Schlagwort-Archive: privilegierende Spezialität

KCanG I: Besitz von Cannabis als Geldwäsche ?, oder: Nicht geringe Menge, Gesamtmenge und verbotener Besitz

Heute stelle ich ein paar Entscheidungen zum KCanG vor. In dem Bereich merkt man m.E. deutlich einen Rückgang der Entscheidungsflut. Auch beim BGH fällt m.E. nicht mehr so viel an.

Zunächst bringe ich hier das OLG Celle, Urt. v. 11.04.2025 – 2 ORs 18/25 – mit folgendem Sachverhalt:.

Das AG – hat den Angeklagten mit Urteil vom 23.01.2024 wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hin hat das LG das amtsgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass es den Angeklagten hinsichtlich eines den 10.04.2023 betreffenden Tatvorwurfs wegen Handeltreibens mit Cannabis schuldig gesprochen hat.  Im Übrigen hat es den Angeklagten hinsichtlich eines den 20.04.2023 betreffenden Tatvorwurf freigesprochen.

Dazu folgende Feststellungen:

„1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befand sich der Angeklagte am 10.04.2023 im Bereich der für Drogen- und Cannabishandel bekannten Straße „A. M.“ in H. und hielt dabei in seiner Hosentasche insgesamt 24,5 Gramm Cannabis in 25 einzeln verpackten Verkaufseinheiten zum gewinnbringenden Weiterverkauf vor, welches er zuvor für 70 Euro erworben hatte. Er beabsichtigte diese für 25 Euro pro Einheit an Abnehmer zu veräußern, um sich eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zur Mitfinanzierung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen.

Zur Beweiswürdigung stellt das Urteil zunächst auf das Teilgeständnis des Angeklagten ab, wonach er das Cannabis zu dem Zweck besessen habe, es mit seinen Freunden zu rauchen. Das Landgericht hat seine weitergehenden, das Handeltreiben tragenden Feststellungen auf die Angaben der Zeugen PK S. und PK’in L. sowie die Ergebnisse der bei dem Angeklagten durchgeführten Wohnungsdurchsuchung gestützt, bei der insbesondere eine Feinwaage aufgewunden wurde.

Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Handeltreiben mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1 KCanG gewürdigt. Es hat eine Gewerbsmäßigkeit seines Handelns angenommen und den Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG zugrunde gelegt und eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten verhängt. Es hat dabei eine kurze Freiheitsstrafe sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen als unerlässlich erachtet. Gleichwohl hat es in der Annahme, dass sich der Angeklagte bereits die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur Warnung dienen lassen wird, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es mangels Hang abgelehnt, weil der Angeklagte glaubhaft versichert habe, mittlerweile keine Betäubungsmittel mehr zu konsumieren.

2. Von dem weiteren Anklagevorwurf aus der Anklageschrift vom 26.05.2023, wonach dieser am 20.04.2023 im Bereich der L. in H. insgesamt 6 Gramm Cannabis in acht einzeln verpackten Verkaufseinheiten zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgehalten haben soll, hat es den Angeklagten freigesprochen. Zwar hat das Landgericht insoweit festgestellt, dass der Angeklagte am 20.04.2023 um 21:00 Uhr im Bereich der L. in H. insgesamt 6 Gramm Cannabis (netto) in acht einzeln Verpackten Verkaufseinheiten in einem größeren Plastikbeutel mit sich führte, die er zuvor für 50 Euro erworben hatte. Von einem Handeltreiben hat sich die Kammer jedoch nicht zu überzeugen vermocht. Dabei hat es einerseits den vom Angeklagten angeführten Eigenkonsum/Eigenbedarf wie auch die „relativ geringe Menge“ und den Umstand, dass der Angeklagten nicht an einem „klassischen“ Handelsplatz angetroffen worden ist, in den Blick genommen. Ferner hat es gewürdigt, dass keine Verkaufshandlungen beobachtet worden sind und der Angeklagte keine größere Bargeldmenge mitgeführt hat. Andererseits hat es die einschlägigen Vorstrafen wegen Handeltreibens bedacht.“

Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der der freisprechende Teil des Urteils beanstandet wird. Die Staatsanwaltschaft macht unter Beschränkung auf den den 20.04.2023 betreffenden Tatvorwurf eine Verletzung des § 264 StPO geltend, weil das Landgericht das Verhalten nicht unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend behandelt habe.

Das hat das OLG anders gesehen. Die Revision hatte keinen Erfolg. Das OLG geht davon aus, dass das LG bei seiner Entscheidung nicht gegen die aus § 264 Abs. 2 StPO resultierende Kognitionspflicht verstoßen habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung verweise ich auf den verlinkten Volltext und beschränke micht hier auf die Leitsätze des OLG:

1. Der Anwendungsbereich des § 261 StGB ist mittels teleologische Reduktion dahingehend einzuschränken, dass der Erwerb und Besitz von Cannabis unterhalb der Schwellenwerte von § 34 Abs. 1 Nrn. 1, 12 KCanG nicht zu einer Geldwäschestrafbarkeit führt (Anschluss an OLG Hamburg, Urt. v. 12.12.2024 – 5 ORbs 21/24).

2. § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG entfaltet in diesem Fall gegenüber § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB privilegierende Spezialität.

Und dann habe ich noch eine weitere Entscheidung, und zwar OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.04.2025 – 1 ORs 3 SRs 55/24 -, der sich noch einmal zur Ermittlung der „nicht geringen Menge“ äußert – Stcihwort: Gesamtmenge. Das OLG schließt sich dem BGH an (vgl. BGH Beschl. v. 12.06.2024 – 1 StR 105/24; BGH Beschl. v. 24.04.2024 – 4 StR 50/24; BGH Beschl. v. 30.04.2024 – 6 StR 536/23), und zwar mit folgendem Leitsatz:

Für § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ist die im Besitz befindliche Gesamtmenge an Cannabis als verbotener Besitz zu Grunde zu legen; zur Bestimmung einer nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG hat aber derjenige Teil der Gesamtmenge an Cannabis, mit dem der jeweilige Umgang straffrei wäre, außer Betracht zu bleiben.

Corona I: BGH-Schlussstrich zur Impfpassfälschung, oder: Impfpassfälschung auch Urkundenfälschung

Bild von André Globisch auf Pixabay

Und heute dann mal wieder ein „Corona-Tag“, allerdings nicht mit neuen Problemen, sondern mit Naxhträge = Entscheidungen zu Fragen, die die Öffentlichkeit während der Hochzeit der Pandemie beschäftigt haben und/oder zu Nachwirkungen.

Zunächst hier dann noch das BGH, Urt. v. 10.11.2022 – 5 StR 283/22 – zur Frage der Strafbarkeit der Impfpassfälschung nach altem Recht. Ich erinnere: Unter Geltung des „alten Rechts“ ist ja heftig darum gestritten worden, ob das Fälschen von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB a.F. zur (einfachen) Urkundenfälschung nach § 267 StGB im Verhältnis sog. privilegierender Spezialität steht Auch ich hatte dazu ja einige Beiträge zu Entscheidungen, vgl. z.B. Corona I: Wieder Vorlage des gefälschten Impfpasses, oder: Wann kommt dazu etwas vom BGH? oder Corona II: Nochmals Fälschung von Impfausweisen pp, oder: Doch keine Sperrwirkung zu § 267 StGB.

Und dann hatte sich ja auch der BGH im November 2022 mit der Frage befasst. Grundlage war ein Urteil des LG Hamburg, das den Angeklagten frei gesprochen hatte. Das LG war von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„Der Angeklagte entschloss sich, im August 2021 in H. eigenhändig Impfausweise mit Eintragungen zu angeblichen Impfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus anzufertigen oder bereits bestehende Impfausweise mit solchen Eintragungen zu ergänzen, um die Impfausweise gegen Bezahlung anderen Personen zu überlassen. Hiermit sollte den Abnehmern ermöglicht werden, mittels der Impfausweise Schutzimpfungen nachzuweisen, um in Apotheken digitale Impfzertifikate zu erlangen oder aufgrund der COVID-19-Pandemie bestehende Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte, etwa in der Gastronomie, zu umgehen. Der Angeklagte beabsichtigte, sich durch diese Geschäfte eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.

In Umsetzung seines Plans fertigte er zwischen dem 25. August und dem 9. September 2021 Impfausweise dadurch an, dass er entweder unausgefüllte Impfausweisvordrucke auf der Vorderseite mit den Personalien der angeblich geimpften Personen beschriftete oder bereits mit Personalien beschriftete Impfausweise verwendete, um dann jeweils auf den inneren Seiten des Impfausweises angebliche Impfungen einzutragen. Hierzu vermerkte er die vermeintlichen Daten für Erst- und Zweitimpfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus handschriftlich und versah die Eintragungen jeweils in derselben Zeile mit selbst gedruckten Aufklebern des angeblich verwendeten Impfstoffs „Comirnaty“ einschließlich fiktiver Chargennummern sowie mit dem Stempel „Landkreis H., Impfzentrum B., R. Straße 27, B.“. Auf dem Stempel unterschrieb er jeweils mit einem nachgeahmten oder erfundenen Namenszug, um hierdurch den Eindruck zu erwecken, die betreffende Unterschrift sei von einem Arzt des Impfzentrums geleistet worden.

Der Angeklagte führte insgesamt neun Bestellungen zur Herstellung gefälschter Impfbescheinigungen aus, wobei er teils mehrere Dokumente erstellte, etwa wenn ein Abnehmer nicht nur für sich, sondern auch für Angehörige gefälschte Impfdokumente bestellt hatte.

Während in den Anklagefällen 2 bis 9 die vom Angeklagten gefertigten Impfbescheinigungen an die Abnehmer übergeben wurden, konnten im Anklagefall 11 die bereits fertiggestellten Dokumente beim Angeklagten sichergestellt werden. Außerdem wurden bei ihm 188 Impfausweisvordrucke, weitere 203 mit Chargennummernaufklebern versehene Impfpassvordrucke, ein Etikettendruckgerät sowie der vorbenannte Stempel mit den Daten „Impfzentrum B.“ gefunden. Zudem wurden 33.100 Euro sichergestellt, die nach den Wertungen des Landgerichts nicht aus Betäubungsmittelgeschäften stammen und deren Herkunft aus Impfausweisgeschäften „naheliegt“.“

Das LG hatte aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil der Angeklagte durch das Erstellen unzutreffender Impfbescheinigungen keinen Straftatbestand erfüllt habe.

Der BGH hat das anders gesehen. Er verneint zwar mit dem LG eine Strafbarkeit wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB a.F. Es fehle an der Verwirklichung des zweiten Teilakts der Tathandlung. Denn anders als für den Tatbestand der Urkundenfälschung genüge es nicht, dass die Urkunde in der Absicht hergestellt wird, sie später zur Täuschung im Rechtsverkehr zu gebrauchen. Vielmehr verlangt der Tatbestand des § 277 StGB a.F .den Gebrauch der Urkunde. Hinzu tritt, dass nicht der Gebrauch im allgemeinen Rechtsverkehr von der Vorschrift erfasst wird, sondern nur der Gebrauch zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften. An diesen – den Tatbestand des § 277 StGB a.F. entscheidend von denjenigen des § 267 StGB abhebenden Voraussetzungen – fehle es.

Aber: Der BGH verneint die vom LG angenommene Spezialität mit privilegierendem Charakter des § 277 StGB a.F. gegenüber § 267 StGB. Die bestehe nicht. Vielmehr handele es sich um zwei Tatbestände, die verschieden geartete Begehungsweisen erfassen, aber gemeinsame Unrechtselemente aufweisen, so dass es zu einer im Strafgesetzbuch nicht ungewöhnlichen Überschneidung der Anwendungsbereiche kommt. Die Anwendbarkeit des einen Tatbestands schließe die Anwendbarkeit des anderen deswegen nicht aus.

So viel muss aus dem umfangreich begründeten Urteil reichen. Wer mehr lesen möchte/muss, der verlinkte Volltext steht dafür zur Verfügung.

.