Archiv der Kategorie: Corona

Corona II: Einrichtungsbezogene Nachweispflicht, oder: Kein Betretungs- und kein Tätigkeitsverbot

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Und dann als zweite Entscheidung noch der OLG Celle, Beschl. v. 06.06.2023 – 2 ORbs 132/23 – zur Ordnungswidrigkeit von Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz, Stichwort: Einrichtungsbezogene Nachweispflicht. Das AG hatte die Betroffene

„wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die in § 20a Abs. 2 und 5 IfSG in der zum Zeitpunkt der ihr zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit geltenden Fassung (im Folgenden: § 20a Abs. 2 und 5 IfSG a.F.) geregelte Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 7 e) und h) IfSG in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung (im Folgenden: 73 Abs. 1a Nr. 7 e) und h) a.F.) zu einer Geldbuße in Höhe von 500 € verurteilt. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen war die Betroffene zum Tatzeitpunkt als Gesundheits- und Krankenpflegerin für die D. D. in B. gGmbH tätig. Trotz Kenntnis ihrer gesetzlich geregelten Verpflichtung legte sie ihrem Arbeitgeber bis zum Ablauf des 15.03.2022 keinen Coronaimpf- oder Genesenennachweis vor. Der nachfolgenden Aufforderung des zuständigen Gesundheitsamtes, einen entsprechenden Nachweis dort bis zum 12.04.2022 vorzulegen, kam sie lediglich insoweit nach, als dass sie einen am 06.04.2022 bei der Behörde eingegangenen Genesen-Nachweis übermittelte, dessen Gültigkeit am 07.04.2022 ablief. Einen Nachweis über eine Corona-Schutzimpfung oder ein ärztliches Zeugnis über eine etwaige medizinische Kontra-indikation für diese Impfung legte sie hingegen nicht vor. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht hat sich die Betroffene dahin eingelassen, sie habe keinen Impfnachweis vorlegen können, da sie sich zuvor einmal mit dem Corona-Virus infiziert, jedoch keine Symptome ver-spürt gehabt habe, weshalb sie die Corona-Schutzimpfung nicht befürwortet und sich daher nicht impfen lassen habe.

Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie macht insbesondere geltend, dass Amtsgericht sei zu Unrecht von einem vorsätzlichen Verstoß gegen ihre Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises ausgegangen. Da sie über keinen Nachweis verfügt habe, sei ihr die Vorlage eines solchen Nachweises objektiv unmöglich gewesen. Zudem habe ihr das Gesundheitsamt trotz des fehlenden Nachweises im Rahmen des vom Gesetz eingeräumten Ermessens kein Betretens- oder Tätigkeitsverbot nach § 20a Abs. 5 IfSG a.F. erteilt. Auf eine solche Fallkonstellation sei der bei ihrer Verurteilung zugrunde gelegte Bußgeldtatbestand des § 73 Abs. 1a Nr. 7 h) IfSG nicht anwendbar. Seine Anwendung scheide auch deshalb aus, da hinsichtlich der vom Gesetzgeber eingeführten Regelungen in § 20a Abs. IfSG a.F. zur sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht ein strukturelles Vollzugsdefizit vorgelegen habe, aus der sich die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Regelungen ergebe. So habe die Landesregierung des Freistaates Bayern am 15.02.2022 offiziell angekündigt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht aussetzen zu wollen, da diese nach ihrer Ansicht nicht als wirksames Mittel zur Begleitung, Dämpfung oder zum Stoppen der damals zu verzeichnenden Omikron-Welle anzusehen gewesen sei. Gleichlautende Stellungnahmen habe es aus anderen Bundesländern gegeben. Gleichwohl habe der Bundesgesetzgeber nähere Bestimmungen zu einer bundeseinheitlichen Anwendung der Regelungen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht bewusst unterlassen.

Schließlich wendet die Betroffene ein, es handele sich bei den genannten Regelungen um ein Zeitgesetz i.S. von § 4 Abs. 4 OWiG, das vom Gesetzgeber bewusst nicht verlängert worden sei, so dass die sog. Meistbegünstigungsklausel des § 4 Abs. 3 OWiG hätte zur Anwendung kommen und die Betroffene freizusprechen gewesen wäre.W

Das hat das OLG anders gesehen und die Rechtsbeschwerde verowrfen. Hier die Leitsätze zu der OLG-Entscheidung:

1.Die bis zum 31.12.2022 befristeten Regelungen zur einrichtungsbezogene Nachweispflicht in §§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 S. 1 IfSG in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung unterfallen nicht der Meistbegünstigungsklausel des § 4 Abs. 3 OWiG.

2.Der Bußgeldtatbestand in § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung ist auch dann anwendbar, wenn das Gesundheitsamt dem Betroffenen kein Betretens- oder Tätigkeitsverbot erteilt hat.

3.Ein zur Verfassungswidrigkeit der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht in §§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 S. 1 IfSG in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung begründendes strukturelles Vollzugsdefizit ist nicht gegeben.

Corona I: BGH-Schlussstrich zur Impfpassfälschung, oder: Impfpassfälschung auch Urkundenfälschung

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Und heute dann mal wieder ein „Corona-Tag“, allerdings nicht mit neuen Problemen, sondern mit Naxhträge = Entscheidungen zu Fragen, die die Öffentlichkeit während der Hochzeit der Pandemie beschäftigt haben und/oder zu Nachwirkungen.

Zunächst hier dann noch das BGH, Urt. v. 10.11.2022 – 5 StR 283/22 – zur Frage der Strafbarkeit der Impfpassfälschung nach altem Recht. Ich erinnere: Unter Geltung des „alten Rechts“ ist ja heftig darum gestritten worden, ob das Fälschen von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB a.F. zur (einfachen) Urkundenfälschung nach § 267 StGB im Verhältnis sog. privilegierender Spezialität steht Auch ich hatte dazu ja einige Beiträge zu Entscheidungen, vgl. z.B. Corona I: Wieder Vorlage des gefälschten Impfpasses, oder: Wann kommt dazu etwas vom BGH? oder Corona II: Nochmals Fälschung von Impfausweisen pp, oder: Doch keine Sperrwirkung zu § 267 StGB.

Und dann hatte sich ja auch der BGH im November 2022 mit der Frage befasst. Grundlage war ein Urteil des LG Hamburg, das den Angeklagten frei gesprochen hatte. Das LG war von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„Der Angeklagte entschloss sich, im August 2021 in H. eigenhändig Impfausweise mit Eintragungen zu angeblichen Impfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus anzufertigen oder bereits bestehende Impfausweise mit solchen Eintragungen zu ergänzen, um die Impfausweise gegen Bezahlung anderen Personen zu überlassen. Hiermit sollte den Abnehmern ermöglicht werden, mittels der Impfausweise Schutzimpfungen nachzuweisen, um in Apotheken digitale Impfzertifikate zu erlangen oder aufgrund der COVID-19-Pandemie bestehende Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte, etwa in der Gastronomie, zu umgehen. Der Angeklagte beabsichtigte, sich durch diese Geschäfte eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.

In Umsetzung seines Plans fertigte er zwischen dem 25. August und dem 9. September 2021 Impfausweise dadurch an, dass er entweder unausgefüllte Impfausweisvordrucke auf der Vorderseite mit den Personalien der angeblich geimpften Personen beschriftete oder bereits mit Personalien beschriftete Impfausweise verwendete, um dann jeweils auf den inneren Seiten des Impfausweises angebliche Impfungen einzutragen. Hierzu vermerkte er die vermeintlichen Daten für Erst- und Zweitimpfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus handschriftlich und versah die Eintragungen jeweils in derselben Zeile mit selbst gedruckten Aufklebern des angeblich verwendeten Impfstoffs „Comirnaty“ einschließlich fiktiver Chargennummern sowie mit dem Stempel „Landkreis H., Impfzentrum B., R. Straße 27, B.“. Auf dem Stempel unterschrieb er jeweils mit einem nachgeahmten oder erfundenen Namenszug, um hierdurch den Eindruck zu erwecken, die betreffende Unterschrift sei von einem Arzt des Impfzentrums geleistet worden.

Der Angeklagte führte insgesamt neun Bestellungen zur Herstellung gefälschter Impfbescheinigungen aus, wobei er teils mehrere Dokumente erstellte, etwa wenn ein Abnehmer nicht nur für sich, sondern auch für Angehörige gefälschte Impfdokumente bestellt hatte.

Während in den Anklagefällen 2 bis 9 die vom Angeklagten gefertigten Impfbescheinigungen an die Abnehmer übergeben wurden, konnten im Anklagefall 11 die bereits fertiggestellten Dokumente beim Angeklagten sichergestellt werden. Außerdem wurden bei ihm 188 Impfausweisvordrucke, weitere 203 mit Chargennummernaufklebern versehene Impfpassvordrucke, ein Etikettendruckgerät sowie der vorbenannte Stempel mit den Daten „Impfzentrum B.“ gefunden. Zudem wurden 33.100 Euro sichergestellt, die nach den Wertungen des Landgerichts nicht aus Betäubungsmittelgeschäften stammen und deren Herkunft aus Impfausweisgeschäften „naheliegt“.“

Das LG hatte aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil der Angeklagte durch das Erstellen unzutreffender Impfbescheinigungen keinen Straftatbestand erfüllt habe.

Der BGH hat das anders gesehen. Er verneint zwar mit dem LG eine Strafbarkeit wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB a.F. Es fehle an der Verwirklichung des zweiten Teilakts der Tathandlung. Denn anders als für den Tatbestand der Urkundenfälschung genüge es nicht, dass die Urkunde in der Absicht hergestellt wird, sie später zur Täuschung im Rechtsverkehr zu gebrauchen. Vielmehr verlangt der Tatbestand des § 277 StGB a.F .den Gebrauch der Urkunde. Hinzu tritt, dass nicht der Gebrauch im allgemeinen Rechtsverkehr von der Vorschrift erfasst wird, sondern nur der Gebrauch zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften. An diesen – den Tatbestand des § 277 StGB a.F. entscheidend von denjenigen des § 267 StGB abhebenden Voraussetzungen – fehle es.

Aber: Der BGH verneint die vom LG angenommene Spezialität mit privilegierendem Charakter des § 277 StGB a.F. gegenüber § 267 StGB. Die bestehe nicht. Vielmehr handele es sich um zwei Tatbestände, die verschieden geartete Begehungsweisen erfassen, aber gemeinsame Unrechtselemente aufweisen, so dass es zu einer im Strafgesetzbuch nicht ungewöhnlichen Überschneidung der Anwendungsbereiche kommt. Die Anwendbarkeit des einen Tatbestands schließe die Anwendbarkeit des anderen deswegen nicht aus.

So viel muss aus dem umfangreich begründeten Urteil reichen. Wer mehr lesen möchte/muss, der verlinkte Volltext steht dafür zur Verfügung.

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Corona II: Nichtvorlage vom Impf-/ Genesenenausweis, oder: Bußgeld auch bei Weiterbeschäftigung

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Und als zweite Entscheidung dann noch etwas Bußgeldrechtliches, nämlich den OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.03..2023 – 2 ORbs 17/23 (210 Js 31415/22). Das OLG hat zur Verhängung eines Bußgeldes wegen wegen der Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises Stellung genommen. Das AG hatte den Betroffenen, der als Chirurg arbeitet, wegen vorsätzlicher Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises zu einer Geldbuße von 500 EUR verurteilt. Dagegen dessen Rechtsbeschwerde, die keinen Erfolg hatte:

„Der Senat ergänzt diese Ausführungen allerdings wie folgt:

Soweit der Betroffene geltend macht, ein Verstoß gegen § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG a. F., wonach die in Abs. 1 Satz 1 genannten Personen dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befand, auf Anforderung einen Nachweis nach Abs. 2 Satz 1 vorzulegen hatten, habe für ihn nicht gegolten, da er mangels Impfung über einen derartigen Nachweis nicht verfügt habe, verfängt dieser Einwand ersichtlich nicht. Die entsprechende Regelung sollte nicht nur die Vorlage vorhandener Nachweise sanktionieren. Vielmehr musste (auch) derjenige, der ungeimpft bleiben wollte, bei Fortsetzung der Tätigkeit mit einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung rechnen (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022, 1 BvR 2649/21, juris, Rn. 114). Dass der Betroffene geglaubt haben könnte, er könne der Vorlagepflicht mit dem Argument, er habe keinen entsprechenden Nachweis, entgehen, ist vor dem Hintergrund der vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht geführten Diskussion – wie die Generalstaatsanwaltschaft schon zutreffend angemerkt hat – abwegig.

Der Hinweis des Betroffenen, gegen ihn sei ein Betretungsverbot nicht verhängt worden, führt nicht dazu, dass die vorherige Weigerung, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen, nicht mit einem Bußgeld sanktioniert werden könnte. Die Möglichkeit des Gesundheitsamtes, trotz Nichtvorlage durch den Beschäftigten, diesen weiterhin seiner Tätigkeit nachgehen zu lassen, ist vom Bundesverfassungsgericht vielmehr lediglich als ein Gesichtspunkt zur Abmilderung des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit, den die zur Erfüllung der Nachweispflicht veranlasste Impfung darstellt, angesehen worden (BVerfG, a. a. O., Randnummer 207, 212, 215).

Insofern hat der Gesetzgeber den vom Betroffenen angeführten Gesichtspunkt, die Aufgabe seiner Tätigkeit als Arzt wäre im Hinblick auf die Patientenversorgung kontraproduktiv gewesen, bereits berücksichtigt und das Gesundheitsamt hier von der genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Auch wenn – wie der Betroffene geltend macht- in anderen Bundesländern Bußgeldbescheide wegen Nichtvorlage von Nachweisen nicht verhängt worden sein sollten, würde dieses nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 GG führen: Der Anspruch auf Gleichbehandlung besteht nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Verwaltungsträger; dieser hat in seinem Zuständigkeitsbereich die Gleichbehandlung zu sichern (BVerwGE 70. Bd., 127,132; BVerfGE 21. Bd., 54, 68).

Soweit der Betroffene meint, bei der Aufforderung zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt, der mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht bestandskräftig geworden sei, sodass hierauf ein Bußgeld nicht habe gestützt werden können, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Er schließt sich vielmehr den ausführlich begründeten Beschlüssen des OVG Lüneburg vom 22.06.2022 (14 ME 258/22) und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 13.6.2022 (1 B 28/22), jeweils juris, an, wonach es sich um eine unselbständige Verfahrenshandlung im Sinne des § 44 a VwGO gehandelt hat. Auf die jeweiligen Begründungen wird insoweit verwiesen.

Auch der Einwand des Betroffenen, ein Festhalten am Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.4.2022 sei in keiner Weise mehr zu rechtfertigen, greift nicht durch. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens des Landkreises vom 13.07.2022. Am 27.04.2022 hatte das Bundesverfassungsgericht noch ausgeführt, dass nicht erkennbar sei, dass die Nachweispflicht mittlerweile in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen wäre. Bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt waren lediglich zweieinhalb Monate verstrichen. Aber selbst am 08.09.2022 hat das OVG Lüneburg (14 ME 297/22, juris) diesen Zeitpunkt noch nicht als erreicht angesehen (vergleiche auch OVG NRW, Beschluss vom 23.12.2022, 13 B 1256/22, juris, das auch für diesen Zeitpunkt § 20a IfSG noch als verhältnismäßig angesehen hat).

Die Gegenerklärung gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung:

Dass die Vorlage eines Impfnachweises nicht mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden konnte, weil keine Impfpflicht bestand, ändert an der Rechtmäßigkeit einer Bußgeldbewehrung nichts (vgl. BVerfG a.a.O., RN 267 ff.).

Im Hinblick auf § 4 Abs. 3 OWiG (Meistbegünstigungsprinzip) ist es zwar zutreffend, dass die Ausnahme hiervon durch § 4 Abs. 4 OWiG (Zeitgesetz) dann nicht zum Tragen kommt, wenn „sich der Gesetzgeber zu der getroffenen Regelung aufgrund eines Wandels der Rechtsüberzeugung nicht mehr bekennt.“ (OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 4 RBs 387/21 –, Rn. 50, juris).

Dies gilt aber für Zeitgesetze im weiteren Sinne, also solche, die ihrem Inhalt nach für sich ändernde zeitbedingte Verhältnisse gedacht sind (vgl. Göhler-Gürtler/Thoma, OWiG, 18. Auflage, § 4 RN 10 und 10a).

Hier lag aber bereits ein Zeitgesetz im engeren Sinne vor:

Ein derartiges Zeitgesetz (im engeren Sinne) ist dadurch gekennzeichnet, dass bereits bei seiner Verkündung oder später ein nach dem Kalender festgelegter Zeitpunkt oder ein sonstiges in der Zukunft liegendes Ereignis, an dem das Gesetz außer Kraft treten soll, ausdrücklich bestimmt wird (KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 37; Göhler/Gürtler, § 4 Rn. 10). (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 2 RB 69/20 –, Rn. 20, juris).

Nach Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 vom 10.12.2021 wurden §§ 20a und 20b IfSchG bereits zukünftig aufgehoben, denn Art. 23 des Gesetzes sah das Inkrafttreten von Art. 2 für den 1.1.2023 vor. Tatsächlich hat es eine Verlängerung auch nicht gegeben.

Dass dies auf einem Wandel der Rechtsüberzeugung (was gegen ein Zeitgesetz i.w.S. sprechen würde) und nicht auf einer Änderung des Pandemiegeschehens beruht hätte, ist ohnehin nicht ersichtlich.“

 

Corona I: „Judenstern“ mit „Ungeimpft“ bei FB, oder: (Keine) Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens?

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So, und heute dann seit längerem mal wieder „Corona-Entscheidungen“ bzw. Entscheidungen zu Fragen, die sich aus der Corona-Pandemie ergeben haben.

Zunächst das KG, Urt. v. 11.05.2023 – (4) 121 Ss 124/22 (164/22) – mit einem Sachverhalt, den man kennt. Das AG Tiergarten hat den  wegen Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt. Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hin hat das LG das Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Die hatte keinen Erfolg.

Das KG geht von folgenden amtsgerichtlichen Feststellungen aus:

2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

„Am 12. März 2021 um 12.18 Uhr teilte der Angeklagte in B. auf seinem öffentlich einsehbaren Profil der Internet-Plattform Facebook den Post eines Bekannten. Dieser Post beinhaltete das Bild eines gelben Sterns, der in dieser Art in der Zeit des Nationalsozialismus zur Kennzeichnung von Juden verwendet wurde, mit der Inschrift „Nicht geimpft“ und der unmittelbar darüber plazierten Überschrift „Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen“. Den Post versah der Angeklagte zusätzlich mit dem Kommentar: „Ich bin dabei, einen Judenstern zu basteln und an meine Jacke zu stecken, wenn die indirekte Impfpflicht kommt!“

Der Beitrag wurde bei Facebock von Nutzern sowohl positiv als auch – überwiegend – negativ kommentiert, wobei die negativen Kommentare unter anderem auf die Unverhältnismäßigkeit des Vergleichs mit dem Holocaust und die damit verbundene Verharmlosung desselben hinwiesen.

Der Angeklagte, der jüdische Vorfahren hat, seit 2017 Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V. ist und im Jahr 2015 versuchte, zum Judentum zu konvertieren, wollte mit dem Post auf die Diskriminierung von Ungeimpften und Impfgegnern – wie ihm selbst – hinweisen und sich als Opfer der Coronapolitik der deutschen Bundesregierung darstellen.“

Hier der Leitsatz zu der KG-Entscheidung:

Die für jedermann zugängliche Veröffentlichung eines sogenannten „Judensterns“ mit dem Zusatz „Ungeimpft“ auf der Plattform Facebook ist zur Störung des öffentlichen Friedens jedenfalls dann nicht geeignet, wenn sie auf ein kritisches persönliches Umfeld trifft und sich aus ihrem übrigen Inhalt – hier der Ankündigung, sich einen „Judenstern“ zu „basteln“ – ergibt, dass sie nicht auf die Provokation unfriedlicher Reaktionen oder die Herabsetzung von Hemmschwellen gegen rechtsgutgefährdende Handlungen angelegt ist.

Corona II: Nichtvorlage eines Impfnachweises, oder: Bußgeld auch bei Weiterbeschäftigung

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Und als zweite Entscheidung stelle ich dann den OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.03.2023 – 2 ORbs 17/23 (210 Js 31415/22) – vor.

Das AG hat den Betroffenen, der als Chirurg arbeitet, wegen vorsätzlicher Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises zu einer Geldbuße von 500 EUR verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde die keinen Erfolg hatte:

„Die Rechtsbeschwerde lässt aus den zutreffenden Gründen der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.

Der Senat ergänzt diese Ausführungen allerdings wie folgt:

Soweit der Betroffene geltend macht, ein Verstoß gegen § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG a. F., wonach die in Abs. 1 Satz 1 genannten Personen dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befand, auf Anforderung einen Nachweis nach Abs. 2 Satz 1 vorzulegen hatten, habe für ihn nicht gegolten, da er mangels Impfung über einen derartigen Nachweis nicht verfügt habe, verfängt dieser Einwand ersichtlich nicht. Die entsprechende Regelung sollte nicht nur die Vorlage vorhandener Nachweise sanktionieren. Vielmehr musste (auch) derjenige, der ungeimpft bleiben wollte, bei Fortsetzung der Tätigkeit mit einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung rechnen (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022, 1 BvR 2649/21, juris, Rn. 114). Dass der Betroffene geglaubt haben könnte, er könne der Vorlagepflicht mit dem Argument, er habe keinen entsprechenden Nachweis, entgehen, ist vor dem Hintergrund der vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht geführten Diskussion – wie die Generalstaatsanwaltschaft schon zutreffend angemerkt hat – abwegig.

Der Hinweis des Betroffenen, gegen ihn sei ein Betretungsverbot nicht verhängt worden, führt nicht dazu, dass die vorherige Weigerung, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen, nicht mit einem Bußgeld sanktioniert werden könnte. Die Möglichkeit des Gesundheitsamtes, trotz Nichtvorlage durch den Beschäftigten, diesen weiterhin seiner Tätigkeit nachgehen zu lassen, ist vom Bundesverfassungsgericht vielmehr lediglich als ein Gesichtspunkt zur Abmilderung des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit, den die zur Erfüllung der Nachweispflicht veranlasste Impfung darstellt, angesehen worden (BVerfG, a. a. O., Randnummer 207, 212, 215).

Insofern hat der Gesetzgeber den vom Betroffenen angeführten Gesichtspunkt, die Aufgabe seiner Tätigkeit als Arzt wäre im Hinblick auf die Patientenversorgung kontraproduktiv gewesen, bereits berücksichtigt und das Gesundheitsamt hier von der genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Auch wenn – wie der Betroffene geltend macht- in anderen Bundesländern Bußgeldbescheide wegen Nichtvorlage von Nachweisen nicht verhängt worden sein sollten, würde dieses nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 GG führen: Der Anspruch auf Gleichbehandlung besteht nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Verwaltungsträger; dieser hat in seinem Zuständigkeitsbereich die Gleichbehandlung zu sichern (BVerwGE 70. Bd., 127,132; BVerfGE 21. Bd., 54, 68).

Soweit der Betroffene meint, bei der Aufforderung zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt, der mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht bestandskräftig geworden sei, sodass hierauf ein Bußgeld nicht habe gestützt werden können, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Er schließt sich vielmehr den ausführlich begründeten Beschlüssen des OVG Lüneburg vom 22.06.2022 (14 ME 258/22) und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 13.6.2022 (1 B 28/22), jeweils juris, an, wonach es sich um eine unselbständige Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO gehandelt hat. Auf die jeweiligen Begründungen wird insoweit verwiesen.

Auch der Einwand des Betroffenen, ein Festhalten am Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.4.2022 sei in keiner Weise mehr zu rechtfertigen, greift nicht durch. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens des Landkreises vom 13.07.2022. Am 27.04.2022 hatte das Bundesverfassungsgericht noch ausgeführt, dass nicht erkennbar sei, dass die Nachweispflicht mittlerweile in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen wäre. Bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt waren lediglich zweieinhalb Monate verstrichen. Aber selbst am 08.09.2022 hat das OVG Lüneburg (14 ME 297/22, juris) diesen Zeitpunkt noch nicht als erreicht angesehen (vergleiche auch OVG NRW, Beschluss vom 23.12.2022, 13 B 1256/22, juris, das auch für diesen Zeitpunkt § 20a IfSG noch als verhältnismäßig angesehen hat).

Die Gegenerklärung gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung:

Dass die Vorlage eines Impfnachweises nicht mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden konnte, weil keine Impfpflicht bestand, ändert an der Rechtmäßigkeit einer Bußgeldbewehrung nichts (vgl. BVerfG a.a.O., RN 267 ff.).

Im Hinblick auf § 4 Abs. 3 OWiG (Meistbegünstigungsprinzip) ist es zwar zutreffend, dass die Ausnahme hiervon durch § 4 Abs. 4 OWiG (Zeitgesetz) dann nicht zum Tragen kommt, wenn „sich der Gesetzgeber zu der getroffenen Regelung aufgrund eines Wandels der Rechtsüberzeugung nicht mehr bekennt.“ (OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 4 RBs 387/21 –, Rn. 50, juris).

Dies gilt aber für Zeitgesetze im weiteren Sinne, also solche, die ihrem Inhalt nach für sich ändernde zeitbedingte Verhältnisse gedacht sind (vgl. Göhler-Gürtler/Thoma, OWiG, 18. Auflage, § 4 RN 10 und 10a).

Hier lag aber bereits ein Zeitgesetz im engeren Sinne vor:

Ein derartiges Zeitgesetz (im engeren Sinne) ist dadurch gekennzeichnet, dass bereits bei seiner Verkündung oder später ein nach dem Kalender festgelegter Zeitpunkt oder ein sonstiges in der Zukunft liegendes Ereignis, an dem das Gesetz außer Kraft treten soll, ausdrücklich bestimmt wird (KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 37; Göhler/Gürtler, § 4 Rn. 10).

(Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 2 RB 69/20 –, Rn. 20, juris).

Nach Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 vom 10.12.2021 wurden §§ 20a und 20b IfSchG bereits zukünftig aufgehoben, denn Art. 23 des Gesetzes sah das Inkrafttreten von Art. 2 für den 1.1.2023 vor. Tatsächlich hat es eine Verlängerung auch nicht gegeben.

Dass dies auf einem Wandel der Rechtsüberzeugung (was gegen ein Zeitgesetz i.w.S. sprechen würde) und nicht auf einer Änderung des Pandemiegeschehens beruht hätte, ist ohnehin nicht ersichtlich.“