzes eines „fairen Verfahrens“ lediglich darauf verweist, dass er sich bei der Wahl eines (neuen) Verteidigers hätte daran orientieren können (müssen), einen Verteidiger zu wählen, der ihn an dem bereits bestimmten neuen Hauptverhandlungstermin auch vertreten kann, bestehen bei Berücksichtigung des dargestellten Verfahrensganges zudem durchgreifende Bedenken an einem fairen Verfahren. Nachdem das Amtsgericht nämlich zunächst die eigene Geschäftsverteilung versehentlich nicht berücksichtigt und sodann die Nichtzustellbarkeit der darauf erfolgten Abladung des Angeklagten übersehen und mit Verfügung vom 05.04.2018 die Ladung zum neuen Termin am 07.06.2018 unter einer erkennbar nicht ladungsfähigen Anschrift verfügt hatte, wurde weiter auch die Einwohnermeldeauskunft vom 24.04.2018, aus der sich die neue ladungsfähige Anschrift des Angeklagten ergab, nicht zur Kenntnis genommen, weswegen die Ladung des Angeklagten letztlich nicht zeitnah Ende April 2018, sondern erst am 25.05.2018, einem Freitag, erfolgt ist. Zwischenzeitlich hatte der bisherige Verteidiger des Angeklagten am 16.05.2018 ohne Angabe und Ermittlung der Gründe hierfür mitgeteilt, dass er den Angeklagten nicht mehr verteidigt. Jedenfalls vor diesem Hintergrund war es dem Angeklagten nicht zuzumuten, sich kurzfristig einen weiteren (dritten) Verteidiger seines Vertrauens zu suchen, nachdem er unverzüglich bereits am Montag, den 28.05.2018, seinen aktuellen Wahlverteidiger beauftragt hatte, der sodann seinerseits umgehend am 30.05.2018 seine Verhinderung am 07.06.2018 glaubhaft gemacht und um Terminverlegung und Aktensicht gebeten hat. Im Hinblick auf den erhobenen Vorwurf, gemeinschaftlich handelnd in 8 Fällen „als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthalten zu haben“ und „als Arbeitgeber die für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung vorenthalten zu haben“ sowie in 5 weiteren Fällen die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben und dadurch Steuern verkürzt zu haben, war es dem Angeklagte schließlich auch nicht zumutbar, die Hauptverhandlung ohne einen Verteidiger wahrzunehmen.

Der Entscheidung des LG ist m.E. nichts hinzuzufügen, außer: Man fragt sich, warum das AG, nachdem es selbst verschuldet hat, dass die Hauptverhandlung nicht an dem zunächst geplanten Termin stattfinden konnte, solchen Druck gegenüber dem Angeklagten aufbaut und ihn quasi zwingen will, ohne einen Verteidiger des Vertrauens in der Hauptverhandlung zu gehen. Zu Rechts sieht das LG darin einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

Imme wieder Kampf um die Terminsverlegung, oder: Die Gefahr der Prozessordnungswidrigkeit

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Welcher Verteidiger kennt ihn nicht? Den Kampf um den Termin und/oder die Terminsverlegung. Mit Zähen und Klauen werden gerade einmal bestimmte Termine häufig verteidigt, obwohl eine Umterminierung ohne weiteres möglich sein sollte. So offenbar auch beim AG Wolfsburg, das einen Terminsverlegungsantrag des Verteidigers abgelehnt hatte. Der war dagegen in die Beschwerde gegangen und jetzt beim LG Braunschweig obsiget (vgl. hier den LG Braunschweig, Beschl. v. 09.01.2014 – 13 Qs 4/14).

Vorliegend hat das Amtsgericht Wolfsburg das ihm eingeräumte Ermessen evident fehlerhaft ausgeübt. Auch wenn der Verteidiger weder einen Anspruch auf Terminverlegung noch auf vorherige Terminabsprache hat, so läuft der verfügende Richter dennoch Gefahr, prozessordnungswidrig zu handeln, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl seines Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass der Verteidiger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminierung hatte nehmen können (vgl. LG Dortmund: Beschluss vom 20.10.1997 – 14 (XI) Qs 71/97). Dies gilt zumindest dann, wenn dem Interesse des Angeklagten auf Verteidigung durch einen Verteidiger seines Vertrauens der Vorrang vor dem Beschleunigungsgebot zu gewähren ist.

 Bei seiner Ermessensausübung hätte das Amtsgericht berücksichtigen müssen, dass dem Angeklagten ein Diebstahl im besonders schweren Fall gemäß §§ 242, 243 StGB mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten vorgeworfen wird. Zur Durchführung der Hauptverhandlung werden, wie aus der Anklage und der Verfügung vom 23.12 2013 ersichtlich ist, insgesamt 8 Zeugen benötigt. Aufgrund der zu erwartenden Rechtsfolge und des Umfangs der Beweisaufnahme liegt ein gesteigertes Interesse des Angeklagten an einer Verteidigung durch einen Verteidiger seines Vertrauens vor. Demgegenüber muss das Beschleunigungsgebot hier zurücktreten. Entscheidungen, wie z.B. über Untersuchungshaft, Führerscheinentzug, Beschlagnahme etc., die eine besondere Beschleunigung des Verfahrens gebieten, sind nicht zu treffen. Ein Ausweichtermin ist seitens des Verteidigers in 3 Monaten angeboten worden. Dies stellt bei dem vorliegenden Verfahren keinen mit dem Grundsatz des Beschleunigungsgebotes nicht mehr zu vereinbarenden Zeitverzug dar. Eine Rücksprache des Gerichts mit dem Verteidiger, bei der gegebenenfalls ein auch früherer Verhandlungstermin hätte vereinbart werden können, ist nicht erfolgt.

Recht deultiche Worte, die das LG gefunden hat. Und wenn man liest: „… so läuft der verfügende Richter dennoch Gefahr, prozessordnungswidrig zu handeln, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl seines Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass der Verteidiger das Mandat wegen terminlicher Verhinderung nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminierung hatte nehmen können…“ dann dürfte das nach Auffassung des LG wohl heißen: Vorherige Terminsabsprache ist erforderlich bzw. über einen Terminsverlegungswunsch muss man miteinander reden. Und wenn das Gericht das nicht tut, handelt es ggf. „protessordnunswidrig“ = dann dürften die Vorschriften der §§ 24 ff. StPO grüßen.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Terminierung/Terminsverlegung: Auch im OWi-Verfahren Anspruch auf den Verteidiger des Vertrauens

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Um die Terminierung der Hauptverhandlung und/oder die Terminsverlegung im Fall der Verhinderung des Verteidigers gibt es im Bußgeldverfahren häufig Streit. Die AG tun sich damit schwer und bügeln Terminsverlegungsanträge häufig (allein) mit dem Hinweis auf die angespannte Terminslage des Gerichts ab. So auch das AG Neubrandenburg. Der Verteidiger hat das nicht hingenommen und Beschwerde eingelegt. Die hatte mit dem LG Neubrandenburg, Beschl. v. 13.02.2012 – 8 Qs 21/12 Erfolg. Dieses weist allgemein darauf hin, dass der Betroffene auch im Bußgeldverfahren grds. Anspruch auf Verteidigung durch einen Rechtsbeistand seiner Wahl hat, dem Interesse daran sei im Rahmen der erforderlichen Abwägung mit dem Interesse der Justiz an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens angemessen zu berücksichtigen, wobei dem Verteidigungsinteresse im Zweifel Vorrang gebührt. So in der Vergangenheit auch schon andere AG, LG und auch OLG, wie z.B. der OLG Hamm, Beschl. v. 22.07.2010, III 3 RBs 200/10) . Das LG führt dann hier konkret aus:

Im vorliegenden Fall war dem Interesse des Betroffenen an dem Beistand durch seinen Wahlverteidiger der Vorrang einzuräumen. Das gilt umso mehr, als dass es sich um den erstmaligen Antrag auf Terminsaufhebung handelte, sodass die Gefahr einer Beeinträchtigung eines reibungslosen Verfahrensganges ohne nicht hinnehmbare Verzögerungen von vornherein nicht bestand.

Zudem hatten Betroffener und Verteidiger keinen Einfluss auf die Terminsfestlegung, die hier im Übrigen sehr kurzfristig erfolgte. Zwar hat ein Verteidiger kein Recht auf vorherige Terminsabsprache. Wird jedoch das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt, dass dieser die Termine wegen anderer Verteidigungen nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminsanberaumung hätte nehmen können, kann die Terminsverfügung prozessordnungswidrig sein. Auch hier kommt wiederum erschwerend hinzu, dass es sich um die erstmalige Beantragung einer Terminsaufhebung handelt und die Einschränkung des Wahlrechts des Betroffenen unschwer vermeidbar gewesen wäre.

Der Antrag des Betroffenen war durch die Angabe des Terminstages und des Amtsgerichts auch insoweit substantiiert begründet, als dass unschwer eine telefonische Überprüfung dieses Termins beim Amtsgericht Königs Wusterhausen hätte erfolgen können. Zumindest aber gaben die Angaben des Verteidigers genügend Anlass, im Rahmen der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichtes auf die Nachreichung entsprechender Nachweise wie etwa Ablichtungen der Terminsladungen – auch für die Sozien – hinzuwirken.

Überdies erfolgte der Terminsverlegungsantrag unverzüglich nach Erhalt der Terminsladung, sodass für eine womöglich telefonische Absprache einer terminlichen Verschiebung am Verhandlungstag selbst oder einer anderen auch früheren – Terminierung ausreichend Zeit verblieb.

Die Argumentation des LG zeigt sehr schön, worauf es ankommt = was ggf. vorgetragen werden muss.