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NSU-Verfahren: Vierter Pflichtverteidiger für B.Zschäpe – drei Fragen – drei Anworten

FragezeichenSeit dem „Entpflichtungsantrag“ von B. Zschäpe „gegen“ ihre Verteidigerin Anja Sturm macht das NSU-Verfahren mal wieder „Schlagzeilen“/Presse. Allerdings nicht mit inhaltlichen Fragen, sondern nur mit den Fragen um die Pflichtverteidigung. Nämlich einmal, ob Anja Sturm entpflichtet wird, was der Vorsitzende des Senats beim OLG München inzwischen (erneut) abgelehnt hat, und dann die Frage: Bekommt B. Zschäpe einen vierten Pflichtverteidiger (des Vertrauens)? (vgl. dazu auch hier NSU-Verfahren: Nach „Sturm, Stahl, Heer“ kommt jetzt die „Heßstraße“?).

Die Frage  ist seit gestern nun ebenfalls entschieden. Der Senat – besser dessen Vorsitzender – hat der Angeklagten B. Zschäpe einen vierten Pflichtverteidiger bestellt. Es handelt sich um den jungen Münchner Kollegen Mathias Grasel (vgl. u.a. hier: Neuer Zschäpe-Anwalt: Nach den Technokraten nun noch ein Rookie?). Ich will jetzt hier dazu gar nicht wieder das „Fass aufmachen“: Erfahrung, junger Kollege, schon langer Prozess usw.. Dazu nur: Ich bleibe dabei, dass es „ambitioniert“ ist, am 215 Verhandlungstag in ein solches Verfahen einzusteigen. Ich bin gespannt, ob und wie der Kollegen verteidigen wird, ob also z.B. ein Aussetzungsantrag kommt, um sich besser vorbereiten zu können. Und: Ich bin auch gespannt, wie die vier Pflichtverteidiger miteinander umgehen: Gibt es jetzt zwei (Verteidiger)Lager? Im Übrigen: M.E. ist auch für den Senat die Beiordnung nicht ganz ungefährlich. Denn: Mit der Bestellung wird anerkannt, dass das Vertrauensverhältnis zu zumindest einem der bestellten Pflichtverteidiger – m.E. „Wahlpflichtverteidiger“, was ich jetzt aber nicht weiter geprüft habe – zumindest angeschlagen ist. Und damit könnte das dann irgendwann auf eine Entpflichtung hinauslaufen – von zunächst einem ….. Und dann? Ggf. auch der zweite und/oder dann der dritte…..?

Das nur vorab, denn mir geht es jetzt hier um drei Fragen, die gestern von Kollegen an mich gestellt worden sind und die ich über Twitter auch bereits beantwortet habe. Da ich damit aber nicht so gut umgehen kann, hier also noch einmal die Fragen.

  1. Der eine Kollege hatte gefragt, ob das mit dem vierten Plfichtverteidiger überhaupt gehe und welche Reform in der StPO er denn wohl verpasst habe. Ich konnte ihn beruhigen: Er hat keine Reform verpasst. Es gilt hinsichtlich der Höchstzahl von Verteidigern immer noch der aus den RAF-Prozessen stammende § 137 Abs. 1 Satz 2 StPO, der „die Zahl der gewählten Verteidiger“ auf höchstens drei begrenzt. Richtig: Die „Zahl der gewählten Verteidiger“, also die Zahl der Wahlverteidiger. Wir haben es hier aber nicht mit Wahlverteidigern i.S. des § 137 StPO zu tun, sondern mit Pflichtverteidigern. Und die werden bei der Berechnung der Zahl der Verteidiger nicht mitgerechnet. So die ganz h.M. in Rechtsprechung und Literatur. Allerdings wird – vom Sinn und Zweck des § 137 Abs. 1 Satz 2 StPO – das Gericht nicht beliebig viele Plfichtverteidiger bestellen können/dürfen. Aber darüber wird sich der Vorsitzende des Senats beim OLG München sicherlich Gedanken gemacht haben. Bei erst vier Plfichtverteididgern dürfte das auch noch unproblematisch sein. Derzeit sehe ich auch nicht, wer die Bestellung mit Erfolg beanstanden sollte.
  2. Ein zweiter Kollege hatte gefragt: „Wie oft gibt es 4 Pflichtverteidiger?“ Nun, darauf konnte ich nur antworten, dass ich kein Verfahren kenne, in denen es vier Pflichtverteidiger gegeben hat. Ich habe das weder während meiner erstinstanzlichen Strafkammerzeit erlebt noch später beim OLG, und das sind zusammen immerhin 30 Jahre gewesen. Ist also schon ungewöhnlich, wobei ich natürlich nicht ausschließen kann, dass es bereits Verfahren gegeben hat, in denen vier Pflichtverteidiger bestellt waren. Drei Wahlverteidiger (s. § 137 Abs. 1 Satz 2 StPO) und ein oder zwei Pflichtverteidiger, das gibt es sicherlich häufiger.
  3. Und der zweite Kollege hatte dann noch die Frage: „Bekommt der Neue mehr Geld wegen der Gebührenreform 2013?“ Die Antwort: Ja, er erhält höhere gesetzliche Gebühren als die bereits vorhandenen drei Pflichtverteidiger. Denn er ist nach dem Stichtag für das Inkrafttreten des 2. KostRMoG bestellt worden. Und allein auf den Zeitpunkt seiner Bestellung kommt es an. Und die drei bereits bestellten Pflichtverteidiger können im Übrigen später im Pauschvergütungsverfahren (§ 51 RVG) nicht unter Hinweis auf den Umstand auch für sich höhere Gebühren reklamieren. So jedenfalls OLG Hamm, Beschl, v. 22. 09. 2005, 2 (s) Sbd. VIII – 181/05 – für den Übergang BRAGO/RVG. Und ich glaube, nachdem, was ich bislang an Pauschgebührenbeschlüssen aus München gesehen habe, dass nun gerade nicht das OLG München im NSU-Verfahren diese Rechtsprechung ändern wird.

Also: Drei Fragen – drei Antworten. Es werden in dem Verfahren wahrscheinlich nicht die letzten Fragen gewesen sein.