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StPO II: Mitteilungspflicht beim „Deal“ verletzt, aber: Kein Beruhen

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In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 16.09.2020 – 5 StR 249/20 – geht es mal wieder um die Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO):

Der Erörterung bedarf ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts lediglich die Verfahrensrüge der Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO.

1. Mit dieser Rüge beanstandet die Revision, die Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer habe drei Gespräche mit einem der Verteidiger des Angeklagten, die sie am 3. Juli und 4. Juli 2018 sowie am 9. Januar 2020 mit dem Ziel der Verständigung geführt habe, in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt.

Der Rüge liegt nach dem – in der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft unwidersprochen gebliebenen – Vortrag der Revision folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Nach Zustellung der Anklageschrift am 29. Juni 2018 rief die Vorsitzende Richterin am 3. Juli 2018 bei dem Verteidiger Rechtsanwalt S. an. In dem Telefonat teilte sie eine Verlängerung der Erklärungsfrist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO bis Ende August 2018 und ihre Einschätzung mit, dass sich die Sache für eine Verständigung eigne und bei streitiger Verhandlung wohl erst ab Januar 2019 terminiert werden könne. Der Verteidiger erklärte, erst mit seinem Mandanten sprechen zu müssen und noch keine belastbare Aussage treffen zu können. Am Folgetag begegneten sich die Vorsitzende Richterin und Rechtsanwalt S. , als dieser auf der Geschäftsstelle des Landgerichts Akteneinsicht nahm. Sie sprach ihn nochmals darauf an, dass er sich melden solle, falls er ein Verständigungsgespräch wünsche. Dabei äußerte sie die Auffassung, dass man die Anklage auf die ersten beiden Anklagepunkte beschränken könne und ein Geständnis aufgrund des Umfanges der Sache außerordentlich strafmildernd sei.

Nach einem Termin zur Verkündung eines gegen den Angeklagten erlassenen Haftbefehls suchte der Verteidiger Rechtsanwalt . S. am 9. Januar 2020 das Dienstzimmer der Vorsitzenden Richterin auf. Sie sprach ihn erneut auf die Möglichkeit einer Verständigung an. Auf seine Erklärung, eine Verständigung käme nur dann in Betracht, wenn der Haftbefehl aufgehoben würde, erwiderte die Vorsitzende, dass sie sich dies vorstellen könne.

Im Hauptverhandlungstermin vom 15. Januar 2020 teilte die Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO mit, dass zwischen den Verfahrensbeteiligten keine verständigungsbezogenen Gespräche geführt worden seien. Sie erklärte weiterhin, Rechtsanwalt Sc. in einem Gespräch Ende 2019, in dem dieser angekündigt habe, sich als weiterer Verteidiger bestellen zu lassen, darauf hingewiesen zu haben, dass im Falle eines Geständnisses des Angeklagten eine geringere Strafe in Aussicht gestellt und eventuell das Verfahren gemäß § 154 StPO bezüglich einzelner Anklagefälle eingestellt werden könne.

Am 5. Februar 2020 kam es auf Anregung des Verteidigers Rechtsanwalt S. zwischen den Verfahrensbeteiligten zu einem Verständigungsgespräch außerhalb der Hauptverhandlung, in dem er darauf hinwies, dass für den Angeklagten die Aufhebung des Haftbefehls Hauptbedingung einer Verständigung sei. Diese Voraussetzung wurde von Seiten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft akzeptiert. In der Hauptverhandlung vom 12. Februar 2020 teilte die Vorsitzende den Inhalt des von ihr in der Akte dokumentierten Verständigungsgesprächs mit. Der damit verbundene Verständigungsvorschlag der Wirtschaftsstrafkammer sah unter anderem vor, dass bei einer geständigen Einlassung des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und sechs Monaten verhängt, mehrere Anklagepunkte gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und der Haftbefehl (mit der Urteilsverkündung) aufgehoben werden sollte.

Nachdem in der Hauptverhandlung am 19. Februar 2020 die Belehrung des Angeklagten nach § 257c Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 StPO erfolgt und durch seine Zustimmung und die der Vertreterin der Staatsanwaltschaft die vorgeschlagene Verständigung gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande gekommen war, ließ sich der Angeklagte am 4. März 2020 geständig ein.

2. Bei dem geschilderten Verfahrensablauf liegt eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vor.

Die Mitteilung der Vorsitzenden der Strafkammer, wonach verständigungsbezogene Erörterungen nicht stattgefunden hätten, war unzutreffend. Sie hätte vielmehr über die vor der Hauptverhandlung stattgefundenen Gespräche berichten müssen, soweit deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist. Dies war – anders als in dem ersten Telefonkontakt vom 3. Juli 2018, der organisatorischen Hintergrund hatte und zur Klärung der Terminierungsfrage nur eine unverbindliche Fühlungsaufnahme darstellte – bei den Gesprächen am 4. Juli 2018 und am 9. Januar 2020 der Fall (vgl. zur Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 StPO bei Sondierungsgesprächen BGH, Urteile vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, NStZ 2015, 537, 538; vom 28. Juli 2016 – 3 StR 153/16, NStZ 2017, 52, 53; Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 StR 571/15, NStZ 2016, 743, 744). Denn insoweit war zwar bei beiden Unterredungen ein möglicher Inhalt einer Verständigung noch wenig konkret. Jedoch war die Ablegung eines Geständnisses mit den einer Verständigung zugänglichen Gesichtspunkten einer Beschränkung der Anklagevorwürfe und der Haftfrage verbunden worden.“

Aber: Kein Beruhen:

„3. Der Senat kann indes ein Beruhen des Urteils auf einer Verletzung der Mitteilungspflichten ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO).

Zwar führt ein Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer Verständigung mit der Folge, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Gesetzesverstoß regelmäßig nicht auszuschließen ist (BVerfGE 133, 168, 223). Hier kann aber ausnahmsweise unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Verstoßes (BVerfG, NJW 2015, 1235; BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO; Beschlüsse vom 5. August 2015 – 5 StR 255/15, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Mitteilungspflicht 5; vom 24. Juli 2019 – 1 StR 656/18, NStZ 2020, 93, 94) ein Ausschluss des Beruhens angenommen werden. In die wertende Gesamtbetrachtung war insbesondere einzubeziehen, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 12. Februar 2020 durch die Vorsitzende über den Inhalt und das Ergebnis eines auf Anregung seines Verteidigers geführten Verständigungsgesprächs informiert worden war‘ das schließlich Grundlage der Verfahrensabsprache wurde. Der Inhalt dieses Verständigungsgesprächs vom 5. Februar 2020 umfasste auch die in den zuvor am 4. Juli 2018 und 9. Januar 2020 geführten Gesprächen angesprochenen Gesichtspunkte einer Beschränkung der Anklagevorwürfe bzw. der Haftfrage. Der Informationsgehalt jener gleichsam überholten Gespräche ging mithin nicht über den der zur Verfahrensabsprache führenden Erörterung hinaus. Hinzu kommt, dass die Vorsitzende mit ihrem zu Beginn der Hauptverhandlung am 15. Januar 2020 gegebenen Hinweis auf das Ende 2019 mit dem weiteren Verteidiger geführte Gespräch die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit über eine mögliche Beschränkung der Anklagevorwürfe im Falle eines Geständnisses unterrichtet hatte. Daher erscheint es ausgeschlossen, dass ein beim Angeklagten bestehendes Informationsdefizit über Inhalt und Verlauf der Gespräche vom 4. Juli 2018 und 9. Januar 2020 seine Rechtsstellung und seine Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt haben könnte oder sonst der Prozessverlauf aufgrund der stattgefundenen Gespräche beeinflusst worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO; Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 StR 571/15, aaO).

Auch eine Beeinflussung der Entscheidungsfindung durch eine unzureichende Unterrichtung der Öffentlichkeit, deren Informationsbedarf die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zugleich schützt, ist auszuschließen. Denn auch nach dem Revisionsvortrag war der Inhalt der am 4. Juli 2018 und 9. Januar 2020 geführten Gespräche nicht auf die Herbeiführung einer gesetzwidrigen Absprache gerichtet. Eine Beeinträchtigung des Schutzkonzepts der Vorschriften der § 243 Abs. 4, § 273 Abs. 1a und § 257c StPO, durch die sichergestellt werden soll, dass kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird, drohte nicht (vgl. zu dieser Voraussetzung für einen ausnahmsweise anzunehmenden Beruhensausschluss BVerfGE 133, 168, 223 f.; BVerfG, NJW 2015, 1235, 1237; Beschluss vom 16. Februar 2016 – 2 BvR 107/16; BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO; Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, BGHSt 60, 150, 153 f.; vom 10. Dezember 2015 – 3 StR 163/15; vom 24. Juli 2019 – 1 StR 656/18, aaO, mwN). Vielmehr war auch die Öffentlichkeit durch die am 12. Februar 2020 in der Hauptverhandlung vorgenommene vollständige und zutreffende Mitteilung des Inhalts des Vorgesprächs vom 5. Februar 2020 über sämtliche Essentialia für eine Verfahrensabsprache gemäß § 257c StPO unterrichtet und durch diese Mitteilung sowie durch den Hinweis in der Hauptverhandlung vom 15. Januar 2020 auf die Unterredung der Vorsitzenden mit dem weiteren Verteidiger Ende 2019 auch darüber informiert, dass überhaupt außerhalb der Hauptverhandlung Gespräche über mögliche Verfahrensabläufe stattgefunden haben (vgl. zu diesem Aspekt auch BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO; Beschluss vom 15. Januar 2015 – 1 StR 315/14, aaO, S. 155). Demgemäß hat sich die Verständigung trotz der geringfügigen Mitteilungspflichtverletzung in ihrer entscheidenden Gestalt letztlich doch „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbart“ (vgl. BVerfGE 133, 168, 215; BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, aaO).“

Einspruch II: Die „abgesprochene“ Einspruchsbeschränkung, oder: Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung

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Die zweite Entscheidung, die sich mit dem Einspruch befasst, kommt dann aus dem Bußgeldverfahren. Im KG, Beschl. v. 09.08.2019 – 3 Ws (B) 205/19 – geht es um die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen Bußgeldbescheid.

Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen die Betroffene wegen eines fahrlässig begangenen qualifizierten Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 200 EUR festgesetzt, ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet und dieses mit einer Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG versehen. Nachdem die Betroffene gegen den Bußgeldbescheid form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und diesen in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, hat das AG sie zu einer Geldbuße von 200 EUR verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbotes hat das AG abgesehen. Dagegen die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft, die Erfolg hatte.

Das KG beanstandet das Verfahren, das zur Beschränkung des Einspruchs geführt hat und sieht die Beschränkung als unwirksam an:

„b) Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch beruhte hier auf der Zusage des Amtsgerichts, im Gegenzug von einem Fahrverbot abzusehen.

Den Urteilsgründen ist hierzu Folgendes zu entnehmen:

„Mangels Einhaltung des mindestens notwendigen Kurvenradius fehlte es an einem „standardisiert erhobenen Messwert“ vor Ort in Bezug auf die Erfassung der Betroffenen. Die Messung war so nicht gerichtsverwertbar.

Die Betroffene war bereit, den in der ständigen Praxis aller beteiligten Justizbehörden deshalb gefundenen Kompromiss mitzutragen, den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken, dafür im Gegenzug nicht mit einem Fahrverbot belangt zu werden. Damit sollte der Einholung eines individualisierten Sachverständigen-Gutachtens begegnet werden.

Die Betroffene beschränkte daher ihren Einspruch sodann tatsächlich auf den Rechtsfolgenausspruch.“

c) Diese Zusage des Amtsgerichts führte nicht zu einer Verständigung im Sinne von § 257c StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG.

Nach § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG kann das Gericht sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. Eine Verständigung liegt bei zumindest einseitig bindenden Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten über mit dem Urteil zu verhängende Rechtsfolgen vor, die unter Beachtung der hierfür geltenden gesetzlichen Maßgaben erfolgen (vgl. OLG München, Urteil vom 09. Januar 2014 – 4 StRR 261/13 –, juris).

Das Amtsgericht hat – ohne Einbindung der Amtsanwaltschaft – eine informelle Verständigung mit der Betroffenen und dem Verteidiger dahingehend geschlossen, dass im Falle einer Beschränkung des Einspruches auf den Rechtsfolgenausspruch kein Fahrverbot verhängt werde. Zwar unterscheiden sich Verständigungen über den Ausgang eines Bußgeldverfahrens vom Strafprozess schon allein dadurch, dass die Amtsanwaltschaft als Verfahrensbeteiligte zur Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht verpflichtet ist (§ 75 Abs. 1 OWiG) und dem folgend an dieser in der Regel auch nicht teilnimmt. Gleichwohl kann eine wirksame Verfahrensabsprache mit dem Bußgeldrichter ohne Kenntnis der Amtsanwaltschaft nicht erfolgen, da auch im Bußgeldverfahren ihre Zustimmung erforderlich ist. Das Einholen der staatsanwaltschaftlichen Zustimmung wird in derartigen Fällen in der Regel durch die Übersendung der Akten vor der Hauptverhandlung umgesetzt werden (vgl. Fromm, NZV 2010, 550).

Da es hier an der gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO erforderlichen Zustimmung der Amtsanwaltschaft fehlt, haben die Verfahrensbeteiligten keine Absprache im Sinne von § 257c StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG getroffen. Eine solche einseitige Verpflichtungserklärung widerspricht der Regelung des § 257c StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG und war daher gesetzwidrig (BVerfG NJW 2013, 1058). Die unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben zustande gekommene Absprache entfaltet daher keine Bindungswirkung gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 StPO  (vgl. BGH NStZ 2018, 232 m.w.N.).

d) Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam, da diese auf einer objektiv unrichtigen Erklärung des Gerichts beruht.

Auch wenn die Beschränkungserklärung als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1999 – 5 StR 714/98 -, juris), sind gleichwohl in der Rechtsprechung Ausnahmen anerkannt. So können die besonderen Umstände der Art und Weise des Zustandekommens der Rechtsmittelbeschränkung ihre Unwirksamkeit nach sich ziehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1999 a.a.O.). Dies betrifft insbesondere Konstellationen, in denen sich das Gericht zum Erreichen der Beschränkung unlauterer Mittel bedient oder in denen die Betroffene durch unrichtige oder fehlende amtliche Auskünfte in die Irre geführt wurde (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2012 – (3) 121 Ss 34/12 (28/12) -, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 1 OLG 121 Ss 70/18; OLG Stuttgart NStZ-RR 1996, 146; für Rechtsmittelrücknahme: OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 307; für Rechtsmittelverzicht: BGH, Urteil vom 21. April 1999 a.a.O.).

Erforderlich ist überdies ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem solchen – staatlich zurechenbaren – Rechtsverstoß und der Willensbildung eines Verfahrensbeteiligten bei der Rechtsmittelbeschränkung (vgl. OLG Hamburg NStZ 2017, 307; NStZ 2014, 534). Unzureichend ist die nur abstrakt bestehende Möglichkeit, dass sich ein Verfahrensfehler auf die Willensbildung eines Verfahrensbeteiligten ausgewirkt haben könnte (vgl. OLG Braunschweig NStZ 2016, 563, 564).

Die Urteilsgründe führen aus, dass sich die Betroffene einem „in der ständigen Praxis aller beteiligter Justizbehörden […] gefundenen Kompromiss“ angeschlossen habe, wonach sie ihren Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und das Gericht im Gegenzug auf die Verhängung eines Fahrverbotes verzichtet hat.

Diese Zusage des Gerichts, dass die Vereinbarung von allen Verfahrensbeteiligten ? mithin auch von der Amtsanwaltschaft – getragen wird, konnte die Betroffene nur so verstehen, dass zumindest ein grundsätzliches Einverständnis der Amtsanwaltschaft mit dieser Vorgehensweise bestand und diese das vom Amtsrichter als Kompromiss bezeichnete Verfahren mitträgt. Tatsächlich war das jedoch nicht der Fall.

Die Einspruchsbeschränkung der Betroffenen ist daher hier ausnahmsweise unwirksam, weil diese allein aufgrund einer objektiv unrichtigen Erklärung des Amtsrichters hinsichtlich des Einverständnisses der Amtsanwaltschaft mit der Vorgehensweise beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Amtsrichter im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung davon ausging, dass ein allgemeiner Konsens aller Verfahrensbeteiligter hinsichtlich dieses Vorgehens besteht, da auch eine irrtümlich abgegebene objektiv unrichtige Auskunft des Gerichts zur Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung führen kann (vgl. für Fälle des Rechtsmittelverzichts: BGH NStZ 2001, 493; Senat NStZ 2007, 541).

Der hierdurch bei der Betroffenen hervorgerufene Irrtum war auch zweifelsfrei für die von ihr erklärte Einspruchsbeschränkung ursächlich. Es ging ihr um die Vermeidung der Anordnung eines Fahrverbotes. Der Senat schließt aus, dass die Betroffene, hätte sie Kenntnis davon gehabt, dass die Amtsanwaltschaft die Vereinbarung nicht mitträgt und Rechtsbeschwerde erheben wird, die Einspruchsbeschränkung erklärt hätte.“

StPO I: Mitteilungspflicht im Verständigungsverfahren, oder: Es reicht, wenn man sich um die Verständigung „bemüht“ hat.

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Nach dem gestrigen Tag des materiellen Rechts – StGB – heute dann drei verfahrensrechtliche Entscheidungen. Zwei kommen vom BGH und eine vom OLG Bamberg.

Den Opener mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 06.12.2018 – 1 StR 343/18 -, der einen der derzeitigen verfahrensrechtlichen Dauerbrenner behandelt, nämlich die Verletzung der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das BtMG. Der Angeklagte hatte gegen seine Verurteilung Revision eingelegt, die Erfolg hatte:

Die auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die nicht ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Rüge der Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO Erfolg.

Der – in zulässiger Weise erhobenen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

1. Am (zweiten) Hauptverhandlungstermin vom 7. September 2017 kam es auf Anregung des Vorsitzenden während der Unterbrechung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten zu einem „Erörterungsgespräch nach § 257b StPO“, in dessen Verlauf der Vorsitzende die Ergebnisse und den Stand der – in der ersten Instanz jeweils abgeschlossenen – Strafverfahren gegen die gesondert verfolgten Mittäter des Angeklagten schilderte sowie mitteilte, diese hätten mit einer Ausnahme vollumfängliche Geständnisse abgelegt. Der Vorsitzende gab überdies die vorläufige Einschätzung der Strafkammer zur Beweissituation im vorliegenden Verfahren bekannt. In dem Gespräch fragte der Vorsitzende zudem den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Staatsanwalt V. , nach den Strafvorstellungen der Staatsanwaltschaft, woraufhin dieser mitteilte, dazu zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Angaben machen zu können.

Am nächsten (dritten) Hauptverhandlungstag, dem 13. September 2017, wurde die Hauptverhandlung zu deren Beginn – nunmehr auf Anregung der Verteidiger – unterbrochen und es fand außerhalb der Hauptverhandlung ein weiteres „Erörterungsgespräch nach § 257b StPO“ ohne den Angeklagten statt. In dessen Rahmen kündigte die Verteidigung für den kommenden Hauptverhandlungstag eine ausführliche schriftliche Erklärung an, die ein Teilgeständnis umfassen sollte. Auf Nachfrage der Strafkammer teilte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Erster Staatsanwalt L. , sodann mit, dass er sich hinsichtlich der zu erwartenden Strafe an den vorherigen Verurteilungen der Mittäter zu orientieren habe, insbesondere an derjenigen des E. , der sich geständig eingelassen habe und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden sei. Diese Vorstellungen wurden seitens der Verteidigung als unrealistisch bezeichnet.

Der Vorsitzende informierte nach Fortsetzung der Hauptverhandlung jeweils nicht über Inhalt und Ablauf der Gespräche im Einzelnen und die geäußerten Strafvorstellungen.

Der Angeklagte räumte am vierten Hauptverhandlungstag über eine Erklärung seiner Verteidiger die Tatvorwürfe mit Ausnahme der Einfuhrtaten ein.

2. Soweit der dargestellte Geschehensablauf nicht durch das Protokoll bewiesen wird (§ 274 Satz 1 StPO), ergibt sich die Überzeugung des Senats aus Folgendem:

Dass in den Gesprächen auf Nachfrage der Strafkammer – durch Bezugnahme auf die gesonderte Verurteilung des geständigen E. – auch über Strafvorstellungen der Staatsanwaltschaft für den Angeklagten im vorliegenden Verfahren gesprochen wurde, ergibt sich aus der Stellungnahme des Instanzverteidigers B. und den damit übereinstimmenden dienstlichen Stellungnahmen beider Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft. Deren Richtigkeit wird durch die zeitlich späteren – hinsichtlich Ablauf und Inhalt der Gespräche im Einzelnen wenig konkreten und allgemein gehaltenen – Erklärungen des Vorsitzenden und des beisitzenden Richters zu dem Inhalt der Gespräche nicht in Frage gestellt, die sich lediglich zu direkten Äußerungen der Verfahrensbeteiligten zu Strafvorstellungen bezogen auf den Angeklagten selbst verhalten, nicht jedoch zu entsprechenden Erklärungen durch eine Bezugnahme auf den gesondert verurteilten Mittäter E. . Der beisitzende Richter hat in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 30. Juli 2017, die er ebenso wie der Vorsitzende etwa zehn Monate nach den maßgeblichen Hauptverhandlungstagen verfasst hat, zudem explizit darauf hingewiesen, seine Angaben insoweit lediglich aus seiner Erinnerung zu machen.

3. Auf dieser Tatsachengrundlage erweist es sich als rechtsfehlerhaft, dass der Vorsitzende nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht über den wesentlichen Inhalt (vgl. dazu näher etwa BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 216/16, NStZ 2017, 363, 364 mwN) der zuvor geführten Gespräche unterrichtete.

a) Spätestens das während der Unterbrechung der Hauptverhandlung am 13. September 2017 geführte Rechtsgespräch war mitteilungspflichtig.

Gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ist über Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO zu berichten, die außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist. Davon ist auszugehen, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung nahe liegt (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 216 f. Rn. 85; BGH, Urteile vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14, NStZ 2016, 221, 222 Rn. 12 und vom 3. Mai 2017 – 2 StR 576/15, NStZ 2018, 49; Beschluss vom 24. Januar 2018 – 1 StR 564/17, NStZ 2018, 487, 488; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 BvR 1422/15, NStZ 2016, 422, 424 zur „synallagmatischen Verknüpfung“). Dementsprechend ist mitteilungspflichtig jedes ausdrückliche oder konkludente Bemühen um eine Verständigung in Gesprächen, die von den Verfahrensbeteiligten insoweit als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können (BGH, Beschlüsse vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15, NStZ 2015, 535, 536 und vom 24. Januar 2018 – 1 StR 564/17, NStZ 2018, 487, 488); im Zweifel wird eine Mitteilung zu erfolgen haben (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., aaO).

b) Nach diesen Maßstäben hat zumindest das außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräch am 13. September 2017 die durch den Vorsitzenden zu erfüllende Mitteilungspflicht begründet. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat – auf Nachfrage der Strafkammer – mit dem Hinweis auf die gegen einen geständigen Mittäter verhängte Strafe eine auch für den Angeklagten denkbare Straferwartung genannt. Damit lag ein Bemühen um eine Verständigung vor, weil die Formulierung der Straferwartungen der Staatsanwaltschaft in einem vergleichbaren Fall einen Konnex zwischen einem Geständnis des bis dahin nicht im Sinne des Anklagevorwurfs geständigen Angeklagten und einer auch für diesen möglichen Strafe hergestellt hat. Dies begründete die Mitteilungspflicht des Vorsitzenden ungeachtet des Umstands, dass das Landgericht selbst keine Straferwartungen formuliert und die Gespräche in der Sitzungsniederschrift lediglich als „Erörterungsgespräche nach § 257b StPO“ bezeichnet hat.

Der Mitteilungspflicht ist nicht entsprochen worden. Weder nach Wiedereintritt noch zu einem späteren Zeitpunkt ist in öffentlicher Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt des Gesprächs informiert worden.

c) Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, ob – wie vor dem Hintergrund der dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und des beisitzenden Richters zu Fragen nach dem zu erwartenden Einlassungsverhalten des Angeklagten und zu den Schwerpunkten seiner Verteidigung bzw. nach der Verteidigungsstrategie des bislang schweigenden Angeklagten im Rahmen der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche am 7. und 13. September 2017 sowie des von den Verfahrensbeteiligten im zweiten und dritten Hauptverhandlungstermin erklärten Verzichts auf die Vernehmung von insgesamt fünf Zeugen möglich erscheint – eine Verständigung auch auf das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten gezielt haben könnte, was bei einer entsprechenden inhaltlichen Verknüpfung mit der Strafzumessung ebenfalls die Mitteilungspflicht hätte auslösen können (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 257c Rn. 14; Eschelbach in BeckOK, StPO, 31. Edition, § 257c Rn. 17).

d) Der Senat kann wegen des bis zum (vierten) Hauptverhandlungstermin vom 20. September 2017 gezeigten Einlassungsverhaltens des Angeklagten nicht ausschließen, dass der Schuld- und der Rechtsfolgenausspruch auf der Verletzung der Mitteilungspflicht beruhen. Das bedingt die Aufhebung des Urteils einschließlich der Feststellungen.“

Wenn man den vom BGH dargestellten Verfahrensablauf liest, fragt man sich: Warum kommt in der Strafkammer, in der ja nun mindestens zwei Berufsrichter sitzen, auf die Idee, über die geführten Gespräche zu informieren? „Irgendwie“ hat man sich um eine Verständigung „bemüht“ und das reicht nun mal nach der Rechtsprechung des BGH – die man ja nun bald „singen“ kann – aus, um die Mitteilungspflicht auszulösen. Unverständlich.

Im Übrigen: Die mit der Mitteilungspflicht zusammenhängenden Fragen und die Probleme der Absprache/Verständigung sind natürlich umfassend in den beiden Neuauflagen von „Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl.“, und „Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl,“, behandelt. Hier dann der Link zur Bestellseite. Besonders weise ich auf die kostengünstigen Buchpakete hin, die der Verlag aufgelegt hat.

Absprache/Deal, oder: Was aus den Vorgesprächen alles mitgeteilt werden muss

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Und als zweite Entscheidung des Tages dann ein weiterer BGH-Beschluss, der ein Geschehen – besser „Nichtgeschehen“ – in der Hauptverhandlung zum Gegenstand hat. Es ist der BGH, Beschl. v. 05.07.2018 – 5 StR 180/18 –, in dem der BGH noch einmal zur Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO Stellung nimmt. Immer wieder ein Problem, bei dem auch neun Jahre nach Inkrafttreten der Abspracheregelung immer noch/wieder Fehler gemacht werden.

Hier war es ein Verfahren mit dem Vorwurf u.a. des  besonders schweren Raubes. Kurz vor Beginn der Hauptverhandlung hatte auf Initiative der Verteidigung ein Rechtsgespräch zwischen der Vorsitzenden der Strafkammer, dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft sowie den Verteidigern des Angeklagten und der Mitangeklagten über die Möglichkeiten einer Verständigung nach § 257c StPO stattgefunden. Hinsichtlich des Angeklagten stellte die Vorsitzende für den Fall eines Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren bis zu vier Jahren und sechs Monaten in Aussicht. Der Staatsanwalt lehnte eine Verständigung auf dieser Grundlage ab, da seiner Auffassung nach die schuldangemessene Strafe „eher bei fünf Jahren“ zu finden sei. Auf Nachfrage des Verteidigers des Angeklagten erklärte er, im Falle einer Strafobergrenze von fünf Jahren einer Verständigung zustimmen zu können. Die Vorsitzende kündigte an, das Gesprächsergebnis mit den weiteren Mitgliedern der Strafkammer zu erörtern.

In der Hauptverhandlung teilte die Vorsitzende mit, dass nach einem Rechtsgespräch mit den Verteidigern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine Verständigung in Betracht komme, die für den Beschwerdeführer im Falle eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe zwischen vier und fünf Jahren vorsah. Die von ihr zu Beginn des Vorgespräches in Aussicht gestellte Strafobergrenze von vier Jahren und sechs Monaten sowie die insoweit ablehnende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft erwähnte die Vorsitzende nicht. Anschließend schlug die Strafkammer eine Verständigung vor, die dem in der Hauptverhandlung mitgeteilten Ergebnis des Rechtsgespräches entsprach. Der Angeklagte stimmte dem Vorschlag zu und räumte in der Folge die Anklagevorwürfe ein.

Der Angeklagte hat dann (dennoch) Revision eingelegt, die beim BGH Erfolg hatte:

„b) Die Mitteilung über das Rechtsgespräch genügt nicht den Informationspflichten nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Denn die Vorsitzende hat lediglich das Ergebnis des Vorgespräches mitgeteilt, nicht aber ihren anfänglichen Vorschlag und den hierzu vertretenen (ablehnenden) Standpunkt der Staatsanwaltschaft (vgl. BVerfGE 133, 168, 217; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 216/16, NStZ 2017, 363, 364). Dass an dem Gespräch lediglich die Vorsitzende der Strafkammer teilgenommen hat, nimmt ihm nicht den Charakter einer die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auslösenden Erörterung über die Möglichkeit einer Verständigung nach §§ 202a, 212 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2017 – 3 StR 470/14, NStZ 2016, 221, 222; Beschluss vom 12. Juli 2016 – 1 StR 136/16).

2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils. Nach der insoweit von der herkömmlichen Dogmatik zum Beruhen (§ 337 StPO) abweichenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Niemöller NStZ 2015, 489, 490, 494) kann der Senat nicht ausschließen, dass der Schuldspruch auf der Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO beruht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 f.; vom 23. Mai 2016 – 2 BvR 2477/15).“

Und es gibt dann auch einen „Hinweis für die Praxis“:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Um die Aufhebung materiell-rechtlich fehlerfreier Urteile allein wegen einer Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zu vermeiden, empfiehlt es sich, den über ein Verständigungsgespräch (alsbald) zu fertigenden, den Erfordernissen des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO genügenden Aktenvermerk (§ 202a Satz 2, § 212 StPO) in der Hauptverhandlung zu verlesen und als Anlage zum Sitzungsprotokoll zu nehmen.“

Schön 🙂 der Hinweis des BGH auf „die Aufhebung materiell-rechtlich fehlerfreier Urteile “ – damit haben wir es also offenabr zu tun; der Hinweis wird die neue Strafkammer sehr freuen. Ebenfalls schön der „Hinweis“/die Wendung: „von der herkömmlichen Dogmatik zum Beruhen (§ 337 StPO) abweichenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“. 🙂

Absprache/Verständigung: Das Pausengespräch, oder: Mitteilungspflichtig

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In der zweiten Entscheidung zur Absprache/Verständigung, dem BGH, Beschl. v. 24.01.2018 – 1 StR 564/17 – geht es um die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Der BGh geht von folgendem Verfahrensgeschehen aus:

1. Im Hauptverhandlungstermin vom 25. Juli 2017 kam es auf Anregung des Verteidigers des Angeklagten während der Unterbrechung der Hauptverhandlung zu einem „Rechtsgespräch“, in dessen Verlauf sowohl die Einstellung einer weiteren, den Angeklagten betreffenden prozessualen Tat (Tat 2) gemäß § 154 Abs. 2 StPO erörtert als auch konkrete Strafunter- und Strafobergrenzen genannt wurden. Dabei gab der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft „Strafregionen“ im Falle eines Geständnisses an. Über dieses Gespräch informierte der Vorsitzende ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25. Juli 2017 wie folgt: „Es wurde festgestellt, dass derzeit eine Verständigung nicht zustande kommt, wobei die Verfahrensbeteiligten offen lassen, ob diese eventuell zu einem späteren Zeitpunkt in Betracht komme.“

Am nächsten Hauptverhandlungstermin, dem 1. August 2017, legte der Angeklagte bezüglich der der Verurteilung zugrunde liegenden Tat (Tat 1) ein umfassendes Geständnis ab. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO bezüglich Tat 2. Dem kam das Landgericht mit einem entsprechenden Einstellungsbeschluss nach.“

Und – auch diese Revision hat Erfolg:

„b) Das während der Unterbrechung der Hauptverhandlung am 25. Juli 2016 geführte Rechtsgespräch war mitteilungspflichtig. Gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ist über Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO zu berichten, die außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist. Davon ist auszugehen, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung nahe liegt (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 216 f. Rn. 85; BGH, Urteile vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14, NStZ 2016, 221, 222 Rn. 12 und vom 3. Mai 2017 – 2 StR 576/15, NStZ 2018, 49; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 BvR 1422/15, NStZ 2016, 422, 424 zur „synallagmatischen Verknüpfung“). Dementsprechend ist mitteilungspflichtig jedes ausdrückliche oder konkludente Bemühen um eine Verständigung in Gesprächen, die von den Verfahrensbeteiligten insoweit als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können (BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15, NStZ 2015, 535, 536); im Zweifel wird eine Mitteilung zu erfolgen haben (BVerfG aaO BVerfGE 133, 168, 216 f. Rn. 85).

c) Nach diesen Maßstäben hat das außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräch am 25. Juli 2017 die durch den Vorsitzenden zu erfüllende Mitteilungspflicht begründet. Wie sich aus dem insoweit durch die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden und die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft bestätigten Revisionsvortrag ergibt, hat – ausgelöst durch eine entsprechende Anfrage der Verteidigung – der Vertreter der Staatsanwaltschaft mit einem Geständnis des Angeklagten verbundene Strafunter- und Strafobergrenzen genannt. Damit lag sogar ein ausdrückliches Bemühen um eine Verständigung vor, weil die Formulierung der Straferwartungen der Staatsanwaltschaft einen Konnex zum weiteren Verhalten eines anderen Verfahrensbeteiligten, einem Geständnis des bis dahin nicht im Sinne des Anklagevorwurfs geständigen Angeklagten, hergestellt hat. Dies begründete die Mitteilungspflicht des Vorsitzenden ungeachtet des Umstands, dass das Landgericht selbst keine Straferwartungen formuliert hat.

Der Mitteilungspflicht ist nicht entsprochen worden. Weder nach Wiedereintritt noch zu einem späteren Zeitpunkt ist in öffentlicher Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt des Gesprächs informiert worden. Die bloße Mitteilung des Ergebnisses, eine Verständigung sei nicht zustande gekommen, erfüllt die Pflicht nicht.

Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, ob – wie von der Revision behauptet, in der dienstlichen Stellungnahme und der Gegenerklärung aber in Abrede gestellt – ein Geständnis des Angeklagten hinsichtlich der Tat 1 mit der Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO bezüglich der Tat 2 verknüpft worden ist, was wegen, aber auch lediglich wegen der Koppelung der Einstellung einer Tat mit einem Eingestehen einer weiteren Tat ebenfalls die Mitteilungspflicht ausgelöst hätte (BGH, Urteil vom 3. Mai 2017 – 2 StR 576/15, NStZ 2018, 49, 50; siehe aber auch Bittmann NStZ 2018, 50, 51).“