Archiv der Kategorie: Untersuchungshaft

Heimlich und still und leise (?) – Änderung des § 112a StPO im Gespräch

Der Kollege Ferner hatte ja vor einigen Tagen schon über die geplante Änderung im Bereich des § 112a StPO berichtet. (vgl. hier zu den Änderungen des U-Haft-Rechts). Das Land Hamburg hat in der BR-Drucksache 24/11 den „Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr“ eingebracht; nach dem Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens wird also schon wieder effiktiviert. Geplant ist eine Erweiterung des § 112 a StPO um den § 223 StGB, der bisher nicht zu den Katalogtaten gehört.

In Zukunft soll es nach den Hambuger Plänen die Nr. 1 geben – wie bisher.

In der neuen Nr. 2 sollen die Tatbestände erfasst werden, denen eine vergleichbare Indizwirkung für eine Wiederholungsgefahr – hohes Aggressionspotential, niedrige Hemmschwelle, geringe Affektkontrolle – zukommt wie den bereits in § 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO enthaltenen Anlasstaten. Dies sind die Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB), die qualifizierten Körperverletzungsdelikte (§§ 224 bis 227 StGB), die Raub- und Erpressungsdelikte (§§ 249 bis 255 StGB), die vorsätzlichen Brandstiftungsdelikte (§§ 306 bis 306c StGB) und der räuberische Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a StGB). Bei (mutmaßlichen) Tätern dieser Straftaten soll zukünftig die Möglichkeit für Staatsanwaltschaften und Gerichte bestehen, bereits allein aufgrund der Anlasstat eine Wiederholungsgefahr zu bejahen, ohne dass es einer Vortat bedarf. Das Abwarten einer weiteren, der Anlasstat vergleichbaren Straftat führe – so die Gesetzesbergündung – hier zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen und widerspreche dem Bestreben nach Sicherheit und Schutz der Bevölkerung. Dieser Widerspruch sei auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kriminalpolitisch nicht zu vertreten.

In der neuen Nr. 3 werden dann die Straftaten aus dem Katalog der Nr. 2 in der gegenwärtigen Fassung, denen die angesprochene Indizwirkung nicht beigemessen werden kann, zusammengefasst. Bei ihnen bleibt es dabei, dass die Anordnung der Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr das Vorliegen einer der Anlasstat vergleichbaren Vortat erfordert. Dazu soll dann auch § 223 StGB gehören.

Alles in allem: M.E. eine deutliche Verschärfung des § 112a StPO. Er wird eben „effekiviert“.

Fluchtgefahr? Nicht, wenn du geblieben bist

Die Fluchtgefahr i.S. des § 112 StPO ist immer wieder in der Diskussion, vor allem, wenn erst im Laufe des Verfahrens der Erlass eines Haftbefehls beantragt wird. Dann lässt es sich häufig gut gegen seinen Erlass damit argumentieren, dass der Mandant sich ja „für das Verfahren zur Verfügung gehalten hat“, bzw., dass er, obwohl er vom Verfahren wusste, nicht „abgehauen“ ist.

Und das gilt auch bei Schwerkriminalität i.S. des § 112 Abs. 3 StPO. Insoweit ist der Beschl. des LG Koblenz v. 07.02.2011 – 2090 Js 24962/08 – 3 Ks ganz interessant. Nichts Bahnbrechendes, aber man hat zumindest schon mal eine Fundstelle.

U-Haft, Strafhaft, sonstige Haft – was hat Vorrang?

Ziemlich unbekannt ist noch die verhältnismäßig neue Vorschrift des § 116b StPO, die das Verhältnis von U-Haft und anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen regelt. Geregelt ist dort, dass die Vollstreckung von U-Haft z.B. der Auslieferungshaft vorgeht, andererseits aber die Vollstreckung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe Vorrang vor der U-Haft hat.

Damit setzt sich der Beschl. des KG v. 01.11.2010 – 2 Ws 551/10 auseinander. Danach gilt:

1. Der Verurteilte hat keinen Anspruch darauf, vor Einleitung der Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe angehört zu werden. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus der neuen gesetzlichen Regelung des § 116b Satz 2 StPO. Diese schreibt vielmehr gesetzlich fest, daß nunmehr die Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von Gesetzes wegen der Vollstreckung von Untersuchungshaft vorgeht. Diese Folge tritt automatisch mit dem Eingang des Aufnahmeersuchens in der Justizvollzugsanstalt ein.

2. Nur wenn der Zweck der Untersuchungshaft dies erfordert, was nur bei besonderen Gefahren, insbesondere der Verdunkelungsgefahr angenommen werden darf, kann das für die Untersuchungshaft zuständige Gericht eine abweichende Entscheidung – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten – jederzeit treffen.

Vorrang der Strafhaft

Verhältnismäßig neu in der StPO ist § 116b StPO, der das Verhältnis von U-Haft zu anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen dahin regelt. Dazu hat jetzt das KG in einem Beschl. v. 11.20.2010 – 2 Ws 504/10 zur Strafhaft (Satz 2) ausgeführt:

Der Vorrang der Strafhaft tritt bei einem bereits in Untersuchungshaft befindlichen Verurteilten nicht erst mit dem Eingang des Aufnahmeersuchens in der Justizvollzugsanstalt ein, sondern bereits dann, wenn die Staatsanwaltschaft – wie hier durch den Erlaß eines Vollstreckungshaftbefehls – unmißverständlich zum Ausdruck bringt, daß die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nunmehr ansteht.

Kann für das Ende der Strafhaft von Bedeutung sein.

Besuchserlaubnis für den Ehepartner – Art. 6 GG lässt grüßen

An sich selbstverständlich, aber dennoch musste der Beschuldigte in Kaiserslautern den Weg über die Beschwerde gehen, damit seine Frau eine Besuchserlaubnis bekam (vgl. Beschl. v. 05.01.2011 – 2 Qs 182/10). Das LG sagt: Bei der Entscheidung darüber, ob dem Ehegatten des Beschuldigten eine Besuchserlaubnis zu erteilen ist, ist § 119 Abs. 1 Nr. 1 StPO im Lichte des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG auszulegen. Das führt dazu, dass auch dann, wenn konkrete Gründe für Verdunkelung bestehen (Zusatz: Nach den mir vorliegenden Infos des einsendenden Verteidigers waren der Beschuldigte und seine Ehefrau beide Beschuldigte eines Verfahrens wegen BtM-Handel) die Besuchserlaubnis nicht insgesamt versagt werden darf, sondern ggf. visuelle und akustische Überwachung des Besuchs mit Trennscheibe ausreicht oder ein Polizeibeamter hinzugezogen werden kann.