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Pflichti II: Kein Sicherungsverteidiger wegen Corona-Pandemie, oder: Aber Rechtsmittel zulässig

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Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 05.05.2020 – 4 Ws 94/20. Den hat der Kollege Urbanzyk aus Coesfeld erstritten.

In dem Verfahren, in dem der Kollege tätig war – Vorwur der sexuellen Nötigung – ist ein Sicherungsverteidiger beantragt worden (jetzt § 144 StPO). Begründet worden ist das mit der Corona-Pandemie und dem Risiko, dass ggf. Verfahrensbeteiligte, also auch der Verteidiger, nicht (weiter) an der Hauptverhandlung teilnehmen können. Das hat das LG abgelehnt. Dagegen die sofortige Beschwerde, die das OLG zurückgewiesen hat. Hier die Begründung, wobei es mir um die Ausführungen des OLG zur Zulässigkeit des Rechtsmittels geht:

„Der Senat nimmt gleichfalls Bezug auf die zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft. Ohne weitere Anhaltspunkte (etwa konkrete Krankheitsverdachtsfälle im näheren Umfeld des ersten Pflichtverteidigers o.ä.) ergibt sich derzeit aus der Ansteckungsgefahr mit der Covid-19-Erkrankung kein Risiko, welches nennenswert über das allgemeine Risiko, dass Verfahrensbeteiligte krankheitsbedingt an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen können, hinausgeht. Die Zahl der Infektionen bzw. Neuinfektionen war und ist – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – sehr gering. Zudem bestünde selbst im Falle einer Infektion angesichts des meist milden Krankheitsverlaufs und – nach derzeitigem Stand – nach dem Ablauf von zwei Wochen nach einer Infektion nicht mehr bestehender Ansteckungsgefahr eine erheblich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Hauptverhandlung bei krankheitsbedingtem Ausfall einzelner Hauptverhandlungstage immer noch innerhalb der Fristen des § 229 StPO fortgesetzt werden kann.

Ergänzend bemerkt der Senat, dass das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 144 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 142 Abs. 7 StPO auch in den Fällen statthaft ist, in denen die erstmalige Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers (Sicherungsverteidigers) abgelehnt wurde. Zwar spricht die Einordnung der Regelung über die Geltung des § 142 Abs. 7 StPO als S. 2 von § 144 Abs. 2 StPO zunächst einmal dafür, dass sich der Verweis auch nur auf Rechtsmittel gegen Entscheidungen nach § 144 Abs. 2 S. 1 StPO (also die Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Verteidigers) bezieht. Abgesehen davon, dass kein vernünftiger Grund erkennbar ist, warum die Bestellung oder Nichtbestellung eines (ersten) Pflichtverteidigers nach § 142 Abs. 7 StPO sowie die Aufhebung der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers, nicht aber die Bestellung oder Ablehnung der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbar sein soll, geht der Gesetzgeber selbst von einer entsprechenden Anfechtbarkeit aller dieser Fälle aus (BT-Drs. 19/13829 S, 50; vgl. auch: Beck-OK-StPO-Krawczyk, 36. Ed., § 144 Rdn. 12).

Der Angeklagte hat auch ein Rechtsschutzinteresse bzgl. eines Rechtsmittels gegen die Nichtbestellung eines Sicherungsverteidigers. § 144 Abs. 1 StPO dient nicht nur dem öffentlichen Interesse der Verfahrenssicherung im Sinne einer effektiven Strafrechtspflege, sondern auch dem Interesse des Angeklagten an der Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes (vgl. BT-Drs. 19/13829 S, 49 f.).“

Corona II: Ablehnung der Terminsaufhebung wegen Corona-Pandemie, oder: Keine Beschwerde

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Die zweite Entscheidung des Tages hat dann auch mit Corona zu tun. Und zwar Terminsaufhebung in „Corona-Zeiten“. Der OLG München, Beschl. v. 20.03.2020 – 2 Ws 364/20 – ist zwar schon etwas älter – er stammt vom Anfang des Lockdown. Aber: Die entschiedenen Fragen können ja, wenn es eine zweite Welle geben sollte, – hoffenlich nicht – noch einmal an Bedeutung gewinnen.

Ergangen ist der Beschluss in einem Schwurgerichtsverfahren. Gegen den Angeklagten fand die Hauptverhandlung seit dem 12.11.2019 statt. 16 Verhandlungstermine waren bereits durchgeführt. Als weitere Termine für die Hauptverhandlung waren Montag, der 23.03.2020 und Dienstag, der 31.03.2020 bestimmt. Der Angeklagte und sein Verteidiger hatten wegen der Gefahr, sich mit Coronaviren anzustecken, beantragt, diese Termine aufzuheben und die Hauptverhandlung auszusetzen.Das ist abegelehtn worden. Dagegen die Beschwerde.

Das OLG hat die als unzulässig angesehen:

„Die Beschwerden gegen die richterliche Verfügung vom 18.03.2020 sind unzulässig, da nicht statthaft. Denn nach § 305 S. 1 StPO sind die Ablehnung der Aufhebung von Verhandlungsterminen und der Aussetzung eines Verfahrens grundsätzlich nicht anfechtbar, da solche Entscheidungen der Urteilsfällung vorausgehen und deshalb nur zusammen mit dem Urteil mit dem dagegen statthaften Rechtsmittel, hier der Revision, angefochten werden können (KK-StPO/Gmel, 8. Auflage 2019, StPO § 228 Rn. 14; KK – StPO/Zabeck, 8. Auflage 2019, StPO § 305 Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 22.11.2001 – 2 BvQ 46/01, NStZ-RR 2002, 113; OLG Düsseldorf, NJW 1997, 2533; OLG Hamm, NJW 1978, 283).

Lediglich in Ausnahmefällen kann eine Beschwerde statthaft sein, etwa wenn die Terminaufhebung und Verfahrensaussetzung vom Gericht ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig abgelehnt wurde (OLG Celle, NStZ 2012, 176 für die Ablehnung eines Antrags auf Terminverlegung; vgl. auch OLG München, NStZ 1994, 451).

Solches lässt sich hier jedoch nicht feststellen.

Zum einen ist trotz der erheblichen, nicht im Bereich der Justiz liegenden Einschränkungen aufgrund der Anordnungen der Bayerischen Staatsregierung der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt. Denn nicht nur die Vertreter der Presse haben Zutritt zu der Verhandlung, sondern auch sonstige Personen, z.B. Angehörige, sofern sie sich im Rahmen der verhängten Ausgangsbeschränkungen halten. Eine absolute Ausgangssperre hat die Bayerische Staatsregierung nicht angeordnet. Deshalb werden stichprobenartige körperliche Untersuchungen von Zuhörern vorgenommen, um Verdachtsfälle auf Infizierung mit dem Coronavirus von vorneherein herauszufiltern und erst gar nicht in den Sitzungssaal zu lassen. Auch dürfen nicht alle vorhandenen Sitzplätze belegt werden, vielmehr müssen größere Abstände zwischen den einzelnen Zuhörern sein. Diese Sicherheitsvorkehrungen wären im Falle einer Ausgangssperre überflüssig. Dann könnte nämlich allen potentiellen Zuhörern mit Ausnahme der Vertreter der Presse der Zutritt zum Sitzungssaal ohne Prüfung auf eine Infizierung mit dem Coronavirus unter Berufung auf die staatlich angeordnete Ausgangssperre verweigert werden.

Zum anderen wurden in der angefochtenen Verfügung das Gesundheitsrisiko für die Verfahrensbeteiligten, mithin auch für den Angeklagten pp. im Falle der Durchführung der Hauptverhandlung einerseits und das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung des Strafprozesses andrerseits, damit dem staatlichen Strafanspruch Geltung verschafft werde, sorgfältig abgewogen. Auf die Verfügung vom 18.03.2020 wird Bezug genommen. Das Gericht hat nicht nur Sicherheitsvorkehrungen gegen eine mögliche Ansteckungsgefahr getroffen, sondern auch die Dauer des Verhandlungstermins erheblich verkürzt, um das Ansteckungsrisiko zu mindern. Zudem werden für alle Besucher des Strafjustizzentrums Kontrollen in Form von Selbstauskünften durchgeführt, um einer Verbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken.

Aus den genannten Gründen wären die Beschwerden, selbst wenn sie als statthaft und damit als zulässig erachtet würden, jedenfalls unbegründet.

Ob zusätzlich noch weitere Maßnahmen, wie etwa im Schriftsatz des Verteidigers vom 20.03.2020 beantragt, erforderlich sind, um die Gefahr einer Ansteckung möglichst gering zu halten, muss die 2. Strafkammer in eigener Zuständigkeit entscheiden.“

Wie gesagt: Die Problematik hat sich inzwischen „entschärft“, u.a. auch durch den § 10 EGStPO.