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Verständigung (§ 257c StPO) ja, aber nicht über den Schuldspruch

Der BGH – mal wieder der 1. Strafsenat – hat sich im BGH, Beschl. v. 01.03.2011 – 1 StR 52/11 die Verständigung nach § 257c StPO vorgenommen.

Ein ganz interessanter Beschluss, der m.E. die Tendenzen in der Rechtsprechung des BGH verdeutlicht/verstärkt. Daher lesenswert, vor allem im Hinblick auf den Teil, der sich mit der Verständigung über den Schuldspruch, die wohl vorgelegen hat, befasst. Das ist unzulässiger Inhalt der Verständigung – in dem Zusammenhang wird die StA vom BGH inzidenter gerügt.

Und, was wichtig ist: Der BGH verneint ein Beweisverwertungsverbot für das auf der Grundlage einer solchen Verständigung abgelegte Geständnis. Das wird wohl nur, was immer deutlicher wird, in den Fällen des § 257c Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO angenommen.

Verjährung: Ruhen – es kommt auf das Ergebnis an

Für die Frage des Ruhens der Verjährung ist nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Vorschrift des § 78b StGB von Bedeutung.

Zu dessen Auslegung nimmt jetzt der BGH, Beschl. v. 08.11.2010 – 1 StR 490/10 Stellung. In der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen Entscheidung geht der 1. Strafsenat davon aus, dass die Vorschrift des § 78b Abs. 4 StGB nicht an die rechtliche Bewertung der Tat in der Anklage oder im Eröffnungsbeschluss anknüpft; maßgeblich sei vielmehr, ob der vom Gericht der Verurteilung zugrunde gelegte Straftatbestand eine abstrakte Strafschärfung für besonders schwere Fälle vorsieht.

Es kommt also auf das Ergebnis an.

BtM-Verteidiger aufgepasst. BGH legt u.a. (neue) nicht geringe Mengen fest

In der vergangenen Woche sind einige interessante Entscheidungen des 1. Strafsenats des BGH zum BtM-Recht eingestellt worden. Eine ist der Beschl. v. 02.11.2010 – 1 StR 579/09, in der der 1. Strafsenat zu einigen btm-rechtlichen Fragen Stellung genommen hat. Auf die kann ich hier nicht alle hinweisen, sondern muss den interessierten Verteidiger auf die BGH-Entscheidung verweisen.

Hinweisen will ich nur auf die vom BGH (neu) festgelegten „nicht geringen Mengen“ bei einigen Stoffen; und zwar:

Alprazolam240 mg
Clonazepam480 mg
Diazepam2400 mg
Lorazepam480 mg
Lormetazepam360 mg
Midazolam1800 mg
Oxazepam7200 mg
Temazepam4800 mg
Tetrazepam4800 mg
Triazolam120 mg
Zolpidem5800 mg

Kleiner Grundkurs zur Verständigung (§ 257c StPO)

Verständigung, Verständigung, Verständigung und kein Ende. An der Vielzahl der derzeit vom BGH kommenden Entscheidungen zu § 257c StPO kann man m.E. u.a. auch deutlich ablesen, dass in der Praxis „mehr verständigt“ wird als man denkt. Zu einem kleinen Grundkurs kommt der 1. Strafsenat des BGH in seinem Beschl. v. 11.10.2010 – 1 StR 359/10. In dem heißt es:

„Zur Verständigung:

1. Gestützt auf das Hauptverhandlungsprotokoll weist die Revision darauf hin, dass nur eine Gesamtstrafe „von nicht mehr als drei Jahren“ zugesichert, aber keine Mindeststrafe genannt ist.

Der Senat neigt zu der Auffassung, dass bei Mitteilung eines möglichen Verfahrensergebnisses (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO) stets ein Strafrahmen, also Strafober- und Strafuntergrenze, anzugeben ist (vgl. näher BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2010 – 1 StR 347/10 mwN). Letztlich kann diese unterschiedlich beurteilte Frage (vgl. BGH aaO mwN) aber offen bleiben; es ist nicht ersichtlich, wie sich ein (etwaiger) Verfahrensfehler hier zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben könnte (vgl. BGH aaO mwN). Insbesondere teilt der Senat nicht die Besorgnis, wegen der nicht genannten Strafuntergrenze könne sich die Strafkammer auf eine nicht zulässige „Punktstrafe“ (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 – 1 StR 345/10 mwN, NStZ 2010, 650) festgelegt haben.

2. Mit dem Hinweis, das Hauptverhandlungsprotokoll ergebe entgegen § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO nicht, ob eine Verständigung zustande gekommen sei, ist nicht prozessordnungswidriges Geschehen behauptet, sondern nur, dass das Protokoll nicht den Anforderungen des § 273 Abs. 1a StPO genüge (vgl. Schlothauer/Weider StV 2009, 600, 604; Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 273 Rn. 12a f.). Eine „Protokollrüge“ ist unbehelflich, ein Urteil kann nicht auf dem Protokoll beruhen (vgl. Wiedner in Graf, StPO § 344 Rn. 46, Meyer-Goßner, aaO Rn. 36 jew. mwN). – 4 –

3. Im Urteil heißt es, eine Verständigung sei vorausgegangen, dem Angeklagten sei eine Gesamtstrafe von nicht mehr als drei Jahren zugesichert worden. Der Hinweis der Revision, dass dem Urteil „unmittelbar nicht (zu) entnehmen“ sei, „ob die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten … und … zugestimmt haben (§ 257c Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 StPO)“, belegt keinen Rechtsfehler. Im Urteil ist nur eine gegebenenfalls vorausgegan-gene Verständigung festzustellen (§ 267 Abs. 3 Satz 5 StPO), die Angabe ihres Inhalts ist nicht geboten (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 – 3 StR 528/09, NStZ-RR 2010, 151), ebenso wenig Ausführungen zu sonstigem Prozessgeschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 1 StR 99/09, Rn. 10, NJW 2009, 2612, 2613).“

Der Rechtsprechung insgesamt kann man m.E. deutlich entnehmen, dass es der BGH offenbar nicht so gern sieht, wenn gegen „verständigte Urteile“, die sich im Rahmen der Absprache halten, Revision eingelegt wird. Und: Was eine „unzulässige Protokollrüge“ ist, sollte man als Verteidiger wissen.

Vertrau mir, denn mehr darf ich nicht, drunter bleiben muss ich aber auch nicht…, wenn wir uns absprechen

Die Entscheidungen zur Absprache (§ 257c StPO) nehmen zu. Mit dem Beschl. des BGH v. 27.07.2010 – 1 StR 345/10 liegt jetzt eine der ersten Leitsatzentscheidungen vor, und zwar zur Strafunter- und -obergrenze. Danach ist das Gericht, wenn es gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Ober- und Untergrenze der Strafe angibt, nicht gehindert, die angegebene Obergrenze als Strafe zu verhängen.

Also: Mehr darf es nicht, wenn die Absprache zustande gekommen ist, drunter bleiben muss es aber auch nicht. Und eine Punktstrafe ist so oder unzulässig (nur: Hält sich die Praxis daran?).