Corona II: Einrichtungsbezogene Nachweispflicht, oder: Kein Betretungs- und kein Tätigkeitsverbot

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Und dann als zweite Entscheidung noch der OLG Celle, Beschl. v. 06.06.2023 – 2 ORbs 132/23 – zur Ordnungswidrigkeit von Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz, Stichwort: Einrichtungsbezogene Nachweispflicht. Das AG hatte die Betroffene

„wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die in § 20a Abs. 2 und 5 IfSG in der zum Zeitpunkt der ihr zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit geltenden Fassung (im Folgenden: § 20a Abs. 2 und 5 IfSG a.F.) geregelte Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 7 e) und h) IfSG in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung (im Folgenden: 73 Abs. 1a Nr. 7 e) und h) a.F.) zu einer Geldbuße in Höhe von 500 € verurteilt. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen war die Betroffene zum Tatzeitpunkt als Gesundheits- und Krankenpflegerin für die D. D. in B. gGmbH tätig. Trotz Kenntnis ihrer gesetzlich geregelten Verpflichtung legte sie ihrem Arbeitgeber bis zum Ablauf des 15.03.2022 keinen Coronaimpf- oder Genesenennachweis vor. Der nachfolgenden Aufforderung des zuständigen Gesundheitsamtes, einen entsprechenden Nachweis dort bis zum 12.04.2022 vorzulegen, kam sie lediglich insoweit nach, als dass sie einen am 06.04.2022 bei der Behörde eingegangenen Genesen-Nachweis übermittelte, dessen Gültigkeit am 07.04.2022 ablief. Einen Nachweis über eine Corona-Schutzimpfung oder ein ärztliches Zeugnis über eine etwaige medizinische Kontra-indikation für diese Impfung legte sie hingegen nicht vor. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht hat sich die Betroffene dahin eingelassen, sie habe keinen Impfnachweis vorlegen können, da sie sich zuvor einmal mit dem Corona-Virus infiziert, jedoch keine Symptome ver-spürt gehabt habe, weshalb sie die Corona-Schutzimpfung nicht befürwortet und sich daher nicht impfen lassen habe.

Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie macht insbesondere geltend, dass Amtsgericht sei zu Unrecht von einem vorsätzlichen Verstoß gegen ihre Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises ausgegangen. Da sie über keinen Nachweis verfügt habe, sei ihr die Vorlage eines solchen Nachweises objektiv unmöglich gewesen. Zudem habe ihr das Gesundheitsamt trotz des fehlenden Nachweises im Rahmen des vom Gesetz eingeräumten Ermessens kein Betretens- oder Tätigkeitsverbot nach § 20a Abs. 5 IfSG a.F. erteilt. Auf eine solche Fallkonstellation sei der bei ihrer Verurteilung zugrunde gelegte Bußgeldtatbestand des § 73 Abs. 1a Nr. 7 h) IfSG nicht anwendbar. Seine Anwendung scheide auch deshalb aus, da hinsichtlich der vom Gesetzgeber eingeführten Regelungen in § 20a Abs. IfSG a.F. zur sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht ein strukturelles Vollzugsdefizit vorgelegen habe, aus der sich die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Regelungen ergebe. So habe die Landesregierung des Freistaates Bayern am 15.02.2022 offiziell angekündigt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht aussetzen zu wollen, da diese nach ihrer Ansicht nicht als wirksames Mittel zur Begleitung, Dämpfung oder zum Stoppen der damals zu verzeichnenden Omikron-Welle anzusehen gewesen sei. Gleichlautende Stellungnahmen habe es aus anderen Bundesländern gegeben. Gleichwohl habe der Bundesgesetzgeber nähere Bestimmungen zu einer bundeseinheitlichen Anwendung der Regelungen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht bewusst unterlassen.

Schließlich wendet die Betroffene ein, es handele sich bei den genannten Regelungen um ein Zeitgesetz i.S. von § 4 Abs. 4 OWiG, das vom Gesetzgeber bewusst nicht verlängert worden sei, so dass die sog. Meistbegünstigungsklausel des § 4 Abs. 3 OWiG hätte zur Anwendung kommen und die Betroffene freizusprechen gewesen wäre.W

Das hat das OLG anders gesehen und die Rechtsbeschwerde verowrfen. Hier die Leitsätze zu der OLG-Entscheidung:

1.Die bis zum 31.12.2022 befristeten Regelungen zur einrichtungsbezogene Nachweispflicht in §§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 S. 1 IfSG in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung unterfallen nicht der Meistbegünstigungsklausel des § 4 Abs. 3 OWiG.

2.Der Bußgeldtatbestand in § 73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung ist auch dann anwendbar, wenn das Gesundheitsamt dem Betroffenen kein Betretens- oder Tätigkeitsverbot erteilt hat.

3.Ein zur Verfassungswidrigkeit der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht in §§ 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 S. 1 IfSG in der vom 12.12.2021 bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung begründendes strukturelles Vollzugsdefizit ist nicht gegeben.

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