Strafe I: Umfassendes Verwertungsverbot aus § 51 BZRG, oder: Ausnahmen nur in sehr eng begrenzten Fällen

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Und heute dann eine wenig StPO, und zwar drei BGH-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 10.04.2024 – 5 StR 96/24 -zum Verwertungsverbot von Vorstrafen. Der Angeklagte ist mit Urteil vom 26.06.2002 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der BGH mit Urteil vom 07.05.2003 (5 StR 556/02) das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Feststellungen hat der BGH aufrechterhalten. Das neue Tatgericht hat den Angeklagten – er war etwa zwanzig Jahre lang unbekannten Aufenthalts und hatte sich dem Strafverfahren entzogen – nunmehr auf der Grundlage des rechtskräftigen Schuldspruchs mit Urt. v. 3.11.2023 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten bliebt ohne Erfolg:

„2. Soweit das Landgericht sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch durch Bezugnahme bei der Strafzumessung im engeren Sinne strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt – wenn auch nicht einschlägig – vorbestraft war und die Warnfunktion der letzten Verurteilung vom 12. Juni 2001 ignorierte, erweist sich dies als rechtsfehlerhaft.

a) Bei Erlass des Urteils vom 26. Juni 2002 enthielt der Bundeszentralregisterauszug des Angeklagten drei Eintragungen. Zuletzt war er vom Amtsgericht Darmstadt am 12. Juni 2001 zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden, wobei die Bewährungszeit bis zum 31. Juli 2003 dauerte. Die Taten (jeweils Handeltreiben mit Heroin) beging er zwischen September und Ende Dezember 2001 (Tat 1) und am 14. Januar 2002 (Tat 2). Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem neuen Tatgericht und dem Erlass des Urteils vom 3. November 2023 enthielt der Bundeszentralregisterauszug nach den Feststellungen keine Eintragungen mehr.

b) Der strafschärfenden Berücksichtigung von Vorstrafen und der Missachtung der Warnfunktion der letzten Verurteilung vom 12. Juni 2001 steht das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG jetzt entgegen, was der Senat auf die Sachrüge hin zu berücksichtigen hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1973 – 2 StR 451/72, BGHSt 25, 100, 101 f.; Beschlüsse vom 22. Dezember 2015 – 2 StR 207/15, NStZ-RR 2016, 120; vom 29. Oktober 2015 – 3 StR 382/15, NStZ 2016, 468; vom 2. Februar 2023 – 4 StR 453/22 mwN).

aa) Die Vorschrift des § 51 Abs. 1 BZRG begründet ein umfassendes Verwertungsverbot (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2021 – 4 StR 528/20, NStZ-RR 2021, 187, 188 f.; vom 28. August 2012 – 3 StR 309/12, NJW 2012, 3591; betreffend die von einer Vorverurteilung ausgehende Warnfunktion: BGH, Beschluss vom 12. Januar 1990 – 3 StR 407/89). Dies hat die Strafkammer nicht beachtet.

bb) Das Verwertungsverbot durfte nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die im Ausgangsurteil vom 26. Juni 2002 getroffenen Feststellungen mit der Entscheidung des Senats vom 7. Mai 2003 bindend geworden sind. Insoweit gilt:

Hebt das Revisionsgericht ein Urteil auf, haben die Feststellungen aber Bestand, weil diese nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO), ist das Tatgericht im weiteren Verfahren an diese Feststellungen gebunden. Es darf sie zwar noch ergänzen; die ergänzenden Feststellungen dürfen den bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen. Beweisergebnisse, die im Widerspruch zu bindenden Feststellungen stehen, haben außer Betracht zu bleiben (vgl. zur innerprozessualen Bindungswirkung BGH, Beschlüsse vom 3. November 1998 – 4 StR 523/98, BGHR StPO § 358 Abs. 1 Bindungswirkung 1; vom 23. September 2009 – 5 StR 314/09; Urteile vom 12. Mai 2021 – 5 StR 4/21, NStZ 2021, 628 mwN; vom 14. Januar 1982 – 4 StR 642/81, BGHSt 30, 340 f.; LR/Franke, 26. Aufl., § 353 Rn. 32 f.).

Aufgrund der nach dieser Maßgabe bindenden Feststellungen steht fest, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt – wenn auch nicht einschlägig – vorbestraft war, die Taten während des Laufs der Bewährung beging und die Warnfunktion der letzten Verurteilung vom 12. Juni 2001 ignorierte. Die ergänzende Feststellung, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des neuen Tatgerichts alle Vorstrafen aus dem Bundeszentralregister getilgt waren, steht dazu nicht in Widerspruch. Sie bezieht sich auf einen späteren Zeitpunkt, mithin eine nach Erlass des Ausgangsurteils eingetretene Veränderung.

Trifft das neue Tatgericht zulässig solche ergänzenden, den bisherigen nicht widersprechenden Feststellungen, ist es an die sich hieran anknüpfenden Rechtsfolgen, wie hier das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG, gebunden, so dass getilgte Vorstrafen und die von ihnen ausgehende Warnwirkung nicht mehr zum Nachteil des Angeklagten strafschärfend verwertet werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 1990 – 3 StR 407/89).

3. Die Strafe kann gleichwohl Bestand haben. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts, zu dem sich der Angeklagte nicht verhalten hat, hält der Senat sowohl die dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommenen Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten (Fall 1) und zwei Jahren und sechs Monaten (Fall 2) als auch die hieraus gebildete Gesamtfreiheitsstrafe für angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a StPO.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welcher Gegenstandswert bei der Einziehung von Dopingmitteln?

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Und dann die Lösung zur Fragen vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Welcher Gegenstandswert bei der Einziehung von Dopingmitteln?

Ich hatte da wie folgt geantwortet:

„Moin, da wird man ähnlich wie bei verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen BtM oder bei Streckmitteln argumentieren können. Nachweise bei Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 4142 VV Rn. 44.“

Im Kommentar vertreten wir dazu die Auffassung, dass die ggf. einen einen objektiven Verkehrswert haben (wie z.B. Subutex-Tabletten, dazu BGHSt 51, 318 = NJW 2007, 2054 = StRR 2007, 271. Bei ihnen wird man den Gegenstandswert anhand des Verkaufspreises in Apotheken zu bestimmen haben (auch Beck-OK-RVG/Knaudt, Nr. 4142 VV, Rn 17; ähnlich für Streckmittel OLG Schleswig, StraFo 2006, 516).

Und wenn ich schon auf unseren Kommentar verweise, dann hier <<Werbemodus an>> der Link auf meine Homepage, wo man ihn bestellen kann. <<Werbemodus aus>>.

Neues aus Berlin II: Strafverfolgungsentschädigung, oder: Kommt endlich eine Reform des StrEG?

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Und im zweiten Posting weise ich hier auf den Referentenentwurf des BMJ zu einem „Gesetz zur Reform des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen und zur Änderung weiterer Gesetze (Strafverfolgungsentschädigungsreformgesetz – StrERG)“ hin. Der sieht – endlich – eine durchgreifende Änderung des StrEG vor, dass im Grunde seit seiner Einführung im Jahr 1971 nur punktuell immer wieder geändert worden ist. Insbesondere wurde die als Ersatz für immaterielle Schäden bei Freiheitsentziehung zu leistende Haftentschädigungspauschale mehrfach angehoben, viel mehr ist aber auch nicht passiert.

Jetzt soll es weitergehenden Reformen des StrEG geben, insbesondere im Hinblick auf Verbesserungen für Personen, die wegen letztlich zu Unrecht erlittener Freiheitsentziehung zu entschädigen sind. Ziele des Entwurfs sind die materielle Besserstellung und Unterstützung von Personen, die für eine auf Grund gerichtlicher Entscheidung erfolgte und letztlich zu Unrecht erlittene Freiheitsentziehung zu entschädigen sind, sowie die Stärkung der Rehabilitierung zu Unrecht Verurteilter. Im Interesse aller (potentiell) Entschädigungsberechtigten sollen darüber hinaus das Entschädigungsverfahren und das sich gegebenenfalls anschließende Rechtsbehelfsverfahren vereinfacht werden.

Der Entwurf sieht dazu insbesondere folgende Änderungen vor:

  • Anhebung der Haftentschädigungspauschale um weitere 25 EUR auf 100 EUR für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung und ab einer Haftdauer von sechs Monaten nochmals auf 200 Euro für jeden weiteren angefangenen Tag der Freiheitsentziehung,
  • die Anrechnung von durch die Freiheitsentziehung ersparten Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung auf den Entschädigungsanspruch soll ausgeschlossen werden und
  • es soll ein Anspruch auf eine kostenlose anwaltliche Erstberatung im Betragsverfahren eingeführt werden.
  • im RVG soll im Hinblick auf die letztgenannte Änderung flankierend ein Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts, der die Erstberatung durchgeführt hat, gegen die Staatskasse vorgesehen werden.
  • Durch weitere Änderungen des StrEG sollen Erleichterungen für das Entschädigungsverfahren und das sich ggf. anschließende Klageverfahren eingeführt werden, namentlich erweiterte Belehrungspflichten, die Verlängerung von Antrags- und Klagefrist sowie die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Antrags- oder Klagefrist.
  • Mit einer Änderung der StPO sollen schließlich zu Unrecht Verurteilte dadurch besser rehabilitiert werden, dass sie bei erfolgreicher Wiederaufnahme auch nach erneuter Hauptverhandlung einen Anspruch auf öffentliche Bekanntmachung der Aufhebung des früheren Urteils erhalten.

Wegen weiterer Einzelheiten hier das Informationspapier des BMJ.

Auch hier: Mal sehen, was daraus wird.

 

Neues aus Berlin I: Geschäftsverteilung und Schöffen, oder: Beschränkung der Laienverteidigung

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Und dann starte ich in die neue Woche mal nicht mit Entscheidungen, sondern mit zwei Beiträgen zu Gesetzesvorhaben, die in Berlin in der Pipeline sind.

Zunächst der Hinweis auf einen am 30.08.2024 veröffentlichen Referentenentwurf des BMJ zu geplanten Änderungen im GVG. Vorgesehen sind zwei Änderungen, und zwar.

  • In Zukunft sollen Gerichte verpflichtet sein, ihre Geschäftsverteilungspläne im Internet zu veröffentlichen.
  • Zudem soll der Zugang zum Schöffenamt strenger reguliert werden. Es sollen Personen als Schöffen ausgeschlossen sein, die wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Bisher lag die Schwelle bei sechs Monaten Freiheitsstrafe, Geldstrafen hatten gar keine Bedeutung.

Und dann gibt es noch einen Gesetzesentwurf zur Änderung der StPO aus Bayern (BR-Drucksache 206/24), und zwar zur Beschränkung der Laienverteidigung. Hintergrund ist § 138a Abs. 2a StPO. Danach darf ausnahmsweise vom Gericht im Einzel-
fall auf Antrag eine andere Person als ein Rechtsanwalt oder Hochschullehrer, der die Befä-
higung zum Richteramt hat, als Verteidiger zugelassen werden (sogenannte
Laienverteidiger). Diese muss kein Rechtsanwalt oder Volljurist sein. Es genügt,
dass sie nach Ansicht des Gerichts ausreichend sachkundig und vertrauenswürdig
für eine ordnungsgemäße Verteidigung ist und keine sonstigen Bedenken gegen die
gewählte Person bestehen.

Vorgeschlagen wird, eine Genehmigung nur noch folgenden Personen zu erteilen:

„1. Volljährigen Angehörigen des Beschuldigten,
2. Personen mit Befähigung zum Richteramt, wenn die Vertretung nicht im
Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit für den Beschuldigten
steht,
3. Vertretern von Berufsverbänden, Gewerkschaften oder Vereinigungen von
Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände für ihre
Mitglieder oder für andere Verbände oder Vertreter von Zusammenschlüssen mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder
4. Vertretern von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaft-
lichen Eigentum einer der in Nummer 3 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und
Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer
Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit ihrer Vertreter haftet.“

Mal sehen was aus den beiden Vorhaben wird.

 

Sonntagswitz, heute wieder zu Freunden

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Wenn dieser Beitrag online geht, wollte ich auf der Rückfahrt von unserem alljährlichen „Freundschaftstreffen“ in Erfurt sein. Ist immer wieder schön: Essen, Trinken, Reden und Fortbilden. Es hat aber leider nicht geklappt, da bei mir eine Augen-OP so verlegt werden musste, dass ich an diesem Wochenende dann lieber doch daheim geblieben bin. Das Treffen – im nächsten Jahr bin ich wieder dabei – ist dann aber dennoch der Themengeber für den heutigen Sonntagswitz, nämlich: Freunde, und zwar:

Treffen sich zwei Freunde.

„Mir geht es heute so beschissen!“

„Du kannst ja in den Streichelzoo gehen. So etwas beruhigt normalerweise.“

Nach ein paar Stunden treffen sie sich wieder.

„Und, geht es dir wieder besser?“

„Nein …“

„Warum das denn?“

„Im Streichelzoo wollte mich keiner streicheln …“


Habe meinen Freund gerade gefragt, ob er sich daran erinnert, was heute für ein Tag ist.

Männern Angst machen, kann so einfach sein.


Der Mann war über Nacht nicht zu Hause. Am Morgen erzählt er seiner Frau, dass er bei einem Kumpel übernachtet hätte.

Seine Frau ruft zehn seiner besten Freunde an. Abends stellt sie ihren Gatten zur Rede.

„Ich habe zehn deiner Freunde angerufen. Fünf haben mir bestätigt, dass du bei ihnen geschlafen hast. Und drei behaupten, dass du immer noch bei ihnen wärst.“


Das Motto des Jagdvereins:

Lernen Sie schießen und treffen Sie neue Freunde.