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Peinlich, peinlich Frau Verteidigerin – man sollte BGH Beschlüsse zu Ende lesen

Hochnotpeinlich ist m.E. der BGH, Beschl. v.08.08.2013 – 1 StR 252/13 – für die Verteidigerin. Warum bzw. was ist passiert?

Die Verteidigerin erhebt nach Verwerfung der Revision des Angeklagten durch den BGH, Beschl. v. 09.07.2013 – 1 StR 252/13 – mit Schriftsatz vom 06.08.2013 eine Anhörungsrüge. Die wird vom BGH mit Beschluss vom 08.08.2013 zurückgewiesen (man beachte die Schnelligkeit), und zwar wie folgt:

„Der Angeklagte erhebt mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 6. August 2013 eine Gehörsrüge. Hierfür trägt er allein vor, es sei nicht ersichtlich, ob die „materielle Revisionsbegründung“ zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats bereits vorgelegen hat und bezieht sich auf das Vorbringen in diesem Schriftsatz vom 8. Juli 2013.

Damit sind schon die Voraussetzungen des § 356a Satz 2 StPO nicht erfüllt, da der Angeklagte nicht vorträgt, wann er Kenntnis von dem Senatsbeschluss erhalten hat. Die Zusendung ist am 19. Juli 2013 veranlasst worden.“

Bis hierhin m.E. schon peinlich, denn wenn ich mit Schriftsatz v. 06.08.2013 eine Anhörungsrüge gegen einen Beschluss vom 09.07,2013 erhebe, dann sollte ich etwas zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme schreiben. Immerhin liegt der angefochtene Beschluss fast einen Monat zurück 🙁

Hochnotpeinlich wird es aber dann. Denn der BGH führt weiter aus:

Der Antrag wäre aber auch in der Sache unbegründet. Dass der Schriftsatz vom 8. Juli 2013 dem Senat bei der Entscheidungsfassung vorgelegen hat, ergibt sich aus dem Beschluss vom 9. Juli 2013. …“

Und siehe da: Wenn man in den BGH, Beschl. v. 09.07.2013 – 1 StR 252/13 schaut, liest man tatsächlich: „Der Schriftsatz vom 8. Juli 2013 hat vorgelegen.

Was soll man da noch schreiben? Also: Ohne Worte

Anhörungsrüge: Der Blick des BGH in die juristische Kristallkugel?

Der BGH hatte mit Beschluss vom 21.02.2013 die Revision eines Angeklagten verworfen, der u.a. wegen Betruges verurteilt worden war. weitgehend verworfen. Mit seiner Verfahrensrüge hatte der Angeklagte die Verletzung von § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO sowie des Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht. Die Ausfertigung der Revisionsentscheidung wurde am 10.04.2013 abgesandt. Mit einem am 22.04.2013 beim BGH eingegangenen Schriftsatz hat der Verurteilte die Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO erhoben und geltend gemacht, der BGH habe bei seiner Entscheidung vom 21.02.2013 das rechtliche Gehör dadurch verletzt, dass er in Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden Entscheidung des BVerfG zu § 257c StPO nicht dessen Entscheidung abgewartet habe. Außerdem hat er einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und eine Gegenvorstellung erhoben, weil der BGH nicht die Entscheidung des BVerfG zu § 257c StPO abgewartet habe, mit dem Beschluss vom 21.02.2013 habe er den „Rechtsgedanken des Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG“ verletzt.

Der BGH, Beschl. v. 16.05.2013 – 1 StR 633/12 – weist alles Anträge zurück.

a) Die Anhörungsrüge wurde nicht innerhalb der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO erhoben. Es fehlt an der erforderlichen Mitteilung des Zeitpunkts der Kenntniserlangung durch den Verurteilten von der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die innerhalb der Wochenfrist zu erfolgen hat….

b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg. Es fehlt schon an dem Vortrag eines Sachverhalts, der ein Verschulden des Verurteilten an der Fristversäumnis ausschließt…. .

…Es ist allerdings schon fraglich, ob überhaupt ein ausschließlich von der Kanzleikraft zu vertretender Fehler vorläge, wenn Verteidiger einen Schriftsatz unterschreiben und absenden lassen, ohne zu überprüfen, ob dieser Schriftsatz – zumal in einem für die Zulässigkeit des darin gestellten Antrags maßgeblichen Punkt – ihrem Diktat entspricht (vgl. demgegenüber die Beispiele bei Hömig aaO für Arbeitsvorgänge, bei denen ein Fehler der Kanzleikraft nicht dem Rechtsanwalt zuzurechnen ist).

Letztlich muss der Senat dem aber nicht nachgehen. Selbst wenn man nämlich insoweit von einem ausschließlich der Kanzleikraft anzulastenden Fehler ausginge, könnte alternativer Tatsachenvortrag, wonach den Verteidigern und damit dem Verurteilten ein Verschulden an der Fristversäumung entweder zuzurechnen ist oder nicht, nicht Grundlage eines erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrags sein.

c) Unabhängig davon bliebe die Anhörungsrüge aber auch erfolglos, wenn sie zulässig erhoben wäre.

Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen. Dies wird auch nicht geltend gemacht. Der Vortrag, der Senat habe Vorbringen nicht berücksichtigt, das angebracht worden wäre, wenn eine zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision noch nicht ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon getroffen gewesen wäre, vermag die Möglichkeit einer Gehörsverletzung nicht zu verdeutlichen. ….

2. Die Gegenvorstellung bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

„…. Es ist nämlich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gegenvorstellung nicht ersichtlich, warum der Senat nicht, wie geschehen, am 21. Februar 2013 über die Revision des Angeklagten hätte entscheiden dürfen.“

M.E. hat der BGH in allen Punkten Recht. War zwar von den Verteidigern „kreativ gedacht“, aber: Selbst wenn die Anhörungsrüge zulässig erhoben worden wäre :-(, konnte sie m.E. keinen Erfolg haben. Denn man wird dem BGH/Revisionsgericht kaum vorwerfen können, dass es nicht über quasi hellseherische Fähigkeiten verfügt und eine Entscheidung des BVerfG berücksichtigt, die noch gar nicht in der Welt, zu dem Zeitpunkt 21.02.2013 ja vielleicht noch gar nicht beraten war. Das wäre „rechtliches Gehör in the Future“ .-) oder der Blick des Revisionsgerichts in die juristische Kristallkugel. Der BGH ist zwar manchmal Hellseher, aber an der Stelle muss er es nicht sein.

Interessant der Hinweis des BGH zum Verschulden: Daraus kann man nur den Schluss ziehen. Der Verteidiger muss lesen, was er diktiert hat. M.E., auch eine Selbstverständlichkeit.

Es gibt kein „Anhörungsrügen-Perpetuum mobile“

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Irgendwann muss Schluss ein. Das könnte man über den BGH, Beschl. v. 22.10.2012 – 1 StR 534/11 schreiben, in dem der BGH eine Anhörungsrüge zurückgewiesen hat. In der Sache nichts Besonderes, sondern die übliche Begründung, zu der es beim BGH sicherlich Textbausteine gibt. Aber eine Passage in dem Beschluss lohnt dann doch einen Hinweis:

„…2. Sollte mit dem Schriftsatz vom 15. Oktober 2012 auch eine erneute Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 25. September 2012 (1 StR 534/11), mit dem die erste Anhörungsrüge zurückgewiesen wurde, erhoben sein, wäre der Antrag unstatthaft (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 26. April 2011 – 2 BvR 597/11 mwN; Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2011 – 1 StR 399/11).

Also: Irgendwann ist Schuss: Es gibt kein „Anhörunsgrügen-Perpetuum mobile“.

Verteidiger aufgepasst – Verteidigerverschulden wird manchmal doch zugerechnet

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An sich kann sich der Rechtsanwalt, der als Verteidiger tätig ist, insoweit ganz entspannt zurücklehnen, als sein Verschulden im Straf-/Bußgeldverfahren – anders als im Zivilrecht – dem Mandanten i.d.R. nicht zugerechnet wird. Allerdings gibt es – wie immer – auch davon Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen wird vom BGH bei der Anhörungsrüge angenommen (§ 356a StPO). Das begründet der BGH mit deren Nähe zur Verfassungsbeschwerde. Dazu gerade noch einmal kurz der BGH, Beschl. v. 20.06.2012 –  5 StR 134/12, der auf die grundlegende Entscheidung des BGH verweist.

Die Anhörungsrüge ist nicht innerhalb der Frist des § 356a Satz 2 StPO angebracht worden. Wiedereinsetzungsgründe liegen nicht vor. Insbesondere wäre ein etwaiges Verschulden des Verteidigers an der Nichteinhaltung der Frist, weil dieser nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer Anhörungsrüge hingewiesen habe, dem Verurteilten zuzurechnen. Bei fehlerhafter Erhebung der Gehörsrüge muss sich ein Verurteilter Verteidigerverschulden zurechnen lassen, weil es sich in erster Linie um die Vorstufe der Verfassungsbeschwerde handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. August 2008 – 1 StR 162/08, wistra 2009, 33, vom 17. Juli 2009 – 5 StR 353/08 –, vom 24. Juni 2009 – 1 StR 556/07 – und vom 20. Mai 2011 – 1 StR 381/10, wistra 2011, 315). Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Anhörungsrüge auch in der Sache offensichtlich erfolglos wäre.

Nach dem Beschluss ist Schluss

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Anhörungsrüge, immer wieder Anhörungsrüge, vor allem auch beim BGH. Und der BGH bzw. die Revisionssenate müssen eine Menge lesen. Aber irgendwann ist Schluss. Dann liest der BGH nicht mehr. Und zwar dann, wenn Ausführungen nach der Entscheidung des Revisionsgerichts eingehen. So ausdrücklich der BGH, Beschl. v. 27.06.2012 – 1 StR 131/12:

Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt. Die Verteidiger des Verurteilten haben die Revision ausführlich begründet und zum Antrag des Generalbundesanwalts Stellung genommen. All dies hat der Senat bei seiner Entscheidung bedacht. Ein Anspruch auf Berücksichtigung von – insbesondere ergänzenden – Ausführungen besteht aber regelmäßig nur, wenn diese vor der Entscheidung des Re-visionsgerichts – nach Ablauf der nicht verlängerbaren Zweiwochenfrist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO – bei diesem eingehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. November 2011 – 1 StR 528/11 – und vom 19. Oktober 2011 – 2 StR 246/11).

Kann man so sehen, kann man aber auch anders sehen/machen. Der Senat, dem ich beim OLG Hamm angehört habe, stand auf dem Standpunkt, dass die Entscheidung erst erlassen ist, wenn sie „das Haus verlassen“ hat. Bis dahin eingegangene Schriftsätze/Ausführungen führten zu einer „Nachberatung“. Der BGH sieht es wohl anders, aber er formuliert „regelmäßig“